In einer ehemaligen Gießerei bietet das Atelier des Lumières in Paris Kunst als umhüllende überdimensionale, digitale Ausstellung – mit mehr als 140 Videoprojektoren und einer Multimedia-Ausstattung, die eine Oberfläche von 3.300 m² bespielen.
Lassen sich die Werke berühmter Maler vollkommen digital und multimedial am Point of Interest darstellen? Animiert, mit Sound unterlegt und alle Fassaden im Raum umfassend? Genau das geschieht im Atelier des Lumiéres, im 11. Arrondisment in Paris. Dort hat die Agentur Culturespaces (siehe Kasten) das Schaffen berühmter Maler bzw. zeitgenössischer Künstler – derzeit sind Gustav Klimt, Egon Schiele, Friedensreich Hundertwasser – bis zum Januar 2019 in Szene gesetzt. Nicht etwa in Standbildern wie bei einer Diaprojektion, sondern in Form von höchst lebendigen Animationen, die via Fassadenmapping auf Wände, Decken, Fußböden und sogar Nischen der ehemaligen Eisengießerei mit einer Gesamtoberfläche ca. 3.300 m² projiziert werden.
Die Inszenierung ist immersiv – sie zieht also den Zuschauer/Zuhörer sowohl visuell als auch akustisch mitten in das digitale Geschehen und lässt ihn ein Teil dieser Inszenierung werden. Visuell findet sie in Form von Projektionen auf der gesamten Oberfläche der Halle statt. Der Besucher scheint sich mitten in der Show zu befinden, und das nicht nur visuell. Musik, Stimmen und Geräusche umhüllen ihn durch das spezielle „Spatial Sound“-System wie eine Art Klangteppich und sind räumlich hörbar. Die Besonderheit der Inszenierung ist es, die typischen Elemente im Wert des Künstlers wie Ornamente oder Goldflitter bei Klimt oder die organischen Strukturen „ohne Ecken“ oder das Element „Wasser“ bei Hundertwasser, zu animieren und zusammen mit bekannten Gemälden, die diese Elemente beinhalten, zu „bewegen“ oder in neuen Rahmen erscheinen zu lassen. Dabei ergibt sich immer ein Gesamtbild.
Ergänzt wird die Performance durch ausgewählte Musik, die zur Epoche und zum jeweiligen Aspekt passend ausgesucht wurde. Ansonsten verläuft die gesamte Performance nonverbal. Lediglich drei tonnenartige Infotische, die sich in einem begehbaren Zylinder inmitten der Halle befinden, bieten zusätzliche Informationen: Durch Handauflegen auf die Tischoberfläche lassen sich historische Videofilme zum jeweils präsentierten Künstler abrufen.
Der Inszenierung zugrunde liegt das sogenannte AMIEX-Konzept der Agentur Culturespaces (Art & Music Immersive Experience), das Projektionsmapping auf die Innenfassade des Ausstellungsortes mit einer immersiven Sound-Installation kombiniert, die den Raumklang erzeugt. Die animierten Inhalte für eine AMIEX-Ausstellungen werden jeweils aus mehreren tausend HD-Bildern mithilfe spezieller Software zusammengestellt. Dabei mussten die Inhalte auf die ungewöhnlichen Strukturen und Proportionen des Ausspielortes und die Umsetzung auf eine der weltweit größten Multi media-Installationen umgesetzt werden. Hierzu werden acht Meter lange und zehn Meter hohe Wände sowie Zylinderoberflächen u. Ä. bespielt.
Adaptiert wurden die Inhalte dabei pixelgenau per Software – mit Hilfe eines digitalen Modells der zu bespielenden Oberflächen. Um dies technisch zu realisieren, haben die Verantwortlichen von Culturespaces sowie der AVIntegrator Cadmos eng mit dem Team der Firma Modulo Pi, Hersteller des Medienserver- Systems Modulo Kinetic, mit dessen Spezialsoftware diese Anpassung vorgenommen wurde, zusammengearbeitet.
Die Systemkonfiguration im Atelier des Lumiéres besteht aus drei Modulo Kinetic Designer-Einheiten und 35 VNode-Einheiten. Einer der drei Designer-Server dient zur Programmierung der Show und fungiert als zentrales Element zur Steuerung und Verwaltung der VNodes, von denen jeder einen bestimmten Abschnitt der Animation steuert. Der zweite Kinetic Designer dient als Backup- Server: Sollte der Hauptserver nicht in Betrieb sein, schaltet das System automatisch auf den zweiten Server, der das Showcontrolling übernimmt. Der dritte Kinetic Designer wird vom Kreativteam für das Erstellen und Testen von neuen Show-Projekten genutzt.
Die Zusammenarbeit bestand im Wesentlichen darin, dass Modulo Kinetic den Kreativen und Technikern zum Beispiel Automatismen zur Verfügung stellte, mit denen sie den Medienserver bei diesem umfangreichen Projekt nutzen konnten. Yannick Kohn, Gründer und CEO von Modulo Pi, erläutert die Vorgehensweise an einem Beispiel: „Es ging vor allem um Spezialeffekte: So wurde etwa ein besonderer Wischeffekt eingesetzt, den man auch in Echtzeit, also live, einsetzen kann, um die Show relativ schnell zu testen und gegebenenfalls nachzujustieren. Ohne diese Funktionalität hätte man die gesamte Show mit all ihren Spezialeffekten vorprogrammieren und dabei einen zeitraubenden Prozess des Kodierens der einzelnen Filmsequenzen in Adobes „After Effects“ und deren anschließendes Kopieren in das Medienserver-System in Kauf nehmen müssen. So können viele Effekparameter direkt in der Timeline bearbeitet werden, um die Animation vergleichsweise schnell vor Ort einzustellen.“
Im Atelier des Lumiéres kommen u. a. folgende Produkte zum Einsatz:
» Medienserver-System
Modulo Kinetec von Modulo Pi, bestehend aus 3× Kinetic Designer und 35× Kinetic VNode
» Projektion
128× Laser-Phospor Projektoren vom Typ Barco PGWU-62 sowie 16× 1-Chip DLP-Projektoren vom Typ Barco F50 (WXGA-Auflösung)
» Audio
1 Audioprozessor vom Typ Yamaha MRX7-D mit PCI-128 Soundcard, 33× Lautsprecher vom Typ Nexo ID24 und 11× Subwoofer vom Typ Nexo ID S110; Amping: Nexo NXAMP4x1 Verstärker
Gerade bei der Darstellung von Gemälden per Projektor auf Fassaden ist es wichtig, dass die Farben, Formen und Strukturen so reproduzierbar sind, dass sie dem Original-Gemälde möglichst gut entsprechen. Am wichtigsten sei es gewesen, ein gutes Warping und Edgeblending zwischen den Projektoren zu erzielen, so sagt Yannick Kohn und führt aus: „Dazu haben wir ein Media-Testpattern zu Hilfe genommen, das in der Software generiert wird. Damit kann man die Anzahl der Zeilen und Spalten einstellen und so überprüfen, ob die Geometrie korrekt ist. Zudem kann man ein Bild nahtlos von Projektor zu Projektor bewegen. Mit den Patterns hat man auch überprüft, ob das Blending in Ordnung ist und die Showinhalte projiziert, um die verschiedenen Farben einzustellen.“ Kohn weist in diesem Zusammenhang auch auf eine wichtige Eigenschaft von Modulo Pi hin: „Es gibt eine kostenlose Fernsteuer-App, mit der mehrere Techniker gleichzeitig das Warping an unterschiedlichen Stellen bearbeiten können. Damit ist es möglich, auf einem Notebook mit WiFi-Verbindung, nahe am jeweiligen Projektor zu arbeiten und dem Master Designer Modul die Warping-Einstellungen zu senden.“
Insbesondere in der Vorbereitung der Show war Modulo Kinetic als All-in-one Lösung hilfreich: Dank der integrierten Datenbank mit ihren Projektorendaten war es laut Yannick Kohn einfach, den Strahlengang des Projektors in einer 3D-Umgebung zu simulieren, um die erforderliche Anzahl der Projektoren zu bestimmen. Es sei sogar möglich, die Lichtsituation des Szenarios zu simulieren, um eine ausreichende und homogene Helligkeit für die Projektion zu ermitteln. Natürlich war es auch wichtig, die geeigneten Standorte für die Projektoren zu finden, um Schatten der Besucher auf dem Fußboden zu vermeiden. Zu diesem Zweck nutzten die Techniker eine VR-Simulation mit HTC Vive-Brillen für eine Vorschau der Projektion.
Nach diesen Berechnungen waren 135 Projektoren für die gesamte Animation erforderlich. Bei der Wahl eines geeigneten Projektorentyps war eine hohe Auflösung wichtiges Entscheidungskriterium. Zudem bevorzugten die Betreiber eine Vielzahl von kompakten Projektoren mit dezidierter Lumenanzahl als wuchtige Hochleistungsprojektoren. Zum Einsatz kommen 128 PGWU-62L von Barco. Der kompakte lampenlose Projektor punktet mit einem relativ niedrigen Geräuschpegel von 35 dB, WUXGA-Auflösung (1.920 × 1.200) sowie langer Lebensdauer dank Laser-Phosphor- Lichtquelle, die bei einem solchen Dauereinsatz von Vorteil ist. Mit 6.000 Lumen Helligkeit ist er ausreichend für eine Projektion, die in fensterlosen Räumen stattfindet. Ein weiteres Plus dieses Projektortyps ist die Möglichkeit, den Beamer in allen erdenklichen Winkeln und Positionen, also auch hochkant, zu positionieren.
Zusätzlich zu den 128 PGWU-62L-Projektoren wurden an Stellen im Raum, wo die Projektoren relativ nah an der Projektionsfläche positioniert werden mussten, 16 Barco F50 1- Chip-DLP-Projektoren mit ultrakurzbrennweitiger Optik eingesetzt.
Exakt mit der Visualisierung ist der Raumklang koordiniert, der mit einem Immersive-Sound- System erzeugt wird. Dabei lassen sich die Lautsprecher als schallerzeugende Objekte so im Raum positionieren, dass eine realistische Übereinstimmung zwischen dem visuellen und akustischen Geschehen möglich wird. Zudem ist es möglich, jeden beliebigen Raumeindruck so realitätsnah wiederzugeben, als würde sich der Zuhörer inmitten des akustischen Geschehens befinden.
Realisiert wurde die Audiotechnik hauptsächlich mit Produkten von Yamaha und Nexo: Zentrales Element dabei ist ein Yamaha MRX7-D Audioprozessor. Dieser ist über eine digitale Dante-Verbindung (PCI-128 Soundcard) mit dem Medienserver-System verbunden. Als Audioquelle im Kinetic-System fungiert hier einer der VNodes, auf dem die Audiodateien gespeichert sind. Zur Soundwiedergabe werden insgesamt 33 Nexo ID24-Boxen sowie elf Nexo ID S110 Subwoofer eingesetzt, die von Yamaha NXAMP4x1 Verstärkern versorgt werden.
Sicher kann eine digitale Show wie im Atelier des Lumiéres eine Ausstellung von Original-Gemälden nicht ersetzen. Aber eine solche Inszenierung vermag das Interesse an Kunst wecken, indem sie Besuchern aller Altersgruppen und sozialer Herkunft einen Zugang zum komplexen Schaffen des Künstlers mit zeitgemäßen Mitteln ermöglicht. Dieser Zugang zum Künstler erschließt sich nicht über den Verstand, sondern über die Sinne und Emotionen und macht neugierig darauf, mehr über den Künstler und sein Werk zu erfahren. Darüber hinaus bietet die Inszenierung auch modernen, digitalen Kunstformaten die Möglichkeit, adäquat dargestellt zu werden.