Kirchenbeschallung mit DSP-gesteuerten Zeilenlautsprechern
von Jörg Küster, Artikel aus dem Archiv
Eine neue Beschallungsanlage sorgt seit November 2010 in der Pfarrkirche St. Joseph für eine verbesserte Verständlichkeit der Predigt – im rheinischen Siegburg hat man sich für DSP-gesteuerte Zeilenlautsprecher entschieden.
Die Pfarrkirche St. Joseph in Siegburg (bei Bonn) gilt als einer der gelungensten deutschen Kirchenbauten der 1950er-Jahre und steht unter Denkmalschutz – das Architekturkonzept nimmt deutlichen Bezug auf die schlichten Bauformen der frühen Romanik und somit die Geschichte des Christentums. Entgegen des äußeren Eindrucks ist der Innenraum der Kirche nicht in Schiffe unterteilt, sondern präsentiert sich als weitläufige rechteckige Fläche, die im Osten durch das Halbrund des Chores abgeschlossen wird.
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Eine durch drei Stufen erhöhte Altarzone reicht weit in den Kirchenraum hinein; ockerfarbene Bodenfliesen, rote Backsteinziegel sowie eine einfache Holzdecke prägen den Raumcharakter und verleihen dem Gotteshaus in Kombination mit kleinen, als „Lichtnischen“ wirkenden Rundbogenfenstern eine konzentriert besinnliche Atmosphäre.
VSA 2050
Seit November 2010 verfügt die Pfarrkirche St. Joseph über eine neue Beschallungsanlage, die das gesprochene Wort über zwei rechts und links der Altarzone installierte Zeilenlautsprecher des Typs VSA 2050 wiedergibt. Hersteller RCF hatte die DSP-gesteuerten Lautsprecher im vergangenen Jahr anlässlich der Prolight +Sound vorgestellt, und die Kirche Sankt Joseph war das erste Objekt in Deutschland, das von der Neuentwicklung profitierte.
Mittlerweile kommen VSA 2050-Systeme auch in der romanischen Basilika von Sankt Severin in Köln zum Einsatz; weitere Gotteshäuser werden fraglos folgen. Die RCF-Systeme wurden in Ausgabe 6/2010 bereits ausführlich getestet, daher an dieser Stelle nur kurz: Das Akronym VSA steht für „Vertical Steerable Array“, und passend zum Namen lässt sich das vertikale Abstrahlverhalten der schlanken Schallzeilen oberhalb einer durch ihre Länge bestimmten Grenzfrequenz manipulieren.
Die Typennummer 2050 verweist auf 20 aktive Kanäle, welche jeweils mit einer Leistung von 50 Watt versorgt werden. Als Antrieb dienen Class-D PWM-Endstufen mit einem Schaltnetzteil, was der Box zu einem erstaunlich geringen Gewicht von lediglich 19 kg verhilft. Die zum Einsatz kommenden 3,5″-Breitbandchassis stammen erwartungsgemäß aus eigener Fertigung des traditionsreichen italienischen Fabrikanten.
Jenseits einer Kaltgerätenetzbuchse ist auch ein DC-Input für eine Notstromversorgung mit an Bord; die Audioeingänge sind doppelt (als Phoenix-Stecker und als für Notfallwarnsysteme vorgeschriebene Keramikklemme) ausgeführt. Eine RJ45-Buchse zur Verbindung mit einer Mediensteuerung und als Schnittstelle zu einem PC mit darauf laufender Steuersoftware gehört ebenfalls zur Ausstattung. Anzeigen und Überwachungsmöglichkeiten sind laut Hersteller konform zur EN 60849.
Teil der DSP-Funktionalität ist eine umfassende Equalizer-Ausrüstung, welche gerade in Kirchen nützlich sein kann, wenn die RCF-Arrays als Ergänzung zu vorhandenen passiven Schallzeilen betrieben werden sollen und eine klangliche Anpassung erforderlich ist. Ein Delay ist selbstverständlich ebenfalls mit an Bord, sodass eine zeitrichtige Einpassung in das Gesamtsystem auch ohne ergänzende Prozessoren problemlos zu bewerkstelligen ist.
Aktuell beinhaltet die VSA-Serie ausschließlich das Modell 2050, doch schon bald soll die Reihe Zuwachs erhalten: Varianten mit zwölf und acht Chassis samt Möglichkeit zur Kaskadierung befinden sich dem Vernehmen nach in Planung und werden voraussichtlich ab Mitte 2011 erhältlich sein. Die deutlich kürzeren Zeilenausführungen dürften dem RCF-Produkt zusätzliche Anwendungsgebiete erschließen, denn nicht überall ist die Möglichkeit gegeben, zwei Meter lange Säulen zu installieren.
Shootout in der Kirche
In St. Joseph hatte die zuvor installierte Beschallungsanlage nach einer Nutzungsdauer von rund 30 Jahren das Ende ihrer Lebensspanne erreicht. Auf der Suche nach einer zeitgemäßen Lösung kontaktierte die Gemeinde mehrere Anbieter, und im Herbst 2010 wurden zwei unterschiedliche Beschallungssysteme provisorisch in der Kirche installiert und parallel getestet – „Auch während der Gottesdienste!“, wie Josef Schlechtriemen, Mitglied des Kirchenvorstandes in St. Joseph, betont.
Die Entscheidung traf ein mehrköpfiges Gremium aus Kirchenvorstand und Ortsausschuss; das Rennen machte letztlich das preislich attraktivere Angebot. Beide Anlagen lieferten laut Schlechtriemen überzeugende Ergebnisse; genutzt werden die neuen Lautsprecher in Siegburg ausschließlich zur Sprachwiedergabe. Mit der Lieferung und Einrichtung des Systems wurde die Franken Beschallungs- und Kirchentechnik GmbH beauftragt; nach eigenen Angaben hat das Kölner Unternehmen in Deutschland bereits mehr als 4.000 Kirchen mit Beschallungsanlagen ausgestattet.
„Nach wie vor installieren wir in Kirchen mehrheitlich passive Lautsprecher“, berichtet Franken-Mitarbeiter Paul Klein. „In einer Kirche wie Sankt Joseph, in der man eine Fläche von über 20 Meter Länge frei beschallen kann, ergibt der Einsatz von digital steuerbaren Aktivlautsprechersystemen jedoch Sinn. Kircheninnenräume mit zahlreichen Säulen verlangen dagegen oft nach einer dezentralen Anbringung der Lautsprecher, wobei es sinnvoll sein kann, mit passiven Systemen zu arbeiten. Die Art der Ausstattung ist dabei natürlich immer auch eine Frage des Budgets – den DSP-Produkten gehört jedoch die Zukunft.“
Audiosystem
Während der Installation wurde das Team von Franken Beschallungs- und Kirchentechnik durch den deutschen RCF-Vertrieb (dBTechnologies Deutschland GmbH, www.dbtechnologies.com) unterstützt; zum Einsatz kam in diesem Zusammenhang leihweise die optional für das System erhältliche Infrarot-Fernbedienung. Nach der Einrichtung ist die Remote mit Namen VSA-RC in St. Joseph nicht mehr vonnöten, da die Beschallungsanforderungen keine Veränderungen erfahren.
Leicht horizontal geschwenkt an der Wand montiert heben sich die schlanken Lautsprechersäulen bei flüchtiger Betrachtung kaum vom Backsteinhintergrund ab: „Ein Vorteil des neuen RCF-Systems ist, dass es optisch kaum auffällt, was in Kirchen meistens gewünscht ist und Architekten glücklich macht“, sagt Paul Klein mit einem Schmunzeln. Eine geeignete Farbgebung für die Lautsprechergehäuse wurde in Siegburg mithilfe einer RAL-Karte ermittelt und durch die Firma Franken umgesetzt.
Die Höhe der Lautsprecheranbringung orientierte sich ebenfalls vorrangig an optischen Erwägungen und den örtlichen Gegebenheiten: „Prinzipiell könnte man die Arrays auch in einer Höhe von fünf Meter montieren, da sich die Beams entsprechend nach unten richten lassen“, so Klein. „In Sankt Joseph haben wir das System derart eingestellt, dass die Chassis, welche für die vorderen Kirchenbänke zuständig sind, mit weniger Pegel in Erscheinung treten als die für den hinteren Bereich zuständigen Speaker.“ Für die Anbindung der Lautsprecher wurde die bereits vorhandene Verkabelung des Vorgängersystems genutzt; der Ansteuerung dient ein 100-V-Signal, das mithilfe eines kompakten, hinter den Boxen angebrachten Übertragers in ein geeignetes niederohmiges Signal transformiert wird. Im Anschluss an die Montage wurde die Anlage „nach Ohr“ eingestellt.
Klaus Schöpper, Sales Manager Commercial Audio + Installed Sound bei dBTechnologies, berichtet, dass bei den von Franken Beschallungs- und Kirchentechnik durchgeführten STI-PA-Messungen („Speech Transmission Index for Public Address Systems“) gute Ergebnisse bezüglich der Sprachverständlichkeit zu verzeichnen waren – die Werte erstrecken sich in St. Joseph von 0,53 in 20 Meter Entfernung bis 0,64 in 8 Meter Entfernung. Gemessen wurde laut Schöpper mit 85 dB(A) mittig zwischen den Lautsprecherpositionen.
Zentrale des Audiosystems in Sankt Joseph ist ein mehrkanaliger 19″-Mischverstärker (Rduch Elektroakustyka AMWL-9DSP1 400 Watt) mit integiertem DSP. Paul Klein: „Die RCF-Lautsprecher verfügen zwar über integrierte Verstärkermodule, aber in Kirchen kommt es oft vor, dass bei besonderen Anlässen kurzfristig weitere Lautsprecher angeschlossen werden sollen – deswegen ist ein Mischverstärker mit integrierter Endstufe sinnvoll.“
Der interne DSP des polnischen Verstärkermodells stellt unter anderem einen Algorithmus bereit, der ein automatisiertes Öffnen der angeschlossenen Mikrofonkanäle unterstützt: Innerhalb weniger Millisekunden wird entschieden, ob ein Kanal zu öffnen ist, was hilfreich sein kann, um beim Einsatz mehrerer Mikrofone Rückkopplungen zu vermeiden und die Signal-to-Noise-Ratio des Gesamtsystems zu verbessern.
In Sankt Joseph kommen durchweg Schwanenhalsmikrofone mit kabelgebundenen JTS ST- 5030i-Tischfüßen zum Einsatz. Am Ambo fällt eine etwas dickere Kapsel auf, die dank einer speziellen Lagerung Störungen durch Trittschall mindert – angesichts der Gefahr, mit dem Fuß an den „Tisch des Wortes“ zu stoßen oder hier anderweitig ungewollt tieffrequente Störgeräusche zu verursachen, sicher eine gute Entscheidung. Eine bereits vorhandene Drahtlosanlage wurde im Rahmen der Neuinstallation eingebunden und wird in St. Joseph bei unterschiedlichen Gelegenheiten weiterhin genutzt.
In Nomine Patris
Während eines nachmittäglichen Gottesdienstes bot sich Anfang Februar 2011 die Gelegenheit, die in Sankt Joseph neu installierte Beschallungsanlage in einem realen Nutzungsszenario zu erleben. Unglücklicherweise hatte der Autor beim kurz zuvor anberaumten Fototermin das vom Pastor genutzte Schwanenhalsmikro mit Gedanken an ein gut aussehendes Bild komplett verstellt und im Anschluss versäumt, die Kapsel respektive den Hals wieder in die Originalposition zu rücken.
Da Letzteres dem Pastor nicht auffiel, fand der Gottesdienst mit einer höflich als „suboptimal“ zu umschreibenden Mikrofonpositionierung statt – dennoch waren die Worte des Geistlichen durchweg gut zu verstehen und dieses sogar an unterschiedlichen Positionen auf den hinteren Bänken.
Dort fiel auch auf, dass die Rückwandreflexionen in St. Joseph vergleichsweise gering ausgeprägt sind; ein positiv zu wertender Umstand, der ohne Frage auch einer korrekten Ausrichtung der Lautsprecher-Beams auf die Zuhörerfläche zuzuschreiben ist. Generell zeigt man sich in Sankt Joseph über die Qualität der neuen Beschallungslösung begeistert: „Der Klang ist wesentlich besser als früher, was so auch von allen Kirchenbesuchern bestätigt wird!“, freut sich Josef Schlechtriemen.
„Zu den Gottesdiensten kommen meist die gleichen Leute, und so hat die Gemeinde im letzten Herbst natürlich auch unsere Versuchsanordnung mit den unterschiedlichen Lautsprecherkandidaten miterlebt – aus Gesprächen weiß ich, dass alle mit der neuen Lösung hoch zufrieden sind!“