Verbesserte Raumakustik und Klangerleben in der Staatsoper Unter den Linden
von Redaktion,
Der kulturhistorisch bedeutendste Theaterbau Berlins macht nach einer Generalinstandsetzung mit einem vergrößerten Raumvolumen auf sich aufmerksam, das sowohl den Wünschen der dort auftretenden Künstler gerecht wird als auch den Anforderungen des Denkmalschutzes Rechnung trägt. Die neu eingebrachte Beschallungstechnik hat das Haus in Kombination mit den architektonischen Maßnahmen in eine Spielstätte verwandelt, die dem internationalen Vergleich standhält.
Nach umfangreichen Umbaumaßnahmen wurde der reguläre Spielbetrieb in der Staatsoper Unter den Lindenam 7. Dezember 2017 wieder aufgenommen – exakt 275 Jahre nach der Einweihung des Hauses im Jahr 1742. Das im Volksmund aufgrund seiner Lage am Prachtboulevard „Unter den Linden“ als „Lindenoper“ bekannte Gebäude blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück und war zur Zeit seiner Errichtung das erste freistehende Opernhaus in Deutschland sowie das größte europäische Operngebäude.
Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hatte im Jahr 2008 eine Generalinstandsetzung ausgeschrieben, die neben dem Operngebäude mit Zuschauer- und Bühnenhaus auch das Intendanzgebäude, das unterirdische Verbindungsbauwerk sowie einen Teil des als Probenzentrum genutzten Magazingebäudes umfasste. Den Zuschlag für Generalinstandsetzung, Umbau des Zuschauersaals sowie Renovierung und Erweiterung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes erhielt 2009 die Stuttgarter hg merz architekten museumsgestalter GmbH. Der Auftrag für Raum- und Gebäudeakustik sowie für die audiovisuelle Ausstattung samt der elektroakustischen Planung wurde an die Peutz Consult GmbH vergeben. Wichtige Eckpunkte des Sanierungskonzepts waren ein Neubau der Bühnentechnik sowie die Aktualisierung der Medien- und Inspiziententechnik – angestrebt (und erreicht) wurde internationales Niveau.
Der Zuschauersaal mit Platz für etwas mehr als 1.300 Gäste sollte gemäß Wunsch des Auftraggebers in seiner besonderen Anmutung erhalten bleiben, die Saalakustik jedoch deutlich hörbar verbessert werden, was eine Verlängerung der Nachhallzeit erforderte. Die Absorption des Klangs und das Raumvolumen eines Baukörpers sind die beiden entscheidenden Parameter, wenn es um Mischung und Dauer des Klangs geht. Für die Verbesserung der Klangreflexion wurden Lösungen rund um die Wandverkleidung, Stoffe und Polsterungen etc. gefunden. Durch eine Anhebung der Kuppeldecke sowie eine Verlängerung des Proszeniums – des vorderen Bereichs der Theaterbühne – konnte in der Staatsoper die erforderliche Volumenerhöhung erreicht werden. Somit hat der Klang der Musik mehr „Platz“ zur Entfaltung. Die Anhebung der Saaldecke um etwa 5 m wurde innerhalb der vorhandenen Gebäudekubatur realisiert. Das äußere Erscheinungsbild des Hauses erfuhr somit keine bauliche Veränderung.
CBPC wird erstmals architektonisch sichtbar eingesetzt
Die Anhebung der Decke resultiert in einer vormals nicht vorhandenen Galerie oberhalb des dritten Rangs, die den Saal unter Ausnutzung der historischen Dachgeometrie erweitert. Die „Nachhallgalerie“, die den Schnitt zwischen Zuschauersaal und angehobener Decke markiert, ist mit einem schalldurchlässigen Gitterwerk versehen, das sich von den ortstypischen Schmuckelementen absetzt, ohne jedoch den stilistischen Rahmen des Saals zu verlassen. Das moderat moderne Rautenmuster greift auf das Gestaltungsrepertoire von Architekt Richard Paulick zurück, der den Wiederaufbau der Staatsoper nach dem Zweiten Weltkrieg leitete.
Die außergewöhnliche Rautenkonstruktion besteht aus glasfaserverstärkter Phosphatkeramik (CBPC), welche in die gewünschte Form gegossen wurde, sämtliche Brandschutzanforderungen erfüllt und bezüglich ihrer Statik selbsttragend ist. Die Staatsoper ist dem Vernehmen nach weltweit das erste Projekt, in dem CBPC sichtbar architektonisch eingesetzt wurde. In seiner Gesamtheit führte der rekonstruierende Umbau des Konzertsaals dazu, dass heute Hörbedürfnisse anspruchsvoller Musiker mit den Vorgaben der Denkmalpflege versöhnt sind und sich die Nachhallzeit auf für Opernaufführungen angenehme 1,6 Sekunden (vormals 1,1 Sekunden) beläuft – ganz so, wie es von Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor der Staatsoper und von der Staatskapelle Berlin auf Lebenszeit gewählter Chefdirigent, gewünscht wurde.
Elektroakustische Beschallung
Die Erneuerung der Medientechnik in der Staatsoper Berlin wurde in Anbetracht von Umfang und Komplexität des Projekts durch eine Arbeitsgemeinschaft aus Amptown System Company (ASC)und der Salzbrenner media GmbH umgesetzt. Innerhalb dieser Arbeitsgemeinschaft war ASC für die Video- und Beschallungssysteme sowie die IT-Netze verantwortlich – ebenso wie für das übergreifende Projektmanagement. Als ASC-Projektleiter waren Christoph Wegner, Leiter der Berliner ASC-Niederlassung, sowie B.Eng. Medientechnik Tony Hundt zuständig. Salzbrenner media verantwortete die Inspiziententechnik, die Audiomischpulte und die Signalverteilung auf Basis des digitalen Audionetzwerks Nexus. In der zum Konzertsaal gehörenden Regie ist ein digitales Yamaha Mischpultsystem der neuesten Generation installiert.
Allein im Spielplan 2017/18 wurden mehr als 290 Veranstaltungen mit einem breiten Spektrum in der Staatsoper geplant. Daher bedurfte es einer ausgeklügelten und flexiblen Beschallung, die eine Vielfalt an Inszenierungen und den Wechsel von Musik- auf Sprachbeschallung für das Publikum professionell begleitet. Als Teile der elektroakustischen Beschallung kommen im Saal der Staatsoper Komponenten des deutschen Herstellers d&b audiotechnik sowie der US-amerikanischen Firma Meyer Sound zum Einsatz. Neben den akustischen spielen dabei auch optische Kriterien eine wichtige Rolle: Die Lautsprecher sind im Saal derart montiert, dass sie visuell kaum auffallen, die Sicht nicht beeinträchtigen und sich unmerklich in das Ambiente integrieren.
Insgesamt wurden 120 kleine, würfelförmige Lautsprecher und 40 Kompakt-Subwoofer verbaut. Punkten konnten die Lautsprecher zum Zeitpunkt der Planung nicht zuletzt durch ihre geringen Abmessungen. Weitere bewährte Boxen finden – auf Stativen montiert und daher ebenso mobil wie ortsflexibel einsetzbar – bei besonderen Anlässen Verwendung. Unauffällig sind zudem 40 Hochleistungslautsprecher in die Beleuchterzüge, die Saaldecke, die Portalbrücke und die „Nachhallgalerie“ integriert. Lautsprecher befinden sich in den Portalen hinter bemalten, akustisch transparenten Stoffabdeckungen und einem Centercluster. Zwölf Subwoofer sorgen für Klangunterstützung im tieffrequenten Bereich, für aus der Hinterbühne kommende Einspielungen hat ASC weitere Tieftöner installiert.
Der Einsatz so zahlreicher Lautsprecher ist der Raumsituation in der Lindenoper geschuldet, denn sie bildet eine entscheidende Grundlage für den Klangeindruck der Zuhörer und dafür, ob sich die Musiker innerhalb ihres Ensembles und im Saal wohlfühlen. Die Raumarchitektur – speziell die vier Ränge – verursacht die Abschattung mancher Zuhörerplätze sowie auch die partielle Abschattung der Musiker im Orchestergraben. Das Beschallungskonzept hat daher unmittelbare Auswirkung auf die Räumlichkeit des Klangs und stellt ein bedeutsames Kriterium für die Qualität eines Saals dar.
Attraktive Inszenierungsmöglichkeiten mit 3D-Audio
Besondere szenische Effekte lassen sich im Saal mittels einer dreidimensionalen Klangwiedergabe realisieren. Die zugehörige Hard- und Software wird von Vanmunster BV unter dem Label „Astro Spatial Audio“ vermarktet. Im Prinzip handelt es sich um eine abgespeckte Form der Wellenfeldsynthese: Ziel ist eine dreidimensionale Klangwiedergabe, die mithilfe unterschiedlicher Lautsprecherebenen und einer Vielzahl von Ausspielpunkten erzielt wird. Ergebnis ist im Idealfall das Eintauchen der Hörer in eine virtuell erzeugte Umgebung. Der Fachbegriff hierfür lautet „akustische Immersion“.
Eingebunden in das Stage Tec Nexus-Audiorouting können beispielsweise spezielle Klangeffekte mehr oder weniger frei im Raum platziert werden oder Chöre virtuell um den Zuschauerraum „wandern“. Letzteres sorgte im Opernhaus Zürich unter Federführung von Tonmeister Oleg Surgutschow bereits 2016 bei Aufführungen von „Die Hamletmaschine“ für Aufmerksamkeit. Die Lokalisation ist in einem weiten Rahmen manipulierbar, was sich auch nutzen lässt, um einzelne Protagonisten auf einer breiten/tiefen Bühne besser orten zu können. Unterstützt wird auch das automatisierte Tracking von mit „Tags“ versehenen Akteuren, wovon in der Staatsoper Unter den Linden allerdings derzeit noch kein Gebrauch gemacht wird. Um die Immersion noch intensiver zu gestalten, lassen sich Licht- und Videotechnik mit in das Geschehen einbinden.
Digitale Drahtlostechnologie
Zur drahtlosen Audiosignalübertragung finden in der Staatsoper Wireless-Komponenten aus der „Axient Digital“-Serie von ShureVerwendung, bis zu 34 Übertragungskanäle werden parallel eingesetzt. Durch die Übertragung von zwei identischen Signalen auf voneinander unabhängigen Trägerfrequenzen ist maximale Betriebssicherheit gewährleistet. Die zuschaltbare AES-Verschlüsselung sorgt auf Wunsch für eine abhörsichere Übertragung. „Die HF-Übertragungstechnik ist eine der besonderen Herausforderungen in diesem Projekt“, sagt Stefan Thomsen, ASC Senior Sales Manager Kommunikations- und Informationssysteme. In der Staatsoper werden unterschiedliche Funksysteme wie Drahtlosmikrofonie, Wireless Intercom und In-Ear-Monitoring in diversen, zum Teil weit voneinander entfernten Gebäudeteilen genutzt, wobei eine lückenlose Funkabdeckung gewährleistet sein muss. Für die verlustfreie Übertragung sämtlicher Hochfrequenz-Signale (HF) in die unterschiedlichen Areale des weitläufigen Gebäudes hat ASC ein auf Glasfaserleitungen basierendes HF-Distributionssystem von The Wireless Works integriert – eine zeitgemäße Lösung, die armdicke Kupferkabel obsolet macht. Über die Bühne und den Zuschauersaal hinaus sind das Foyer, der Apollosaal und die Mitarbeitergänge an zwei Technikzentralen angebunden. Weitere Audiotechnik betrifft beispielsweise AV-Signalumschalter von Extron für Blu-ray, CD, Drahtlosmikrofonie und Zuspieler-PC. Verbunden mit dem IT-Hausnetz besteht Zugriff auf im Haus aufgezeichnete (Konzert-)Mitschnitte für Recording-/ Streaming-Einsätze.
Angenehme akustische Umgebung als Ergebnis
ASC Projektleiter Christoph Wegner zieht nach Abschluss aller Arbeiten ein positives Fazit: „Gemeinsam mit dem ASC-Team war ich rund sechs Jahre lang mit dem Projekt befasst, und während der gesamten, außergewöhnlich langen Projektlaufzeit haben wir kontinuierlich daran gearbeitet, ein rundum überzeugendes Ergebnis zu erreichen. Wir haben fortwährend nach Optimierungen technischer Natur gesucht und freuen uns, dem in der Staatsoper tätigen Team rund um Tonmeister Christoph Koch, Leiter der Tonabteilung, ein herausragend gutes Audiosystem übergeben zu können, dessen konkrete Ausgestaltung zu Beginn der Arbeiten im Jahr 2012 noch nicht in Gänze absehbar war.“
Letztlich wurde die Generalinstandsetzung der Staatsoper Unter den Linden nach für ein Projekt dieser Größenordnung nicht unüblichen Kosten- und Terminüberschreitungen erfolgreich abgeschlossen. Regelmäßige Besucher erkennen „ihre“ Staatsoper Unter den Linden dank des gewohnten Ambientes auch nach dem Umbau wieder, können anspruchsvolle Aufführungen heute jedoch in einer angenehmeren akustischen Umgebung als jemals zuvor genießen.