Zwischen 2002 und 2014 hat das Hamburger Unternehmen Globetrotter Ausrüstung, das zur Fenix Outdoor International AG gehört, in Deutschland sieben Erlebnis-Filialen eröffnet, die allesamt die Handschrift des Hamburger Architekturbüros Prof. Moths Architekten tragen.
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Charakteristisch für all diese Filialen ist nicht nur eine außergewöhnliche Ladenbau-Architektur, sondern auch der innovative Einsatz von Medientechnik und Multimedia, für den die Architekten konzeptionell ebenso verantwortlich zeichnen wie für die baulichen Aspekte im Innen- und Außenbereich. Als „Dirigent“ sämtlicher Gewerke bezeichnet Geschäftsinhaber Architekt Prof. Holger Moths die Funktion seines Architekturbüros im Rahmen dieser Projekte, die – einzeln und in ihrer Zeit betrachtet – eine gute Portion Pionierarbeit in Sachen interdisziplinäre Zusammenarbeit beinhalteten. Mehr als zehn Jahre Erfahrung mit dem Einsatz von Medientechnik und Multimedia haben den Blickwinkel des Architekten aber nicht nur geprägt, sondern auch verändert, wie Prof. Holger Moths im Gespräch verrät.
Bereits in der ersten Globetrotter-Erlebnisfiliale, die 2002 in Berlin eröffnet wurde, hat man stark auf die Integration von Medientechnik gesetzt. Sozusagen Multimedia als Teil des Konzepts. Hat sich dieser Ansatz bis zur Eröffnung der Erlebnisfiliale in Stuttgart im vergangenen Jahr verstärkt bzw. weiterentwickelt? Wenn ich diese Zeit resümiere, muss man einerseits sagen, dass es bei Globetrotter generell von Anfang an eine große Offenheit gab und gibt, Multimedia in den verschiedensten Richtungen einzusetzen. Das hängt auch damit zusammen, dass Globetrotter eine der ersten Firmen war, die den Versandhandel mit dem Onlinebusiness verknüpft hat. Im Lauf der Jahre und der technischen Entwicklungen wurden dann folgerichtig ebenfalls verschiedene Schritte unternommen, um den stationären Handel mit dem Onlinehandel zu verbinden. Rein technisch gesehen gibt es hier natürlich enorme Unterschiede zwischen Berlin 2002 und Stuttgart 2014.
In Berlin war man beispielsweise damals enorm stolz darauf, Terminals anzubieten, an denen der Kunde ins Internet gehen konnte – das war zu jener Zeit noch etwas ganz Besonderes. Das sieht heute, wo die mobile Internetnutzung per Smartphone oder Tablet für den Großteil der Bevölkerung eine Selbstverständlichkeit ist, natürlich ganz anders aus. Andererseits muss ich aber auch sagen, dass sich nach der Eröffnung der ersten paar Erlebnisfilialen durch unsere Erfahrungen mit ihnen über die Zeit die Denkweise in Bezug auf den Einsatz von Medientechnik und Multimedia bei allen Beteiligten verändert hat, es hat eine gewisse Realität Einzug gehalten.
Können Sie das anhand von Beispielen erläutern? In Berlin ist man beispielsweise noch davon ausgegangen, dass eine Splitwand oder ein hochwertiger Beamer eine viel längere Lebensdauer hat, als es dann tatsächlich der Fall war. Mittlerweile wissen wir, dass man schon nach drei Jahren davon ausgehen kann, dass die ersten technischen Komponenten ersetzt oder ausgetauscht werden müssen. Das war uns damals noch nicht bewusst und entsprechend war die Bereitschaft, beispielsweise Splitwände einzusetzen, wesentlich höher als in der Folge. Denn zum einen bedeutete dies höhere Kosten als ursprünglich erwartet und zum anderen waren die erforderlichen baugleichen Ersatzmonitore nach diesem Zeitraum gar nicht mehr erhältlich.
Man hat also gemerkt, dass solche Maßnahmen mit einem großen Investment verbunden sind – auch was den Unterhalt, Softwareaktualisierungen und die Wartung angeht. Diese Erfahrungen haben nach der Eröffnung der Erlebnisfiliale in Köln im Jahr 2006 zu einer gewissen Abkühlung in diesem Bereich geführt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Generell hatte man bei Globetrotter sehr früh damit begonnen, digitale Geschossanzeigetafeln einzusetzen, um schnell und flexibel auf Änderungen reagieren oder zusätzliche Informationen einpflegen zu können. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Pflege der Inhalte viel Zeit in Anspruch genommen hat und dass auch mehr technische Supportdienstleistungen erforderlich waren, als erwartet. Daher ist man beispielsweise in Frankfurt wieder zu den klassischen „analogen“ Anzeigetafeln zurückgekehrt.
Bedeutet das, dass man der Medientechnik den Rücken gekehrt hat? Nein, überhaupt nicht. Aber es gab und gibt im Bereich der Multimedia-Anwendungen durchaus eine wesentliche Veränderung: Sie werden deutlich gezielter eingesetzt. Das heißt, es geht nicht mehr so sehr darum, AV-Technik überall dort einzusetzen, wo es möglich ist, sondern vielmehr dort, wo sie wirklich einen Mehrwert generiert. Ein Beispiel dafür ist die Verknüpfung zwischen Ladenlokal und online zur Produktpräsentation und Auswahl – an solchen Dingen wird gezielt gearbeitet. So wurde in der Globetrotter Erlebnisfiliale Stuttgart in bestimmten Bereichen ein innovatives Feature installiert: Wenn der Kunde hier ein Produkt aus dem Regal nimmt, wird ein elektronischer Impuls ausgelöst. Dieser sorgt dafür, dass auf einem kleinen Display Informationen zu diesem Produkt erscheinen. Theoretisch kann sich der Kunde also erst einmal sehr gut selber helfen und informieren und sich bei Bedarf im Anschluss für weitere Beratung an einen Mitarbeiter wenden.
Außerdem hat er die Möglichkeit, dieses Produkt auch im Laden direkt online zu erwerben, falls er seinen Kauf lieber nach Hause geliefert bekommen möchte. Bei dieser Entwicklung haben wir aus unserer Sicht wieder Pionierarbeit geleistet, weil plötzlich ganz viele unterschiedliche Gewerke unter einen Hut gebracht werden mussten, die vorher kaum etwas miteinander zu tun hatten – vom Tischler und Metallbauer über Hersteller von elektronischen Produkthalterungen und -sicherungen, die den Impuls auslösen, bis hin zur Warenwirtschaft und den Softwareherstellern. Denn es wird immer viel darüber geredet, was möglich ist. Aber wenn es um die praktische Umsetzung geht, stellt man immer wieder fest, dass die interdisziplinäre Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken bisweilen schwierig und sehr aufwändig ist. Daher ist es enorm wichtig, dass es jemanden gibt, der sämtliche Fäden in der Hand hält.
Sollte das aus Ihrer Sicht der Architekt sein? Nicht notwendigerweise, aber es bietet sich an. Denn normalerweise ist der Architekt ja sowieso eine Art „Dirigent“, der verschiedene Gewerke steuert und das Gesamtwerk sozusagen zusammensetzt. Und solche Projekte erfordern auf jeden Fall eine detaillierte Absprache zwischen den Architekten und AV-Integratoren. Denn hinter den einzelnen Maßnahmen stehen komplexe Konzepte, durch die sozusagen eine spezielle Architektur oder Ladenbausprache entsteht. Und das bedeutet, dass sich jeder Planer zukünftig ganz anders mit diesem Thema auseinandersetzen muss, da immer mehr Einzelfaktoren miteinander verknüpft werden und zunehmend verschmelzen – insbesondere im Stationärhandel. Das ist natürlich eine große Forderung mit viel Raum für Verbesserung. Es ist ein Weg, auf dem die Branche gerade erst die ersten Schritte gemacht hat.
Auch abgesehen von Globetrotter sind Sie mit Ihren Projekten gerade im Stationärhandel sehr breit aufgestellt. Wie sieht es denn bei anderen Auftraggebern mit der Integration von Medientechnik und Multimedia aus? Wird das mittlerweile stärker nachgefragt? In einigen Bereichen, ja. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Multimedia-Nutzung heutzutage eine geradezu selbstverständliche Akzeptanz in der Gesellschaft erlangt hat. Vor zehn Jahren sah das noch ganz anders aus. Gerade deshalb ist es meiner Meinung nach aber ganz wesentlich, dass der Einsatz von Multimedia zukünftig noch deutlich mehr durchdacht werden muss. Es kann nicht sein, dass man als Kunde – wie beispielsweise in vielen Baumärkten – permanent mit Verkaufsfilmchen konfrontiert wird. Vielmehr geht es darum, multi-mediale Inhalte und AV-Technik ganz gezielt und überlegt einzusetzen. Erforderlich ist ein neues Bewusstsein dahin – gehend, dass Multimedia nicht überfrachtend eingesetzt werden sollte.
In Hamburg haben wir beispielsweise einen EDEKA-Markt konzipiert, in dem neben den heutzutage selbstverständlichen elektronischen Preisschildern auch andere Multimedia-Komponenten eingeflossen sind. Im Bereich der Obstauslage oder der Fischtheke gibt es zum Beispiel einzelne Displays, auf denen aktuelle Angebote aus den jeweiligen Produktgruppen beworben werden – was zunächst einmal nichts Besonderes ist.
Da wir aber eine hochwertige und zielgebende Präsentation angestrebt haben, werden diese Displays in einer Ansammlung von thematischen Stimmungsbildern gruppiert, die allesamt in einem edel wirkenden Holzrahmen eingefasst sind – auch die Monitore. Und entsprechend werden die Inhalte der Displays ebenfalls stimmungsvoll und hochwertig aufbereitet, so dass sich ein atmosphärisches Gesamtbild ergibt, das den Kunden inspirieren und nicht irritieren soll. Wenn Multimedia also wirklich einen Mehrwert für den Kunden generiert, kann es sehr sinnvoll eingesetzt werden.
Herr Prof. Moths, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Claudia Rothkamp
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