Im westukrainischen Lemberg entwickelt und produziert die Firma Elektroprylad Lautsprecheranlagen nach EN54-Standards für Sprachalarmanlagen. Die mit hoher Fertigungstiefe vor Ort hergestellten Produkte sind im Osten Europas weit verbreitet und genießen dank ihrer Qualität ein hohes Ansehen. Grund genug, sich Firma und Produkte einmal näher anzusehen.
Bei der Firma Elektroprylad aus der Ukraine fertigt man seit 36 Jahren Komponenten der Beschallungstechnik vom Mischverstärker über Endstufen bis hin zu den Lautsprechern. Die Produkte sind das, was man gemeinhin als klassische ELA-Technik bezeichnen würde: Anlagen für die Beschallung von öffentlichen Räumen wie Bahnhöfe, Flughäfen, Kirchen, Hörsäle, Sporthallen u.v.m. Ein großer Teil der unter dem Markennamen Vellez angebotenen Produkte ist EN54-zertifiziert und somit für den Einsatz in Brandmeldeanlagen nach VDE 0833-4 qualifiziert. Dazu gehören komplette Zentralen mit EN54-16-Zertifizierung sowie viele Lautsprecher mit EN54-24-Zertifizierung und Zulassung entsprechend dem British Standard BS5839. Es besteht bereits seit vielen Jahren ein guter Kontakt zum Hersteller in der Ukraine, 2011 eingeleitet über Wolfgang Meindl von der süddeutschen HKM Group. Ein Besuch in Lemberg (L’viv) Ende Mai 2019 bot eine gute Gelegenheit, die Firma und ihre Leute näher kennenzulernen.
Die Stadt Lemberg in der westlichen Ukraine beheimatet in ihrer ausgedehnten Altstadt eine Vielzahl historischer Gebäude und zieht seit Jahren Touristen an, die für eine florierende Gastronomie in allen Sparten sorgen. Besonders angenehm fällt dabei die moderne Infrastruktur mit gut funktionierendem Straßenbahn- und Busnetz sowie guter WLAN-Abdeckung auf. Von den Unruhen im Osten des Landes ist hier zum Glück direkt nichts zu spüren, wenngleich wirtschaftliche Auswirkungen durch den teilweisen Wegfall eines großen Marktes in der Sowjetunion nicht ausbleiben. Unabhängig davon hat man in Lemberg auch mit dem Zusammenbruch ganzer Industriezweige zu kämpfen, verbunden mit Arbeitsplatzverlust vieler Menschen und folglich vermehrter Abwanderung vor allem höher qualifizierter Arbeitskräfte. Gründer und Mit-arbeiter der Firma Elektroprylad versuchen, mit ihrem Werk diesem Trend entgegenzuwirken, indem man technisch anspruchsvolle Produkte entwickelt und mit hoher Fertigungstiefe vor Ort produziert. Verteilt auf mehrere große Gebäude in stadtnaher Lage beschäftigt man aktuell ca. 200 Mitarbeiter aus den verschiedensten Fachbereichen.
Das Vellez-Portfolio umfasst bezüglich Sprach alarmierung alle notwendigen Komponenten von diversen Sprechstellen mit und ohne Zonenauswahl über Message Manager, 100V-Verstärker, Ladegeräte bis hin zu den Lautsprechern. Besonders interessant sind die kompakten Blockzentralen für maximal 12 Zonen und 600 W Leistung, die es als Tischgeräte oder auch zur Wandmontage gibt. Beide eignen sich vor allem für Schulen, Geschäfte, kleinere Hotels und Ähnliches, wo es auf eine kostengünstige und leicht bedienbare Lösung ankommt.
Geht es um größere Installation, bietet Vellez auch klassische Alarmzentralen in 19″- Schränken an, die sich nach Bedarf mit den erforderlichen Komponenten bestücken lassen. Eine weitere Produktlinie ist auf die Beschallung von Bahnanlagen spezialisiert – hier gibt es neben der Zonenbeschallung und Alarmfunktionen auch Module für eine Gegensprechanlage zur Kommunikation mit Fahrgästen an Sprechstellen.
Bei den Lautsprechern reicht die Produktpalette von diversen Decken- und Wandlautsprechern über Zeilenlautsprecher, Trichterlautsprecher und kleinen PA-Boxen bis hin zu Speziallautsprechern mit Ex-Schutz sowie Lautsprecher für Reinräume oder für die Tunnelbeschallung. Bei dieser breiten Produktpalette könnte man denken, dass das alles von diversen fernöstlichen Herstellern zugekauft und dann mit einem Vellez-Label versehen wird. Genau das ist aber nicht der Fall.
Bei Elektroprylad verfügt man über eine Fertigungstiefe und Breite, wie sie sonst nur bei sehr viel größeren Firmen anzutreffen ist. Sämtliche Metallteile, Gehäuse und sogar Schutzgitter werden vor Ort gestanzt, gefaltet, lackiert und bis zum fertigen Produkt montiert. Die Transformatoren und 100V-Übertrager werden im Werk gewickelt und vergossen, und sogar die Lautsprechergehäuse werden in Kunststoff-Spritzgussmaschinen selber hergestellt.
Modernste CNC-Maschinen stehen in den Hallen neben klassischen Metallverarbeitungsgerätschaften und werden von fachkundigen Mitarbeitern bedient. Auch die Entwicklung der Produkte erfolgt im eigenen Haus. Wie kann eine Fertigung so funktionieren und wirtschaftlich arbeiten, vor allem angesichts von Mitbewerbern am Markt mit gigantischen Werken und unzähligen Mitarbeiten in Fernost? Dies geht dank kurzer Wege und schneller Abstimmung zwischen allen Ebenen und Abteilungen und dank eines insgesamt eher niedrigen Lohnniveaus in der Ukraine. Die Produkte können zu marktüblichen Preisen angeboten werden und finden reichlich Abnehmer in der Ukraine, Russland und den GUS-Staaten. Im Rahmen unseres Aufenthaltes nutzte man die Gelegenheit, uns nicht nur die Firma, sondern auch verschiedene Installationen in Lemberg in öffentlichen Räumen und Gebäuden zu zeigen und vorzuführen. Dazu gehörte die Universität, der Hauptbahnhof und eine große Kathedrale.
Der stattliche Hauptbahnhof in Lemberg ist einer der zentralen Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Hier kommen Fernzüge, Nahverkehr, Straßenbahnen sowie Busse des Nah- und Fernverkehrs zusammen. Gemeinsam mit den in der direkten Umgebung liegenden großen Markthallen der Stadt sorgt das für ein ständiges Aufkommen vieler Reisender, die jederzeit gut informiert sein möchten. Für die Haupthalle des Bahnhofs hat man sich daher bei Elektroprylad schon 2011 für moderne, DSP-gesteuerte Lautsprecherzeilen entschieden.
Der Anlass war seinerzeit die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine, wovon drei Vorrundenspiele in der neu gebauten Lemberger Arena stattfanden. Fertige DSP-Zeilen zuzukaufen kam für die Entwickler in Lemberg ebenso wenig infrage wie eine komplette Eigenentwicklung in der Kürze der noch vorhandenen Zeit. Man verfolgte daher einen äußerst pragmatischen und kostengünstigen Ansatz. Drei Standard-Zeilenlautsprecher aus dem Vellez-Programm, bestückt mit je acht sehr guten und lauten Breitbandsystemen, wurden zu einer 3-m-Zeile kombiniert und für den aktiven Betrieb umgerüstet.
Die insgesamt 24 Lautsprecher wurden dann in Gruppen zu einem, zwei oder vier Lautsprechern zusammengefasst und pro Gruppe mit einem Verstärkerkanal angesteuert. Damit standen 8× 100 W Verstärkerleistung zur Verfügung. Von unten beginnend ist die Gruppenzusammenstellung 1/1/2/4/4/4/4. Die beiden einzelnen Lautsprecher befinden sich am unteren Ende der Zeile, die in einer Höhe von 2,2 m (Unterkante) über dem Boden montiert wurde. Diese beiden Lautsprecher bilden auch das akustische Zentrum der Strahlerzeile. Darüber folgt zunächst die Gruppe mit zwei Lautsprechern, gefolgt von fünf weiteren Gruppen mit je vier Lautsprechern. Dabei wurden die oberen Gruppen mit vier Lautsprechern für die Signalzuspielung noch mal zu zwei Achter-Gruppen zusammengefasst. Insgesamt gibt es 24 Lautsprechern an acht Verstärker -kanälen in sechs Gruppen. Warum nur sechs Gruppen und nicht acht oder mehr? Lautsprecher und Verstärker waren kostengünstig vor Ort aus eigener Produktion vorhanden. Der DSP für das Beamforming musste jedoch zugekauft werden, wo einfache sechskanalige Geräte das optimale Preis-/Leistungsverhältnis boten. Im DSP wurde dann ein fixes Beamforming mithilfe von Delays und Tiefpassfiltern eingestellt, um eine optimale Abstrahlung auf Ohrhöhe für eine Entfernung von bis 35 m zu ermöglichen. Neben der Fokussierung durch die Delays wurde die Zeile durch eine entsprechende Tiefpassfilterung der oberen Wege für ein weitgehend frequenzkonstantes Beamforming eingestellt. Um nichts dem Zufall zu überlassen, wurde für das mithilfe von HKM in Deutschland entwickelte Lautsprecherkonzept sogar eine EASE-GLL-Datei erstellt. Die damit für den Bahnhof ausgeführten Simulationen bestätigten das Konzept, sowohl die Sprachverständlichkeit wie auch den erreichbaren Maximalpegel betreffend.
Die Montage der beiden 3 m langen Zeilen gelang optisch gut zwischen je zwei Säulen an der Wand gegenüber dem Haupteingang. Die Lautsprecher sind hier kaum zu erkennen und erfahren durch die Säulen sogar noch eine gewisse Optimierung in der Schallabstrahlung. Um den Ansagepegel dem gerade vorhandenen Störgeräuschniveau anzupassen, befindet sich oben auf einer der Zeilen ein Mikrofon zur Störpegelerfassung, zu dem dann ein passender Ansagepegel automatisch eingestellt wird. Der subjektive Höreindruck vor Ort war auch jetzt, acht Jahre nach der Inbetriebnahme, exzellent. Die Anlage klingt so gar nicht nach Bahnhof und liefert mit einem breiten Frequenzspektrum kräftige und gut verständliche Ansagen.
Als zweite Installation wurde noch die Kathedrale des Dominikanerordens in der Innenstadt besucht, die mit zu den prächtigsten Sakralbauten in Lemberg zählt. Mit ihrer auffälligen elliptischen Form wird sie heute für viele große Gottesdienste und Hochzeitsfeiern genutzt.
Auch hier galt es, eine qualitativ hochwertige und dabei optisch möglichst dezente Beschallung zu installieren. Aus akustischer Sicht haben Empfangshallen in Bahnhöfen und Kirchen die lange Nachhallzeit gemeinsam und somit das Problem, eine hinreichende Sprachverständlichkeit zu erzielen. In Kirchen ist der Anspruch dabei sogar noch etwas höher, da es hier nicht nur um kurze Durch -sagen, sondern auch um längere Vorträge oder Predigten geht, die verstanden werden wollen. Hinzu kommen teilweise ungeübte Sprecher, wenn bei Lesungen oder auch bei Hochzeiten Laien ans Mikrofon treten und zur Gemeinde sprechen.
Die Planer und Entwickler von Elektroprylad übernahmen für die Kirche das bereits bewährte Beschallungskonzept aus dem Bahnhof und installierten auch hier zwei 3 m lange DSP-Zeilen. Weitere Lautsprecher gibt es in der Kirche nicht. Die Zeilen konnten günstig angebracht werden, so dass sie nahezu den gesamten Innenraum der Kirche abdecken und Stützlautsprecher nicht erforderlich machten. Zusammen mit der exakt gerichteten Abstrahlung wird so in der Kirche ein sehr günstiges Verhältnis von Direktschall zu Diffusschall erreicht. Entsprechend direkt klingt die Anlage und ermöglicht eine für die Größe der Kirche gute Sprachverständlichkeit.
Bei der Besichtigung demonstrierte ein Geistlicher die Qualität der Anlage mit einer kurzen Gesangsdarbietung. Dabei fiel vor allem die tonal ausgeglichene Wiedergabe auf, der es auch an den Enden des Frequenzbereiches an nichts fehlte. So bestätigte sich ein schon häufig entstandener Eindruck, dass ältere oder nach älteren Konzepten entwickelte und gefertigte Breitbandlautsprecher in puncto Sensitivity und Frequenzgang unter modernen Chassis durchaus ihresgleichen suchen. Dies lässt sich sicherlich nicht verallgemeinern, zeigt aber auch, dass alte Lautsprecher à la Neumann, Bouyer, Saba und andere nicht immer schlechter sein müssen als moderne Chassis.
Die Reise in die Ukraine brachte viele interessante Erkenntnisse über den dort ansässigen Audiohersteller Elektroprylad mit sich. Mit 200 Mitarbeitern entwickelt und fertigt man dort ELA-Komponenten aller Art mit einer unerwartet hohen Qualität bis in kleinste Detail, und die Erfüllung der entsprechenden EN54 Normen wird hier groß geschrieben und streng beachtet. Die Inhaber und Entwickler von Elektroprylad engagieren sich entsprechend aktiv auch in den dortigen Gremien zur Erstellung von Normen.
Dass gute Entwickler und Ingenieure auch mit eher geringen finanziellen Mitteln moderne Konzepte umsetzen und damit gute Ergebnisse erzielen können, wurde eindrucksvoll an zwei Installationen in einem Bahnhof und einer Kathedrale demonstriert.