Success Story Prismaschule Langenfeld: DigitalPakt Schule
„Kreidelos“ von Anbeginn
von Dominik Roenneke, Artikel aus dem Archiv vom
2013 wurde die Prismaschule in Langenfeld neu gegründet. Der tagtägliche Schulbetrieb ohne die klassische Schultafel war für das Erstkollegium schon in der Planungsphase gesetzt. Das Lehren und Lernen sollte ausschließlich digital gestützt erfolgen.
Der Aufbau einer neuen Schule ist eine erfolgversprechende Herausforderung für die pädagogischen Kräfte der ersten Stunde. Woran sich Planungsteams an Bestandsschulen beim Wechsel von einer analogen hin zu einer digitalen Unterrichtsform aufreiben, kann bei einer neu anzulegenden Schulstruktur beachtlich einfacher und gradliniger realisiert werden. Schulleiter Raoul Schlösser beschreibt die Startbedingungen: „Der zukunftsgerichtete Unterricht mit digitalisierten Whiteboards und Endgeräten für Lehrkräfte und Schüler war uns in die Gründungs-DNA gelegt. Es war klar, dass wir ab dem ersten Schultag damit sofort berginnen.“ In der Planungsphase der neuen Schule fand sich das Kollegium zusammen: „Zehn Lehrer in gesunder Mischung, ganz junge, die frisch dabei waren unter 30, eine gute Mitte mit 30- bis 45-Jährigen, aber auch drei sehr aufgeschlossene Pädagogen aus dem letzten Drittel ihrer Berufskarriere.“
Das Gründungskollegium definierte zunächst sein pädagogisches Konzept. Seinerzeit noch nicht als medienpädagogisches Entwicklungskonzept, wie es aktuell bei der Förderung mittels „DigitalPakt Schule“ gefordert ist, aber konkret genug, um starten zu können. Da vor Beginn des Schulbetriebs an der Prismaschule alle Kollegen der ersten Stunde an verschiedenen Schulen unterrichteten, wurde ortsunabhängig kollaborativ entwickelt und geplant, Daten via Dropbox ausgetauscht.
Das Team war sich einig: „Wir müssen lernen, digitalisiert zu denken.“ Und so ist es bis heute geblieben. Mit jedem Jahr seit 2013 vergrößerte sich das Kollegium und nahm neue Jahrgangsstufen hinzu. Bei der Auswahl neuer Kollegen wurde konsequent auf das Interesse und die Akzeptanz für das „digitale Setting“ der Schule geachtet. Aktuell arbeiten an der Schule rund 90 Lehrerinnen und Lehrer, die das pädagogische Konzept mittragen und gemeinsam fortführen.
Die Grundausstattung in den Klassenzimmern bestand 2013 zur Eröffnung der neuen Schule aus interaktiven Ultrakurzdistanz-Projektoren (UST-Projektor), die auf Whiteboards projizierten. Raoul Schlösser beschreibt die technische Ausgangslage: „2013 waren große interaktive Displays so teuer, dass unsere Wahl ganz klar auf die Projektionslösung fiel. Eine große voll ausgestattete Kreidetafel hätte damals zwischen 3.000 und 3.500 Euro gekostet, die interaktive Projektionslösung für ein Klassenzimmer war vielleicht 1.500 bis 2.000 Euro teurer.“ Zusätzlich wurde jeder Klassenraum mit einem Mini-PC, am Whiteboard installiert, ausgestattet. Selbstverständlich wurde auch in digitale Endgeräte investiert.
Die Entscheidung fiel auf „Convertibles“, die eine Mischung aus Notebook und Tablet darstellen. Ausschlaggebend für die Pädagogen war die Doppelfunktion, die den Schülern einerseits die zeitgemäßen Touch-Funktionen eines Tablets ermöglichen, und andererseits als vollwertige Windows-Notebooks standardisierte Office-Software, Tastatur-Texteingabe, Kamera und Mikro zur Verfügung stellen. „Anfangs hatten wir Sorge, dass der Drehmechanismus der Geräte zu anfällig sein könnte. Aber das war unbegründet, da ist nie ernsthaft etwas kaputt gegangen. Und als Deutschlehrer war es mir ein Anliegen, dass Texte mit einer gegenständlichen Tastatur geschrieben wurden“, ergänzt Raoul Schlösser. In Abstimmung mit dem kommunalen Schulträger konnten mit jedem neuen Jahrgang 30 bis 40 neue digitale Endgeräte angeschafft werden. Neue Geräte waren dabei nicht immer identisch mit den Bestandsgeräten. „Wir kamen aber stets zu guten und passenden Lösungen“, so der Schulleiter. Auch reine Tablets wurden in einem Jahrgang getestet, was aber als „schmerzliche Erfahrung“ in Erinnerung blieb.
Bereits ab 2013 waren die Pädagogen der Prismaschule in ständigem Austausch mit der Universität Essen-Duisburg. Die Digitalisierung der Schule sollte nicht auf die technische Ausstattung mit Whiteboards und Endgeräten reduziert sein: „Digitalisiertes Lernen hat vielfältige Aspekte. So existierten schon früh verschiedene Lern-Apps, die zum Einsatz kamen. Auch lässt sich die Digitaldidaktik schlecht mit dem klassischen Frontalunterricht abbilden“, so die Erfahrungen des Schulleiters. Seiner Auffassung nach entwickelt sich das Berufsbild des Lehrers hin zu einem „Lernbegleiter“, der moderativ arbeitet und unterstützt. Wird die analoge Kreidetafel einfach eins zu eins durch ein digitales Whiteboard ersetzt und nur zum Beschreiben verwendet, können die vielen methodischen Vorteile des digital gestützten Unterrichts nicht genutzt werden. Der Unterricht muss also grundlegend angepasst und weiterentwickelt werden. Die Schüler können ganz anders arbeiten, wenn sie im Unterricht Rückgriff auf digitale Endgeräte haben und in Kleingruppen arbeiten.
Auch bieten digitale Unterrichtsmaterialien ganz andere didaktische Möglichkeiten. Eine mathematische Kreisflächenberechnung wird für die Schüler beispielsweise sehr anschaulich, wenn in einer programmierten Anwendung der Einfluss von „Kreis zerlegen“, „Sektoren verschieben“ und „Sektorenanzahl verändern“ grafisch auf dem digitalen Whiteboard demonstriert oder interaktiv am digitalen Endgerät selbst ausprobiert wird.
Auch für seine Fächer, wie Deutsch und Geschichte, sieht Schulleiter Raoul Schlösser klare Vorteile bei der Nutzung digitaler Medien: „Mit dem intensiven Einsatz visueller Medien erklären wir Zusammenhänge bildlich, wir schaffen den Bezug zu Texten und erzeugen eine größere Nähe zur Lebensrealität der Schüler. So werden sie zeitgemäß und motivierend an den Unterrichtsstoff geführt.“ Grundlage dafür sind insbesondere digitale Endgeräte, die im Unterricht von Schülerkleingruppen genutzt werden können. Anfangs betrug das Verhältnis von Endgeräten zu Schülern eins zu fünf. Bereits mit dieser Ausstattung können Ergebnisse von Arbeitsgruppen im „pädagogischen Netz“ abgespeichert und von den Schülern im Unterricht präsentiert werden. Mit heutigem Blick auf die Anfänge fasst Raoul Schlösser zusammen: „Alles, was jetzt im Lockdown so gefordert wird, konnten wir schon 2014 in einem kleineren Rahmen erproben.“ Die Basis dafür war die stetige Aufstockung mit digitalen Endgeräten für die Lehrkräfte und die Schüler, die im Sommer 2021 abgeschlossen sein wird.
2016 stand für die Prismaschule der Umzug in einen Neubau an. Nach dem gelungenen Start, drei Jahre zuvor, war das der passende Zeitpunkt für Optimierungen an der Medien- und IT-Technik. So verschlissen nach der Erstausstattung in 2013 die Anschlüsse der Bildsignalleitungen an den verbauten Mini-PCs durch das häufige Ein- und Ausstöpseln beim Wechsel der Lehrkraft in den Klassenzimmern sehr schnell. Im Neubau wurden die fest verbauten PCs mit den UST-Projektoren via HDMI fest verkabelt.
Digitale Endgeräte von Lehrern und Schülern wurden via WLAN- und Software-Anbindung einbezogen. BYOD, Bring your own device, entwickelte sich zur selbstverständlichen Struktur. Aktuell sind etwa 50 Klassenzimmer gleich ausgestattet, so dass jeder Lehrer die Gewissheit hat, mit Beginn der Schulstunde sofort loslegen zu können, egal in welchem Klassenraum er unterrichtet. Raoul Schlösser ist damit sehr zufrieden, denn „Schulen im Aufbau haben ja das Problem, dass die Einrichtung in Etappen erfolgt. Fünf Räume anfangs, dann nochmal fünf Räume, und das bei ständig neuem Technikangebot. Aber wir haben immer noch eine einheitliche Geräteausstattung im Einsatz.“ Die Schule ist via Glasfaser mit Breitbandinternet angebunden, die WLAN-Abdeckung beträgt „nahezu 100 Prozent“ und ist in drei Ebenen strukturiert: das „Schulnetz“ für die schuleigenen digitalen Endgeräte, ein „externes Netz“ für den Zugriff von privaten Endgeräten der Lehrer und Oberstufenschüler sowie das „Gästenetz“, auf das von externen Besuchern z. B. im Rahmen von häufig stattfindenden Schulungen zugegriffen wird. Serverseitig wurde die Schule durch die kommunale IT angebunden.
Grundlegende Strukturen wurden dabei übernommen, erinnert sich der Schulleiter: „Wir haben den Luxus, dass wir komplett von der städtischen IT versorgt werden. Das IT-Personal leistet hier Großartiges. Der Schulträger verfügt über intensive Erfahrung mit Windows-Rechnern und Software-Produkten von Microsoft und sah diesen Lösungsansatz auch für den schulischen Bereich vor. Das fanden wir nicht schlecht, hat doch der Großteil unserer Anwender diese Ausstattung auch zu Hause. Für die Schüler sahen wir den Nutzen in der Vorbereitung auf die Arbeitswelt, die doch stark durch Microsoft-Produkte geprägt ist. Da sind der Abbau von Berührungsängsten und vielfältige Vorerfahrungen sehr nützlich.“ Vor dem Wechsel in den Neubau wurde über das Rechenzentrum Niederrhein mit Moodle, einer Lernplattform mit der Möglichkeit von kooperativen Lehr- und Lernmethoden, gearbeitet. Ab 2016 passte dann MS Teams unter konsequenter Nutzung von Windows-Systemen besser in das kommunale Konzept. Und so setzt die Schule auf Office 365 und MS Teams als Lernplattform.
In Langenfeld sind neben der Prismaschule eine weitere Gesamtschule, ein Gymnasium, eine Realschule und elf Grundschulen ansässig. Da der Umfang an notwendiger IT-Betreuung und -Administration wächst, soll der Bereich Wartung an ein kommunales Rechenzentrum oder einen gewerblichen Anbieter ausgelagert werden. Trotz der guten Unterstützung von außen realisierte die Schule ihre Office365-Umgebung selbst. Ein Kollege mit entsprechendem Fachwissen richtete die nötigen Strukturen in den Monaten zwischen Ostern und Beginn des ersten Schuljahres im neuen Gebäude 2016 ein. Damit die Schule auch außerhalb der Kernzeiten von 8 Uhr bis 16 Uhr genutzt werden kann, also Arbeiten und Lernen zeit- und ortsunabhängig möglich ist, wurden die wesentlichen Software-Dienste als „Web based Services“, also in der Cloud eingerichtet, was sich im späteren Verlauf als zukunfts- und krisenfest herausstellen sollte.
Was vor 2020 völlig selbstverständlich und normal war, verkehrte sich praktisch über Nacht in das Gegenteil. Die Schüler konnten ihre Schulen nicht mehr besuchen. Nie zuvor war das Szenario Distanzunterricht in Erwägung gezogen worden. Alle Digitalisierungsschritte vor Februar 2020 bezogen sich selbstverständlich auf den Präsenzunterricht, sofern die Schulen zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon Schritte in Richtung des medial und digital gestützten Unterrichts unternommen hatten. In dieser Situation spielte die von Anfang an kreidelos arbeitende Prismaschule ihre Vorzüge aus, so Raoul Schlösser. Sehr schnell konnte der Unterricht eins zu eins auf Distanz eingerichtet werden. Dafür sorgte die weit vorangeschrittene Ausstattung mit digitalen Endgeräten von Lehrern und Schülern sowie die eingerichteten Tools, die Cloud-basiert und unabhängig von Lehr- und Lernort genutzt werden konnten. So hat sich der zur Gründung im Jahre 2013 kreidelos ausgerufene Schulbetrieb ausgezahlt, und das sowohl für den Unterricht in der Schule als auch für den Distanzunterricht.
Trotz reibungslos verlaufendem Homeschooling hat der Schulleiter in seiner aktuell verwaisten Schule nur den einen Wunsch: dass sich die Schule möglichst bald wieder mit Leben füllen möge und die Schülerinnen und Schüler im persönlichen Kontakt untereinander und mit den Lehrkräften arbeiten und lernen können.