Kommunikationsraum
Interview zum Pilotprojekt museum4punkt0

Museen auf digitalem Kurs

Seit Mai 2017 testet und untersucht das Projekt museum4punkt0 den Einsatz moderner Technologien wie Virtual oder Augmented Reality in sechs Kultureinrichtungen bundesweit. Es geht darum, individuelle Angebote für Besucher darzustellen, neue Zielgruppen zu generieren und Prototypen zu entwickeln, die zusammen mit den gewonnenen Erkenntnissen auch anderen Museen zur Verfügung gestellt werden sollen.

3D-digitalisiertes Mondauto
Aus einem Projekt des Deutschen Museums: 3D-digitalisiertes Mondauto, das MuseumsbesucherInnen über eine virtuelle Mondoberfläche steuern können.

Wie könnte der Einsatz von digitalen Technologien und Medientechnik dabei helfen, Wissen in Museen innovativer zu vermitteln? In welcher Weise wäre es für Szenografen und Ausstellungsgestalter denkbar, Anwendungen aus dem Bereich Virtual und Augmented Reality im musealen Kontext zu integrieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt museum4punkt0, das von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit ihren Staatlichen Museen zu Berlin gesteuert wird. Mit fünf weiteren Partnern arbeitet die Stiftung im Verbund zusammen, um neue Wege der Kommunikation zu finden – sowohl mit den Besuchern als auch untereinander. Die Einrichtungen sind bundesweit verteilt und unterscheiden sich sowohl in ihrer Größe als auch in ihrem Schwerpunkt. Dazu gehören die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven und die Fastnachtsmuseen Langenstein und Bad Dürrheim. Ebenso sind das Deutsche Museum in München und das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz beteiligt, beide Teilprojekte stellt KommunikationsRaum. als Fallstudie im Detail vor.

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Erklärtes Ziel des Projekts museum4punkt0 ist es, die individuell erarbeiteten Prototypen sowie medientechnischen und technischen Lösungen gemeinsam zu evaluieren und zu dokumentieren, um sie auf die weitläufige Museumslandschaft in Deutschland zur Nachnutzung bereitzustellen und von dem gegenseitigen Wissenstransfer zu profitieren. Gefördert wird diese Initiative von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit insgesamt 15 Mio. Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren (2017 bis 2020).

Interview zum Museum der Zukunft

Dabei untersucht die Initiative museum4punkt0 insbesondere Fragestellungen rund um den Einsatz von Virtual Reality, Mixed Reality und Augmented Reality. Welche Art von Inhalten eignen sich besonders für die Aufbereitung in dreidimensionale Formate, worin liegen die Vorteile, ein real existierendes Objekt oder einen Lebensraum virtuell darzustellen? Welche Möglichkeiten bieten sich außerdem für Museen, digitale Technologien und Medientechnik für optimierte interne Abläufe zu nutzen, etwa im Bereich der Konservierung oder Forschung? Natürlich müssen sich Museen auch anderen Herausforderungen stellen. Neben dem Bestreben, deren wissenschaftliche und kulturelle Arbeit transparenter und durch das Internet weltweit publik zu machen, müssen solche Projekte wirtschaftlich und logistisch umsetzbar bleiben. Für eine erste Einschätzung sprach KommunikationsRaum.-Autorin Andrea Mende mit Katrin Glinka von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der die wissenschaftliche Gesamtsteuerung des Projektes museum4punkt0 obliegt.

Vor welchem Hintergrund wurde das Projekt museum- 4punkt0 ins Leben gerufen?Wie kames zur Auswahl der sechs teilnehmenden Kultureinrichtungen?

Die Teilnehmer des Projekts sind tatsächlich durch die Politik ausgewählt worden. museum4punkt0 ist ein Pilotprojekt, bei dem auch ein neues Format der Zusammenarbeit getestet wird: Im Projektverbund vernetzen sich unterschiedliche Museen ganz unmittelbar im Entwicklungsprozess von digitalen Angeboten. Die Ergebnisse – digitale Prototypen und die gesammelten Erfahrungen aus dem Erstellungsprozess – werden wiederum allen Museen in Deutschland zugänglich gemacht. Um dabei eine möglichst breite Nachnutzbarkeit der Ergebnisse zu sichern, wurde daher eine sehr heterogene Gruppe von Kultureinrichtungen für die Teilnahme an museum4punkt0 ausgewählt, durch die unterschiedliche Museumstypen in Deutschland repräsentiert werden. Mit unseren Verbundpartnern sind verschiedene Regionen, Sammlungsschwerpunkte – vom Technikmuseum über immaterielles Kulturerbe bis hin zur Kultur- und Kunstgeschichte – und Organisationsformen – von großen, mehrere Abteilungen umfassenden Häusern bis hin zum kleinen, ehrenamtlich getragenen Vereinsmuseum – im Projekt vertreten. Wir hoffen, dass durch diese Vielfalt den ebenso heterogenen Herausforderungen Rechnung getragen wird, denen die deutschen Museen mit ihren sehr unterschiedlichen Organisations- und Infrastrukturen im digitalen Wandel begegnen.

Katrin Glinka
Katrin Glinka von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz leitet die wissenschaftliche Gesamtsteuerung des Projekts museum4punkt0.

„Es geht uns darum, voneinander zu lernen”

Was sind die Hauptziele von museum4punkt0?

Man kann unser Vorhaben ganz gut mit vier Aspekten zusammenfassen: Erfahrungswerte aufbauen, Know-how bündeln und vernetzen, Zugänge schaffen, Erkenntnisse teilen. An erster Stelle stehen natürlich die Besucherinnen und Besucher. Die beteiligten Museen möchten in stärkeren Austausch mit ihren Besuchern treten und ihnen vielfältige Anknüpfungspunkte zum Lernen, Erkunden und Kreieren bieten. Im Projekt wird erforscht, wie digitale Angebote konzipiert, bereitgestellt und im Museumsalltag eingebunden sein müssen, um neue, abwechslungsreiche Zugänge zu schaffen. Bei der Konzeptions- und Entwicklungsarbeit bauen wir Erfahrungswerte auf, die wir im Verbund – aber auch mit der weiteren Museumslandschaft – teilen: Welche Lizenzierungsmodelle haben sich im Verbund bewährt? Welche Methoden des User-Testings sind im Museumskontext hilfreich? Welche Erkenntnisse konnten wir aus unseren Tests und Besucherbefragungen festhalten? Welche Technologien haben sich in welchen Situationen als nützlich erwiesen, welche Fallstricke gab es? Dies umfasst auch gern vergessene Alltagsfragen: Wie muss beispielsweise Aufsichtspersonal geschult werden, damit es BesucherInnen bei der Benutzung beispielsweise von Virtual-Reality-Installationen effektiv unterstützen kann? Es geht uns darum, voneinander zu lernen und anderen Museen die Möglichkeit zu geben, für eigene Digitalprojekte nicht bei null anfangen zu müssen, sondern auf unsere Überlegungen, Erfahrungen und Lösungswege aufbauen zu können. Deshalb dokumentieren wir unsere Arbeit akribisch und arbeiten an Leitfäden und Handreichungen, die wir öffentlich bereitstellen werden. Außerdem wollen wir die technischen Früchte unserer Arbeit – digitale Prototypen, Digitalisate, etc. – möglichst frei zur Verfügung stellen, so dass andere Kultureinrichtungen den Quellcode nachnutzen und nach eigenen Bedürfnissen anpassen lassen können.

In Teilprojekten entwickeln die Museen ja ihre eigenen Methoden und Prototypen. Gibt es bestimmte Technologien, die sich für die Vermittlung bestimmter Inhalte besonders eignen?

Pauschal lässt sich dies an diesem Punkt nicht beantworten. Hier sind wir am Anfang eines Prozesses und können noch keine finalen Aussagen treffen. Ein großer Vorteil des Projekts ist dabei aber die Möglichkeit zum Vergleich. Im Verbund können wir untereinander beobachten, welche Vor- und Nachteile die Nutzung ähnlicher Technologien in unterschiedlichen Anwendungssettings nach sich ziehen kann: Wir testen z. B. unterschiedliche Methoden, mit denen Gruppen am Virtual-Reality-Erlebnis eines Einzelnutzers im Museum beteiligt werden können, und tauschen uns zu unseren Ansätzen untereinander aus. Was lässt sich übertragen? Was ist nur in einem individuellen Setting und für ein bestimmtes Thema relevant? Auf diese Weise lassen sich gemeinsame, aber auch unterschiedliche Anforderungen und Chancen der jeweiligen Technologie und Methode beobachten und gebündelt dokumentieren. Bei digitalen Vermittlungsansätzen gilt das Gleiche wie bei analogen Formaten: Es gibt nicht das eine, ultimative Vermittlungsinstrument, mit dem sich jedes Thema und jede Form von Ausstellung vermitteln lässt. In der Auseinandersetzung mit digitalen Vermittlungsinstrumenten reflektieren und evaluieren wir daher auch explizit die Sinnhaftigkeit des Technologieeinsatzes. Manchmal lässt sich ein Thema oder eine Erzählung auch besser ohne digitale Technologie vermitteln, bei anderen Themen eröffnen sich erst durch digitale Technologien völlig neue Interaktionsmöglichkeiten. Auch das wird Teil der Erkenntnisgewinnung aus den Anwendungsfällen sein.

„Das eine, ultimative Vermittlungsinstrument gibt es nicht”

Wie wird an die einzelnen Themen herangegangen, wie lassen sich z. B. individualisierte Angebote entwickeln oder neue Wege in der Kommunikation und Teilnahme der Besucher finden?

Das Projekt ermöglicht es uns, Ansätze auszuprobieren und intensiv zu testen – eine Flexibilität, die man nur selten im Museumsalltag hat. Eine absolute Grundlage ist natürlich, ein besseres Bild der Bedürfnisse unserer BesucherInnen on- wie offline zu erhalten. Deshalb ist Testing und Besucherforschung eine wichtige Komponente unserer Arbeit. Wir gehen iterativ vor: Neu entwickelte Prototypen werden sehr schnell an Nutzer herangeführt und getestet bzw. durch Befragungen begleitet. Auf diese Erkenntnisse aufbauend, werden Konzepte entweder weiterverfolgt oder angepasst. Die einzelnen Teilprojekte in museum4punkt0 verfolgen außerdem mehrheitlich interaktive und partizipative Ansätze, z. B. in Form von Citizen-Science-Projekten, so dass BesucherInnen stärker als Akteure im Museum eingebunden werden.

Augmented- Reality-App zur automatischen Erkennung von 3D-gescannten Objekten
Staatliche Museen zu Berlin: Im Projekt „Zedikum“ entwickelte Augmented-Reality-App zur automatischen Erkennung von 3D-gescannten Objekten. Sie liefert Informationen zum Objekt aufs Display.

Wie gehen die Museen damit um, Ausstellungsinhalte von einem Technikansatz heraus zu planen?

Genau das ist nicht unser Ansatz. Für die Verbundpartner steht an erster Stelle der Inhalt, das Thema einer Ausstellung oder eines Vermittlungsangebots, nicht die Technologie. Das heißt, zuerst kommt die Frage: Vor welcher Herausforderung stehen wir? Was wollen wir vermitteln? Welches Besucherbedürfnis wollen wir angehen? Erst danach folgt die Frage: Wie kann digitale Technik dieses Ziel unterstützen? Technologie sollte im Museum nicht Selbstzweck sein, sondern eines von verschiedenen Hilfsmitteln, mit denen das Ausstellungsthema umgesetzt wird.

„Digitale Technologien erweitern das Vokabular”

Welche Herausforderungen oder Schwierigkeiten entstehen dabei für die Kuratoren und Ausstellungsgestalter beim Einsatz von Medientechnik und digitalen Technologien?

Wir würden hier eher von Chancen und Potenzialen, denn von Herausforderungen und Schwierigkeiten sprechen. Digitale Technologien erweitern das Vokabular, mit dem Ausstellungen und Themen inszeniert und vermittelt werden können. Die Herausforderungen liegen eher darin, Arbeitsweisen im Museum so zu gestalten, dass diese Potenziale als Teil der kuratorischen Arbeit und der begleitenden Vermittlung erkannt und realisiert werden können. Dazu zählt beispielsweise auch, iterative Entwicklungsprozesse in der Ausstellungsplanung zu verankern: Wie lassen sich Feedbackrunden, Testings etc. effektiv in die Ausstellungsvorbereitung einbringen und in bestehende Arbeitsprozesse von KuratorInnen und AusstellungsgestalterInnen integrieren? Dies funktioniert nur, wenn digitale Technologien nicht als Insellösung entwickelt werden, sondern in engem Austausch und Kooperation mit allen daran beteiligten Akteuren im Museum.

Deutsches Auswandererhaus
Besucher können im Deutschen Auswandererhaus das Thema Migration „digital“ durch die Augen eines realen Migranten erleben.

Wie sind bisher die Rückmeldungen der teilnehmenden Museen? Zum einen, was die Umsetzung für die Museen betrifft, aber auch die Akzeptanz der Besucher.

Das lässt sich an diesem Punkt noch nicht umfassend für alle beteiligten Häuser sagen. Bislang haben wir aber bereits sehr positive Resonanz zu einzelnen Probestationen erhalten. So gab es beispielsweise in Testsessions im Senckenberg Museum für Naturkunde eine sehr hohe Bereitschaft, Feedback abzugeben. Die dabei gesammelten Hinweise sind ein wertvoller Informationsgrundstock, mit dem wir unsere Angebote stetig anpassen und verbessern können.

 

Text & Interview: Andrea Mende

 

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