Der neu gestaltete Kinoraum im Konzernforum beeindruckt durch zwei AV-technische Highlights: Eine 120° gewölbte LED-Bildwand und ein auf Wellenfeldsynthese basierender Raumsound ermöglichen ein immersives Hör- und Seherlebnis.
Mitte 2015 feierte die Autostadt in Wolfsburg ihren 15. Geburtstag. Pünktlich zum Jubiläum wurde der Kinoraum im Konzernforum technisch und architektonisch für die Anforderungen und Ansprüche der nächsten Dekade umgebaut. Dabei wurde nicht nur die imposante 360º Projektion durch eine gewölbte 120º LED-Wand und das bestehende Soundsystem durch ein auf der Wellenfeldsynthese (WFS) basierendes System ersetzt, sondern die neuen Techniken wurden gleichzeitig in ein zeitgemäßes Raumdesign integriert.
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Vorgaben und Wünsche
Die Autostadt GmbH wollte ein richtungsweisendes Konzept für eine Multifunktions- Location umsetzen. Sämtliche Technik sollte daher flexibel und so leistungsstark sein, dass auch Echtzeitsignale im Rahmen von Live-Events möglichst latenzfrei eingebunden werden können. Eine weitere Bedingung an das System war, eine automatische Startfunktion an veranstaltungsfreien Tagen inklusive einiger Steuerungsfunktionen für Türen, Beleuchtung usw. zu integrieren. Die Filme sollten dann täglich zwischen 9 und 18 Uhr in einer Schleife auf der Leinwand laufen. Überdies sollte die Bedienung des Systems leicht und gleichzeitig sicher konzipiert werden. Es galt dabei, den Zugriff auf Audio- und Videobereiche für bestimmte Anforderungen klar abzugrenzen.
Planung & Umsetzung
Um die Gestaltungsideen der Autostadt GmbH umzusetzen, konnten bewährte Partner gewonnen werden, die bereits seit geraumer Zeit erfolgreich die Autostadt betreuen. Das Büro der Morese Architekten aus Braunschweig arbeitete dabei eng mit dem Planerbüro FachWerk aus Baden-Württemberg zusammen. Die ersten Gespräche zur Neugestaltung fanden bereits Anfang 2013 statt. Mitte 2014 war die Planung aller Details abgeschlossen. Dipl. Ing. Christian Kimmig von FachWerk betonte, dass die einhundertprozentige Umsetzung der Wünsche des Auftraggebers nicht zuletzt deshalb möglich gewesen sei, weil der Dialog zwischen Architektenbüro und Fachplanern besonders früh und sehr offen geführt wurde.
Auch die spätere Zusammenarbeit mit den ausführenden Unternehmen sei vorbildlich verlaufen, so dass tatsächlich allumfassend den Wünschen der Autostadt GmbH entsprochen werden konnte. Lukas Held von Neumann & Müller (N&M) oblag die Projektsteuerung der technischen Gewerke. Techniker der Firma N&M errichteten sowohl das Gerüst und Fundament der LED-Wand als auch den Aufbau der Video- und Zuspieltechnik und koordinierten die Dienstleitungen für den gesamten Regiebereich. Techniker der Firma ICT betreuten den Einbau der LED-Tiles. Die Lautsprecher-Systeme wurden von der Firma Nord Sound Event& Medientechnik installiert. Audio Fachplaner Clemens Clausen, Shure Distribution Deutschland sowie Videospezialist und Fachplaner Markus Eibl von Cube & Circle unterstützten das ambitionierte Projekt.
Der LED-Screen
Das Planungsbüros FachWerk gab vor, dass die aus Kacheln (Tiles) zusammengesetzte LED-Wand in jedem Falle lüfterlos arbeiten sollte. Als Pixelpitch waren ursprünglich 2,5 mm ausgeschrieben worden, dieser Abstand wurde jedoch im Laufe des Fertigungsprozesses auf 2,4 mm verringert.
Der Grund dafür lag in der leicht gewölbten horizontalen Anordnung der VideoKacheln: Die Quadrate mit einer Seitenlänge von 42 Zentimetern mussten in einem Winkel von ca. 2,5 Grad zueinander angebracht werden, um die gleichmäßige Wölbung auf der gesamten Strecke zu garantieren. Um Pixel-Versatz an den Kanten zu vermeiden und damit den exakt gleichmäßigen Abstand von der Mitte des Pixels zur Mitte des benachbarten Pixels zu erhalten, wurde der Pixelpitch von 2,5 auf 2,4 mm geändert.
Im Rahmen der Ausschreibung hat man vier LED-Wände in die engere Wahl gezogen und schließlich in A/B-Vergleichen bewertet. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten des von N&M vorgeschlagenen ICT-Modells. Inspire Model S2.4, das es erlaubt defekte Module bequem von vorn austauschen zu können. Um bestmögliche Farb- und Kontrastwerte bei der gewölbten Wand zu bieten, wurde zudem z. B. die Forschungsarbeit in optimale Shader intensiviert, damit möglichst tiefes Schwarz sowie Farbtreue auch bei extremen Betrachtungswinkeln erzielt würde.
Die lüfterlose LED-Wand, die in einer zylindrischen, horizontalen Anordnung von einem 10.8 m Radius folgt, verfügt über Abmessungen von 21,39 m × 4,18 m, also eine Bildfläche von 89,41 m2. Die native Auflösung beträgt 8.832 × 1.728 Pixel. Mit einer Bildrate von 85 fps, einer Farbtiefe von 16 Bit und einem Kontrastverhältnis von 6.000:1 bieten sich beachtliche Werte. Die insgesamt ca. 10 Tonnen schwere Konstruktion ist im Betonboden des Saals verankert. Sämtliche Controller wurden in einen ca. 50 m entfernten Serviceraum untergebracht; allein die Verlegung der Signalwege dauerte 14 Tage.
Anfang November 2014 wurde damit begonnen, das Panoramakino komplett zu entkernen und anschließend das Fundament und die Stahlkonstruktion für die LED-Wand zu errichten. Mitte Februar konnte mit dem Aufbau der LED-Wand begonnen werden. Im März 2015 wurde die Räumlichkeit schließlich mit einer Tanzdarbietung im Rahmen der Movimentos-Festwochen eröffnet.
Bild: Harald Heckendorf, Matthias Leitzke, Hannes Bühring / VW AG
Bild: Harald Heckendorf, Matthias Leitzke, Hannes Bühring / VW AG
Bild: Harald Heckendorf, Matthias Leitzke, Hannes Bühring / VW AG
Reserve-Tiles und Ersatzwand
Bekanntlich verlieren LEDs mit der steigenden Zahl der Betriebsstunden ihre ursprünglichen Luminanz- und Chromi – nanzwerte. Der Austausch bzw. Abgleich neuer Kacheln ist mit einem sehr hohen messtechnischen Aufwand verbunden und nicht immer können die Werte neuer Bauteile (oftmals aus anderen Fertigungs prozessen) auf die gewünschten Werte „gebogen“ werden. Aus diesem Grund wollte man mehrere zusätzliche Quadratmeter der identischen LED-Tiles Charge vom Hersteller in Reserve vorrätig haben.
Zusätzlich entwickelte man mit den Technikern von ICT eine spezielle Vorkehrung: In den Wartungsräumen unmittelbar hinter dem Screen wurde eine kleinere LED-Wand mit baugleichen Tiles aufgestellt. Diese „Ersatz – wand“, die sich in einem Flightcase auf Rollen befindet, wird parallel zur Hauptwand bespielt. Sollten zukünftig Kacheln ausgetauscht werden müssen, so sind die Ersatzteile stets im „exakt gleich gealterten“ Zustand. Zukünftig erneuerte Teilflächen werden daher nicht auffallen und das aufwendige, messtechnische Verbiegen der Luminanz- und Chrominanzwerte bleibt den Technikern erspart.
Ein neues Bildformat
Die Filme, die hier täglich zwischen 9 und 18 Uhr in einer Schleife auf der Leinwand zu sehen sind, erzählen in fiktiven Geschichten von der Liebe der Deutschen zur ihrem Automobil. Die Storys wurden unter der Regie des Schweizer Regisseurs Thomas Dirndorfer exklusiv von der Autostadt für diese einmalige LED-Wand produziert. Weitere Produktionen sollen laut Autostadt GmbH folgen. Mit herkömmlichen Kamerasystemen war die Bildgestaltung für das hier benötigte Format allerdings nicht möglich.
Die Autostadt GmbH ließ daher ein Kamera-Rigg entwickeln, an dem erstmals drei „Arri Alexa“-Kameras über ein Spiegelsystem nahtlos nebeneinander arbeiten können. Auf diese Weise konnten nicht nur extrem breite und statische Kameraeinstellungen entstehen, sondern auch imposante Schwenks und Fahrten realisiert werden. Die Bilder der drei Kameras wurden im Zuge der Postproduktion so bearbeitet, dass für die Zuspielung im Panoramakino zwei Bildhälften (ca. 1.920 × 4.320 Pixel) zur Verfügung standen.
Ausspielung
Zwei Pandoras Box SSD Quad-Server bedienen dabei je eine Bildhälfte der 89,41 m2 großen Wand und liefern jeweils Datenvolumen für eine nahezu unkomprimierte 4K-Ausspielung. Die Steuerung der Ausspielrechner wird von jeweils einem Coolux Manager-Pro übernommen. Hier finden sowohl die synchrone Taktausgabe an die Render-Maschinen als auch die Audiozuspielung der Q-sys in das immersive Raumsound-System statt. Die Bildhälften, die in der Mitte der Wand nahtlos aneinanderstoßen, werden mittels Framelock Sync-Karten hundertprozentig frame- und pixelgenau miteinander verbunden.
Beide Zuspiel-Server bzw. die beiden Grafikkarten werden über diese zusätzlichen Frameloc-Karten via Cat.5-Kabel verbunden und takten sich permanent gegenseitig. Dadurch wird jedes Frame exakt ausgeben, um ebenso exakt auf der Wand zu erscheinen. Ein redundantes System steht überdies zur Verfügung, so dass bei Bedarf automatisch und unbemerkt umgeschaltet werden kann.
Der Raumeindruck
Die Klasse der Zusammenarbeit zwischen Architekten, Fachplanern und ausführenden Gewerken zeigt sich auch daran, dass die LED-Wand eine Bildfläche von rund 90 m2 bietet, sich dennoch nicht massiv präsentiert. Alles wirkt leicht, elegant und bei Weitem nicht so wuchtig, wie man beim Anblick der technischen Daten denken könnte. Die Wand beeindruckt beim Betreten des Raumes auf den ers – ten Blick. Rund zwei Drittel vom maximalen Sichtfeld des menschlichen Auges wird durch diese Bildfläche abgedeckt.
Das Bild ist im Gegensatz zu gängigen Kinoprojektionen also mehr als doppelt so breit. Auch die Inneneinrichtung ist anders als in üblichen Kinos: Statt starrer Kinositzreihen sind in einem Saal, der einen stattlichen Durchmesser von 21,5 m aufweist, bequeme Sofas und Sessel locker verteilt. Wo man Platz nimmt, um das Bild zu genießen, ist unbedeutend.
Das dreidimensionale Raumklang-Erlebnis funktioniert auf jedem der rund 360 m2. Man scheint sich regelrecht inmitten des Geschehens zu befinden, das sich auf der Leinwand abspielt. In diesem Moment sind es die Geräusche von Rennwagen auf einer Rennstrecke. Sobald eines der Fahrzeuge auf dem Screen erscheint, ortet man den Sound auch genau an dem Punkt, wo sich das Fahrzeug gerade befindet. Autos, die aus dem Bild rasen, scheinen seitlich vorbei zu fahren, hinter dem Blickfeld weiter, bis sie wieder im Sichtfeld erscheinen.
An den Traversen unter der Decke des 10 m hohen Saals ist professionelle Lichttechnik installiert, die bei Bedarf entsprechend erweitert werden kann. Der Fußboden ist als Tanzboden ausgeführt – schließlich finden in diesem Multifunktionsraum u. a. auch Ballettaufführungen statt! Dank der akribischen Planung wirkt sich dieser Boden jedoch nicht unangenehm auf die Raumakustik aus.
Beschallung
Über achtzig Lautsprecher bilden die wohl derzeit größte Indoor 3D-Wellenfeldsynthese Fest installation Europas. Die gesamte Audiotechnik ist in den Wänden nahezu komplett unsichtbar installiert. Lediglich vier Basslautsprecher kann ein geübtes Auge im Dunkel über dem Screen ausfindig machen. Spezielle, farblich exakt angepasste und akustisch neutrale Verkleidungen verbergen alle 79 Kling&Freitag CA106-Einheiten. Auf die Anordnung der CA 106 hinter der Bildfläche musste selbstverständlich verzichtet werden. Stattdessen wurden in diesem Bereich die Lautsprecher unmittelbar über und unter der Wand eingebaut, so dass auch hier der gewünschte akustische Eindruck gewährleistet ist. Die Lautsprecher werden über 32 Kanäle aus dem WFS-Rechner angesteuert, der wie – der um an die Audio-Systemplattform Q-Sys angeschlossen ist. Kernstück der Steuerung ist ein Atmosphea-System.
Raum-Sound
Um den Kinobetrieb und die Live-Anforderungen zu erfüllen, setzte Fachplaner Christian Kimmig auf ein Shure Atmosphea System in Kombination mit Q-Sys des Herstellers QSC als Hardwarebasis. Die CPU-basierte Signalverarbeitungsplattform O-Sys gilt als besonders leistungsfähiges System, wenn es darum geht, Schnittstellen für Audio- als auch Steuerungssignale zu verwalten. In Atmosphea werden die Algorithmen der Fraunhofer WFS mit der Rechenleistung kombiniert. Q-Sys bietet nicht nur sämtliche Möglichkeiten, um flexible Signalverarbeitungsketten zu erstellen, sondern erlaubt auch die Überwachung der Komponenten wie etwa die Ausgänge der Verstärker.
Dank der starken Rechenleistung von Q-sys werden Livesignale mit maximal 2,5 Millisekunden vom analogen Eingang bis zur analogen Ausgabe verarbeitet. Für das Konzept, das hier umzusetzen war, mussten neben den Signalen für das WFS-System auch Livesignale in Echtzeit verarbeitet werden, da neben dem Kinobetrieb auch eine breite Palette unterschiedlichster Veranstaltungen zu unterstützen ist. Ebenso latenzfrei musste auch die Einbindung des gesamten Video-Contents auf der 8K-LED-Wand funktionieren. Die Videosignale konnten via Timecode (auf einer zusätzlichen Audiospur) über die Q-Sys in das System eingebunden werden. Die reibungslose Ankopplung zu den Videoservern die Zuspielung war somit garantiert.
Vielseitige Nutzung möglich
Das WFS-System fügt dem beeindruckenden visuellen Erlebnis auf der neuen LED-Wand ein mehr als ebenbürtiges Audio-Erlebnis hinzu. Maßgeblich verantwortlich für den gelungenen Gesamteindruck ist dabei das architektonische Konzept, das die stattliche Bildfläche aufnimmt und nicht wie einen in den Raum gepflanzten Fremdkörper wirken lässt. Die hier eingesetzte Technik dürfte ungeahnte Möglichkeiten für Video- und Audio-Formate bieten. Und zwar nicht nur für Bewegtbild Produzenten und Sounddesigner, auch für Komponisten, Dramaturgen und Choreografen, dürften sich hier neue Perspektiven auftun.
Überdies ist die Gestaltung des Bühnenraums ebenso flexibel wie die Möglichkeiten der Bestuhlung. Je nach benötigtem Konzept können hier zwei- bis dreihundert Sitzplätze entstehen. Hinter der LED-Wand finden sich Anschlüsse für zusätzliche VA-Technik. Hier können externe Licht-, Ton- und Videoregien problemlos angeschlossen werden und auch im Saal, gegenüber der LED-Wand, befindet sich ein identisches Anschlussfeld. Sämtliche Video- und Audio-Signale können dank modernster Medientechnik in Echtzeit integriert werden – ein bis ins letzte Detail beeindruckend umgesetztes Gesamtkonzept.
Die Möglichkeit einen Eindruck von diesem gelungenen Raumkonzept zu erhalten, bietet sich übrigens während der alljährlich stattfindenden Movimentos Festwochen mit zeitgenössischem Tanz, Jazz, klassischen Matineen und Soireen, szenischen Lesungen und Schauspiel in der Autostadt.
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