Die Fans von Hannover 96 können sich seit Ende der Fußball-Saison 2013/2014 nicht nur über den Klassenerhalt, sondern auch über einen verbesserten Sound freuen. Bei der Stadionbeschallung der Hannoveraner kommen die neuen Lautsprecher von Kling & Freitag zum Einsatz. Wir haben uns die Stadionbeschallung genauer angesehen!
Anzeige
Ob nun Beschallungsqualität zum Verbleib in der 1. Liga beigetragen hat, sei dahingestellt. Unbestritten ist aber, dass Fußball als Event zelebriert weit höhere Anforderungen an die Lautsprecher stellt als nur die Wiedergabe von Ansagen zur Mannschaftsaufstellung oder Ergebnissen. Und die Ansprüche wachsen, wie Christian Martin, Meister für Veranstaltungstechnik bei Hannover 96 erläuterte:
„Die bisherige Anlage war nicht für die Beschallungsanforderungen konzipiert, die wir jetzt haben. Bei dem einstündigen Vorprogramm z. B. wird Musik in einer konzertähnlichen Qualität erwartet. Es gab schlechte Kritiken und wir sahen keine Möglichkeit, mit den vorhandenen Lautsprechern und Verstärkern die Qualität im gewünschten Maß zu verbessern.“
Deshalb entschied sich der Verein, die Lautsprecher tribünenweise nach und nach auszutauschen. Zum Spiel am 12.04.2014 war die letzte Gerade fertig ausgestattet. Eingesetzt werden Linien aus Kling & Freitag Sequenza 10 zur Beschallung des Unterrangs und Sequenza 5 für die Versorgung des Oberrangs. Die Nord-Ost- und Süd-Ost-Tribüne sowie die Presseplätze werden noch von den Lautsprechern aus dem Bestand beschallt. „Wir haben vor, die Ecken bei Bedarf noch nachzurüsten. Die Presseplätze haben bewusst ein separates System, weil die Medienvertreter im Spielbetrieb weit weniger Pegel wünschen als die Fans“, sagte Christian Martin. Zu den neuen Lautsprechern wurden auch neue Verstärker, Controller und ein neues Netzwerk installiert.
Soundweb London Einheiten und ein Dante-Netzwerk schaffen jetzt die Voraussetzungen, um Lautsprecher flexibel nutzen zu können, u. a. auch für sicherheitsrelevante Durchsagen im Innenraum des Stadions. Zu der Besonderheit der Installation gehört das starke Engagement des Vereins selber.
„Ich komme selbst aus der Tontechnik“, sagte Christian Martin. „Wir haben das jetzige Konzept mitentwickelt und die Installation durchgeführt. Dabei wurden wir von unserem langjährigen Partner Crystel Sound & Light aus Langenhagen unterstützt.“ Unterstützt wurden sie dabei von Kling & Freitag. In die Vorplanung war die AMT-Ingenieurgesellschaft involviert; sie beriet in der Konzeptentwicklung und führte Simulationsberechnungen durch. Die Einrichtung des Netzwerks und die Programmierung leistete Höhnerbach Veranstaltungstechnik e. K. aus Duisburg.
Anforderungen und Umsetzung an die Stadionbeschallung
„Das Projekt ist sehr reibungslos verlaufen“, berichtete Christian Martin. „Der erste Kontakt mit Kling & Freitag war 2013 auf der Prolight + Sound. Beim letzten Heimspiel in der Saison 2012/2013 haben wir dann schon eine Testinstallation mit Sequenza 10 gemacht. Mein Anliegen war es, die Anzahl der Lautsprecherpositionen so weit wie möglich zu reduzieren, damit jeder Zuschauer möglichst nur die Signale von zwei Lautsprecherpositionen hört. Bei dem vorherigen System gab es meiner Ansicht nach viel zu viele Lautsprecherpositionen.“
Nach einem Test, bei dem der Einsatz der Sequenza 10 überzeugte, entschied sich der Verein für das Beschallungskonzept, bei dem der Unterrang des Stadions mit insgesamt 49.000 Plätzen von Sequenza 10 und der Oberrang von Sequenza 5 beschallt wird. „Es gab verschiedene Vorüberlegungen“, berichtete Christian Martin. „Das Konzept, das jetzt umgesetzt ist, haben wir zusammen mit Kling & Freitag entwickelt. Beim Test haben wir das Konzept in einem Rang sehr erfolgreich ausprobiert und es dann auf das Stadion übertragen. Wir haben uns sehr bewusst für eine Firma in der Nähe entschieden. Die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert. Zwischen den ersten Überlegungen und der Fertigstellung jetzt liegen gerade mal 12 Monate. Wir sind jetzt sogar schneller fertig geworden als ursprünglich geplant, weil wir bei dem milden Winter keine Pause einlegen mussten.“
So war beim Besuch im Stadion am 9.4. – drei Tage vor dem ersten Einsatz aller neuen Lautsprecher – die Stimmung sehr entspannt. „In den nächsten Tagen werden wir noch ein paar Feinabstimmungen machen“, erklärte Christian Martin. „Aber an sich ist alles fertig, auch ohne dass wir ein Wochenende durch – gearbeitet haben.“
2014 kam die Anlage „nur“ bei Fußballspielen zum Einsatz. Dieses Jahr ist aber auch ein Einsatz bei Konzerten über sicherheitsrelevante Durchsagen hinaus denkbar. „Bei der Entscheidung für qualitativ hochwertige Lautsprecher spielte auch der Gedanke eine Rolle, dass sie bei Konzerten als Delayline eingesetzt werden können“, erläutert Christian Martin. „Deswegen war für uns auch eine Steuerung wichtig, mit der wir die Lautsprecher an jeder Position separat entsprechend der Nutzung anpassen können.“
Das neue Lautsprechersystem
In speziell gefertigten Flugrahmen sind jetzt Arrays aus jeweils vier Sequenza 10 W für die Beschallung des Unterrangs zuständig. Sie hängen in einer Höhe von circa 35 m über Spielfeldniveau. Auf den langen Geraden Ost und West sind jeweils drei Arrays installiert; jeweils zwei Arrays beschallen die „kurzen“ Tribünen Nord und Süd. Für den Oberrang kommen Linien mit Sequenza 5 W zum Einsatz. Dabei variiert die Anzahl aufgrund der Asymmetrien des Stadions (ovale Dachöffnung und ETFE-Folie im vorderen Dachbereich) je nach Größe und Steilheit des Oberrangs.
Auf der Osttribüne mit der Pressetribüne in der Mitte kommen lediglich zwei Arrays mit jeweils sieben Sequenza 5 zum Einsatz, da in der Mitte über der Pressetribüne immer noch die Lautsprecher aus dem Bestand ihre Arbeit tun. Auf der Westtribüne sind vier Linien mit jeweils acht Sequenza 5 installiert. Die Nord- und Südtribüne besitzen jeweils drei Linien mit jeweils sechs Sequenza 5.
Die Sequenza 5 sind mit den Flugrahmen montiert, die zum normalen Zubehörprogramm gehören. Für zwei Ecken sind jeweils sechs Sequenza 5 W vorgesehen. „Wir planen jetzt, die anderen beiden Ecken auch noch nachzurüsten“, erklärte Christiane Martin. Um auch im Bassbereich für den erwartenden „Druck“ zu sorgen, sind insgesamt vier Bässe SWi 118E installiert. Sie sind unter dem Catwalk im Dach abgehängt. Bei Bedarf kann hier noch nachgerüstet werden, die Infrastruktur für weitere Bässe ist bereits vorhanden.
Als Verstärker kommen für alle Kling & Freitag Lautsprecher die PLM 10000q von Lab.gruppen zum Einsatz. Diese sind auf vier Lautsprecherzentralen aufgeteilt, die sich in Schränken auf dem Catwalk befinden.
Die vierkanaligen Controller/Verstärker-Kombinationen übernehmen die Systemanpassung der Lautsprecherlinien. Ausgestattet mit Dante-Modulen bekommen sie ihre Signale über ein Dante-Netzwerk. Um Fehlermeldungen auch an die Haustechnik weiterleiten zu können, sind die Verstärker mit einem entsprechenden Meldekontakt ausgestattet. Die Anbindung soll über Systeme von AMX erfolgen und zwischenzeitlich fertig programmiert sein. Auch soll die Abnahme der Anlage nach sicherheitstechnischen Gesichtspunkten durchgeführt sein.
Beim Ortstermin gab es die Gelegenheit, sich von der Gleichmäßigkeit und dem veranstaltungstauglichen Klangbild zu überzeugen. Auch im leeren Stadion war die Musikwiedergabe angenehm ausgewogen. Dies war auch am Spieltag so. Die Optimierung der Sprachwiedergabe war an diesem Spieltag – dem ersten Einsatz der Gesamtanlage – noch nicht abgeschlossen und wurde an den weiteren Spieltagen der letzten Saison fortgesetzt.
Netzwerk, Prozessor und Bedienung
Mit den Lautsprechern wurde auch ein neues Netzwerk für die Verteilung der Audio- und Steuersignalen zwischen den vier Zentralen auf dem Catwalk und der Regie eingebaut. Audioseitig kommt Dante zum Einsatz.
„Es gibt zwei unabhängige Netzwerke, die jeweiligen Switche sind als Ring zusammengeschaltet; die Verbindung von Rack zu Rack erfolgt via Glasfaser“, erläuterte Thorsten Krämer von Höhnerbach Veranstaltungstechnik e. K. „Sowohl die zwei separat ausgeführten Netze als auch die Ringtopologie dienen der Erhöhung der Ausfallsicherheit. Alle Dante-Komponenten haben zwei Netzwerkanschlüsse, die auf diese beiden Netze aufgeteilt werden. Zur logischen Aufteilung haben wir VLANs eingesetzt, um das Verwaltungsnetz der Endstufen vom Dante-Netz zu trennen. Der Vorteil der Ringverkabelung ist, dass bei Trennung an einer Stelle das Netzwerk trotzdem noch weiter funktioniert.“
Als Switche kommen insgesamt zehn HP 1910-24G zum Einsatz. Nicht ganz trivial bei der Konfiguration des Netzwerkes waren die Einrichtung der physikalischen, aber nicht logischen Ringtopologie im VLAN sowie die Sicherstellung des Quality of Service für die Dante-Signale, so dass sie immer den notwendigen Vorrang vor allen anderen Signalen haben.
Kernkomponenten für die Signalverteilung und Bearbeitung ist eine BSS Soundweb London BLU 806. Zu ihren Aufgaben gehören die Umsetzung der analogen in digitale Signale, die Bereitstellung von Signalbearbeitungsfunktionen wie Delays, Equalizer und Pegelanpassung für jede einzelne Lautsprecherposition sowie die Auswahl verschiedener Quellen. So können Signale z. B. von dem ebenfalls recht neuen digitalen Mischpult X32 von Behringer kommen. Eine der Hauptaufgaben der Soundweb-Einheit ist die Anbindung der Beschallung im Stadion an die ELA-Anlage, sowohl bei Fußballspielen als auch bei Konzertveranstaltungen. Dies erforderte die Programmierung von komplexen Logik-Strukturen, damit auch die ELA-Funktionen wie Sammel-, Gruppen- und einzelne Zonenrufe möglich sind. Das Ab- und Aufschalten der ELA-Signale wird durch Relais-Kontakte realisiert.
„Wenn einer der Kontakte ausgelöst wird, schaltet eine Logikgruppe die Eingänge stumm“, erklärte Thorsten Krämer. „Eine weitere Logikgruppe wechselt ein Preset, um den ELA-Eingang auf die entsprechende Rufgruppe zu schalten. Das ELA-Signal liegt deshalb hinter allen Mute-Gruppen und Ähnlichem. Auf der Bedienseite für die ELA-Steuerung können die Gruppen auch manuell geschaltet werden.“ Für Konzerte gibt es ein Rack, das Yamaha Ein- und Ausgangseinheiten mit Dante-Schnittstellen Ri8-D und Ro8-D sowie einen Switch beinhaltet. Das Soundweb London sorgt dafür, dass im Normalfall bis zu sechs Signale, z. B. von einem Mischpult bei Konzerten, über das Rack an eine Tour-PA weitergegeben werden. Für Notfalldurchsagen kann dies aber unterbrochen und das ELA-Signal eingespeist werden.
Sämtliche Bedienoberflächen sind mit der Software London Architect programmiert. Dabei galt es, einen Mittelweg zu finden zwischen Übersichtlichkeit und intuitiver Verständlichkeit (auch ohne tiefgreifende Vorkenntnisse) und der Bereitstellung vielfältiger Funktionen für eine flexible Anpassung der Anlage an unterschiedliche Nutzungsszenarien sowie Einsicht in Status und Fehlermeldungen. Dazu sind z. B. auf der „Master“-Seite der Status aller wichtigen Ein- und Ausgänge sowie grundlegende Bedienfunktionen zusammengefasst. Detailliert zeigt die Seite „Lautsprecher“ den Status und Pegel des Dante-Kanals für jede einzelne Lautsprecherposition. Mit der Nutzung des Soundweb London entstehen flexible Möglichkeiten, die Beschallung auch auf zukünftig neue Nutzungsprofile (z. B. unterschiedliche Bühnenpositionen bei Konzerten) einzustellen und Presets zu gestalten.
Erster Einsatz
Beim Spiel Hannover 96 gegen Hamburg wurde die Anlage von Jürgen Freitag und Christian Martin gemeinsam den Fans vorgestellt und erstmals vollständig eingesetzt. Prompt gewann Hannover wichtige drei Punkte. Sicher ein gutes Omen für den zukünftigen Einsatz der neuen Beschallungsanlage, die qualitativ mehr kann als nur Durchsagen zu übertragen.
Beteiligte Unternehmen
Planung und Inbetriebnahme Lautsprecher: Hannover 96, Kling & Freitag, AMT Ingenieurgesellschaft
Installation Lautsprecher: Crystel Sound & Light, Langenhagen
Programmierung Audionetzwerk, Bedienoberflächen: Höhnerbach Veranstaltungstechnik e.K
Bedienung und Betreuung: Hannover 96
Sequenza
Die Sequenza- Line-Array-Module von Kling & Freitag gliedern sich in die Sequenza 5 mit einem Top- und einem Bass-Modul sowie die Sequenza 10 mit zwei Top-Varianten mit unterschiedlicher horizontaler Abstrahlung und einem Bass-Modul.
Sequenza 5 W hat mit den Maßen von 37 × 35 × 39 cm eine recht ungewöhnliche Form für ein Line-Array-Modul. Dies liegt am Aufbau des Lautsprechers: Er beinhaltet drei Hochtoneinheiten mit 1″-Treibern am patentierten Wellenformer, die um 5° zueinander gewinkelt sind. Sie werden von jeweils zwei übereinander angeordneten 5″-Treibern in schrägen Schallwänden rechts und links eingerahmt. Diese Bauweise ermöglicht eine schmale Bauform und ein vertikales Abstrahlverhalten, das für Winkel bis 15° zwischen den Modulen ausgelegt ist. Horizontal ist der Abstrahlwinkel mit 100° angegeben.
Die Trennung der Wege erfolgt passiv im Modul. Die weitere Signalbearbeitung, z. B. bezüglich Frequenzgang oder Anpassung an Einsatz und Länge der Module durch Bass- oder Höhenanhebung, werden von einem externen Systemcontroller geleistet. Unter dem Namen „Snap&Fly+“ verspricht das integrierte Flugsystem einen sehr einfachen und schnellen Aufbau.
Bis zu 15 der 16,3 kg schweren Module können untereinander gehängt werden. Neben Fliegen und Stellen erlaubt das System auch die Integration des Basses 5 B mit einem 12″-Treiber in einer Bassreflex-Konstruktion Bei Sequenza 10 wird zwischen den Varianten 10 N mit einem horizontalen Abstrahlwinkel von 77° und 10 W mit 100° unterschieden. Dafür sorgen die unterschiedlichen Varianten der Einheiten aus ebenfalls drei 1″-Hochtontreibern am Wellenformer.
Flankiert werden sie von zwei 10″-Treibern mit vorgesetztem Horn in einer Bassreflex-Konstruktion. Im Tieftonbereich arbeiten beide Treiber, im Mitteltonbereich aber nur einer, um hier die unerwünschte starke Bündelung und Nebenmaxima im Abstrahlverhalten zu verhindern. Dieses Prinzip wird mit 2+1-Wege bezeichnet. Die Gehäuse der Topteile bemessen 80 × 30 × 48 cm und wiegen 34 kg. Sie sind ebenfalls mit dem patentierten Snap&Fly-Flugsystem ausgestattet; je nach Winkelung sind Linien zwischen 13 und 24 Modulen möglich. Zur Bassergänzung ist der Sequenza 10 B konzipiert, der in einem Bassreflexgehäuse zwei 15″-Treiber enthält. Mittels eines externen SystemRacks mit einem Systemcontroller, der auch grundsätzlich bei der Sequenza 10 genutzt wird, lässt sich mit mehreren Bässen ein kardioides Abstrahlverhalten einrichten.
Die Software CON:SEQUENZA dient zur Simulation einer Direktschallverteilung beim Einsatz der Sequenza-Lautsprecher und Berechnung der statischen Lasten. Auch die Daten für andere K&F Lautsprecher sind in der Software enthalten.
Weitergehende Informationen sind auch in den Testberichten der Schwesterzeitschrift PRODUCTION PARTNER in Ausgabe 7-8/2008 (Sequenza 10) und Ausgabe 9/2013 (Sequenza 5) zu finden. Die Testberichte gibt es auch als Sonderdruck auf der Internetseite von Kling&Freitag (www.kling-freitag.biz).