Gründungsjubiläum

20 Jahre Dspecialists: Von Audiomatrix bis WKA

Die Berliner Spezialisten für digitale Audio- und Messsysteme feierten im Januar 2023 ihr 20-jähriges Gründungsjubiläum. Sie bewegen sich heute in einer Balance zwischen Audiotechnik und Industrielösungen, beispielsweise für Windkraftanlagen.

Dspecialists Firmenstandort außen
Firmenstandort auf dem ehemaligen Siemens&Halske-Glühlampenwerk Osram in Berlin (Charlottenburg) belegt Dspecialists eine Fläche von etwa 500m². In der direkten Nachbarschaft finden sich zahlreiche Unternehmen der Hitech- und Kreativwirtschaft sowie Teile der TU Berlin. (Bild: Dspecialists)

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Seinen hohen Bekanntheitsgrad verdankt das Berliner Unternehmen Dspecialists vor allem seinem Audio-DSP Harvey: Harvey wurde 2009 in einer ersten Version am Markt vorgestellt und seitdem beständig optimiert und erweitert. Aktuell ist die zweite Harvey-Generation (Har­vey Pro) auf dem Markt und bestens etabliert. Harvey wird mittlerweile weltweit in zahlreichen Gebäuden und Installationen unterschiedlichster Art eingesetzt. Wie schon die Langform des Firmennamens („Digitale Audio- und Messsysteme“) verrät, sind die Berliner jedoch nicht nur in der Audiobranche zu Hause. Auch die Ent­wicklung von Hard- und Software für industrielle Messtechnik gehört zu ihrem Tätigkeitsbereich. Das 20-jährige Fir­menjubiläum ist Grund genug, den interessan­ten Werdegang der Dspecialists genauer zu beleuchten. Dazu spra­chen wir mit CEO und Firmengründer Dr. Jo­chen Cronemeyer.

Jens Kolupa, Jochen Cronemeyer und Stefan Schmitt
Die drei Firmengründer Jens Kolupa, Jochen Cronemeyer und Stefan Schmitt (v.l.n.r.) (Bild: Dspecialists)

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Startup-Phase mit Mess- und Audiotechnik

Nach fünf Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit an der TU Berlin und abschließender Promotion in der medi­zinischen Bildverarbeitung folgt für Jochen Cronemeyer eine mehrjährige Tätigkeit in einem japanischen Halbleiter­konzern. 1999 beteiligt er sich an einem Venture-Capital-finanzierten Startup, welches mit dem Platzen der Dotcom-Blase endet. Er gründet Anfang 2003 als Hauptgesellschaf­ter zusammen mit Jens Kolupa und Stefan Schmitt die Dspecialists Digitale Audio- und Messsysteme GmbH, aus­schließlich mit privatem Eigenkapital finanziert. Ausgerüs­tet mit reichlich Know-how, einer Kundenbasis und solider Finanzierung können sie an das vorherige Projektgeschäft anknüpfen und profitable und nachhaltige Zukunftsperspektiven schaffen.

Dspecialist-Belegschaft im Jahre 2021
Belegschaft im Jahre 2021 (Bild: Dspecialists)

Dspecialists starten zunächst mit Entwicklungsdienst­leistungen, schnell gefolgt von Kleinserien-Lösungen für Messtechnikkunden aus der Industrie. Erste, vorsichtige Gehversuche im Audiobereich erfolgen mit einer Audio­matrix, die als bunt blinkender Prototyp auf Messen ge­zeigt wird. Zum damaligen Zeitpunkt bestand laut Jochen Cronemeyer jedoch noch keine Möglichkeit, aus dem Cashflow komplexe Audioprodukte zu entwickeln und er­folgreich zu vertreiben.

Die junge Firma reali­siert zunächst projekt­bezogene Entwicklun­gen in der Audio- und Messtechnik. Diese er­folgen überwiegend für Industriekunden. So können neben mehre­ren mittelständischen Unternehmen auch Konzerne wie die Deutsche Bahn, der TÜV Rheinland und Thales als Kunden ge­wonnen werden. Hier ist „klassische Ingenieursarbeit“ gefragt. Attribute wie Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit stehen im Vordergrund.

Ein wesentlicher Grund für die Entscheidung, parallel zum Projektgeschäft mit Audioprodukten in Serie zu gehen, bestand laut Jochen Cronemeyer neben der hohen Affini­tät aller Mitarbeitenden zum Thema Audio darin, dass es sich – verglichen mit der Messtechnik – hier um einen breiten Markt mit einfacherem Zugang handelt: „Der Installationsbereich bot sich an, weil genau darin die Stärken des Unternehmens liegen. Wir wären nicht die Firma, die einen analogen Synthesizer oder einen Röhrenverstärker bauen könnte. Moderne Signalprozessoren in solider 19-Zoll-Technik, zertifizierte Systeme, die jahrelang ihren Dienst tun, das entspricht unseren Stärken“. Um 2006 wurden erste Ideen und Konzepte erarbeitet. Im Jahr 2008 startete die Entwicklung eines ersten Audiopro­dukts. Ausgangspunkt war seinerzeit eine eigene DSP-Karte, die im Mehrkanal-Verstärker eines Kunden einge­setzt wurde. Deren allererste Software-Bits sind auch heute noch in der Harvey-DNA zu finden.

Jochen Cronemeyer und Sylvia Lehnert
Jochen Cronemeyer und Sylvia Lehnert (Bild: Dspecialists)

Ein weiterer Grund für die Entscheidung, eine Serien­fertigung von Audioprodukten zu starten, entsprang dem Wunsch, ein zweites Standbein für eine konstante Erlös­quelle zu schaffen. „Projekte für große Konzerne können ein Unternehmen natürlich weit nach vorne bringen. Sie bergen aber auch Risiken der Abhängigkeit, die wir nicht kontrollieren können und von denen wir uns möglichst unabhängig machen wollten“, erklärt Jochen Cronemeyer. „Wir entwickeln noch immer Projekte für Industriekunden, stecken aber gleichzeitig jede freie Minute in die Weiter­entwicklung unserer Produktfamilie Harvey. Das Projekt­geschäft soll keineswegs eingeschränkt oder gar aufgege­ben werden. Beide Bereiche profitieren voneinander, und das gesamte Kundenspektrum ist uns wichtig.“

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Zwei Bereiche, gleiche Basis

Jochen Cronemeyer erklärt, dass die Anforderungen an die Hardware im Audio-Installationsbereich denen in der Messtechnik sehr ähnlich sind: In beiden Bereichen sind die Möglichkeiten der Signalverarbeitung vergleichbar, und sowohl im Audio-Installationsbereich als auch in der Messtechnik verlassen sich die Kunden auf eine lange Lebensdauer der gelieferten Systeme.

War die Zweigleisigkeit in den Bereichen Audio- und Messtechnik zunächst erklärungsbedürftig, so wird sie mittlerweile ausdrücklich begrüßt. Regelmäßig finden In­dustriekunden zu den Dspecialists, weil sie explizit nach Audiotechnik-Anbietern suchen. Als Beispiel erwähnt Jochen Cronemeyer einen Kunden aus dem Bereich der Kraftwerksüberwachung, der sich 2004 von der Kombina­tion aus Audiotechnik und Auftragsentwicklung ange­sprochen fühlte und seitdem mit den Berlinern zusammen­arbeitet. Sowohl Audio-als auch Messsysteme machen nichts anderes als kontinuierlich digitale Messwerte aufzu­nehmen und mittels Algorithmen zu verarbeiten. Wäh­rend in der Messtechnik damit beispielsweise Oberwellen detektiert werden, die auf den Verschleiß eines Lagers hin­deuten, berechnen die Algorithmen im Audiosystem den passenden Lautstärkepegel für Durchsagen, der sich den Umgebungsgeräuschen anpasst.

Dspecialist Industrietechnik im Vordergrund eines Messestandes
Industrietechnik im Vordergrund eines Messestandes von 2019 (Bild: Dspecialists)

Harvey – das Kernprodukt im Audiobereich – kam be­reits 2009 in einer ersten Version auf den Markt. Seitdem steigt die Nachfrage kontinuierlich. Die aktuelle Situation zeigt sich laut Jochen Cornemeyer als sehr vielverspre­chend: Die Kunden aus dem Audiobereich schätzten die Tatsache, Technik von einem Hersteller erwerben zu kön­nen, der sich auch in sicherheitsrelevanten Bereichen einen Namen gemacht hat und sich in der Lage sieht, sehr zu­verlässige und langlebige Hardware zu liefern. Umgekehrt bedienen sich Industriekunden gerne in der Audiotechnik, weil ihnen dort die passende Hardware zur Verfügung steht und sie so die Entwicklung von hoch spezialisierten Insellösungen umgehen können.

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Ups und Downs

Mittlerweile hat das Produktgeschäft mit dem Audio-DSP Harvey so viel Potenzial, dass es die Projektentwicklung als Hauptumsatzträger bald ablösen wird.

Während Harvey in seiner ersten Version zwar bereits eine hohe Leistungsfähigkeit bot, blieb ihm die große Auf­merksamkeit noch versagt. Das System war zu unflexibel und dadurch zu teuer. Mit der zweiten Produktgeneration, fertiggestellt in 2018, hat man dies gelöst. Hier wurden die Fehler aus der Vergangenheit bereinigt, ein modulares Konzept entwickelt und die Hardware bezüglich der Her­stellungskosten optimiert. Nun existiert ein Produkt, wel­ches Jochen Cronemeyer mit Recht als „Volltreffer“ be­zeichnet.

Demo-Case für Vorführungen der ersten Harvey-Generation
Demo-Case für Vorführungen der ersten Harvey-Generation (Bild: Dspecialists)

Das pandemiebedingte Aus des früheren USA-Vertriebs bremste Harveys Erfolg zunächst ein wenig. Doch 2022 übertrafen die Verkaufszahlen bereits den Stand von 2020. Derzeit steigt die Nachfrage kontinuierlich. Die aktuelle Partnerschaft mit der leistungsfähigen Vertriebsfirma WMA ist für diese Entwicklung mit verantwortlich.

Auch für die Herausforderungen, die derzeit noch viele Bereiche der Industrie betreffen, wurden bereits Lösun­gen gefunden: Die weltweiten Logistikprobleme führen zu Bauteilknappheiten – also wurden nicht mehr erhältliche DSPs gegen Nachfolgemodelle ausgetauscht. Wie sich Jochen Cronemeyer amüsiert erinnert, wurde sogar über eine Harvey „Corona-Edition“ nachgedacht – ohne Phantom-Speisung auf den Mikrofoneingängen, um den dazu notwendigen, aber nicht verfügbaren Span­nungswandler einzusparen. Das hochspezialisierte und kreative Team der Dspecialists macht solche flexible An­passung an die Gegebenheiten des Marktes möglich. Als positives Fazit der letzten Jahre sieht Jochen Cronemeyer die Erkenntnis, „dass es immer weitergeht, solange wir gemeinsam kreativ nach Lösungen suchen.“ Seine Zuver­sicht überwiegt deutlich.

Momentan wartet ein großes Kontingent Harvey Pro auf seine Fertigstellung. Die Bestückung der Boards er­folgt bei Dienstleistern in Berlin und im Umland. Der zen­tral in Berlin gelegene Standort der Dspecialists beher­bergt Entwicklung, Einkauf, Verwaltung und Lager. Auch Endmontage und Qualitätskontrolle der Geräte erfolgen hier. Um möglichst weltweit agieren zu können, verfügt der aktuelle Harvey Pro neben CE-auch über eine UL-Zer­tifizierung. Das Vertriebsnetz von Dspecialists wird derzeit entsprechend ausgebaut.

Dspecialist Harvey Pro
Der aktuelle Harvey Pro, auf den nun auch die Algorithmen Isostem und CLC portiert werden. (Bild: Dspecialists)

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Alle Wege führen zu Harvey

Harveys schrittweise Erweiterung mit Features aus dem Projektbereich hat das Gerät in den Fokus unterschied­lichster Kunden gerückt. Insbesondere in Event-Locations – von der Bar, über Hotels bis zu Mehrzweckhallen – habe sich das Produkt sehr gut eingeführt. Auch in öffentlichen Gebäuden kommt das System immer zahlreicher zum Einsatz. Die Etablierung als langfristiges Produkt neben dem Projektgeschäft trägt nun Früchte. Als Beispiel für ein Erfolgserlebnis nennt Jochen Cronemeyer die Ausstat­tung eines taiwanesischen Gerichtsgebäudes mit knapp 50 Systemen. Er betont, dass Harvey alle Dspecialists-Mitarbeitenden – von der Entwicklung über Einkauf, Marketing und Vertrieb – elektrisiert und antreibt. Jochen Cronemeyer selbst schätzt das direkte Feedback seiner Kunden, Interessenten und möglichen Geschäftspartner. Wichtigster Vertriebskanal sind Fachmessen, auf denen die Firma regelmäßig präsent ist.

Prototyp einer Dspecialists 19" Audiomatrix
Erster Prototyp einer Dspecialists 19″-Audiomatrix (Bild: Dspecialists)

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Stereo in 5.1-Audio – und zurück

Für die Zukunft sind weitere Software-Erweiterungen für Harvey Pro geplant. Zunächst werden die beiden bereits im Vertrieb befindlichen Algorithmen Isostem und CLC von einer proprietären Hardware-Plattform auf die einheitliche Harvey-Plattform portiert.

Isostem wandelt verlustfrei und reversibel Stereo in 5.1-Audio und zurück. Das 2010 gestartete Produkt basiert auf der langjähri­gen Partnerschaft mit der französischen Firma Adocs S.A.R.L. des Gründers und Erfinders Antoine Hurtado. Isostem findet vor allem in der Europäischen Rundfunkwelt seine Abnehmer.

Der CLC-Algorithmus (Continous-Loud­ness-Control) basiert auf der Arbeit des da­maligen Instituts für Rundfunktechnik (IRT). Es handelt sich um einen Lautheitsalgorith­mus, der sowohl im Rundfunkbetrieb als auch in Live-Situationen eine qualitativ sehr hochwertige Kontrolle der Lautheit erlaubt. Die Harvey-Plattform wurde dazu mit AES-I/ Os und WordClock-Input ausgestattet. Har­vey funktioniert somit als gemeinsame Basis für sämtliche Installations- und Broadcast-Applikationen der Dspecialists.

Comos Kleinserienprodukt für Condition-Monitoring an Windkraftanlagen
Comos Kleinserienprodukt für Condition-Monitoring an Windkraftanlagen (Bild: Dspecialists)

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