Ist Audio am Point of Sale mehr als nur Hintergrundbeschallung?
von Helmut Burmeier, Artikel aus dem Archiv vom
PROFESSIONAL-SYSTEM-Autor Helmut Burmeier hat sich auf die Suche nach den Trends bezüglich Beschallung am Point of Sale begeben und dazu Brancheninsider befragt.
Elektronische Preisschilder oder Selbstbedienungskassen – sichtbare Zeichen fortschreitender Digitalisierung im Handel – automatisieren vermehrt die Abläufe am Point of Sale (POS). Seit Jahren hat sich auch die digitale Werbung einen festen Platz im anspruchsvollen Handel erobert. Das digitale Bewegbild am POS wird vom Konsumenten inzwischen als Selbstverständlichkeit wahrgenommen.
Nur der Ton im Handelsumfeld beschränkt sich noch heute vorrangig auf Hintergrundbeschallung. Im Gespräch mit Brancheninsidern aus Bereichen wie Ladeneinrichtung, Digital Signage, Audiolösungen für Einzelhandel mit der macht sich PROFESSIONAL SYSTEM auf die Suche nach den Trends bezüglich Beschallung im Handel. Es kommen im Folgenden zu Wort: Bernd Albl (Managing Director Digital Retail, Umdasch Shoppfitting, Amstetten), Reto Brader (VP Sales, Barix AG, Zürich), Fabian Scholz (Geschäftsführer, komma,tec redaction, Hamburg), Henning Matthies (Director DACH, Mood Media GmbH, Hamburg), Ibrahim Mazari (Director Marketing Communications, dimedis GmbH, Köln), Jürgen Berens von Rautenfeld (CEO, Online Software AG, Weinheim), Oliver Schwede (Solution Sales Digital Media Solutions, CANCOM GmbH, Langenfeld) und Yvo Schirmer (Geschäftsführer, Storemoods, Münster).
Bei der Bewertung des IST-Zustands am POS sind sich alle Gesprächspartner weitestgehend einig, dass visuelle Reize in Form von Digital Signage die heutige Ladengestaltung nach wie vor prägen. Dennoch ist am POS häufig auch ein Musikprogramm, bei größeren Ketten ein Instore-Radio mit Eigen- und Fremdwerbung, zu hören. Der Kunde nimmt diese Musikprogramme in der Regel nicht bewusst wahr. Anbieter von Musik für den Handel verweisen gerne auf wissenschaftliche Studien, welche den umsatzsteigernden Effekt von Musik am POS nachgewiesen haben. In diesem Zusammenhang spricht Yvo Schirmer auch ein kritisches Thema an: „Nur weil der POS in irgendeiner Art und Weise beschallt wird, steigt nicht automatisch der Umsatz. Vielmehr gilt es, eine Kongruenz zwischen Marke, Ladengestaltung und Hintergrundbeschallung zu erreichen. Die dazu nötige Awareness ist meiner Einschätzung nach noch nicht in vielen Marketingabteilungen vorhanden. Zu sehr hat man sich in der Vergangenheit auf Printwerbung fokussiert und nach und nach ins Online-Marketing umgeschwenkt. Die Nutzung von Digital Signage am POS ist da eine logische Weiterentwicklung.“ Reto Brader sieht zwei Hauptrichtungen in der Beschallung am POS: „Lange war es ausschließlich die emotionale Beeinflussung durch Hintergrundmusik, bei der es darum geht, den Zielkunden emotional abzuholen.
Passende Musik führt zu besserem Wohlbefinden und somit zu einer längeren Verweildauer. Mit den Videos als Kurzschulung für den Kunden in Baumärkten bis zum Instore-Radio, welches mit Ansagen wie ‚Wussten sie, dass unsere Firma nur Bio Baumwolle aus fairem Handel verwendet?‘ dem Kunden das Gefühl vermittelt, am richtigen Ort einzukaufen, ist aktuelle schon eine breite Palette von Beispielen für Beschallung als Entscheidungshilfe am Markt zu finden.“ Möglicherweise entwickelt sich die Beschallung am POS in der Zukunft zu einem integralen Teil der Markenkommunikation. Bis dahin gibt es auf den verschiedensten Ebenen aber noch viel zu tun.
Umdasch Shoppfitting aus Österreich, einer der führenden Ladenbauer in Europa sieht den Handel vorrangig noch auf Digital Signage fixiert. Das gilt sogar bei kompletter Neugestaltung der Verkaufsräume. Bernd Albl: „Bei unseren Projekten greift der Kunde immer zuerst auf Digital-Signage-Lösungen zurück und fragt erst später nach Beschallung. Schaffung eines authentischen, sinnlichen Ambientes, Fokus auf definierte Produkte/Produktgruppen, Aufwertung der mit der Sound-Dusche bespielten Produkte, Image-Steigerung durch eine höchst innovative Technologie oder tolle Inszenierung in der Ladendramaturgie sind höchst schlüssige Argumente zur Beschallung. Das Gegenargument, dass sich der Kunde gestört fühlen könnte, sollte in jedem Fall sorgfältig geprüft werden.“
Auch Oliver Schwede hebt auf die Vorteile der Beschallung ab: „Audio spricht einen weiteren Sinn an und nutzt damit mehr sensorische Möglichkeiten des Kunden. Eine guter Audio- Claim unterstützt die Markenkommunikation. Ambient Musik ist in der Lage, Kunden in eine positive Grundstimmung zu versetzen.“ Als einer der Repräsentanten der „Digital Signage Fraktion“ spricht Fabian Scholz den Knackpunkt einer generellen Vertonung von Digital Signage am POS an: „Am POS ist in der Regel das Bild ohne Ton zu sehen. Eine kontinuierliche Beschallung des gesamten Verkaufsraums mit wenigen Jingles wäre für die dort arbeitenden Angestellten absolut unzumutbar. In den Märkten der Bauhaus-Gruppe haben wir eine möglicherweise zukunftsweisende Installation realisiert. Dort erfolgt die Beschallung örtlich und zeitlich begrenzt: Im Bauhaus werden die Kunden nur dann ganz leise beschallt, wenn sie direkt vor dem Display stehen und sich Erklärvideos zu den Produkten anschauen.“
Reto Brader sieht keine spezifischen Branchen in der Vorreiterrolle bezüglich der Beschallung. Er macht die Akzeptanz am Marketing-Konzept des jeweiligen Unternehmens fest: „Wer ein 360-Grad-Marketing, also die integrierte Nutzung aller verfügbaren Kommunikationskanäle, fährt, kommt um Beschallung nicht herum. Audio ist ein wichtiges Element unserer Wahrnehmung. Kleinste Störungen nehmen wir sofort als unangenehm wahr – beim Bild sind wir Menschen nicht so empfindlich.“ Für Henning Matthies sind fast alle Branchen sehr aufgeschlossen für Musiklösungen: „Das gilt nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für die Hotellerie und Gastronomie sowie für Autohäuser. Etwas zurückhaltender zeigen sich eher konservativ geprägte Umfelder wie Banken und Apotheken.“
„Am besten funktioniert Beschallung bei Branchen, wo Entertainment im Vordergrund steht oder wo Verweilbereiche von großer Bedeutung sind“, bringt Albl seine branchenübergreifenden Erfahrungen auf den Punkt. Yvo Schirmer erklärt: „Am aufgeschlossensten sind unserer Erfahrung nach kleinere Geschäfte insbesondere aus dem Textileinzelhandel sowie gastronomische Betriebe. Auch im Lebensmitteleinzelhandel wird bereits seit Jahrzehnten Musik eingesetzt.“ Gleichzeitig verweist Schirmer auf die besondere Problematik bei großflächigen Geschäften, die mit Systemen zur Sprachalarmierung ausgestattet werden müssen: „Einen guten Klang in einem Supermarkt zu erzeugen dagegen ist eine standortspezifische Herausforderung, die je nach Fläche hohe Investitionskosten mit sich bringt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine ordentliche Musikbeschallung in der Phase der Ladengestaltung nicht berücksichtigt wurde und daher nachgerüstet werden soll.“
Für Verkaufsflächen von mehr als 2.000 m2 ist der Einsatz von Sprachalarmierungseinrichtungen, durch die Personen alarmiert und Anweisungen gegeben werden können, verbindlich vorgeschrieben. Dafür sind in größeren Geschäften bzw. Shopping-Malls Sprachalarmanlagen (SAA) installiert. Deutlich verständliche Sprachwiedergabe, das wichtigste Kriterium für den Gefahrenfall, ist entscheidend für die Auswahl einer solchen Anlage. Dabei sind auch die gebäudespezifische Raumakustik und zusätzliche Faktoren wie Schallverteilung, Nachhallzeit und Abstrahlcharakteristik der Lautsprecher sowie der Störschallpegel zu berücksichtigen. Im Normalbetrieb ist die Nutzung der SAA für die Hintergrundbeschallung zulässig. Insbesondere bei der Auswahl der Lautsprecher sollte dieser Zweitnutzen der Anlage auf jeden Fall berücksichtigt werden.
Dezente Hintergrundmusik in ihren unterschiedlichen Facetten ist im stationären Handel in Deutschland akzeptiert. Sowohl Instore Radio, die Kombination aus Musik, Information und Werbung vornehmlich in Supermärkten als auch die individuellen Musik-Playlists, über die in Lifestyle-orientierten Geschäften eine Wohlfühlatmosphäre kreiert wird, werden beim Verbraucher gleichermaßen positiv aufgenommen.
Effektbeschallung in allen denkbaren Ausprägungen ist möglicherweise eines der Themen der Zukunft. Yvo Schirmer: „Lösungen zur Spezialbeschallung sind sehr interessante Möglichkeiten, um verschiedene Bereiche eines Geschäftes zu beschallen. So können bestimmte Produkt- und Warengruppen besonders in Szene gesetzt werden. Dies halten wir aus Marketing-Sicht für äußerst sinnvoll und werden durch Studien bestätigt. Wichtig ist jedoch, dass einzelne großflächige Klangräume eingerichtet werden und der Kunde während seines Einkaufs nicht in eine Vielzahl unterschiedlicher Klangzonen läuft. Dies würde die Beschallung zu sehr in den Vordergrund bringen und Stress auslösen.“
Henning Matthies hat eine eher kritische Einstellung zur punktuellen Beschallung und verweist auf die damit verbundenen Einschränkungen: „Die Kunden möchten Sound-Duschen meist für spezielle Angebote oder Digital-Signage-Inhalte einsetzen. Es ist allerdings physikalisch nur schwer möglich, Sound auf einen bestimmten Bereich zu begrenzen. Schall verbreitet sich nun einmal durch die Luft, und vor allem die Bässe lassen sich schwer abgrenzen. In einer insgesamt lauten Umgebung funktioniert gerichteter Sound, vor allem wenn man mit wenig oder ganz ohne Bass arbeitet. In einem eher ruhigen Umfeld wird es allerdings schwierig und kann den Gesamteindruck empfindlich stören, vor allem bei häufigen Wiederholungen.“
In einer ähnlichen Richtung argumentiert Fabian Scholz: „Bei Sound-Duschen besteht leider das Problem, dass der Boden in den Geschäften meistens sehr hart und glatt ist, damit der Boden leichter zu reinigen ist. Dadurch funktionieren Schallduschen aber nicht, weil der Schall durch diesen Boden reflektiert wird. Das bedeutet, dass der Ton infolgedessen nicht mehr nur dort zu hören ist, wo der Content konsumiert werden soll.“
Vor der Entscheidung bezüglich Einführung der Beschallung gilt es, die Machbarkeit zu prüfen. Bei Digital Signage kann übermäßige Einstrahlung von Sonnenlicht ein K.O.-Kriterium sein, für die Beschallung ist es im Einzelfall der Baukörper selber. Henning Matthies von Mood Media: „In stark hallenden Räumen muss seitens des Kunden abgewogen werden, ob der Nutzen der Musik überwiegt und die zusätzliche Schallenergie vertretbar ist. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll, mit raumakustischen Lösungen die Halligkeit zu reduzieren.“ Yvo Schirmer: „Die Entscheidungen müssen in der Regel durch den Inhaber bzw. die Marketingabteilung an die Ladenbauverantwortlichen herangetragen werden. Sobald die Wichtigkeit einer ordentlichen Beschallung erkannt wurde, steigt die Beratungsempfänglichkeit drastisch. In größeren Unternehmen sind meistens eine Vielzahl von Abteilungen in den Entscheidungsprozess eingebunden.“ Die meisten Anbieter von Musik überlassen die Installation der Audiokomponenten für die Beschallung technisch versierten Fachfirmen. In der Regel sind das Systemintegratoren aus der professionellen Medientechnik. Kleinere Installationen übernimmt auch schon mal der Elektroinstallateur vor Ort. Größere Ketten greifen in der Regel auf ihr eigenes Netzwerk von Installationspartnern zurück.
Ein Standard für die zukünftige Übertragungstechnik der Tonsignale am POS ist für die befragten Experten noch nicht sichtbar. Auf der Großfläche ist es häufig noch die 100-Volt- Technik, die neben der Spracharlarmierung auch für die Hintergrundbeschallung genutzt wird. Kabellose Übertragung auf Basis von WLAN betrachten Ladenbesitzer oder Musikanbieter häufig als die ideale Lösung. Dann sind es aber die Systemintegratoren, welche dazu ein Veto einlegen. Yvo Schirmer: „Leider werden die vorhandenen Lösungen von unseren technischen Partnern als noch nicht stabil genug für den professionellen Einsatz bewertet. Dem Risiko, einer durch diverse Störquellen wie WLAN-Endgeräte im gleichen Frequenzband verursachten Fehleranfälligkeit möchte sich bisher kein Systemintegrator aussetzen.
Dazu kommt, dass entsprechende Lautsprecher in der Regel noch sehr teuer sind. Sollten zukünftig jedoch kabellose Lautsprecher, die stabil laufen, zu attraktiven Preisen auf den Markt kommen, werden solche Systeme eine interessante Alternative darstellen.“ Auch Barix betrachtet die Entwicklung von WLAN-basierten Lösungen mit einer gewissen Skepsis. Reto Brader: „Wir sehen einen Trend zu Systemen auf Basis von Power over Ethernet (PoE). Audiosignalübertragung und Stromversorgung erfolgt dabei über vorhandene Netzwerkkabel. Mittels eingebauter Verstärker werden normale Lautsprecher angesteuert.“ Bei den Lautsprechern, die ausschließlich zu Hintergrundbeschallung genutzt werden, dominieren qualitativ hochwertige Marken Volumen erzeugen und auf der Fläche einfach nur blechern klingen.“ Eine ganz besondere Bedeutung haben Lautsprecher im Lifestyleorientierten Handel und in der Gastronomie. Neben der Klangqualität spielt in diesen Einsatzgebieten auch noch das Design der Produkte eine wichtige Rolle. Lautsprecher werden dabei häufig als Stilelemente bewusst sichtbar installiert.
Sound-Duschen sind für Bernd Albl richtungsweisend im gehobenen Ladenbau: „Vor allem in Verweilbereichen ist diese Technik absolut im Kommen. Man kann Fokuspunkte setzen, und dahin geht momentan in vielen Branchen der Trend.“ Ein weiterer Ansatz der individuellen Beschallung nutzt das persönliche Handy des Kunden. Dazu Reto Brader: „Ein QR-Code in Verbindung mit einer App bringt dem Kunden dabei den Ton zur Digital Signage auf sein Handy. Die besondere Magie liegt darin, die Verzögerung so kurz zu halten, dass der Ton als Lippensynchron wahrgenommen wird. Barix nennt diese Lösung AudioPoint.“
Die teilweise Synchronisation von Instore-Radio und Digital Signage bietet dem Handel die Chance, direkt am POS verschiedene Sinne des Käufers gleichzeitig anzusprechen. Die großen Content-Management- Systeme bieten solche Lösungen heute schon an bzw. stehen kurz vor deren Markteinführung. Dazu Ibrahim Mazari: „Dezente Hintergrundbeschallung als Instore-Radio ist in der Breite der Handelslandschaft ebenso akzeptiert wie tonloses Digital Signage. Über die Synchronisation können Werbespots im Instore-Radio jetzt parallel zu den entsprechenden Jingles im Digital Signage laufen. Durch die Nutzung beider Kanäle wird so eine deutlich stärkere Wirkung erzielt.“ Auch Jürgen Berens von Rautenfeld sieht in der punktuellen Synchronisation der Inhalte interessante Möglichkeiten: „Die Kombination von Bild und Ton wird gerne auch in der Checkout-Zone genutzt. Hier wird das Bildsignal ‚Kasse 2 öffnet‘ zusätzlich mit Ton ‚Liebe Kunden, Kasse 2 öffnet jetzt für Sie‘ verstärkt.“
Für Jürgen Berens von Rautenfeld bringen Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Google Home viel Potenzial für die zukünftige Ausgestaltung des POS mit: „Der Kunde formuliert seine Frage wie ‚Alexa, wo finde ich die Gartenfliesen?‘. Neben der Antwort per Sprachausgabe wird auf dem dazugehörigen Info-Bildschirm das Produkt und die entsprechende Markt-Navigation angezeigt.“
Hintergrundbeschallung im Handel und die damit verbundene verkaufsfördernde Wirkung scheinen allseits akzeptiert zu sein. Gute Klangqualität ist für alle Installationen das zu erreichende Ziel. Bei Rahmenbedingungen wie Parallelnutzung vorhandener Sprachalarmierungsanlagen, suboptimale Räumlichkeiten oder problematische Signalverteilung ist eine professionelle Planung unabdingbar. Spannend bleibt die Frage, ob und wenn ja welcher Standard sich für die Signalverteilung durchsetzen wird.
Mit Flipflops im Sommer am Strand… das geht jetzt auch mit HARVEY®
Die passende Jahreszeit für die Entwickler von DSPECIALISTS, das neue HARVEY® Composer Release 3.8.4 zu veröffentlichen. Das Sommer Release bringt Flipflop-Buttons in die HARVEY Weboberfläche und bietet so neben den üblichen Preset-Einstellungen noch mehr Möglichkeiten der klaren Konfiguration.