Harley Davidson: Die Technik in der Deutschlandzentrale
von Claudia Rothkamp, Artikel aus dem Archiv
Es gibt viele Technologien, die häufig als Konkurrenten dargestellt werden. Das muss aber nicht sein. Die Deutschlandzentrale von Harley Davidson in Neu-Isenburg zeigt, dass viele Systeme auch als Einheit funktionieren und sich sinnvoll ergänzen können.
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Gebäude mit großen Glasfassaden verfügen über viel Licht, was nicht nur diejenigen freut, die dort arbeiten, sondern auch die Stromkosten im Rahmen hält. Sie haben aber auch ein großes Manko im Klimabereich: Im Winter sind sie kaum warm, im Sommer nicht kühl zu halten.
Genau das war die Grundproblematik der neuen Deutschlandzentrale von Harley Davidson in Neu-Isenburg, die im Dezember 2012 von dem Unternehmen bezogen wurde. Um das zu ermöglichen, musste jedoch zunächst eine Lösung für das 1991 erbaute Gebäude gefunden werden, das sich im Eigentum des Versicherungskonzerns Swiss Life befindet.
Als „Problemlöser“ beauftragte der Konzern den Systemintegrator SBTec aus Bruchköbel bei Hanau, dessen größte Herausforderung es war, das etwa 3.000 m2 umfassende Gebäude energetisch auf Vordermann zu bringen. Hierzu wurde es zunächst einmal komplett entkernt und saniert. „Was erhalten geblieben ist, sind die Heizungsanlage und die Außenbeschattung“, erklärt Stefan Betz, Inhaber der Firma SBTec.
„Ziel war es natürlich ebenfalls, möglichst wenige Bedienelemente zu haben – insbesondere was die normale Gebäudetechnik angeht – und auch in Sachen Medientechnik gab es Grundanforderungen seitens des Eigentümers, die dann seitens des Mieters Harley Davidson noch einmal erweitert wurden.“ Und das bedeutet, dass hier viele verschiedene Systeme unter „einen Hut“ gebracht werden mussten, damit sie auch miteinander „kommunizieren“ können.
Crestron als Basis für die Gebäudetechnik
Als übergreifendes Steuerung Steuerungssystem hat sich Stefan Betz daher für eine Lösung von Crestron entschieden, was nur auf den ersten Blick überraschend scheinen mag. Bekanntermaßen hat Crestron international schon lange einen großen Namen, wenn es um die Medientechnik geht. „Aber auch im Bereich der Gebäudetechnik verzeichnen wir derzeit ein starkes Wachstum“, weiß Johannes Stehr, Niederlassungsleiter Frankfurt bei Crestron Germany. „Daher hat Crestron bereits einige fertige Hardwaremodule im Portfolio, die so manch anderer Hersteller vielleicht hätte von Hand stricken müssen.“
So wurde beispielsweise die gesamte Heizungsregelung über Crestron realisiert. „Das ist sehr aufwändig gemacht“, erläutert Stefan Betz. „Die gesamte Heizung wird über motorische Stellantriebe gesteuert, die mit einer 1-10 Volt Ansteuerung funktionieren. Das bedeutet, dass dort ein Hub von 3 mm in 1.024 Schritte aufgeteilt werden kann, sodass die Möglichkeit besteht, die Heizungsanlage im gesamten Gebäude sehr exakt zu regeln und anzusteuern.“
Auch die Klimatechnik, die mit einem RS-485 Bussystem arbeitet, spielt in diesen Bereich hinein, damit gleichzeitiges Heizen und Kühlen unterbunden wird, beispielsweise bei geöffneten Fenstern. „Alle Messwerte und Anforderungen werden praktisch zwischen der normalen Gebäudetechnik und dem Crestron-System ausgetauscht“, führt Stefan Betz aus. „Die gesamte, aus dem Bestand stammende Außenbeschattungsanlage, die mit Somfy RTS-Motoren arbeitet, wird ebenfalls über ein Funkgateway von Crestron geregelt.“
Für die Fensterüberwachung ist zudem ein EnOcean Funkbussystem zuständig und die DALI-Beleuchtungsanlage ebenso wie die Präsenzmelder basieren auf KNX. An all diesen Schnittstellen gibt es Gateway-Umsetzer, damit diese unterschiedlichen Systeme über eine gemeinsame „Sprache“ kommunizieren und letztlich über Crestron gesteuert werden können. Zusätzlich hat SBTec für die Gebäudeleittechnik ein eigenes Netzwerk mit externem Zugang installiert, sodass die Mitarbeiter des Unternehmens bei Bedarf schnell supporten und protokollieren können, sollte es an irgendeiner Stelle Probleme geben.
„Harley Davidson hat hier für 20 Jahre einen Mietvertrag“, erklärt Stefan Betz. „So lange werden wir das Büro voraussichtlich auch betreuen, da das System sehr aufwändig und ineinander verstrickt ist. Anfangs hatten wir durchaus Bedenken, ob die Kommunikation zwischen den einzelnen Systemen reibungslos funktionieren würde.
An der einen oder anderen Stelle hat es bei der Umsetzung auch schon einmal geklemmt, weil die Systeme mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeiten. Das war die größte Herausforderung, aber mittlerweile funktioniert es.“ Zentrales Bedienelement für die Gebäudetechnik ist übrigens das TSW-750 Multimedia-Touchpanel von Crestron mit der neuen Smart Graphics Oberfläche, das in Neu-Isenburg erstmals im Raum Frankfurt eingesetzt und durchprogrammiert wurde.
Konferenz- und Medientechnik als Plus obenauf
Die Deutschlandzentrale von Harley Davidson ist ein reines Büro- und Verwaltungsgebäude, von dem aus alle Händler in Deutschland und Österreich versorgt werden. Zudem finden hier viele Schulungen für die Händler und andere Partner statt. Entsprechend gab es auch bestimmte Anforderungen an die Infrastruktur für Konferenz- und Medientechnik im Gebäude.
„In Bezug auf die Medientechnik haben wir bestimmte Dinge schon im Grundausbau von Eigentümerseite eingeplant“, erzählt Stefan Betz. „Dazu zählen beispielsweise zwei Leinwände und zwei Projektorenlifts im großen Konferenzraum. Harley Davidson hat als Mieter noch gewisse Dinge erweitert und in die Hardware investiert, wie zum Beispiel Projektoren und Bildschirme.“
So finden sich nicht nur im großen Konferenzraum Beamer und Leinwände, die natürlich ebenfalls über das Crestron TSW- 750 Multimedia-Touchpanel bedient werden, sondern auch die im amerikanischen Diner-Stil gestaltete Mitarbeiterkantine und ein weiterer Konferenzraum können über das CrestronSystem angesteuert werden. Statt Leinwand und Projektor gibt es hier allerdings große Multimediadisplays von Panasonic, die an einen zentralen Medienserver angeschlossen sind, welcher die Signale über DigitalMedia von Crestron an die Empfangsgeräte verteilt.
Die hierauf gezeigten Inhalte werden derzeit zentral von der Europazentrale von Harley Davidson in Großbritannien eingepflegt. „Im Wesentlichen geht es aber darum, dass Harley Davidson mit diesem System die Möglichkeit hat, sich bei Bedarf an den verschiedenen Einspeisungen anzustöpseln“, führt Stefan Betz aus. So wird die Mitarbeiterkantine beispielsweise auch für Veranstaltungen genutzt, wobei auch der Audioserver zum Einsatz kommt. Generell können die einzelnen Zonen wie Kantine oder Konferenzräume zentral beschallt werden.
Auch der Empfangsbereich ist an das Crestron-System angeschlossen, sodass von hier aus nicht nur Bildschirm und Beleuchtung am Empfang gesteuert werden können, sondern auch die Konferenzräume. In den eigentlichen Büroräumen ist derzeit allerdings noch keine Medientechnik angeschlossen. „Die Verkabelung ist jedoch in allen Bereichen vorbereitet, sodass bei Bedarf lediglich die entsprechende Hardware nachgerüstet werden muss“, versichert Stefan Betz. Und es scheint, als sei Harley Davidson nun auf den Geschmack gekommen: Laut Stefan Betz gibt es im Unternehmen die Überlegung, eventuell auch die Europazentrale in Oxford (Großbritannien) in ähnlichem Maßstab auszubauen.
Beteiligte Unternehmen (Auswahl)
Auftraggeber/Bauherr: Swiss Life AG – Niederlassung für Deutschland, München