Audio: Planung einer Kirchenbeschallung

Netzwerkbasierte Beschallung in der Marienbasilika

Die Basilika im Wallfahrtsort Kevelaer gehört als größte Kirche zusammen mit der direkt angrenzenden Beichtkapelle, der Kerzenkapelle und der Open-Air Kirche Pax Christi zum Kirchen-Ensemble um den bekannten Kevelaerer Kapellenplatz, der Jahr für Jahr hunderttausende Pilger anzieht. Die großenteils schon über 40 Jahre alte Technik wird derzeit schrittweise auf einen aktuellen Stand gebracht, der auch eine umfassende Vernetzung und eine zentrale Steuerung der Anlagen zum Ziel hat …

Grundriss der Basilika
ABB. 01: Grundriss der Basilika mit den sechs Lautsprecherpositionen (hellblau) an den Säulen der Vierung sowie allen analogen Einspeisepunkten und Netzwerkanschlüssen (Bild: Anselm Goertz)

Dieser Artikel besteht aus folgenden Themen:

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Zu Beginn der Planungsphase für die neue Beschallungsanlage der Marienbasilika in Kevelaer wurden die wichtigsten zu erreichenden Eigenschaften festgelegt. Die Anlage sollte flexibel, erweiter- und vernetzbar sowie einfach zu bedienen sein. Über diesen Sekundärtugenden stand natürlich der wichtigste Aspekt: eine sehr gute Tonqualität, die auch bei großen Pilgermessen, Konzerten und anderen Veranstaltungen erreicht werden sollte. Als eine der größten Pilgerkirchen mit internationaler Ausrichtung kommt in der Basilika der Verständlichkeit des gesprochenen Wortes selbstredend eine sehr hohe Bedeutung zu.

Die im Vorfeld der Planungsarbeiten gemessene mittlere Nachhallzeit von 5,7 s mit einem Anstieg zu tiefen Frequenzen bis auf 7 s legte daher den bewährten Ansatz nahe, die Beschallung mit möglichst wenigen großen und stark richtenden Lautsprechern zu realisieren. DSP-gesteuerte Zeilen sind dazu heute das Mittel der Wahl. Die zu beschallende Tiefe des Raumes im Hauptschiff der Basilika beträgt ca. 30 m, so dass die Beschallung von der Vierung aus ohne Stützlautsprecher geplant werden konnte. Orientiert man sich an der einfachen Grundregel, pro Meter Länge einer DSP-Zeile ca. 10 m Reichweite zu erzielen, dann folgen daraus für eine 30 m tiefe Hörerfläche Zeilen mit einer Länge von 3 m.

Beliebig weit ausdehnen lässt sich dieser Zusammenhang jedoch nicht. Für Entfernungen von mehr als 30 m empfiehlt es sich in der Regel, über eine zweite Lautsprecherlinie für den hinteren Bereich nachzudenken. Für das Mittelschiff (2-mal) und die beiden Seitenschiffe (je 1-mal) lag damit die Bestückung mit insgesamt vier 3-m-Zeilen bereits fest. Für die Seitenbereiche in den Querhäusern wurden 2-m-Zeilen und für die Altarmonitore und den Hochchor jeweils 1-m-Zeilen eingeplant.

Konzept

Mit modernen DSP-gesteuerten Lautsprecher kann die Gesamtzahl der Lautsprecher in einer Kirche deutlich reduziert werden. Wo früher drei oder vier kleine passive Zeilen an den Säulen hingen, reicht heute eine Zeile vorne, die über die gesamte Tiefe des Raumes reicht. Aus der Sicht des Denkmalschutzes ist das eine verlockende Perspektive, weniger Fremdkörper in einem Gebäude zu haben. Dem steht jedoch gegenüber, dass jede DSP-gesteuerte Zeile mit aktiver Elektronik eine wie auch immer geartete Stromversorgung benötigt, die in der Regel nicht vorhanden ist. Für die Signalzuspielung lassen sich, wenn es nicht anders geht, bestehende 100-V-Leitungen nutzen. Mithilfe der PowerLine-Technik kann sogar die Stromversorgung über diese Leitungen geführt werden. Für große Lautsprecher mit hoher Leistung ist diese Technik jedoch nicht optimal einsetzbar; hinzu kommt das Risiko des meist nicht bekannten Zustandes alter Kabel.

In Kevelaer entschied man sich daher von vornherein für eine komplette Neuverkabelung. Für andere Gewerke schon benötigte Gerüste konnten dafür teilweise mit verwendet werden. Da die neuen Lautsprecher konzentriert an den sechs Hauptsäulen der Vierung angebracht wurden, konnte der Aufwand weiter reduziert werden. An jeder der sechs Säulen wurden vom Dachboden kommend die Stromversorgung und jeweils ein Netzwerkkabel pro Lautsprecher gelegt. Ebenfalls über den Dachboden war es möglich, die Orgelempore und den Haupteingang noch mit Netzwerkleitungen zu versorgen. Auf dem Dachboden entstanden so eine Art Netzknotenpunkt und die zentrale Stromverteilung für alle Lautsprecher.

Von dort zur Sakristei wurden weitere Netzwerkleitungen in Kupfer und als Glasfaserverbindungen gezogen. Letztere zur Sicherheit, da aufgrund vieler Umwege für diese Verbindung große Kabellängen notwendig wurden. Eine weitere Glasfaser wurde in die benachbarte Beichtkapelle gelegt, so dass Signale zwischen beiden Kirchen ausgetauscht werden können. Mit den nun reichlich vorhandenen Netzwerkleitungen war es naheliegend, auch die Audiosignal über das Netzwerk zu übertragen. Neben der Stromversorgung und dem Netzwerk waren so keine weiteren Kabel notwendig.

Herzstück der Anlage ist der Mastertone Automatikmischer in der Sakristei. Für die Übertragung der Audiosignale vom Mischer zu den Lautsprechern und anderen Ausspielpunkten hatte man sich für das Dante-Audionetzwerk entschieden. Es stellte sich dann aber noch die Frage, wie kommen die Signale der fünf Altarmikrofone sowie der beiden Mikrofone an den Spielplätzen der Orgel und vom Westportal in die Sakristei? Die kurze Distanz zwischen Altarraum und Sakristei sowie vorhandene Leerrohre für diese Strecke führten für diesen speziellen Fall zu der Entscheidung, direkte analoge Verbindungen einer Übertragung über das Dante-Netzwerk vorzuziehen.

Dante Audio-Netzwerk

Die Audioübertragung über ein Netzwerk ist eine seit vielen Jahren etablierte Technik. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kann sehr viele Signale über eine Netzwerkleitung verlustfrei und galvanisch entkoppelt, problemlos und kostengünstig über weite Strecken übertragen. Trotzdem herrscht immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber Audionetzwerken, die zum einen die Betriebssicherheit und die komplizierte Konfiguration betrifft. Speziell Letzteres mag noch aus den Anfangszeiten der Audionetzwerke begründet sein, wo es das eine oder andere Problem gab, an denen manch einer verzweifelte.

Das heute weit verbreitete Dante-Netzwerk ist jedoch in dieser Hinsicht weitgehend problemlos, wenn es um Standardanwendung geht. Etwas komplizierter wird es nur dann, wenn man die vielen Möglichkeiten, die ein Netzwerk mit sich bringt, auch ausnutzen möchte. Auch wenn man dann vielleicht einige Stunden in die Konfiguration und das Routing in einem Audionetzwerk investieren muss, sollte man sich immer vor Augen halten, wie der Aufwand sein würde, wenn man das alles mit analoger Technik erreichen wollte.

Ein schönes Beispiel dazu ergab sich kurze Zeit nach Fertigstellung der Anlage in der Basilika. Der sonst auf der Orgelempore residierende Chor hatte seinen Platz gewechselt und agierte jetzt aus dem nördlichen Querhaus heraus. Chorleiter und Organist hatten dann jedoch keinen Sichtkontakt mehr und konnten sich auch sonst nicht mehr verständigen. Zur Lösung des Problems wurden zwei kleine Dante Breakout-Boxen angeschafft. Eine wurde auf der Orgelempore an das Netzwerk angeklemmt und eine am neuen Standort des Chors. Mit je zwei analogen Ein- und Ausgängen konnten an die Breakout-Boxen Headsets für den Organisten und den Chorleiter angeschlossen werden. Danach musste nur noch das Routing im Netzwerk gesetzt werden und schon war das Problem gelöst.

Beim Thema Betriebssicherheit wurde in der Basilika streng darauf geachtet, dass das Netzwerk exklusiv bleibt und nur das Dante-Netz und die Programmierung und Überwachung der Lautsprecher darüber läuft. Letzteres wird ohnehin nur bei Einstellungs- oder Servicearbeiten benötigt und erzeugt im Normalbetrieb keine Last im Netz. Auf ein redundantes Netzwerk, wie es bei Dante mit dem Primär- und Sekundär-Netz möglich ist, wurde aus Kostengründen verzichtet. Die drei Switche im Netz sind jedoch im Ring verkabelt und die Lautsprecher sind alternierend auf die beiden Verteiler Switche auf dem Dachboden aufgeteilt (Foto siehe Artikel „.Historische Wallfahrtsstätte mit zeitgenössischer Audiotechnik“ ab Seite 44). Ein einfacher Kabeldefekt würde daher keinen Ausfall nach sich ziehen. Würde ein kompletter Switch ausfallen, wäre maximal die Hälfte der Lautsprecher betroffen. An dieser Stelle ist auch noch anzumerken, dass die Anlage keine sicherheitsrelevanten Funktionen im Sinne einer Gefahrenmeldeanlage hat.

ABB. 02 zeigt einen Ausschnitt der Dante-Matrix, in der alle Quellen und Senken namentlich aufgeführt sind, die sich hier durch das einfache Setzen von Verknüpfungspunkten verbinden lassen. Neu hinzukommende Geräte werden automatisch in die Matrix übernommen und können dann mit genutzt werden.

Dante Matrix
ABB. 02: Ein kleiner Ausschnitt der Dante Matrix, die in der jetzigen Ausbaustufe alle Quellen und Empfänger der Basilika und Beichtkapelle zusammenführt. (Bild: Anselm Goertz)

Evolutone PBS Lautsprecher

Bei den Lautsprechern fiel die Wahl auf das Modell Evolutone PBS der Firma Steffens. Dank der durchgängigen 2-Wege Bestückung und kräftiger Hypex UcD180 Endstufe für jeden Kanal sind diese Lautsprecher hinreichend kräftig, um auch in einer großen Kirche echtes „PA Feeling“ rüberzubringen. Hinzu kommt die spezielle Software, die mit bis zu sechs separaten Beams pro Lautsprecher ein sehr feinfühliges Beamforming ermöglicht. Jeder Beam benutzt dabei immer die komplette Länge der Zeile, so dass es keine Nachteile im Bündelungsverhalten bei tiefen Frequenzen gibt. Die zugehörige Beamguider Software in ABB. 03 zeigt exakt den Pegelverlauf für alle Oktavbänder über der Hörerfläche und auch den Frequenzgang auf der Hörerfläche an.

 

Steuersoftware der Evolutone PBS Lautsprecher
ABB. 03: Steuersoftware der Evolutone PBS Lautsprecher hier mit dem Beamformer und der Auto-EQ-Funktion für eine Evo PBS 3000 Zeile (Bild: Anselm Goertz)

Dargestellt werden für die Hörerfläche der mittlere Frequenzgang, das jeweilige Minimum und Maximum und der Verlauf an der Stelle des Cursors. Basierend auf dem gemittelten Verlauf lässt sich mithilfe der Auto-EQ-Funktion auf Knopfdruck ein Filter berechnen, das den Verlauf auf eine einstellbare Zielfunktion hin equalisiert. Danach sind meist nur noch einige kleine Anpassungen an die raumakustischen Verhältnisse notwendig und schon ist man am Ziel. Als praktisches Feature ermöglicht die Software auch eine echte Maximalpegelberechnung. Dazu können ein Signalspektrum, z. B. EIA-426B oder Sprache, und ein Crestfaktor des Signals (ganz wichtig!) eingestellt werden. Für die eingestellten Filter und das aktuelle Beamforming wird dann der für diesen Signaltyp tatsächlich erreichbare Maximalpegel als Mittlungspegel Leq berechnet. Die Berechnung basiert ebenso wie die Auto-EQFunktionen nur auf einer Direktschallsimulation, da die raumakustischen Verhältnisse der Software nicht bekannt sind.

ABB. 04 zeigt ein Blockschaltbild der Signalverarbeitung in den Evolutone PBS. Als Eingänge stehen analog, AES/EBU und Dante zur Verfügung, die bei Bedarf auch mit einer Fallback-Funktion belegt werden können. Fällt z. B. das Dante-Signal aus, dann kann automatisch mit Pegelanpassung auf den analogen Eingang oder AES/EBU umgeschaltet werden. Eine solche Funktion ist vor allem für sicherheitsrelevante Anwendungen wichtig. Nach dem Eingang folgen Gain und Delay, ein FIR- und ein vom Anwender einstellbares IIR-Filter. Das FIR-Filter wird für den Auto-EQ genutzt.

Blockschaltbild einer Evo PBS
ABB. 04: Blockschaltbild einer Evo PBS mit allen Eingangsvarianten, den Filtern, den sechs Beamformern und den Limitern in den Ausgängen. (Bild: Anselm Goertz)

Die sechs Beamforming-Filter arbeiten als Overlays auf die Ausgänge, die final durch Limiter abgeschlossen werden, bevor es zu den Endstufen rausgeht. Basis für alle Evolutone- PBS-Lautsprecher ist das achtkanalige Modul, das mit bis zu zehn Einheiten kaskadiert werden kann. In der Software erscheint nach außen hin eine Evolutone-Zeile unabhängig von der Anzahl der Module als ein Lautsprecher mit entsprechender Typenbezeichnung Evolutone 1000, 2000, 3000 usw.

EVO Netzwerklisten
ABB. 05: EVO Netzwerklisten in der zugehörigen Software. Von hier aus lassen sich alle
Lautsprecher zentral steuern und überwachen.
(Bild: Anselm Goertz)

Mastertone Mixer

Um dem Ziel der einfachen Bedienung möglichst nahe zu kommen, wurde ein voll programmierbarer Automatikmischer des Typs Mastertone eingesetzt. Das in der Sakristei eingebaute Gerät wurde mit 16 analogen Eingängen und acht analogen Ausgängen sowie einer Dante Brooklyn Interface-Karte bestückt (Foto siehe Artikel „Historische Wallfahrtsstätte mit zeitgenössischer Audiotechnik“).

Die analogen Eingänge mit Mic-Preamps werden für den direkten Anschluss der Altarmikrofone und diverser anderer Quellen genutzt. Die analogen Ausgänge speisen den Verstärker für die Stromschleife, Monitore in der Sakristei, einen Kopfhörer-Service-Ausgang und noch zwei Ausgänge für Recording oder andere Aufgaben. Für die Zuspielung zum Kirchenradio werden die Mikrofonsignale über einen Mikrofonsplitter direkt unbearbeitet zur Verfügung gestellt. Zusätzlich gibt es noch acht weitere vorbearbeitete Signale aus dem Mischer im AES/EBU-Format oder analog, deren Mischung frei programmiert werden kann.

Die Grundfunktion des Mastertone ist die eines Automatik-Mischers. Alle Eingänge können über eine alles umfassende Matrix (ABB. 06) mit allen Ausgängen beliebig kombiniert werden. Für jeden Eingang und jeden Ausgang stehen je fünf parametrische EQs, ein Compressor (nur in den Eingängen) sowie Gain- und Delay-Einstellungen zur Verfügung. Die Eingänge können in acht Gruppen für die Funktion des Automatik-Mischers zusammengefasst werden. ABB. 06 zeigt einige der Funktionen in der Mastertone-Software.

Matrix des Mastertone Mischers
ABB. 06: Matrix des Mastertone Mischers in der alle 32 Eingänge beliebig auf die 32 Ausgänge gemischt werden können. Rechts die detaillierten Einstellungen für einen ausgewählten Eingang mit EQs, Compressor und Automatikmischerfunktionen. (Bild: Anselm Goertz)

Um die Einstellarbeiten zu erleichtern, gibt es für alle Eingangs- und Ausgangspegel eine Übersichtsdarstellung (ABB. 07). Zu den Eingängen wird zudem die Zuordnung und der aktuelle Zustand der Automatik-Mischer- Funktion angezeigt. Verschiedenste Konfigurationen können im Mastertone als Setups hinterlegt und beliebig abgerufen werden. Die Bedienung erfolgt während der Konfiguration oder Programmierung via Ethernet mithilfe der Mastertone PC-Software. Einmal konfiguriert, können die Setups anschließend entweder am Gerät selber oder per Mediensteuerung aufgerufen werden. Für den Anwender gestaltet sich so trotz des großen Funktionsumfangs die Bedienung denkbar einfach. In der Basilika wurden für alle üblichen Arten von Gottesdiensten fertige Setups erstellt, die im Klartext benannt leicht ausgewählt werden können.

Pegelübersicht für alle Ein- und Ausgänge des Mastertone Mixers
ABB. 07: Pegelübersicht für alle Ein- und Ausgänge des Mastertone Mixers. Aktive Compressoren und Automixer- Funktionen werden hier ebenfalls übersichtlich angezeigt. (Bild: Anselm Goertz)

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