AVB AVoverIP Netz macht TU Berlin fit für die Zukunft
von Jörg Küster, Artikel aus dem Archiv
Seit Herbst 2017 sorgt im Hauptgebäude der TU Berlin ein AVB-Netz auf Basis von Produkten von Biamp Systems für eine flexible AV-Signaldistribution zwischen zwei Hörsälen und dem Lichthof – über eine Ausweitung wird nach positiven Praxiserfahrungen während der ersten Betriebsmonate bereits laut nachgedacht. PROFESSIONAL SYSTEM traf die Projektbeteiligten zu einer Gesprächsrunde auf dem zentralen TU-Campus.
Mit 35.000 Studierenden, rund 100 Studienangeboten und 40 Instituten gehört die Technische Universität Berlin zu den großen technischen Universitäten in Deutschland. Der zentrale TU-Campus Charlottenburg befindet sich unweit des Kurfürstendamms an der Straße des 17. Juni – hier sind die meisten TU-Institute sowie das Hauptgebäude mit seinem denkmalgeschützten Auditorium maximum und zahlreichen weiteren Hörsälen angesiedelt.
AVB in XXL
Studierende sowie Gäste der regelmäßig in den Hörsälen des Hauptgebäudes anberaumten Veranstaltungen sehen seit Mitte Oktober 2017 Projektionsbilder in einer neuen Qualität: Im Audimax, Hörsaal H 0105 mit 1.192 Sitzplätzen, sowie im Hörsaal H 0104 (644 Sitze, in der Branche bekannt durch das weltweit größte System zur Wellenfeldsynthese) wurde zeitgemäße Projektionstechnik installiert, und statt betagter, seit mehr als einer Dekade in Betrieb befindlicher Beamer kommen nun aktuelle DLP-Geräte mit Laserlichtquellen und 4K-Auflösung zum Einsatz.
Unter medientechnischen Aspekten besonders interessant ist die zugehörige Signaltransport- und -bearbeitungs-Infrastruktur, die auf AVB-Standards (Audio Video Bridging) der TSN Task Group beruht. Es werden Produkte von Biamp Systems verwendet – darunter Modelle aus der zur Infocomm 2016 vorgestellten Tesira-Serie. 55 TesiraLUX-Units, 2 Tesira SERVER-IO und Komponenten aus der AudiaFLEX-Reihe (2 x AudiaFLEX plus AudiaEXPO) kamen zum Einsatz.
Nach Kenntnisstand des Autors handelt es sich um die bislang umfangreichste Tesira- Installation in Europa, sofern man sich auf Aufbauten mit einer 10G-Glasfaser-Infrastruktur fokussiert. Die TesiraLUX-Hardware (IDH-1 Encoder und OH-1 Decoder) beherrscht als Kompromiss zwischen Bildqualität und Infrastrukturaufwand alternativ zu 10G auch die 1G-Übertragung (Kupferkabel), was für Anwendungen mit geringeren Datenraten (weniger Auflösung, reduzierte Framerate, stärkere Komprimierung) nützlich sein kann. Mit TesiraLUX ist laut Aussage des Herstellers sogar ein gemischter Betrieb von 10G und 1G möglich.
Planung & Integration
Verantwortlich für die Umrüstungsmaßnahme in der TU Berlin waren auf Seite der Universität Christoph Moldrzyk (Abteilung Gebäude- und Dienstemanagement, zuständig für Medien- und Netzwerktechnik), Dr. Dirk Heinrich (inno- Campus, zuständig für die Didaktik der Lehrinhalte sowie die dabei erforderliche technische Ausstattung) und Michael Flachsel, (tubIT, ITDienstleistungszentrum als Zentraleinrichtung der TU Berlin und u. a. für das Netzwerk verantwortlich).
„Vor etwa fünf Jahren haben Christoph Moldrzyk, Dirk Heinrich und ich gemeinsam mit MMT Network Bauplanungsunterlagen erstellt, die unter anderem die Umstellung der Medientechnik auf IP zum Thema hatten“, berichtet Michael Flachsel. „Man könnte sagen, dass die nun erfolgte Umrüstung von Audimax und Hörsaal H 0104 die erste reale Umsetzung der seinerzeit erarbeiteten Ideen ist. Zugrunde liegt ein Netzwerkkonzept aus dem Jahr 2008, das Dienste-integriert und somit unabhängig von den Inhalten ausgelegt ist. Aufgrund lokaler Gegebenheiten setzen wir in der TU zwischen den Gebäuden und bei Forderung nach höheren Geschwindigkeiten vorrangig auf Glasfaserstrecken und haben uns bezüglich der Infrastruktur mit Gedanken an eine homogene Ausstattung auf ausgewählte Netzwerkkomponenten festgelegt.“
Als Planer für das Audimax wurde die MMT Network GmbH unter Federführung von Bernhard Müller (Geschäftsführer/Planungsleiter Medientechnik) tätig. Die Planung für Hörsaal H 0104 oblag der Berliner Niederlassung der macom GmbH unter Leitung von AV-Consultant/Project Engineer Sebastian Mensing. Die renommierten Fachplaner konnten sich in einem von der TU Berlin durchgeführten Auswahlverfahren gegen andere Marktteilnehmer durchsetzen.
„Als wir mit dem Projekt begonnen haben, war AVB als Übertragungslösung noch nicht final gesetzt“, erklärt Christoph Moldrzyk. „Es war nicht absehbar, ob die für die komplette Umsetzung unserer Vorhaben erforderlichen Produkte überhaupt rechtzeitig verfügbar sein würden.“ Bernhard Müller berichtet, dass AVB erst „nach gedanklichen Schleifen“ zum Protokoll der Wahl wurde und Angebote mehrerer Hersteller von MMT Network und dem Team von macom in Testaufbauten ausgiebig geprüft wurden. Wie Christoph Moldrzyk bestätigt, konnte die kompressionsbehaftete Video-Übertragungsqualität (M-JPEG) der TesiraLUX-Produkte von Biamp Systems bei dieser Gelegenheit im direkten Vergleich mit einer die volle Übertragungsbandbreite unterstützenden kompressionslosen Lösung eines anderen Herstellers auf ganzer Linie überzeugen.
Mit der Integration der Medientechnik in beiden Hörsälen war die Berliner PIK AG befasst; Verantwortung übernahmen hier Vorstand Ingo Nolte, Vertriebsspezialist Andreas Eckhardt und Projektleiterin Silvia Weise. Die „Partner für Informations- und Konferenztechnik“ waren bereits 2005 für größere Aufrüstungsmaßnahmen im Audimax verantwortlich, und auch im Hörsaal H 0104 war PIK bereits zugange, so dass viel Vorwissen zu den örtlichen Gegebenheiten vorhanden war. Es hat sich angesichts der Komplexität des Vorhabens – wenn auch anders intendiert – im Nachhinein als vorteilhaft erwiesen, dass nur ein Integrator beide Ausschreibungen gewann und somit für beide medientechnisch miteinander verbundenen Hörsäle verantwortlich war.
AV trifft IT
Silvia Weise, die an der TU Berlin Technische Akustik studiert hat und seit 2001 für die PIK AG tätig ist, erinnert sich: „Zunächst hat PIK den Auftrag für das Audimax erhalten; später kam Hörsaal H 0104 hinzu. Der Projektumfang war relativ groß und beinhaltete diverse Herausforderungen: So gab es bezüglich des Zeitfensters nur wenig Spielraum, denn in den Hörsälen konnten wir lediglich während der Semesterferien ans Werk gehen. Hinzu kam noch der Prüfungszeitraum – für uns ging es konkret am 1. August los, und zu Beginn der ersten Vorlesungen Anfang Oktober 2017 musste alles fertig sein.“
Das gesamte Leitungsnetz mit Cat- und LWL-Strecken wurde von einer Elektrofachfirma erneuert. Alleine im Audimax wurden 1.000 Meter LWL mit 4 bis 24 Fasern sowie acht Kilometer Cat.7A-Kabel verlegt. Eine enge Abstimmung mit der tubIT war erforderlich: Der IT-Dienstleister der TU Berlin macht exakte Vorgaben, wie Netzwerke passend zum übrigen, auf dem Campus zum Einsatz kommenden Netzwerkkonzept aufzubauen sind.
Michael Flachsel erläutert: „Das für Audimax und Hörsaal H 0104 neu eingerichtete Netzwerk soll weiterhin verwendet werden können, wenn künftig einmal andere Protokolle als AVB zu übertragen sind. Sollte bei Verfügbarkeit entsprechender Komponenten ein vollständiger Umstieg auf IP-Technik erfolgen, lässt sich die Infrastruktur nahtlos übernehmen.“ Christoph Moldrzyk ergänzt: „Die Rundfunkanstalten befassen sich bereits länger damit, wie sich Content – anders als bei allen im Medientechnikbereich momentan verfügbaren Übertragungssystemen – via interoperablem IP übertragen und in Echtzeit bearbeiten lässt. Entsprechende Lösungen bewegen sich aktuell noch in einer für uns unerschwinglichen Preisliga, aber wir denken, dass in absehbarer Zeit passend skalierte Ansätze für unsere Anforderungen verfügbar sein werden – vielleicht wird dieses sogar schon in zwei oder drei Jahren der Fall sein.“
Bild und Ton synchron
Für ein gewisses Maß an Anspannung bei den Projektbeteiligten dürfte der Umstand gesorgt haben, dass diverse neue Produkte zum Einsatz kamen, die zuvor am Markt noch nicht verfügbar waren – auch die Lieferzeiten mussten daher im Auge behalten werden. Silvia Weise: „Für eine derart große Tesira-Installation mit insgesamt 57 Geräten gab es keine Erfahrungswerte – rückblickend war es eine spannende Zeit. Wir haben für Tesira eine Datei angelegt, in der beide Hörsäle mit je einem Video- und einem Audioteil zusammengefasst sind; Biamp spricht in diesem Zusammenhang von Partitionen. Von einer Videopartition lässt sich beispielsweise der HDMI-Ton auskoppeln und auf die Audiopartition routen. Von Biamp Systems Central Europe haben wir guten Support erhalten, und zwei Mitarbeiter waren zeitweise auf dem Campus oder haben uns telefonisch unterstützt.“
Übereinstimmend loben alle Beteiligten die kurzen Umschalt- und Durchlaufzeiten (der Hersteller nennt eine Ende-zu-Ende-Latenzzeit von weniger einem Frame bei 60 Hz) der nun zum Einsatz kommenden Lösung auf Basis von TesiraLUX – Bewegungen auf dem Podium etwa sind laut Christoph Moldrzyk „live“ wie auch als Kamerabild quasi synchron zu sehen. „Eine unserer Grundanforderungen bestand darin, hohe Latenzen zu vermeiden“, so Moldrzyk. „Die Übertragungszeiten von Audio- und Video-Content werden bei TesiraLUX automatisch angeglichen“, ergänzt Sebastian Mensing. Silvia Weise kommentiert: „Besonders bemerkenswert finde ich die Querverbindung von einem Hörsaal zum anderen – da alle beteiligten Komponenten in einem System an einem gemeinsamen Switch arbeiten, ist es egal, welches Signal man von wo nach wo schickt. Der Ton ist sofort da, und man benötigt bei einer Zusammenschaltung der Säle kein Echo-Cancelling, weil schlichtweg kein störendes Delay auftritt.“
Die raumübergreifende Inanspruchnahme mehrerer Hörsäle ist an der TU Berlin keineswegs nur eine theoretische Option, sondern findet durchaus häufiger statt – so zum Beispiel bei Großveranstaltungen wie den „Queen s Lectures“, aber auch an Erstsemestertagen und bei Kongressen bzw. Tagungen. Auch der 478 m2 messende Lichthof des TU-Hauptgebäudes ist an das AVB-Netzwerk angebunden und wird bei Bedarf über vier mobile 19″-Cases mit jeweils einem TesiraLUX-Decoder (OH-1) plus Connector-Panel samt frontseitigen Anschlüssen versorgt.
E-Learnig mit e-Kreide
„In puncto E-Learning möchte die TU Berlin führend sein“, sagt Christoph Moldrzyk. „Es ist ausdrücklicher Wunsch des Präsidiums, dass moderne Lehrkonzepte technische Unterstützung finden – wichtig dabei ist eine vorausschauende Planung, da bei unseren Projekten relativ lange Vorlaufzeiten zu berücksichtigen sind.“ In den TU-Hörsälen findet ein E-Kreide-System Verwendung: Der Vortragende hat die Möglichkeit, auf einem in die Tischoberfläche des Dozentenmöbels eingearbeiteten Wacom-Grafiktablet sein „Tafelbild“ zu entwickeln, das fortlaufend auf den beiden Projektoren abgebildet wird. Auf einem der beiden Beamer bleibt das Bild eine Zeitlang stehen, während auf dem zweiten Projektorbild die aktuelle Herleitung visualisiert wird. Gerne genutzt wird in der TU auch die Möglichkeit, auf einer Seite der Projektion eine PowerPoint-Folie abzubilden, während auf der anderen Seite handschriftliche Anmerkungen erfolgen.
Im Audimax und im Hörsaal H 0104 sind PTZ-Kameras (Panasonic AW-HE130/HE40) primär zur Übertragung in andere Hörsäle installiert, wobei zusätzlich auch die audiovisuelle Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen möglich ist. In der Praxis wird von dieser Option eher selten Gebrauch gemacht, da Persönlichkeitsrechte der im Saal anwesenden Personen tangiert werden und erfahrungsgemäß auch eine Nachbearbeitung des Materials erforderlich ist. Reine Mitschriften werden als PDF-Dateien gespeichert und den Studierenden zugänglich gemacht. Bestandteil jedes Dozentenmöbels ist neben den in einem Unterschrank montierten TesiraLUX-Einheiten sowie diversen Anschlüssen (HDMI, LAN, USB, Strom) ein AMX-Touchpanel: Diverse Funktionen lassen sich hier mit einer übersichtlichen, Hörsaal-übergreifend verwendeten Bedieneroberfläche steuern. Mediensteuerung im Hintergrund ist ein AMX NI-4100 NetLinx Integrated Controller.
To switch or not to switch?
Bezüglich der in der TU Berlin zu verwendenden Switches schreibt die tubIT als Standard eigentlich Komponenten von Cisco vor. Im Fall der neu eingebrachten Medientechnik für Audimax und Hörsaal H 0104 ist es jedoch so, dass die derzeit noch separat zu transportierenden Steuerdaten der TesiraLUX-Units über Switches von Cisco geführt werden, während der Audio/Video-Content unabhängig davon über einen Extreme Networks Summit X670- G2 Switch mit zugekauftem AVB Feature Pack geleitet wird.
„Während der Vorbereitungen war die Switch-Technik ein größeres Thema“, berichtet Michael Flachsel. „Wir hatten zunächst zwei Cisco Catalyst 3850 am Start, welche sowohl vom Hersteller als auch von Biamp Systems als prinzipiell tauglich für die Übertragung von AVB erachtet wurden. Die generelle Herausforderung bei AVB besteht darin, dass ein AVB-spezifisches Protokoll als Ersatz des IP-Stacks derem die voneinander abweichende Interpretation von Schaltvorgängen ein Thema war.
„Aus Zeitgründen mussten wir für unser Vorhaben nach zahlreichen Versuchen eine Entscheidung treffen – wir konnten zwischen eingeschränkter Leistungsfähigkeit und möglicherweise drohenden Abbrüchen oder einem Austausch der eigentlich von tubIT vorgeschriebenen Switches gegen Produkte von Extreme Networks wählen. Es gab am Ende schlichtweg keine Zeit mehr, um für Cisco oder Biamp das ausgelagerte Testlabor zu sein! Mittlerweile ist es so, dass der zum Einsatz im ISO/OSI-Layer 2/3/4 zu transportieren ist.
Um die Vorgaben bezüglich der Latenz bei der Kommunikation mit den Endgeräten einhalten zu können, gibt es in der konkreten Konstellation zwischen Cisco und Biamp noch Abstimmungsbedarf.“ Mit der Verbindung von Biamp Systems und Extreme Networks funktioniert die Übertragung hingegen einwandfrei. Michael Flachsel berichtet über Testaufbauten, Experimente unter Verwendung unterschiedlicher Firmware-Versionen und viele Telefongespräche mit den Herstellern bzw. deren Entwicklungsabteilungen, bei denen unter anderem die voneinander abweichende Interpretation von Schaltvorgängen ein Thema war.
„Aus Zeitgründen mussten wir für unser Vorhaben nach zahlreichen Versuchen eine Entscheidung treffen – wir konnten zwischen eingeschränkter Leistungsfähigkeit und möglicherweise drohenden Abbrüchen oder einem Austausch der eigentlich von tubIT vorgeschriebenen Switches gegen Produkte von Extreme Networks wählen. Es gab am Ende schlichtweg keine Zeit mehr, um für Cisco oder Biamp das ausgelagerte Testlabor zu sein! Mittlerweile ist es so, dass der zum Einsatz kommende Switch von Extreme Networks als „Kreuzschiene der Medientechnik“ betrachtet, diesem Bereich zugeordnet und von der tubIT nicht mitverwaltet wird.“
Safety first – Die OStrV-Strahlenschutzverordnung
Die „OStrV – Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung“ gilt nicht nur für kohärente optische Strahlung (Laser, bei Projektoren mit Laserlichtquelle eingeteilt in die Laserklassen 1 bis 4), sondern auch für inkohärente optische Strahlung. Eine Quelle für inkohärente optische Strahlung ist z. B. ein Projektor mit dem als sichtbares Licht wahrgenommenen Austritt der Strahlung am Objektiv (gemäß DIN EN 62471 nach Strahlungsintensität eingeteilt in die Risikogruppen 0 bis 3).
Eine Gefahr von Personenschäden besteht insbesondere dann, wenn sehr hohe Lichtleistungen (wie bei Projektoren der Risikogruppe 3 für große Hörsäle üblich) genutzt werden oder eine hohe Lichtleistung mit Teleobjektiven kombiniert wird. In den „Technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung“ (TROS Inkohärente Optische Strahlung) wird die in der OStrV geforderte Gefährdungsbeurteilung genauer spezifiziert. In den aus der DIN EN 62471 abgeleiteten Sicherheitshandbüchern der Projektorenhersteller wird eine so genannte „Hazard Distance“ (Gefahrenabstand) für öffentliche Räume definiert und eine Mindesthöhe für die Anbringung festgelegt. Aus einer – auch nur extrem kurzen – Exposition innerhalb des Gefahrenabstands können laut OStrV/TROS IOS/DIN EN 62471 pathogene Wirkungen (z. B. fotochemisch) auf das Auge wie auch auf die menschliche Haut resultieren, weshalb innerhalb der kritischen Distanz ein direkter Kontakt mit dem Strahl (z. B. bei einer zwecks Wortmeldung gehobenen Hand) nicht zulässig ist. Studierende gelten gemäß OStrV an einer Hochschule als Mitarbeiter (nach Arbeitsstättenverordnung sowie den zugehörigen „ASR Technischen Regeln für Arbeitsstätten“) und sind daher entsprechend zu schützen.
Christoph Moldrzyk äußert sich zu den Sicherheitsmaßnamen rund um die leistungsstarken neuen Projektoren: „Interessant bei Projektoren mit interner Laserlichtquelle ist, in welche Laserklasse das Gerät bezüglich seiner Außenwirkung ab Gehäuse einzuordnen ist. Intern sind die leistungsstärkeren Laserlichtquellen fast alle in Klasse 3R/B oder sogar Klasse 4 einzugruppieren und auch demgemäß klassifiziert. Würde ein Projektor außen am Gehäuse vergleichbar eingestuft, könnte er nur in einem Raum betrieben werden, welcher den für die jeweilige Klasse geltenden Arbeitsschutzvorschriften genügt.“
Moldrzyk weiter: „Für Projektoren aller Lichtquellenarten gelten die „TROS inkohärente Strahlung“ (Technische Regeln zur Arbeitsschutzverordnung; Anm. d. Red.) und damit die DIN EN 62471 für die aus dem Objektiv austretende Strahlung. Für diese inkohärente optische Strahlung ist eine Einteilung in Risikogruppen (RG 0 bis 3; Anm. d. Red.) relevant. Die Risikogruppen ergeben sich aus der Strahlungsintensität, so dass Teleobjektive einen eigentlich der Risikogruppe 2 zuzuordnenden Projektor durchaus in Risikogruppe 3 eintreten lassen können – mit entsprechenden Auswirkungen auf die einzurichtenden Sicherheitszonen bzw. die einzuhaltenden Sicherheitsabstände. Konkretes Beispiel: Würden die in Hörsaal H 0104 installierten Barco UDX-4K32 mit voller (!) Lichtquellenleistung betrieben, müssten die vor einem direkten Einblick schützenden Tuben fast die doppelte Länge der derzeit zum Einsatz kommenden „Textiltrichter“ aufweisen.“
Highpower-Projektion mit Personenschutz
„Zwei Projektoren auszutauschen und deren Anbindung zu erneuern, klingt zunächst nach einem einfachen Auftrag“, erinnert sich macom Mitarbeiter Sebastian Mensing mit einem Schmunzeln. „In der Praxis war das Vorhaben an der TU allerdings außerordentlich komplex: Es galt nicht nur, über geeignete Maßnahmen nachzudenken, um die Vorgaben der OStrV-Strahlenschutzverordnung (siehe Kasten) einzuhalten, sondern auch die vorhandenen Projektionskabinen waren in Hörsaal H 0104 recht klein und boten nicht genug Platz für die neuen Projektorenmodelle. Die Kühlung war ebenfalls ein Thema – und schließlich musste die Signalübertragung per AVB mit brandneuen, in der Praxis noch nicht erprobten Produkten realisiert werden.“
Lösungen für die durch die neuen Projektoren bedingten Strahlenschutzanforderungen wurden von den Planungsbüros im direkten Austausch mit den Herstellern abgestimmt. Gemeinsam erarbeiteten sie die nötigen Strahlenschutzparameter, um die Projektoren in den Hörsälen überhaupt betreiben zu dürfen. Dank der guten Vernetzung der macom-Ingenieure und MMT Network konnte schnell der Kontakt mit den jeweiligen Entwicklungsabteilungen hergestellt werden. Aufgrund der speziellen baulichen Situation im Hörsaal H 0104 definierten die Projektbeteiligten um Sebastian Mensing ein Strahlenschutzgehäuse, das alle Anforderungen (Abdeckungsbereich der Hazard Distance, nicht entflammbares und akustisch wirksames Gewebe, Montagehöhe über Fluchtweg) erfüllte.
In Hörsaal H 0104 überraschen heute zwei trichterförmige, mit Textilbespannungen überzogene Rahmen als Strahlenschutzgehäuse (Tuben), welche das aus den Projektorobjektiven der „3-Chip DLP Laserphosphor“-Projektoren vom Typ Barco UDX-4K32 (31.000 Lumen) austretende Licht von der näheren Umgebung abschirmen. Grund für die physische Absperrung ist die im Jahr 2010 in Kraft getretene „OStrV – Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung“ (www.gesetze-im-internet.de/ostrv/), die Gesundheitsschäden durch künstliche optische Strahlung vorbeugen soll.
Im Fall von Audimax und Hörsaal H 0104 gehören die Projektoren zur Risikogruppe 3. Im Audimax sind sie gemäß Anforderung außerhalb des definierten Sicherheitsbereiches untergebracht, im Hörsaal H 0104 ist die Einhaltung des Sicherheitsbereichs durch die den Einblick verhindernden Tuben gelöst. „In beiden Hörsälen werden die Projektoren mit abgesenkter Leistung betrieben“, erklärt Christoph Moldrzyk. „Das sollte die Lebensdauer der Projektoren merklich verlängern und eine Betriebszeit mit gleichbleibender Lichtleistung von hoffentlich acht bis zehn Jahren sicherstellen. In Hörsaal H 0104 haben wir die Länge der vorgesetzten Tuben für die verwendete Lichtleistung optimiert.“
Im Audimax sind zwei Panasonic PT-RQ32K mit 26.000 ANSI-Lumen und WQXGA-Auflösung installiert, welche sich in voluminösen Schallschutzgehäusen (Audipack) befinden. Durch die Gehäuse werden die Betriebsgeräusche erheblich gedämpft. Um den Diebstahlschutz muss man sich im Audimax angesichts von Größe und Gewicht der Geräte keine Gedanken machen.
Das große Besteck …
Christoph Moldrzyk erklärt, dass Aspekte wie Betriebssicherheit, TCO und Wartungsaufwand entscheidende Kriterien für die TU Berlin waren, nach denen die beiden Planungsbüros die jeweils passenden Geräte auswählten. Die Panasonic-Projektoren etwa verfügen über zwei voneinander unabhängige Laserlichtquellen – beim kürzlich zu beklagenden Ausfall eines Phosphorrades konnte der betreffende Projektor laut Moldrzyk dank „Dual-Drive Laser Optical Engine“ bei unverminderter Helligkeit mit der verbliebenen Laserlichtquelle weiterbetrieben werden. Die Lebensdauer der Laserlichtquellen sowie lange Filterwechselintervalle sollen den Wartungsaufwand mindern und, über die Gerätelebensdauer gerechnet, die Kosten senken.
In den Hörsälen wird aktuell kein „echtes“ 4K projiziert, da die Projektoren nicht mit nativen 4K-Panels, sondern mit bezahlbaren DLP-Chips samt Pixel-Shift-Technologie ausgerüstet sind. „Echtes 4K ist nicht unser Bestreben gewesen“, sagt Christoph Moldrzyk. „Ziel war vielmehr, dass unabhängig vom Sitzplatz für keinen der Anwesenden einzelne Pixel beziehungsweise eine stufige Auflösung wahrnehmbar sind. Außerdem wollten wir in eine zukunftsfähige Technologie mit leistungsfähigen Projection- Engines investieren.“
Über das physisch auf mindestens 100 Gbit/s, momentan aber durch die Limitierung der AVB-Komponenten wie auch der Switchports für 10 Gbit/s ausgelegte Netz wird in der TU Berlin netto eine Nutzdaten-Payload von 6,65 Gbit/s transportiert, so dass bei 4K@60Hz eine für die in der TU gezeigten Inhalte laut Tests nicht wahrnehmbare Komprimierung der Farbinformation zum Einsatz kommt. Im Moment ist die Doppelprojektion noch in ein linkes und ein rechtes Bild aufgeteilt; dem Vernehmen nach soll künftig jedoch per Edge- Blending eine durchgängige Bildfläche erzeugt werden.
Vorreiterprojekt
Vier Monate nach Beginn des regulären Betriebs ziehen alle Projektbeteiligten ein positives Fazit: „Wir hatten bei der Installation neuer Medientechnik bislang noch nie einen derart problemlosen Start!“, stellt Christoph Moldrzyk zufrieden fest. „Die Einstiegsphase ist überraschend stabil verlaufen – wir hatten insgesamt nur drei kleinere Ausfälle, die sich allesamt durch einen Neustart beheben ließen.“ Silvia Weise berichtet, dass vor Weihnachten ein Firmware-Update eingespielt wurde und seither keine Ausfälle mehr aufgetreten sind. Übereinstimmend erklären die Beteiligten, dass AVB bezüglich der Übertragungsqualität eine sehr gute Lösung ist und auch hinsichtlich der Kosten gegenüber Lösungen auf Basis von HDBaseT überzeugen kann. Als weitere wichtige Punkte werden die geringe Latenz bei Übertragungen zwischen den Hörsälen sowie die mögliche spätere Vernetzung mit weiteren TU-Teilen genannt. Positiv bewertet wird, dass sich die Stärke der Signalkomprimierung bei TesiraLUX skalieren lässt.
Ingo Nolte, einer der drei Vorstände der PIK AG, spricht mit Gedanken an die erneuerte Ausstattung in der TU Berlin von einem „zukunftsweisenden Vorreiterprojekt“ und trifft damit vermutlich den Nagel auf den Kopf. Michael Flachsel stellt heraus, dass die aktuelle Ausstattung als „eine Art Keimzelle“ betrachtet werden kann, da die zugrundeliegende Struktur in Zukunft über die gesamte TU Berlin ausgerollt werden soll: „Wann genau das der Fall sein wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit gesagt werden“, räumt Flachsel ein. „Immerhin sind auf dem Campus rund 60 Gebäude mit zahlreichen Hörsälen ganz unterschiedlicher Größen auszustatten.“ Für den IT-Spezialisten steht außer Frage, dass die noch vorhandenen technischen Einschränkungen, die mit Standards wie AVB samt ihrer begrenzten Zahl von innerhalb einer Domäne zu verwaltenden Endgeräten einhergehen, aufgehoben und durch universelle Ansätze ergänzt/verbessert werden. „Bis Letzteres tatsächlich der Fall ist, können wir mit der aktuellen Installation allerdings sehr gut leben!“, betont Christoph Moldrzyk.