Am Theater Ingolstadt entschied man sich – wohl als deutschlandweit erstes Stadttheater – als neue FOH-Beschallung Fohhn Focus Modular Systeme zu installieren.
Bereits seit 1873 gibt es in Ingolstadt ein Theater, wobei der heute zu sehende polygonale Bau aus Sichtbeton seit 1966 existiert. Das darin befindliche „Große Haus“ bietet immerhin gut 660 Zuschauern Platz. Wenn nicht gerade geprobt wird, wird praktisch täglich gespielt und die verwendete Technik, inklusive der Tontechnik und damit auch der Lautsprecher, wird somit quasi dauer belastet – kein Wunder also, dass irgendwann eine neue Lautsprecheranlage notwendig wurde.
Ton am Theater
Die Zeiten, als „der Ton“ am Theater ein eher stiefmütterliches Dasein führte und sich die Tätigkeit eines Theatertontechnikers in erster Linie auf das Erzeugen von ein wenig Theaterdonner beschränkte, gehören längst der Vergangenheit an. Ganz im Gegenteil: Tonschaffende erwartet heutzutage am Theater ein äußerst vielfältiges, spannendes und abwechslungsreiches Betätigungsfeld. Die Diversität des Audio-Contents dürfte nur schwer zu überbieten sein und stellt Mensch und Material vor nicht unbeträchtliche Herausforderungen. Kein Wunder also, dass man auch und gerade am Theater eine zuverlässige und flexible Beschallungsanlage benötigt, die in der Lage ist, zuverlässig und klaglos die unterschiedlichsten Tonanforderungen in höchster Qualität zu erfüllen.
Focus Modular als FOH-Beschallung
Am Theater Ingolstadt entschied man sich (wohl als deutschlandweit erstes Stadttheater), als neue FOH-Beschallung Fohhn Focus Modular Systeme zu installieren. International und auf zahlreichen Theaterfestivals und auch Open-Air-Produktionen, sind diese Systeme seit mehreren Jahren zwar gern gesehene und gehörte Lautsprecher, festinstalliert an einem der zahlreichen deutschen Stadttheater stellen sie in Ingolstadt jedoch durchaus ein Novum dar.
Bei Focus Modular handelt es sich um aktive modulare, Beam-Steering-fähige Linienstrahler. Leistungsfähige Hochtonmodule (FM- 100 und FM-110) und dazu passende Low-Mid- Module (FM-400) lassen sich je nach spezifischer Anforderung und Raumgröße frei miteinander kombinieren und somit optimal an den jeweiligen Raum und die jeweils spezifischen Nutzerwünsche anpassen, so dass der Nutzer jederzeit ein passend auf die jeweilige Nutzungssituation abgestimmtes System erhält. Als großer Vorteil für das Stadttheater Ingolstadt erwies sich dabei die Möglichkeit, das vertikale Abstrahlverhalten der Systeme per Beam-Steering manipulieren zu können. So konnte der Schall zur Vermeidung unnötiger Reflexionen von den Sichtbetonwänden ferngehalten werden, der Raum wird also akustisch nicht mehr angeregt als wirklich notwendig, die Schallenergie wird gezielt auf die Zuschauerreihen gerichtet.
Darüber hinaus haben diese Systeme den Vorteil, dass sie optisch praktisch nicht auftragen, also nahezu unsichtbar sind – gerade in (oftmals denkmalgeschützten) Theatern eine durchaus gewünschte Eigenschaft. Gerade auch im Theaterbereich soll die verwendete Technik möglichst nicht sichtbar sein, um nicht vom Bühnengeschehen abzulenken. Am Ingolstädter Theater kommt rechts und links jeweils eine Zeile, bestehend aus je zwei FM-400 und einem FM-100 Modul, zum Einsatz. Vervollständigt wird die neue FOH Anlage in Ingolstadt durch zwei Fohhn PS9 Subwoofer. Hierbei handelt es sich um 21″-Subwoofer mit Langhub-Chassis. Dank eines integrierten Drucksensors verfügt dieser Subwoofer trotz des eindrucksvollen 21″ Speakers über eine sehr hohe Impulstreue auch in den tiefsten Tiefen und ist somit perfekt geeignet für den Theaterbetrieb. Als Centre-Speaker kommt schließlich noch ein Fohhn AT-40 zum Einsatz.
Erste Erfahrungen
Seit Beginn der aktuellen Spielzeit 2017/18 ist die neue Anlage im Betrieb und in zahlreichen Proben sowie zwei Premieren konnten erste Praxiserfahrungen gesammelt werden. Mehr dazu im folgenden Gespräch mit Martin Funk, dem Leiter der Tonabteilung des Statdttheaters Ingolstadt.
Interview mit Martin Funk, Leiter der Tonabteilung des Stadttheaters Ingolstadt.
Herr Funk, Wie kam es zur neuen FOH-Beschallung? Im Theaterbereich, zumindest soweit es Festinstallationen im deutschsprachigen Bereich angeht, sind Fohhn Focus Modular Lautsprecher ja noch nicht so häufig zu finden. Soweit ich weiß, sind Sie das erste deutsche Stadttheater, das sich entschlossen hat, diese zu installieren?
Martin Funk: Unsere bisherige PA zeigte nach langjähriger Laufzeit erste Anzeichen von Unzuverlässigkeit. Die Entscheidung, eine neue Beschallungsanlage zu installieren ist also nicht nur den wachsenden technischen Ansprüchen geschuldet, doch dazu aber später mehr. Ich hatte die Focus Modular bei einer Freilichtproduktion in Augsburg gehört und mit dem dortigen Toningenieur Georg Sturm während des Soundchecks und nach der Show über die Vorzüge und Eigenarten des Systems gesprochen. Das Prinzip Beam-Steering war mir bekannt, sollte mich aber dennoch in seiner tatsächlichen Wirkungsweise überraschen. Schauspieler, die mit ihren Mikroports unter dem Beam hindurchliefen, stellten keine oder nur geringe Gefahr für die Entstehung eines Feedbacks dar. Andererseits befand sich die Tonregie auch nicht zu 100 % im Beam, was sich ebenfalls bemerkbar machte. Die „Ausleuchtung“ des zu beschallenden Bereiches durch die Systeme ist wirklich sehr exakt. Das hatte mich neugierig gemacht. Für unseren Theaterraum, in dem es viel um Ästhetik und Wahrnehmung geht, ist das Erscheinungsbild einer PA aber auch wichtig. Die schlanke, unauffällige Bauform der Focus Modular war ein weiterer Aspekt, dieses System genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch bei den Sub-Bässen haben Sie mit gleich zwei Fohhn PS9 Subwoofern ja durchaus potentes Material am Start. Was hat Sie dazu bewogen, sich für diese Speaker zu entscheiden?
Martin Funk: Die PS9 stellen für mich eine adäquate Ergänzung zur Focus Modular dar. Außerdem werden wir damit in Zukunft ausreichend Headroom haben, um den inszenatorischen und technischen Ansprüchen unserer Produktionen gerecht zu werden. Die Impulstreue und Schnelligkeit des 21″ Speakers sind beeindruckend, Toneffekte wie Donner, Schüsse oder Explosionen kommen knackig und druckvoll. Außerdem taucht der Wunsch nach mehr Power im Low-End-Bereich immer wieder auf; Frequenzen unterhalb des Hörbaren wirken beim Zuschauer / -hörer bis tief in das Unterbewusstsein und diesen Effekt wollen Regisseure natürlich gerne nutzen.
Der Zuschauerraum hier in Ingolstadt zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass es durch die Bauweise in Sichtbeton zahlreiche reflektierende Oberflächen gibt. Das ist für einen guten Gesamtsound ja nicht unbedingt vorteilhaft.
Martin Funk: Das ist leider richtig und hat uns in den vergangenen Jahren viele Probleme bereitet. Die Seiten- und Rückwände des Großen Hauses hier in Ingolstadt sind komplett aus blankem Beton. Aus Gründen des Denkmalschutzes ist eine Veränderung des Raumes durch akustische Bauelemente nicht möglich. Für das klassische Theaterstück sind diese Umstände aber in Ordnung und geben dem Raum auch eine gewisse Lebendigkeit. Sobald wir aber elektroakustische Energie da reinschicken, verkehrt sich dieser Eindruck von Lebendigkeit zu einer Waschtrommel voller Geräusche im Schleudergang.
Haben Sie durch die Möglichkeiten, die Ihnen die Fohhn Focus Modular Speaker in Sachen Beam-Steering bieten, den Raum etwas besser im Griff bzw. hat dieser weniger negative Einflüsse auf das Hörerlebnis?
Martin Funk: Genau das war unser Wunsch. Oliver Merz und Ralf Freudenberg von Fohhn hatten uns am Ende der vergangenen Spielzeit ein System zu Demonstrationszwecken ins Haus gebracht. Dadurch konnten wir einen klassischen A/B-Vergleich machen, also unsere bisherige Anlage direkt mit den Fohhn Focus Modular Systemen vergleichen – mit Musik, Mikroport, Mikrofon etc. Das Mikroportsignal wurde z. B. durch das Fohhn-System deutlich besser bis in die letzten Reihen getragen als durch unsere alte PA. Ein weiteres Feature der Focus Modular, das Herausrechnen unerwünschter Sidelobes, also Seitenabstrahlkeulen des PA-Systems, steigerte diese Wirkung nochmals. Auch klanglich machte das Fohhn-System einen ordentlichen Eindruck, wenngleich noch nicht eingemessen. Unser Fazit war klar: Die Information wird klar und verständlich an den Zuhörer getragen.
Welche Anforderungen werden an die Tonabteilung des Stadttheaters Ingolstadt seitens der Kunst gestellt? Die Zeiten, in denen Theaterton aus ein wenig Theaterdonner bestand, sind ja schon lange vorbei.
Martin Funk: Da haben Sie Recht. Unsere Zuschauer und wir alle sind täglich mit Medieneinflüssen unterschiedlichster Art konfrontiert. So hat sich allmählich auch der Anspruch an die Reproduktion und Wiedergabe von Audioinformation geändert. Um dem als Regisseur oder Techniker gerecht zu werden, braucht man Material, das klanglich kompromisslos und linear arbeitet und ausreichend Power hat. Wir sind ein Theater, das überregional bekannt und gelobt ist. Das soll auch so bleiben.
Als Ein-Sparten-Haus mit dem Schwerpunkt Sprechtheater werden bei Ihnen trotzdem recht häufig Musicals produziert. Ist auch das ein anspruchsvolles Aufgabengebiet mit ganz eigenen Herausforderungen für Sie?
Martin Funk: Unsere musikalischen Produktionen – ich nenne sie mal so, denn nicht immer handelt es sich um ein klassisches Musical, auch Singspiele oder Theaterstücke mit Gesangseinlagen werden gespielt – sind teilweise mit Orchesterbesetzung, manchmal auch mit wenigen Live-Musikern auf oder hinter der Bühne. Unser Ensemble beheimatet sehr musikalische Kollegen, die schnell von der zu spielenden Rolle in die eines Musikers wechseln. Situationen in denen unverstärkt, also klassisch gespielt wird, wechseln in laute Passagen und zurück. Ein Gleichgewicht zu finden, die Fallhöhe von Laut und Leise für den Zuschauer angenehm zu machen, die Verständlichkeit jedes einzelnen Darstellers zu garantieren und das in ein harmonisches Klangbild zu tauchen, das ist immer wieder spannend. Wenn es also darum geht, nicht alles auf einem Level zu mischen.
Die neue FOH-Beschallung muss also in der Lage sein, mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Anforderungen und Situationen klarzukommen.
Martin Funk: Ich bin überzeugt davon, dass die das kann.
Bild: Martin Funk
Bild: Martin Funk
Einige erste Premieren haben Sie ja nun bereits hinter sich. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit der neuen Beschallung?
Martin Funk: Ja, zwei Produktionen hatten bereits Premiere. Beide mit Einsatz von Mikroports. Eine davon ist das Musical „Stella – das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm“ mit Orchesterbesetzung. Wir hatten es uns in der Vergangenheit zur Gewohnheit gemacht, in der Endprobenwoche unser Mischpult in den Zuschauerraum zu stellen, um von dort aus zu mischen, denn unsere Regie liegt, wie in vielen Theatern noch üblich, versteckt auf dem Balkon. Ein Relikt aus Zeiten, in denen noch per Bandmaschine der von Ihnen vorhin angesprochene Donner zugespielt wurde – und sonst nichts. Zur Generalprobe sind wir dann wieder umgezogen in die Regie. Mit unserer bisherigen omnidirektionalen PA war diese Vorgehensweise praktikabel. Jetzt ist die Beurteilungsfähigkeit am Regieplatz auf dem Balkon jedoch eingeschränkt, was den Sound unten im Saal betrifft, da das Abstrahlverhalten der Speaker sehr exakt die Zuschauerreihen abdeckt, Decken und Wände – und somit den Balkon – jedoch bewusst auslässt. Die angestellten Überlegungen, eine kleine Reproduktion des Saalgeschehens mittels eigener Speaker in die Regie zu legen, sind zwar durchaus legitim und werden in manchen Theatern auch so angewandt, mir erscheint aber einzig die Verlegung des FOH in den Zuschauerraum als richtig. Denn nur da höre ich tatsächlich, was auch der Zuschauer hört.
Hat sich Ihre Arbeitsweise – oder die Ihrer Kollegen und Mitarbeiter – verändert?
Martin Funk: Das hat sie. Derzeit gehen wir also zum Soundcheck mit Fernbedienung in den Saal und justieren vor. Das Live-Geschehen lässt sich dadurch zwar nicht imitieren, doch sind die bisherigen Meinungen und Reaktionen der befragten Kollegen und Besucher aus dem Parkett allesamt zufriedenstellend.
Wie geht es nun weiter bei Ihnen? Sollen die restlichen Lautsprecher auch noch irgendwann erneuert werden?
Martin Funk: Sehr gerne! Nach Möglichkeit sollte natürlich das gesamte Beschallungskonzept aus einer Hand kommen. Unsere Seitenränge sind derzeit etwas „unterversorgt“ und eine Optimierung des Sourround-Modes würde ich mir wünschen. Das ist aber nicht alles auf einmal zu realisieren, wir sind ja ein Kulturbetrieb und keine Fluggesellschaft!
Vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Martin Funk: Das wünsche ich Ihnen auch und bedanke mich für Ihr Interesse.