Mitte 2015 stellte Bosch das DICENTIS wireless-System als erstes Mitglied einer neuen Produktfamilie vor. Im praktischen Einsatz wird die flexibel nutzbare Konferenztechniklösung sowohl für Multipurpose-Anwendungen in Unternehmen als auch von Rental- Companies für mobile Einsätze geschätzt.
Concentus, Integrus und nun DICENTIS – Bosch bleibt der lateinisch klingenden Nomenklatur treu, wenn es um Konferenzsysteme geht. Beim Neuzugang DICENTIS handelt es sich um ein drahtlos arbeitendes Audiokonferenzsystem, das im WLAN gemäß IEEE 802.11n überträgt und sich somit weltweit lizenzfrei einsetzen lässt.
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Das neue System versteht sich auf Frequency- Hopping, um im Bedarfsfall nahtlos zwischen 2,4-GHz-Band und 5-GHz-Band wechseln zu können. Die Qualität der Übertragung wird kontinuierlich überwacht („Smart Wireless“-Management), und bei Bedarf greift das System mit einer ausgeklügelten Fehlerkorrektur („Packet Loss Concealment“) in das Geschehen ein. Reicht Letzteres nicht aus, wird unterbrechungsfrei auf einen anderen Träger umgeschaltet. Auch bei geöffnetem Mikrofon sind dabei keine Aussetzer zu vernehmen. Dass das DICENTIS-System als „Bosch DICENTIS Audio“ sichtbar wird, sobald man auf einem Smartphone oder Tablet-PC die WLAN-Funktionalität aktiviert, wird von Bosch mit dem Terminus „True Wireless“ umschrieben. DICENTIS wird zwar als Standard-WiFi-Netzwerk erkannt, jedoch ist ein Log-in ohne Passwort nicht möglich. Gibt man es nach Auswahl der Adresse „http://dcnm-wap.local“ ein, erscheint eine übersichtlich strukturierte Bedienoberfläche, die je nach Rechtevergabe einen mehr oder weniger umfangreichen Zugriff auf die diversen Funktionen ermöglicht.
Smartphones erkennen generell, wenn ein Bereich durch DICENTIS belegt ist und weichen auf ein anderes Areal aus, was im Konferenzalltag ein großer Vorteil sein kann. Für den Einsatz von DICENTIS wireless hat sich unter anderem eine bekannte deutsche Rental-Company entschieden, die das mobile System für anspruchsvolle Aufgaben nutzt. Laut Hörensagen bewährt sich DICENTIS in der Praxis bestens, selbst wenn die Umgebungsbedingungen herausfordernd sind – so berichtete ein Techniker, dass kürzlich bei einer Zusammenkunft 70 aktive Smartphones, neun WLAN Access-Points und ein DICENTIS-System reibungslos gemeinsam in einem Raum funktionierten.
DICENTIS wireless unterstützt im Systemverbund maximal 120 drahtlose Sprechstellen. Für mobile Einsätze bietet Bosch einen Hartschalen-Kunststoffkoffer (DCNM-TC) mit Rollen an, in dem sich bis zu acht Sprechstellen nebst Zentraleinheit und Zubehör komfortabel transportieren und aufbewahren lassen.
In Zukunft IP-basiert
Die Zukunft wird bei Bosch IP-basiert sein, was keinesfalls bedeutet, dass lediglich der Signaltransport in Cat-Kabel verlagert wird. Fernziel dürfte vielmehr sein, Konferenzen an unterschiedlichen Standorten via Internet-VPN-Verbindung zusammenschalten zu können. Die konzerneigenen IP-Ambitionen werden unter dem Namen OMNEO zusammengefasst. Als Lösung für Audio-over-IP wird das Dante-Protokoll von Audinate bevorzugt, welches durch OCA („Open Control Architecture“) erweitert wird.
Bosch setzt somit als einer der ersten Hersteller im Bereich Konferenztechnik nicht mehr auf eine proprietäre Lösung, sondern möchte mit einer offenen Architektur und ebensolchen Schnittstellen eine Interoperabilität mit Systemen anderer Anbieter herstellen – eine angesichts der branchenüblichen Abschottungstendenzen im ersten Moment überraschende Perspektive, die jedoch zukunftsorientiert erscheint und von vielen Anwendern sicher positiv bewertet werden wird. Wer wünscht sich nicht, dass Produkte herstellerübergreifend kommunizieren, so dass sich die beste Komponentenkette für das jeweilige Vorhaben frei zusammenstellen lässt? Bereits jetzt sind OMNEO-Komponenten in der Produktpalette der Bosch- Marke Electro-Voice zu finden Als Antwort auf Sicherheitsbedenken gegenüber einem Einsatz von Dante in sensiblen Konferenzumgebungen plant Bosch bei OMNEO dem Vernehmen nach in näherer Zukunft eine Verschlüsselungsmöglichkeit („Encryption“) einzurichten.
Querverbindungen zwischen OMNEO-basierten Konferenzsystemen soll sich bereits in diesem Jahr herstellen lassen, und man darf mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die derzeit in drahtlosen Ausführungen erhältlichen DICENTIS-Sprechstellen bald auch in drahtgebundenen Versionen verfügbar sein werden. Die großen DCN multimedia-Sprechstellen, die mit 7″-Touchpanels ausgerüstet sind und die Wiedergabe von Videos sowie einen Internetzugang ermöglichen, werden sich mit den kompakten drahtgebundenen DICENTIS-Einheiten mischen lassen, wobei Letztere weiterhin kein Videostreaming unterstützen und auch keinen Internetzugang bereitstellen werden. Schaut man noch ein wenig tiefer in die Glaskugel, wird irgendwann fraglos ein gemischter Betrieb von drahtgebundenen und drahtlosen Sprechstellen möglich sein, wie es aktuell bereits beim Bosch Paradepferd Digital Congress Network (DCN) Next Generation mit im 2,4-GHz-Band angesiedelten Drahtloskomponenten der Fall ist.
Sprechstellen
Die DICENTIS-Sprechstellen sind in zwei unterschiedlichen Auftisch-Ausführungen mit oder ohne Touchdisplay erhältlich. Die Premiumversion DCNM-WDE mit kapazitivem 4,3″- Touchdisplay unterstützt bei Erwerb entsprechender Lizenzen zusätzliche Funktionen wie Abstimmung, Sprachkanalwahl, Zugriffskontrolle (ein NFC-Reader ist integriert) und mehr. Wer die reine Diskussionssprechstelle ohne Abstimmungsfunktion oder Ähnliches benötigt, kann bei einem Nettopreis von ca. 710 Euro zur DCNM-WD-Variante ohne Display greifen; für die umfangreicher parametrisierbare Ausführung mit Touchscreen sind netto 950 Euro zu budgetieren.
Ab Werk werden die Sprechstellen ausschließlich in einem dunklen Anthrazit- Ton angeboten. Sofern größere Stückzahlen geordert werden, nimmt eine auf Sonderwünsche spezialisierte Bosch-Unit in Eindhoven jedoch gerne Modifikationen vor. Die ästhetisch ansprechende Erscheinung der Sprechstellen wurde von einer Designagentur in enger Abstimmung mit erfahrenen Anwendern entwickelt und dürfte in jedem zeitgemäßen Ambiente eine gute Figur abgeben. Die Verarbeitung ist bestens, und das Gewicht erweist sich mit 1.138 Gramm (akkubestückt) als ausreichend hoch, um auch auf glatten Tischoberflächen mithilfe der an der Unterseite angebrachten Gummi-Pads einen rutschsicheren Stand zu gewährleisten.
Trotz des symmetrisch aufgebauten Gehäuses arbeitet im Inneren der Sprechstellen lediglich ein einzelner Breitbandlautsprecher, der auf der rechten Seite untergebracht ist. Auf der von außen identisch aussehenden linken Seite ist hingegen ein NFC-Reader integriert, dessen Vorhandensein im Display angezeigt wird, wenn eine entsprechende Lizenz erworben wurde und die NFC-Funktion aktiviert ist.
Seitlich links und rechts an jeder Sprechstelle befinden sich als Miniklinkenbuchsen ausgeführte Kopfhöreranschlüsse mit Endlosdrehgebern für die Pegelkontrolle. Mithilfe der Software lassen sich DICENTIS-Sprechstellen als Doppel-Delegierteneinheiten konfigurieren, und in Zukunft wird es möglich sein, an linker und rechter Seite unterschiedliche Sprachen zu hören. Voraussetzung dafür ist die Kommunikation mit einem Bosch DCNNG-System, die auf der Bosch Roadmap verankert sein sollte. An das als Hauptsystem dienende DCNNG wäre dann die Dolmetschertechnik angebunden, während die Verbindung zu DICENTIS über ein OMNEO-Modul hergestellt werden soll.
Bild: Jörg Küster
Bild: Jörg Küster
Bild: Jörg Küster
Teil der Sprechstellen-Hardware sind zwei (auch mit weniger filigranen Fingern gut bedienbare) Taster, die von LED-Anzeigen flankiert werden und zwei hinterleuchtete Piktogramme aufweisen: Ein Gesicht mit stilisierten Schallwellen vor dem Mund signalisiert die Sprechtastenfunktion, während bei einer Parametrisierung als Vorsitzendensprechstelle ein auf der Spitze stehender Rhombus hinterleuchtet wird. Drückt man die betreffende Taste, wird die PTT-Funktion („Push to Talk“) aktiv und ein Gongton ertönt – andere Teilnehmer werden (wahlweise temporär oder gänzlich) stummgeschaltet.
Die Touchpanels sehen nicht nur schick aus, sondern sind auch insofern sinnvoll, als sich über sie die bei Bosch erhältlichen Software- Erweiterungen erschließen. Für Letztere fällt pro Sprechstelle eine Gebühr an. Das bedeutet bei positiver Betrachtungsweise, dass man als Anwender lediglich für jene Funktionen bezahlt, die man gemäß individueller Aufgabenstellung tatsächlich benötigt.
Mikrofone lassen sich über einen proprietären Stecker an die Sprechstellen anschließen. Die Anbringung ist problemlos, und die Verbindung gibt dank einer langen mechanischen Führung sowie eines Arretierungshebels keinen Anlass zu Bedenken. Verfügbar ist ein kompaktes Array-Mikrofon (DCNM-HDMIC, ca. 179 Euro netto), dessen Richtwirkung einen Sprechabstand von bis zu 60 cm erlaubt und das gegen Einstreuungen durch Mobiltelefone geschirmt ist. Der Frequenzgang wird mit 100 Hertz bis 15 kHz beziffert. Weiterhin sind zwei Schwanenhalsvarianten mit Elektretkapseln (DCNM-MICL mit 480 mm Länge und DCNM-MICS mit 310 mm Länge) für Nettopreise von 133 Euro respektive 123 Euro erhältlich – die bewährten Konstruktionen überragen akustische Barrieren in Form aufgeklappter Laptop-Deckel oder achtlos abgelegter Akten.
Die DICENTIS-Sprechstellen werden mit Lithium-Ionen-Akkus („DCNM-WLIION“, ca. 210 Euro netto) betrieben, welche ungefähr die Größe von zwei nebeneinanderliegenden Zigarettenschachteln aufweisen und sich ohne „Fummelfaktor“ handhaben lassen. Über eine fünfsegmentige LED-Anzeige kann der Ladestand direkt am mikroprozessorgesteuerten Akku kontrolliert werden. Verbleibt eine Restlaufzeit von weniger als drei Stunden, beginnt eine rote LED auf der Rückseite der Sprechstellen zu blinken. Eine gelbe LED zeigt an, wenn sich die Sprechstelle außerhalb der Reichweite der Zentraleinheit befindet Bis zu fünf Akkus lassen sich in einem externen Charger (DCNMWCH05, Nettopreis ca. 800 Euro) laden, der per Male/Female-Kaltgerätenetzkabel mit weiteren Ladegeräten zu verbinden ist. Der Charger kann liegend betrieben oder bündig an der Wand befestigt werden, was hinsichtlich der Kabelführung berücksichtigt wurde. Eine passende Montagevorrichtung ist im Lieferumfang enthalten. Die DCNM-WLIION-Akkus sind in etwa drei Stunden aufgeladen und versorgen eine Premiumsprechstelle mit Touchdisplay für eine Dauer von 20 Stunden – bei der einfachen Ausführung ohne Screen sind es rund vier Stunden mehr.
Zentraleinheit DCNM-WAP
Die zu DICENTIS wireless gehörende Zentraleinheit DCNM-WAP (ca. 2.500 Euro netto) besitzt ein zurückhaltendes Äußeres, punktet jedoch mit reichhaltigen inneren Werten: Sie verbindet als Standalone-Lösung die für den Betrieb von DICENTIS erforderliche Zentraleinheit mit einem Wireless-Access-Point und beinhaltet einen Webserver. Die Verbindung zu den DICENTIS-Sprechstellen erfolgt mit einer WPA2-Verschlüsselung. Durch die Integration eines „normalen“ WLAN-Routers zusätzlich zur DICENTIS-eigenen Kommunikation wird ein Zugriff über jedes Device möglich, auf dem sich ein aktueller Browser betreiben lässt – dedizierte Software muss zur Bedienung von DICENTIS somit nicht installiert werden. Mit der Antenne kann laut Hersteller eine Fläche von 900 m2 (30 × 30 m) abgedeckt werden. Ob mit nur einer Antenne mehrere benachbarte Räume zu versorgen sind, hängt von der Wandbeschaffenheit ab.
In einer Festinstallation wird man die Antenne normalerweise an der Decke anbringen, doch Bosch hat auch an den mobilen Rental- Einsatz gedacht: Zum Lieferumfang gehört eine Universalbefestigungshalterung, welche sowohl die Deckenmontage als auch die Anbringung auf einem Mikrofonstativ unterstützt. Die Antenne lässt sich nach Anbringen der Halterung einfach gemäß Nut/Feder-Prinzip einschieben, so dass die Montage auch von handwerklich weniger begabten Zeitgenossen zu bewerkstelligen ist – mit Halterung wird ein Gewicht von knapp einem Kilogramm erreicht. Künftig soll die Möglichkeit gegeben sein, zwei Antennen drahtlos zu koppeln; eine Option zum kabelgebundenen Daisy-Chaining, das in großen bzw. lang gestreckten Konferenzräumen sinnvoll sein könnte, ist nicht vorgesehen. Das Antennengehäuse lässt sich gemäß Gusto lackieren, und sogar das mittig angebrachte Schild mit Bosch-Logo lässt sich von Ästheten mit Sinn (und Zeit …) für Details bei Bedarf passend zur Anbringung umdrehen.
Ist eine Deckenmontage geplant, sollte die Antenne sichtbar montiert werden – zum ei nen, um bei Bedarf einen Blick auf die sechs Status-LEDs werfen zu können, und zum anderen, um eine gute Abdeckung ohne störende Deckenmetallteile zu gewährleisten. Die Stromversorgung der Antenne erfolgt über ein mitgeliefertes Netzteil, das sich mit einem vierpoligen Anschluss verlässlich befestigen lässt. Alternativ ist über den LAN-Port die Speisung mittels PoE möglich.
Zur Ausstattung der Zentraleinheit DCNMWAP gehören zwei symmetrisch belegte, in puncto Pegel über die Software einstellbare Klinkenbuchsen, mit deren Hilfe sich externe Audiosignale einspeisen oder von DICENTIS gelieferte Audiosignale für Recording-Zwecke bzw. an eine Beschallungsanlage weiterreichen lassen. Eine Mix-Minus-Funktion ist zuschaltbar, und ein Insertion-Modus ist ebenfalls vorhanden – ganz so, wie es auch beim „großen“ Bosch DCNNG-System der Fall ist.
Im Einsatz
Die Initialisierung eines DICENTIS-System benötigt einen Moment Zeit und erfolgt, sobald die beteiligten Komponenten mit Strom versorgt werden – ein explizites Einschalten ist nicht erforderlich. Dass das System initialisiert wird, zeigen blinkende LEDs an DCNM-WAP, Sprechstellen und Mikrofonen an. Die erfolgreiche Verbindung wird ähnlich wie beim Windows- Start durch ein akustisches Signal vermeldet. An Sprechstellen mit Touchdisplay erscheint zunächst ein Startscreen mit DICENTIS- Logo, bevor der Blick auf einen klar strukturierten, auch bei hellem Tageslicht gut ablesbaren Bildschirm fällt. Auf Wunsch lassen sich gemäß Kundenwunsch Grafiken im PNG-Format hinterlegen, die als sympathische Personalisierung gestochen scharf angezeigt werden, wenn die Pixelmaße stimmen und die Vorlage von guter Qualität ist. Während einer Besprechung sind die Klarnamen der Teilnehmer zu sehen, sofern diese zuvor eingetragen und einzelnen Sprechstellen zugewiesen wurden. Alternativ ist eine flexible Teilnehmerzuordnung via NFC (Near Field Communication) möglich.