Virtuelle Welten: LED-Wall lädt in Goethes Homeoffice ein
von Daniela Baumann, Artikel aus dem Archiv vom
3.628.800 Pixel, über 20.000 Digitalisate, zwölf Kleinobjekte, drei Möbel und eine Medienstation sind in der Dauerausstellung des Goethe-Nationalmuseums in Weimar zu entdecken. Zentrales Element ist der „Goethe-Apparat“, der das Arbeitszimmer des weltbekannten Dichters mittels der Visualisierung von 3D-Modulationen auf einer LED-Wall in die digitale Welt überführt. Die immersive Medienstation lädt Besucherinnen und Besucher auf spielerische Art und Weise dazu ein, die Arbeitswelt Goethes zu entdecken, die Zeitschichten des musealen Raumes zu erkunden – und durch dieses einmalige Digitalisierungsprojekt in die virtuelle Realität in Goethes Arbeitszimmer einzutauchen.
Der Dichter, Politiker und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe (*1749 †1832) gilt als einer der bedeutendsten Schöpfer deutschsprachiger Dichtung. Sein Arbeitszimmer, oder wie wir heute sagen: „Homeoffice“, vereint alle Schwerpunkte seines Schaffens – von der Literatur über die Naturwissenschaften bis hin zu seinen grafischen Sammlungen und Zeichnungen. Mehr als 40 Jahre nutzte er den Raum und hat diesen immer wieder für seine Bedürfnisse umgestaltet, umgeräumt und verändert. Und heute? Im Zeitraum von circa zwei Jahren – von der Digitalisierung bis zur Fertigstellung und Eröffnung – ist es seit dem 1. April 2023 so weit: Einer der faszinierendsten Räume wird auf innovative Weise neu erlebbar – Goethes Arbeitszimmer als immersive Medienstation, dem sogenannten „Goethe-Apparat“.
Der Goethe-Apparat ist die neue audiovisuelle Medienstation in einem der historischen Wohnräume von Goethes Wohnhaus. Er visualisiert Goethes Arbeitszimmer und einige ausgewählte Möbel und Kleinobjekte als digitale, originalgetreue Kopie, da das ursprüngliche Arbeitszimmer nicht begehbar ist. Mit diesem „Werkzeug“ können Besucher und Besucherinnen die Arbeitswelt Goethes, aber auch die Zeitschichten des musealen Raumes spielerisch erkunden. Es bietet ein spannendes Experimentierfeld vor Ort in Weimar als eine innovative Form der Wissensvermittlung zu Goethes Schaffen und Nachlass.
Zentrales Element der AV-Installation ist eine hochauflösende, gebogene LED-Wall mit einem Bedienpult auf einem speziell hierfür angefertigten Podest mit speziellen Halterungen und integrierten Lautsprechersystemen. Bedingt durch die Raumsituation und den Bezugspunkt von Decke und Boden ist für die Visualisierung ein eher quadratisches Format in gebogener Form entstanden. Die Wand hat einen definierten Radius von 1,2m, einen Pixel Pitch von 1,25mm und eine Bildauflösung von 1.920 × 1.890 Pixeln. Auf der europaweit aktuell einzigartigen LED-Sonderanfertigung des Herstellers LG ist eine interaktive Computeranwendung zu sehen. Die LED-Wall überträgt aufwendig digitalisierte Objekte als 3D-Modulationen visuell ansprechend und mit vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten. Inhaltlich wichtigstes Objekt ist die interaktive 3D-Visualisierung von Goethes Arbeits- und Zeichentisch, hinzu kommen andere virtuelle Objekte. Durch die Digitalisierung der historisch wertvollen Gegenstände lässt sich die Geschichte neu entdecken. Mit einem professionellen 3D-Scan-Verfahren wurden individuelle Oberflächen und optisch-physikalische Eigenschaften der Objekte erarbeitet. Entstanden sind fotorealistische 3D-Modelle von Goethes Mobiliar sowie ausgewählte Alltagsutensilien, die einen originalgetreuen Eindruck beim Betrachter hinterlassen. Bedienbar ist die Medienstation über ein übersichtlich gestaltetes separates Bedienpult vor der LED-Wall. Ausgestattet ist dieses mit zwei Controllern, die wie bei einem Computerspiel dazu ermuntern, die Steuerung selbst in die Hand zu nehmen. Das Bedienpult ist einfach zu steuern und barrierefrei zugänglich. Das Highlight für die Besucherinnen und Besucher ist hierbei sicherlich die selbstständige Bedienung des virtuellen Arbeits- und Zeichentischs mit all seinen Funktionen und Schubfächern. Mit den beiden Controllern können beispielsweise Schubladen geöffnet werden oder auch virtuelle Gegenstände bewegt und betrachtet werden.
Aufrechte Säulen für Lautsprecher, die rechts und links von der LED-Wall installiert sind, liefern ein authentisches Hörerlebnis mit Originaltönen der Schubladen und anderen Audiogeräuschen, die eigens für die Medienstation aufgezeichnet wurden. Akustik-Stellwände sorgen für eine angenehme Akustik im Raum. Die moderne Medientechnik wurde weitgehend unsichtbar und dezent im Hintergrund installiert. Die Halterungssysteme wurden verkleidet, um das historische Ambiente des Raumes zu bewahren. Die Steuerung der Audio- und Videoinstallation übernimmt ein High-End-PC, und mittels einer Mediensteuerung von Extron kann die gesamte Anlage gestartet bzw. heruntergefahren werden.
Der Goethe-Apparat bietet mit seinen Interaktionsmöglichkeiten und den detailgetreuen Abbildungen der musealen Objekte ein authentisches Raumerlebnis und lädt Besucherinnen und Besucher dazu ein, den Nachlass von Goethe und dessen Arbeitszimmer dreidimensional zu erkunden.
Die zentrale Idee der Klassik Stiftung Weimar war es, eine VR-Brille zu ersetzen, so dass bis zu zehn Gäste gleichzeitig Goethes virtuelles Arbeitszimmer sehen und eine Person es bedienen kann. Die technische Umsetzung dieser Idee in die Realität war sicherlich die größte Herausforderung des Projekts. Hinzu kamen die Detailplanung für die gesamte Medientechnik und die Sonderanfertigungen sowie deren konstruktive Umsetzung. Dabei ging es speziell um die individuelle LED-Wall sowie die passende Konstruktion des Podests, des Gestells und aller dazugehörigen Halterungen. Die Installation der LED-Module in gebogener Form erforderte durch den extrem geringen Pixel Pitch technisches Geschick und Präzision. Zudem war eine genaue Abstimmung des gesamten Systems mit der Software notwendig, damit die Darstellung der Inhalte detailgetreu passt. Modernste Medientechnik, Digitalisierung und Geschichte an dieser historischen Stätte in Einklang zu bringen, standen im Fokus der Projektpartner.
Bild: Stiftung Weimar
Installation/Vorbereitung – LED-Module
Bild: Stiftung Weimar
Installation – Rahmen/LED-Module
Bild: Stiftung Weimar
Installation – Rahmen/LED-Module
Bild: Stiftung Weimar
Installation – LED-Modul Detail
Bild: Stiftung Weimar
Installation – Ansicht LED-Modul
Bild: Stiftung Weimar
Installation – Ansicht LED Modul
Bild: Stiftung Weimar
Installation – Ansicht LED-Modul-Rückseite mit Halterung
Die Klassik Stiftung Weimar als Auftraggeber hatte mehrere Partner für die Realisierung des Goethe Apparats in Weimar beauftragt. Darunter die Berliner Molitor GmbH, die für die Entwurfsplanung der Raumgestaltung verantwortlich war. Die Digitalisierung übernahm die Digitus Art GmbH & Co. KG, die auch die Unreal-Anwendung für Goethes Homeoffice realisierte. Die PROMEDIATEC GmbH war als professioneller Medientechnik-Dienstleister für die Detailplanung und Umsetzung der LED-Wall und die gesamte Medientechnik inklusive des Sonderbaus verantwortlich, ebenso für die Steuerung, das Podest, das Bedienpult und die Halterungskonstruktion der LED-Wall. In den Händen des Unternehmens aus Jena lag auch die komplette Installation sowie die Koordination aller Gewerke und weiterer Subunternehmen. Mit LG setzte man auf eine zuverlässige Marke und einen am Markt bewährten Partner, sowohl für die Herstellung der LED-Wall als auch für ihre Detailplanung. Die Beratung und Lieferung der LED-Wall und die Detailabsprachen mit LG und PROMEDIATEC übernahm die Exertis AV (ehemals COMM-TEC) mit Hauptsitz in Uhingen bei Stuttgart.
„PROMEDIATEC ist die Umsetzung eines einmaligen Projektes ausgezeichnet gelungen. Anhand dieses innovativen Apparates können die Besucher Goethes Arbeitszimmer authentisch und doch spielerisch erkunden. Dank solcher Projekte wird die Bedeutung unserer Branche mehr und mehr sichtbar. Das hilft auch, uns anschaulich zu zeigen, was bereits heute schon mit moderner PRO AV-Technik möglich ist. Bei einer solchen Umsetzung spielt der partnerschaftliche Austausch eine große Rolle – zwischen Hersteller, Distributor und Integrator. Wir sind stolz, als Value-add-Distributor ein solch tolles Projekt werthaltig mit begleitet zu haben – schon Aristoteles sagte zu seiner Zeit, dass das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile.“
Marco Klette, Geschäftsführender Gesellschafter PROMEDIATEC GmbH:
„Projekte wie der Goethe-Apparat zeigen deutlich, welche Möglichkeiten die Pro-AV Branche bietet, Menschen nicht nur zu begeistern, sondern auch das Interesse für Geschichte und Museen zu wecken. Die einmalige Installation war eine Herausforderung, welche durch die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten gemeistert wurde. Es ist ein Erlebnis, den Goethe-Apparat auszuprobieren, und ich bin gespannt, welche Erweiterungen noch kommen, um das Leben Goethes immersiv weiter zu erkunden.“
Kristina Johannes, Kulturmanagerin Klassik Stiftung Weimar und Alexander Methfessel, Digitaler Curator Klassik Stiftung Weimar:
„Die Klassik Stiftung Weimar hat sich auf das waghalsige Experiment eingelassen, 3D-Virtualisierungen von Kulturgütern auf das nächste Level zu heben. Im Zentrum steht Goethes Arbeitszimmer – einer der bedeutendsten Räume des Goethe Nationalmuseums. Nach zwei Jahren intensiver Kreativarbeit mit den Projekt-beteiligten bietet der Goethe-Apparat den Besucher:innen ein digitales Raumerlebnis, das auch den Blick auf das Original verändert hat.“