Das AV-Übertragungssystem Christie Terra basiert auf der SDVoE-Technologie, die für die Übertragung von unkomprimierten AV-Signalen über ein 10 Gigabit-Netzwerk sorgen soll. PROFESSIONAL SYSTEM Autor Sven Schuhen stellt das System und die Technologie vor.
Im Juni dieses Jahres hat Christie Digital auf der InfoComm 2017 in Orlando mit Terra ein neues Produkt zur professionellen Übertragung von Audio- und Videosignalen über ein reguläres 10-Gb-Netzwerk vorgestellt. Audio und Video sind jedoch nicht alles, was Terra kann: Laut Christies Spezifikationen werden außerdem noch Steuerbefehle (RS232 und IR) sowie 1Gb Ethernet übertragen und es sind KVM-Zugriffe auf jede Quelle von jedem Empfänger aus möglich. Das klingt in der Tat nach einem interessanten Feature.
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Neben kleineren Inhouse-Vorstellungen an den Christie-Standorten wird die ISE 2018 im Februar das offizielle Europa-Debüt für Terra sein. Vorab konnte PROFESSIONAL SYSTEM-Autor Sven Schuhen sich zusätzlich bei Karl Johnson – Senior Product Manager und Nick Wheeler – Business Development Manager von Christie – über das System informieren.
Mit Power über das 10-Gbit-Netz
Terra basiert auf der neuen, standardisierten SDVoE-Technologie (siehe Kasten), bei der Christie sich mit einigen anderen namhaften Herstellern zusammengetan hat, um einen Standard bei der A/V-Übertragung in 10-Gb- Netzwerken zu schaffen. Neben den bisher vorgestellten Terra-Transmittern und Receivern, die in beliebiger Anzahl über einen Standard- 10-Gbit-Switch kaskadiert werden können und dem Terra Controller, welcher zur Konfiguration und Verwaltung aller Terra-Einheiten in einem Netzwerk nötig ist, will Christie in absehbarer Zeit weitere SDVoE-Geräte auf den Markt bringen. Im Gespräch sind hier Displays und Projektoren, in denen von Haus aus ein entsprechender Receiver eingebaut wird oder aber auch Medienserver und andere Zuspieler, die einen solchen Transmitter besitzen.
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Ebenfalls denkbar für Christie sind Array-Receiver, um Videowände oder Multi-Screen-Anwendungen aus nur einem Gerät heraus zu versorgen – sowie LED-Prozessoren. Bisher werden solche Anwendungen von Terra auch unterstützt, aber es ist für jeden Screen auch ein eigener Receiver erforderlich. Einen abgesetzten Präsentations-Switch zur einfachen Umschaltung definierter Quellen auf festgelegte Receiver kann sich Christie ebenfalls vorstellen. Laut Herstellerangaben können mehr als 1.000 Geräte problemlos innerhalb eines Systems betrieben werden. Aber auch eine einfache Point-to-point-Verbindung zwischen Transmitter und Receiver ohne den Controller ist möglich und schafft so das kleinste nutzbare System.
Neue Wunderwaffe Terra?
Christie argumentiert bei Terra mit der Übertragung von unkomprimierten, artefakt- und latenzfreien 4:4:4 4K-Videosignalen bei 60 Hz Bildfrequenz. Man wendet einen mathematischen „lossless“-Prozess an, um die Daten zu codieren und artefaktfrei zu decodieren. Das Videosignal wird laut Angaben des Herstellers während des Codierens und Decodierens nicht verändert und erleidet somit keinerlei Qualitätseinbußen. Dies soll innerhalb des gesamten SDVoE-Standards garantiert sein. Die latenzfreie Verarbeitung wird bei genauerer Betrachtung mit 100 Mikrosekunden angegeben. Da dies 100-mal kleiner als die Bildfrequenz ist, würde eine solche Latenz tatsächlich zu vernachlässigen sein.
Neben HDMI 2.0 wird Terra auch Displayport- 1.2-Signale unterstützen. Darüber hinaus können die Geräte HDR- und DeepColor- Inhalte übertragen. Eine Skalierung des Quellsignals bis zur maximalen Auflösung von 4K ist jederzeit möglich. Auch bei der Audioübertragung scheint Christie seine Neuheit breit aufzustellen. Neben analogem Stereo-Ton kommen die Geräte mit eingebettetem Stereo innerhalb des HDMI-Signals genauso zurecht wie mit Multi- Channel PCM. Dolby True HD und DTS-HD dürfen da nicht fehlen. Neben der reinen Übertragung wird das Stereo-Audio-Embedding und De-Embedding zwischen analog und HDMI-Audio gleichermaßen unterstützt wie das Down-Mixing von Multi-Channel-PCM zu Stereo. Ein entsprechender analoger Audioanschluss wird an Transmitter und Receiver bereitgestellt.
Zusätzlich bietet Christie die Möglichkeit des Verschlüsselns der Übertragung mit AES- 128, um das Abgreifen der Datenströme durch Unbefugte zu verhindern. Ein EDID-Management, welches bei Bedarf angepasst und mit nur einem Klick allen anderen Komponenten im System zur Verfügung gestellt werden kann sowie Unterstützung von HDCP-2.2-Verschlüsselung sind ebenfalls enthalten. Außerdem bietet Terra einen Multi-Viewer, mit dem alle Videodaten in 4K innerhalb des Netzwerks gleichzeitig betrachtet und verwaltet werden können. Um dies zu ermöglichen, soll Terra entsprechende Vorschau-Streams erstellen und deren Auflösung anhand der zur Verfügung stehenden Bandbreite automatisch anpassen. Genauso sollen dann auch umgekehrt die Multi- Screen-Applikationen laufen.
Das klingt nach Kompromisslosigkeit in Sachen Übertragungsqualität; und dies ist laut Christie zu einem besseren Preis als vergleichbare Mitbewerber zu haben. Derzeit liegen uns allerdings noch keine Preisinformationen vor. Karl Johnson wird jedoch nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Nutzung von etablierter, standardisierter und langlebiger 10-Gb-Netzwerktechnik eines der markantesten Merkmale sei und sich hier die attraktive, beliebige Skalierbarkeit des Systems für viele deutlich rentieren wird.
Es darf jedoch bei allen Statements von Christie und der SDVoEAllianz zur Latenz- und Artefakt-Freiheit sowie maximaler Qualität des Videomaterials nach der Übertragung nicht vergessen werden, dass hier in jedem Fall das Quellsignal am Transmitter encodiert, während der Übertragung in einem einheitlichen Datenstrom verarbeitet und am Receiver wieder decodiert wird. Wenn dies mit der postulierten Latenz von etwa 100 Mikrosekunden ermöglicht wird, wäre das beeindruckend. Zu bedenken sind jedoch noch En- und Decodierungsprozesse in Quellen wie Zuspielern, Kamerasystemen etc. und Wiedergabegeräten wie Displays und Projektoren, die in dieser Kette nicht vernachlässigt werden dürfen. Auch hier werden Videosignale auf einheitliche Datenströme nach Standards wie HDMI, DP oder HD-SDI encodiert und später wieder decodiert. Größtmöglichen Vorteil würde SDVoE dann bringen, wenn Hersteller den Standard in die Quelle und das Wiedergabegerät selber integrieren, so wie es Christie mittelfristig angekündigt hat.
Die Fachwelt kann gespannt sein, Terra auf der ISE im Februar auch einmal live begutachten zu können und es ist wünschenswert, wenn die hohen Erwartungen tatsächlich erfüllt werden.