Der historische Bürgerschaftsaal im Lübecker Rathaus ist denkmalgeschützt und dient seit Jahrhunderten als Versammlungsort für die Bürgerschaft. Nur beim genaueren Hinschauen fällt auf, dass moderne Medientechnik politische Debatten, Abstimmungen Sitzungen und auch öffentliche Sitzungen unterstützt. Planung und Systemintegration erfolgten durch Mediasystem aus Reinbek in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Hornecker aus Lübeck.
Strenge Richtlinen des Denkmalschutzes prägten Planung und Verlauf des Medienprojektes. Deckenabhängungen oder Befestigungen von Halterungen an Wänden waren im historischen Mauerwerk und den historisch ausgestalteten Wänden im Saal nicht zulässig. Für Kamerapositionen und Leinwände mussten individuelle Lösungen gefunden werden, um einen möglichst passenden und unauffälligen Einbau sicherzustellen, ohne Nachteile für die Funktionalitäten: „Mediasystem entwickelte im konstruktiven Austausch mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Architekten individuelle Lösungen.“
Diese lesen sich zeitgemäß und aktuell: „Die Hansestadt Lübeck wünschte sich eine leistungsfähige Konferenz-und Streaming-Lösung, um für die digitale Zukunft gerüstet zu sein. Öffentliche Sitzungen sollen den Bürger/innen sowohl vor Ort als auch per Live-Streaming zugänglich gemacht werden.“ Weitere Anforderungen ergaben sich aus der Funktion des Raumes für politische Debatten und Abstimmungen, was deutlich anders gelagert ist als eine Video-Konferenzumgebung in Unternehmen oder im Bildungsbereich. So sollte die medientechnische Lösung „die hierarchisch gegliederten, geordneten Abläufe bei der politischen Entscheidungsfindung in der Konfiguration abbilden“. Ebenso sollte die Umsetzung „sichere Abstimmungsmöglichkeiten mit Anzeige der Ergebnisse bereithalten“. Wunsch des Kunden war es auch, dass die „nichttechnischen“ Nutzenden die Technik auf einfache Weise selbst bedienen können sollten. Eine höchstmögliche Verfügbarkeit der Technik sollte ebenfalls gewährleistet sein.
Unauffällig Strenge Denkmalschutzauflagen erforderten Sonderlösungen für die Medientechnik. (Bild: Mediasystem GmbH)
Wesentlicher Bestandteil der Konferenztechnik ist das System Microflex Complete Wireless von Shure mit 110 Sprechstellen inkl. Schwanenhalsmikrofonen. Der Raum ist mit Bose ControlSpace Audio-Prozessoren und Bose PowerSpace- und PowerMatch-Endstufen ausgestattet. Jede der Sprechstellen verfügt über einen RFID-Leser zur Identifikation der Abgeordneten. Bedienung und Abstimmung erfolgen über ein Touch Panel. Darüber erfolgen auch die Anmeldungen für Wortbeiträge, die von der „Präsidentensprechstelle“ gehandhabt werden. Jede Sprechstelle ist über eine Nummer registriert, so dass die betreffende PTZ-Kamera die vorprogrammierte Bildposition der Rednerin bzw. des Redners „anfahren“ und „seamless“ überblenden kann. Dazu programmierte Mediasystem das Zusammenspiel zwischen der jeweils aktiven Sprechstelle und der benötigten Kameraposition. Die Bildübertragung der Sprechenden erfolgt auf zwei Leinwände oberhalb der Sitzungsleiterin bzw. des Sitzungsleiters. So ist stets ein einwandfreier Bildausschnitt sichergestellt, ohne den Einsatz von Personal an einem Bildregieplatz. Die Bildtechnik wurde über Systeme von Vaddio, RoboSHOT PTZ-Kameras und AV Bridge MatrixMIX Production System realisiert.
Alt, aber digital Die Abgeordneten melden sich über ihre Sprechstellen zu Wort und tätigen mit ihnen ihre Abstimmungen; die Ergebnisse werden auf den Leinwänden dargestellt. (Bild: Mediasystem GmbH)
Als Projektoren sind zwei NEC PX1004UL Laser-Projektoren mit jeweils 10.000 ANSI Lumen installiert. Mit Rücksicht auf den Denkmalschutz wurden die Geräte auf spezielle, vom Architekturbüro konzipierte Wandhalterungen platziert. Auch für die beiden Leinwände auf der anderen Seite des Raumes mussten individuelle Lösungen entwickelt werden: Sie befinden sich hinter einem schmalen, historischen Vorbau in der Holzvertäfelung unsichtbar, wenn sie in den Fuß der Leinwände eingerollt sind. Zur Verwendung werden die HKS-Lichtbildwände mit Scherengelenken im Sonderformat einfach elektrisch hochgefahren.
Beste Sicht Von 110 Sitzplätzen aus ist nicht nur der Blick auf die Leinwände frei, sondern auch umgekehrt zeigen die vier PTZ-Kameras das Live-Bild eines jeden Sprechenden vorteilhaft auf den Leinwänden. (Bild: Mediasystem GmbH)
Die Videoübertragung kann bei öffentlichen Sitzungen als Live-Stream bereitgestellt werden. Hierzu ist ein Epiphan Pearl 2 Video-Streaming-Encoder im Einsatz.
So haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, die regelmäßig stattfindenden öffentlichen Sitzungen live im Web mitzuverfolgen. Der Sitzungsvorstand verfügt über je ein Vorschaudisplay am Platz, über welches wahlweise das Abstimmungsergebnis, das Kamerabild oder die Streaming-Inhalte in Echtzeit angezeigt werden können. Ein zentrales Touchpanel von Crestron dient der intuitiven Steuerung der gesamten Konferenztechnik: Hierüber wird festgelegt, welcher Content auf die beiden Bildflächen projiziert werden soll. Auch lässt sich das Live-Streaming per Fingertipp starten und die Ansicht für den Stream wählen – zum Beispiel eine Bild-in-Bild-Darstellung. Autorisierte Nutzer können in die automatisierten Kameraeinstellungen eingreifen und zusätzlich eigene Einstellungen vornehmen.
Vorort oder per Stream? Interessierte Bürger können öffentliche Sitzungen entweder von der Galerie aus oder über das Internet live mitverfolgen. (Bild: Mediasystem GmbH)
Darüber hinaus wird über das Touchpanel die Beschallung gesteuert. Mittels vordefinierter Presets können Sitzungen auch über das bestehende Beschallungssystem in angrenzende Flure und Büros übertragen werden. Für öffentliche Sitzungen wurden auf den Publikumsrängen zusätzlich vier Großformat-Displays von NEC sowie Lautsprecher installiert. So können öffentliche Sitzung vor Ort ebenfalls via Display mitverfolgt werden, und die Vortragenden, neben dem direkten Blick von der Galerie aus in den Saal, lassen sich ausdeutlich größer betrachten.
Für die „höchstmögliche Einsatzbereitschaft der Technik“ existiert ein Service-Level-Agreement inklusive Remote Services und Monitoring mit Mediasystem. Im Rahmen dieser Managed Services überwacht Mediasystem kontinuierlich den Systemstatus der Medientechnik im Rathaus Lübeck. Auf diese Weise werden Statusänderungen bereits festgestellt, noch bevor sie Abläufe beeinträchtigen. Individuelle Serviceanliegen können über ein persönliches Online-Portal direkt an Mediasystem übermittelt werden.
Das Projekt wurde zwischen Juli und September 2022 umgesetzt und bietet der Hansestadt Lübeck an althergebrachter historischer Stätte modernste, medial gestützte Arbeitsstrukturen, die mittels Streaming-Technologie auch den Bürgern zugutekommt.
