Rückprojektion im ARD-Nachrichtenstudio

ARD-Nachrichtenstudio: Die Installation der Präsentationstechnik

Eine fast 18 Meter lange halbrunde Rückprojektionswand fungiert als zentrales Element im ARD Nachrichtenstudio. PROFESSIONAL SYSTEM hat einen genauen Blick auf die Medientechnik der Tagesschau geworfen!

Moderatoren im ARD Nachrichtenstudio

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Premiere am 19. April: Die 20:00 Uhr-Ausgabe der Tagesschau am Samstag vor Ostern kommt aus einem neuen Fernsehstudio. Dort werden künftig alle Sendungen von ARD-aktuell produziert. Neben einem neuen Vorspann, einem neuen Design und zwei separaten Moderationstischen ist die bedeutendste Veränderung eine rund 18 Meter breite Medienwand hinter den Plätzen der Sprecher und Moderatoren. Die Rückprojektionswand ist mit Panoramabildern, Fotos, Videos und Schrifteinblendungen bespielbar. Sieben Projektoren werfen die wechselnden Hintergrundbilder in Rückprojektion auf die Medienwand. Was dort dargestellt ist, sehen die Präsentatoren real im Studio.

Das neue Studio wurde auf den circa 320 Quadratmetern Grundfläche des vorhandenen früheren Studios von tagesschau24 im Gebäude der ARD-Nachrichtenzentrale beim NDR in Hamburg eingerichtet. Auch die größtenteils rund 15 Jahre alte Studiotechnik einschließlich Kameras, Licht und Mischpulten wurden erneuert. In diesem Zusammenhang wurde auch die Produktion auf HD-Qualität umgestellt.

Das neue Herz von ARD-aktuell wird nicht allein für die täglich 20 Tagesschau-Ausgaben im Ersten, die Tagesthemen und das Nachtmagazin genutzt, sondern auch für die Tagesschau-Nachrichten im Viertelstundentakt auf dem Digitalkanal tagesschau24.

Was lange währt …

Lange Vorbereitungs- und Bauzeit ist nicht immer gleichbedeutend mit Budgetüberschreitung. Das neue Nachrichtenstudio der ARD in Hamburg zeigt, dass es auch anders geht. Lutz Mamor, ARD-Vorsitzender und NDR Intendant: „Mit diesem Studio macht die ARD ihr Flaggschiff klar für die kommenden Jahre. Technisch war die Erneuerung der Studio-Ausrüstung überfällig. Und für die Präsentation der Tagesschau und der Tagesthemen steht jetzt modernste Technik zur Verfügung. Die investierte Summe von 23,8 Millionen Euro ist für den Informationsauftrag der ARD gut angelegt. Der geplante Budgetrahmen konnte trotz der zeitlichen Verzögerungen eingehalten werden.“

Nicht immer lief in dem Projekt alles nach Plan. Die Hardware der Medienwand war bereits im Herbst 2012 komplett installiert und abgenommen. Im Zuge eines ersten Probebetriebs hatte sich zur Jahreswende 2012/13 herausgestellt, dass das Grafiksystem zunächst nicht die gewünschten Ergebnisse brachte. Da sich alle Abbildungen und Schrifteinblendungen auf einer halbrunden Medienwand real im Studio abspielen, muss das Grafiksystem Verzerrungen in Echtzeit korrigieren. Wegen der verschiedenen Perspektiven, Kameraeinstellungen und Kamerabewegungen erwies sich dies als ein Problem, das bei der Planung und Entwicklung so nicht vorhersehbar war.

Ziele von ARD-aktuell

Die Vision vom realen Studio entstand bereits 2009. Das gestalterische Konzept stand dabei von Anfang an im Mittelpunkt. So hat sich auch die Idee der halbrunden, nahezu 18 Meter breiten Medienwand entwickelt. Der bewusste Verzicht auf Virtualität verlangt nach einem Medium, welches eine bessere optische Umsetzung von Nachrichten erlaubt. Die Moderatoren sollen Sicherheit ausstrahlen und nicht im „luftleeren“ Raum agieren. Das „anfassbare Studio“ schafft Vertrauen. „Nachrichten leben von Verlässlichkeit, Sicherheit und Glaubwürdigkeit“, so Dr. Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell. „Dem folgt die Grundidee des neuen Studios: Alles, was die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dem Bildschirm sehen, ist real im Studio vorhanden.“

Stefan Rickmann, Projektleiter beim NDR, beschreibt die frühe Phase in diesem Projekt: „Das Design des Studios samt der Idee einer gewölbten Anzeigefläche war der Ausgangspunkt für unsere Planungen. Danach haben wir in einzelnen Teststellungen zunächst die technische Realisierbarkeit geklärt.“ Klaus Kluth, Abteilungsleiter Studio Bild und Ton beim NDR, ergänzt: „In der Anfangsphase haben auch wir mit Cube-Systemen geliebäugelt, da der verfügbare Platz nach unserer ersten Einschätzung nicht für eine Rückprojektion ausreichen würde.“ Das endgültige Studio-Design lag im Herbst 2011 vor. Die Medienwand sollte danach folgende Eckdaten erfüllen:

  • Anzeigefläche von 40 Quadratmetern bei einer Breite von 18 Metern
  • Gewölbte Fläche in halbrunder Anordnung
  • Interaktive Bedienbarkeit in Teilbereichen
  • Keine sichtbaren Nähte oder Übergänge
  • Keine Moiré-Effekte
  • Hohe Ausfallsicherheit
  • Dauerbetrieb (24/7)

Diese Anforderungen waren für die ausführenden Unternehmen Herausforderung und Ansporn gleichermaßen. Christian Sommer, Geschäftsführer der Ambion GmbH und verantwortlich für die Planung und Koordination in der Realisierungsphase: „Uns hat die Aufgabe gereizt. Mit unseren Schwerpunkten sind wir eher als Event-Ausstatter, denn als klassischer Systemintegrator am Markt tätig. Die einmalige Formatgröße war für uns die Herausforderung in diesem Projekt. Das Kommerzielle war dabei eher zweitrangig.“

Auswahl der Hardware für die Medienwand

Die unterschiedlichen Anzeigetechnologien wurden dann vor dem Hintergrund der Anforderungen evaluiert und in Studioumgebung getestet. „Unter anderem mit der Ambion GmbH und der Lang AG haben wir unterschiedlichste technische Ansätze getestet“, so Stefan Rickmann. „Schnell kristallisierte sich heraus, dass nur eine Rückprojektion in der Lage ist, einen Großteil der Punkte zu erfüllen. Die für uns perfekte Lösung war mit den seinerzeit verfügbaren Produkten aber auch nicht zu realisieren. Im Herbst 2011 konnten wir vorab einen Prototyp des Projektors PT-DS20 aus dem Hause Panasonic testen. Das Gerät stellte sich als nahezu perfekt für unsere Anwendung dar. Die Suche nach einem Produzenten für die Rückprojektionsscheibe war die nächste Herausforderung für unsere Lieferanten.“ Für die rekordverdächtige Rückprojektionswand wurde eine Polycarbonatscheibe mit einer Stärke von 2,5 Millimeter gewählt.

Damit wird eine gute Stabilität erreicht und gleichzeitig wird eine vertikale Bauchbildung verhindert. Die nahtlose Fertigung einer solchen Fläche war nur in China möglich. Zu dieser Thematik hat sich die Lang AG besonders engagiert. Tobias Lang, Vorstand der Lang AG: „Wir haben die Medienwand in Kooperation mit der Ambion GmbH realisiert. Neben der Beschaffung der Rückprojektionsscheibe kam uns in diesem Projekt zu Gute, dass wir schon seit Jahren autorisierter Servicepartner für die wertigen Projektoren aus dem Hause Panasonic sind.“

Lichtbedingungen im Studio

Normalerweise werden Studios mit Kunstlicht (3.200 K) ausgeleuchtet. In dem neuen Studio stellt die Projektionswand das Maß der Dinge für die Lichtverhältnisse dar, da die Projektoren eine Farbtemperatur von 3.200 K nur bei deutlichen Einschränkungen der Helligkeit der Geräte realisieren können. Deshalb hat man sich für Tageslichtbedingungen (ca. 6.200 K) im Studio entschieden. Die Moderatoren und Nachrichtensprecher im neuen ARD-Nachrichtenstudio müssen sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen. Der Fernsehzuschauer sieht davon nichts, da die Studiokameras die Veränderungen ihrerseits kompensieren.

Im Rahmen des Studioumbaus wurde die gesamte Scheinwerfertechnik auf LED-Beleuchtung umgestellt. Die Aufheizung der Räumlichkeit hat sich so deutlich verringert. Das führte dazu, dass auch die vorhandene Klimaanlage wegen einer Überdimensionierung überarbeitet werden musste.

Konstruktion

Aus der Studioumgebung ergaben sich besondere Anforderungen an die Konstruktion von Halterungs- und Aufbewahrungssystemen für die gesamte rückwärtige Technik:

  • Möglichst geringer Flächenbedarf
  • Keine Geräuschemission der Projektoren
  • Einfacher Zugang zu den Projektoren für Wartungszwecke
  • Kopplung zwischen Projektionswand, Spiegelsystem und Projektor
  • Entkopplung zwischen Moderationsebene und Medienwand

Projektoren, Spiegelsystem und Halterung der Projektionsscheibe sind als Einheit fest auf dem Betonboden des Gebäudes verankert. Der für den Zuschauer sichtbare Studioboden hat keinerlei direkte Verbindung zur Halterungskonstruktion der Technik. Somit wirkt sich eine Bewegung der Moderatoren nicht auf die Medienwand aus.

Trotz der Klimatisierung des Studios sind die Projektoren in hochwertigen Klimagehäusen untergebracht. Über diese Gehäuse wird der Schallschutz der Projektoren gewährleistet. Die kompletten Boxen mit den Projektoren befinden sich auf der Rückseite der Wand in einem Doppelboden. Damit ist ein einfacher Zugang zu den Projektoren möglich. Als Hebehilfe für den Wartungstechniker ist zusätzlich noch ein im Radius der Wand bewegliches kleines Kransystem installiert.

Eine möglichst kompakte Gestaltung des Strahlengangs war die größte Herausforderung für die Konstrukteure. Die Lösung besteht aus der Kombination von einem oberflächenbeschichteten, kleineren Spiegel unterhalb der Projektionsfläche und einem 5,32 Quadratmeter großen Folienspiegel, der die Bildinformation auf die Rückprojektionswand lenkt. Die Spiegel sind fest mit der Halterung der Wand verbunden. Die Spiegeltechnik hinter der Scheibe ist licht- und staubdicht verkleidet, mit separaten Zugängen für jedes Einzelsystem. Der Zugang zu den Projektoren liegt außerhalb dieser quasi gekapselten Einheit.

Die Moderatorentische sind Unikate, die in einem Stück von den hauseigenen Werkstätten des NDR gefertigt wurden. Sie mussten in das Studio transportiert werden, bevor die gewaltige Medienwand den Studiozugang für sperrige Materialien „zubaut“. NDR Die Moderatorentische sind Unikate, die in einem Stück von den hauseigenen Werkstätten des NDR gefertigt wurden. Sie mussten in das Studio transportiert werden, bevor die gewaltige Medienwand den Studiozugang für sperrige Materialien „zubaut“.

Einen besonderen Aspekt galt es beim Halterungssystem der Projektionsscheibe zu berücksichtigen. Das Studio ist im Normalbetrieb immer klimatisiert. Bei einem Ausfall der Klimaanlage könnte es in der Räumlichkeit zu deutlichen Temperaturschwankungen kommen. Die Rückprojektionsscheibe mit einer Fläche von 40 Quadratmetern könnte sich als Folge davon spürbar ausdehnen oder schrumpfen. Bei einer festen Halterung könnte es in solchen Fällen zu Spannungen im Material bis hin zur Zerstörung kommen. Um so etwas zu vermeiden, ist die Scheibe „schwimmend“ in der Halterung gelagert.

Die Möglichkeit zur Interaktivität in einem definierten Bereich der Medienwand stellte die nächste Herausforderung für die Konstrukteure dar. Der eingesetzte PrimeTOUCH arbeitet normalerweise mit Infrarotsensoren auf allen vier Seiten einer ebenen Anzeigefläche. Für das Nachrichtenstudio wurde eine spezifische Version des Prime-TOUCH mit nur zwei gebogenen Sensorleisten entwickelt, die oberhalb und unterhalb der Anzeigefläche in einem Teil der Medienwand integriert sind.

Installation und Inbetriebnahme

Eine ungewöhnliche Koordination stand am Anfang der eigentlichen Installation. Es ging um die neuen Moderatorentische. Hierbei handelt es sich um Unikate, die in einem Stück durch die hauseigenen Werkstätten des NDR gefertigt wurden. Diese Möbel mussten in das Studio transportiert werden, bevor die gewaltige Medienwand den Studiozugang für sperrige Materialien „zubaut“. Das zentrale Element der Medienwand, die Rückprojektionsscheibe, erreichte die Firma Lang in recht unspektakulärer Verpackung. Angeliefert wurde etwas, das im ersten Moment an eine in Luftpolsterfolie verpackte Teppichrolle erinnerte. Thorsten Sondermeier, Projektleiter der Lang AG: „Wir haben darauf bestanden, dass ein Verantwortlicher des Herstellers beim Auspacken in Hamburg mit anwesend ist, um die Abnahme der Scheibe vor Ort zu begleiten.“ Die Riesenscheibe hat ein Gewicht von ca. 200 kg. Für das Einsetzen in die vorbereitete Halterung wurde ein spezieller Abwickelwagen gebaut. Trotzdem beschäftigte das Einsetzen der Scheibe in die Halterung 6 Personen einen ganzen Tag lang.

Projektionsbetrieb

Aus dem neuen Nachrichtenstudio von ARD-aktuell wird nahezu ständig live gesendet. Die eingesetzten Projektoren laufen im Dauerbetrieb (24/7). Über das Vier-Lampen-System (465 W UHM-Lampen) bietet jeder der Projektoren eine hohe Ausfallsicherheit. Für den Studiobetrieb ist die gleichbleibende Helligkeit des projizierten Bildes ein weiterer wichtiger Faktor.

Die Helligkeitssteuerung wird dabei von den untereinander vernetzten Projektoren selber übernommen. Regelmäßig messen die Projektoren ihren eigenen Lichtstrom. Diese Daten werden automatisch mit denen der anderen Projektoren verglichen und es wird eine Anpassung aller Geräte auf den besten gemeinsamen Wert vorgenommen. Klaus Kluth hat ein Beispiel für die Perfektion in diesem Prozess: „Vor einiger Zeit hatten wir bei einem der Projektoren einen Lampenausfall. Die automatische Bildanpassung verlief so perfekt, dass nicht mal die Kollegen in der Regie mit ihren kritischen Augen sofort etwas davon gemerkt haben.“ Die Projektoren werden mit einer maximalen Lichtausbeute von 15.000 ANSI-Lumen (möglich wären max. 20.000 ANSI-Lumen) gefahren. Diese Helligkeitsstufe hat sich als optimal für den Regelungsprozess herauskristallisiert.

Die 7 Projektoren werden direkt vom Grafiksystem über 3G-SDI angesteuert. Jeder der Projektoren hat eine native Auflösung von 1.400 × 1.050 Bildpunkten. Für die gesamte Medienwand ergibt das ein sichtbares Bild in der Auflösung von 8.260 × 1.050 Bildpunkten. Die Projektionssysteme sind in das automatische Überwachungssystem für die Haustechnik integriert. Gerätestörungen oder gravierende Veränderungen der Klimaverhältnisse (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) in den Schallschutzboxen der Projektoren werden automatisch gemeldet. Daneben lässt sich jeder einzelne Projektor über die Regie ebenfalls schalten.

Auf der Prolight & Sound 2015 erhielt das ARD Nachrichtenstudio für die Technik – unter anderem von PROFESSIONAL SYSTEM – den Sinus Award.

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