Science und Fiction: „Das Zukunftsmuseum“ in Nürnberg
von Daniela Baumann, Artikel aus dem Archiv vom
Im Zentrum der Nürnberger Altstadt eröffnete im Herbst 2021 „Das Zukunftsmuseum“. Die fünf multimedialen Themenbereiche „Arbeit und Alltag“, „Körper und Geist“, „System Stadt“, „System Erde“ und „Raum und Zeit“ betonen das Gegenüber von Science und Fiction und nehmen Besucher mit auf eine Reise in die Zukunft.
Auf einer Ausstellungsfläche von über 2.900m² können die Besucher einen Blick in die Zukunft werfen. Großzügige Fensteröffnungen, die die Zweigeschossigkeit einzelner Bereiche abbilden, lassen Licht in den Neubau und ermöglichen sowohl Ein- als auch Ausblicke. „Das Zukunftsmuseum“ selbst, eine Zweigstelle des Deutschen Museum München, liegt mitten in Nürnberg am Ufer der Pegnitz im Augustinerhof, entworfen von Staab Architekten. Dieses neue Gebäudeareal beheimatet auch Läden, Gastronomiebetriebe und ein Hotel.
Atelier Brückner hat die Dauerausstellung in „Das Zukunftsmuseum“ gestaltet, medienprojekt p2 oblag die Planung der medientechnischen Hardware.
Science und Fiction – dieses Gegenüber liegt der Konzeption des neuen Museums zugrunde. Stammen die Exponate aus der Wissenschaft, sind sie bereits umgesetzt oder kurz vor der Produktionsreife? Oder sind sie reine Fiktion und nicht realisierbar? Hierzu zählen Erfindungen der literarischen und filmischen Science-Fiction, aber auch wissenschaftlich-theoretische Überlegungen und Gedankenexperimente. Mehr als 150 Exponate, 90 Medienstationen und zahlreiche großformatige Filmprojektionen zeigen den Besuchern eine Erlebniswelt zwischen Wissenschaft und Fiktion – multimedial.
Fünf farbcodierte Themenbereiche führen die Besucher auf drei Ebenen auf eine Reise in die Zukunft: Im Bereich „Arbeit und Alltag“ werden insbesondere Roboter, Künstliche Intelligenz, Big Data, Social Media und das Internet der Dinge in den Fokus gestellt. Visionen von optimierten Menschen, Technologien für ewiges Leben und die Vor-und Nachteile der Medizintechnik und Biotechnologie sind Teil des Bereichs „Körper und Geist“. Das „System Stadt“ thematisiert die Zukunft des Bauens, der smarten Wohnkonzepte, der fliegenden Autos etc. – in Megastädten, in den Wolken und unter Wasser. Eine leuchtende, überdimensionale Weltkugel mit Projektionsmapping schwebt als Symbol im Bereich „System Erde“, mit Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Klima, Energie oder Nahrung. Das Thema „Raum und Zeit“ führt in das Weltall und zu ungeahnten (Un-)Möglichkeiten der Zukunft.
Die modular aufgebauten Ausstellungselemente ordnen sich in ein Grundraster ein, das am Fußboden als Grid ablesbar ist. Es entsteht die Assoziation eines virtuellen 3D-Raums, der Spielraum für eigene Imagination und Gestaltung bietet. Das Raumbild erscheint industriell und klar strukturiert. Sichtbetonoberflächen, abgehängte Lichtschienen und Technikanschlüsse haben industriellen Charakter. Sämtliche Ausstellungselemente folgen dem Grundraster, der Matrix des Museums.
Neben dem zentralen Forum und den Ausstellungsbereichen im 1. bis 3. Obergeschoss des Gebäudes gibt es Labore im Erdgeschoss, eine Roboter- und eine Zukunftswerkstatt als Tinkering-Bereich zum Mitmachen, selber Ausprobieren und Experimentieren im 1. Obergeschoss. Außerdem bietet das Museum im 3. Obergeschoss eine VR-Zeitreise als Kooperationsprojekt mit der Technischen Hochschule Köln.
Das zweigeschossige, großzügig gestaltete multimediale Forum ist Ausgangspunkt und gleichzeitig Ziel des Museumsrundgangs mit interessanten Medientechnik Installationen. Umgeben werden die Besucher im Forum und auf den Sitzstufen von zehn LED-Laufbändern, die als tagesaktuelle News-Ticker fungieren, und einer Beschallungsanlage mit Beam-Stearing-Lautsprechern.
Der zentral im Raum hängende kinetische LED-Medienkubus, konstruiert und gefertigt von MKT engineering, beeindruckt allein schon durch seine Dimension – mit etwas über 4 Metern Kantenlänge. Der multifunktionale Kubus ist bestückt mit neun LED-Screens, die jeweils unabhängig voneinander verfahrbar sowie um 180 Grad drehbar sind und unterschiedliche Betriebsmodi haben. Im Museumsmodus fahren die einzelnen LED-Elemente vor und zurück und drehen sich um die eigene Achse, dabei werden verschiedene Animationen gezeigt. Im Nachtmodus fahren die LED-Elemente auf der Rückseite zusammen, um nachts Inhalte von der Straße aus sichtbar zu machen. Im Präsentationsmodus fahren die LED-Elemente in Richtung Besuchertreppe pixelgenau zu einer großen LED-Fläche zusammen, und es können drahtlos, oder über Anschlüsse in Bodentanks, externe Geräte angeschlossen werden. In diesem Modus werden beispielsweise Themen, Objekte und Farbigkeit der Ausstellungsbereiche in einer Zusammenfassung oder die Auswertung des digitalen Museumsspiels gezeigt. Wird das Forum als Veranstaltungsraum genutzt, können über die geschlossene LED-Fläche Präsentationen gezeigt und Vorträge gehalten werden.
Mit einem RFID-Armband ausgestattet beginnen die Besucherinnen und Besucher den Museumsrundgang. Dabei „sammeln“ sie an ausgewählten Exponaten Zukunftstechnologien im eigenen Account und nehmen so am Museumsspiel teil. An Medienstationen können Fragen beantwortet und Einschätzungen zu den Chancen und Risiken neuer Entwicklungen und Technologien abgegeben werden. Am Ende des Besuchs steht die persönliche Zukunftsvision, und im Forum besteht täglich live die Gelegenheit, die Antworten dann zu diskutieren.
Wiederkehrendes Element der Ausstellung sind Medienstelen als sogenannte „Zukunftsgestalter“: Auf großen, senkrecht stehenden 65″-Displays sind sich zwei Menschen gegenübergestellt und diskutieren – als Techniker und Ethiker – den jeweiligen Themenbereich, sobald sich jemand nähert. Studierende, als sogenannte Future Communicators, liefern Argumente und sind Ansprechpartner während des Rundgangs.
Für jeden der fünf Themenbereiche des Zukunftsmuseums gibt es eingangs einen sogenannten Interlude-Bereich. Hier hängt an der Decke das „Kaleidoskop“ – umgesetzt mit einem Projektor, der Filme auf eine Spiegelkugel projiziert. Dadurch entstehen viele kleine Bildausschnitte, die, begleitet von einer zum Bereich passenden Hintergrundmusik, den Besucher in das Thema einführen.
Das Angebot, die Welt zwischen Wissenschaft und Fiktion in den einzelnen Themenbereichen zu erkunden, richtet sich an alle Sinne. Beispielsweise mit einem Großexponat wie dem Prototyp eines Flugtaxis aus dem Jahr 2018, das auch an einem haptischen 3D-Modell erlebbar ist. Eine Forschungskapsel mit Schmauchspuren, die 1985 im All war, und ein Quanten-Computer aus dem Jahr 2020, der optisch einer Kunstinstallation gleicht, sind weitere Ausstellungsstücke. Die Gegenüberstellung zweier Exponate verdeutlicht die gegenseitige Beeinflussung von Science und Fiction: der Communicator aus Star Trek (1993/94) und das erste Klapphandy von Motorola „Star-TAC“ aus dem Jahr 1996.
Im Exponat „Kommunikationsturm“ wird eine Person gescannt und ein Selfie erstellt, für das unterschiedliche Kleidungen und Effekte gewählt werden können. Und dann wird auf verschiedenen, spiralförmig angebrachten Bildschirmen erzählt, wie sich ein Selfie-Post im Internet auswirken kann. Das Exponat „Augmented Mirror“ scannt ebenso den Mensch, der dann über ein Touchterminal unterschiedliche Prothesen und Orthesen auswählen kann, die dann auf dem 65″-Screen vor ihm in Echtzeit dargestellt werden. Die Beinprothese bleibt beispielsweise an der Hüfte, auch wenn der Besucher sich dreht.
Exponate wie die Objekterkennungs-Touchtische arbeiten mit passiven Tokens, die frei gestaltbar sind. Von einer kapazitiven Touchfolie, auf Glas laminiert und über einem Display angebracht, werden die Tokens erkannt und können so durch Bewegungen und Drehungen mit der Software interagieren. Einer dieser Tische wurde großformatig im Exponat „Build your City“ realisiert. Dabei stellt ein 55″-Display eine Stadt dar, die durch verschiedene Tokens vom Besucher selbst gestaltet werden kann. Im ähnlichen Exponat „Moderne Baumaterialien“ wurde die Touchfolie vom Display getrennt. Hier wurde die Folie in einen Tisch integriert, und die Inhalte über das Token werden auf einem an der Wand installierten Display dargestellt. So kann man unterschiedliche Baumaterialien fühlen und durch Aufstellen auf den Tisch weitere Informationen dazu erhalten. Das Exponat „Future Vehicles“ lässt den Besucher eigene Fahrzeuge auf Papier malen, die dann von einer Kamera im Tisch fotografiert werden. Eine Software stellte die gezeichneten Fahrzeuge optisch frei und lässt sie direkt auf der Großprojektion neben dem Tisch durch die Städte fahren oder fliegen.
Weitere Exponate sind unter anderem ein „Virtuelles Fernrohr“, technisch angepasst an die Situation vor Ort, das Informationen zu im Raum schwebendem „Weltraumschrott“ als Augmented Reality darstellt. Das Fernrohr ist dreh- und schwenkbar, und so können alle im Raum um die leuchtende Weltkugel angebrachten Elemente anvisiert werden. Spielerisch kann über eine Videotelefonstation vom Mars im 3. Obergeschoss zur Erde im 1. Obergeschoss und umgekehrt telefoniert werden. Wenn eine der Stationen klingelt, kann der Besucher abheben und live mit einem Besucher auf der Gegenseite per Videoanruf sprechen, jedoch mit entsprechender Zeitverzögerung, die zwischen Erde und Mars durch die Entfernung entsteht. Die Station „Nachrichten ins All“ schickt tatsächlich Aufnahmen, die der Besucher in – an der Wand angebrachte Mikrofone – sprechen kann, über eine Satellitenschüssel auf dem Dach des Museums, ins All.
An zahlreichen Exponaten, Medienstationen und Installationen werden die Inhalte des Zukunftsmuseums multimedial erlebbar und laden spielerisch zum Erkunden der Zukunft ein. Entsprechend ideen- und erlebnisreich wurden viele der Exponate mit moderner Medientechnik umgesetzt. Science-Fiction-Fans ab 12 Jahren, die sich für die technische Lösung vom Zukunftsfragen interessieren, können hier durch zahlreiche Exponate, Medienstationen und großformatige Filmprojektionen eine Erlebniswelt zwischen Science und Fiction erfahren. Dank intelligenter medientechnischer Komponenten lässt sich die modular aufgebaute Ausstellung auch an zukünftige Entwicklungen anpassen.