Die Technik im Europäischen Astronautenzentrum EAC in Köln
von Claudia Rothkamp, Artikel aus dem Archiv
Die Faszination Weltraum ist noch lange nicht passé. Um den Service für seine Besuchergruppen zu verbessern, hat das Europäische Astronautenzentrum EAC in Köln 2013 seine technische Infrastruktur in verschiedenen Aspekten erweitert.
Die Internationale Raumstation ISS ist das bislang größte Technologieprojekt aller Zeiten – ein „Außenposten“ der Menschheit im All und gleichzeitig ein schwereloses Labor für Wissenschaft und industrielle Forschung, das nicht nur „kleine Jungs“ fasziniert. Im Gegenteil: So begrüßt das Europäische Astronautenzentrum (EAC) in Köln regelmäßig Besuchergruppen, die sich auch aus „älteren Semestern“ zusammensetzen. Führungen durch das EAC werden vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) angeboten und durchgeführt.
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Um den Service für diese und andere nationale sowie internationale Besucher weiter zu verbessern, hat das EAC 2013 seine technische Infrastruktur in verschiedenen Aspekten erneuert.
In der Eingangshalle des EAC wurde bislang für Präsentationen und Events ein Blackbox-System mit Projektor aufgebaut. „Der Aufwand beim Auf- und Abbau einer solchen Einheit war relativ groß, sowohl zeitlich als auch finanziell“, erklärt Detlef Pospiech, Training Infrastruktur Ingenieur beim EAC. „Gleichzeitig waren wir dadurch wenig flexibel und auch der Energieaufwand, um einen Projektor zu betreiben, ist relativ hoch, sodass unsere frühere Lösung definitiv keine Alternative für den Dauerbetrieb war.“
Aber genau das wird mit den aktuell verbauten Technologien anvisiert. Die Rede ist von zwei Splitwänden mit je 2 × 2 steglosen LC-Displays, die unter einer Treppe bzw. einer Empore in etwa 2,50 m Höhe angeflanscht wurden. Verbaut wurden NEC-Bildschirme des Modells X551UN (55 Zoll). „Die beiden hierfür genutzten Splitwand-Halterungen wurden eigens von der Firma PeTa Bearbeitungstechnik GmbH entwickelt“, erklärt Norbert Daheim vom zuständigen Integrator Vanerum.
„Die Anforderungen an die Halterungen waren nicht gerade trivial, da sie zum einen zwecks Ausjustierung bis zu einem gewissen Grad schwenk- und neigbar sein sollten und zum anderen sollten sie ohne Beschädigung und Bohrung an der aktuellen Infrastruktur angebracht werden können.“ Gelöst wurde dies mittels Klammern an den Stahlträgern der Treppen, wobei der jeweils hintere Stahlträger hohl ist und somit Platz für die Kabelführung bietet. Die komplette Einführung läuft über das hintere Vierkant.
Auf diese Weise könnte das ganze System theoretisch schnell rückgebaut werden, ohne einen mechanischen Einfluss aufs Gebäude zu nehmen. „Unser größtes Problem bei der Installation der beiden Splitwände war aber letztlich das von der Decke der Eingangshalle hängende Modell der ISS“, erinnert sich Daheim. „Die Sonnensegel der Raumstation reichten fast bis in die Mitte der beiden Bildschirme hinein, sodass das Modell teildemontiert und dann angehoben werden musste.“
Einheitliche Inhalte auf Abruf
Aber nicht nur die bessere Darstellung der Inhalte per LC-Displays war für Frank Nicolini, Leiter des Bereichs Training Infrastruktur und Anlagen im EAC, ein wichtiges Argument für die neue Installation: „Nun sind wir auch in der Lage, den Kollegen vom DLR einheitliche und hochwertige Inhalte für ihre Führungen zur Verfügung zu stellen, die bei uns seitens der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) kontrolliert werden können, um Aktualität sicherzustellen.“ Die technische Grundlage dafür bildet eine Miranda-Kreuzschiene (Typ Multi Viewer Kaleido X16), mit der einzelne Screens angesprochen werden können, um unterschiedliche Inhalte gleichzeitig bereitzustellen. „Unser Standard-Setup beinhaltet, dass wir in der Eingangshalle Live-Video von der ISS und die aktuelle Position der Raumstation zeigen können“, erklärt Nicolini.
„Gleichzeitig möchten wir auf den anderen Screens Präsentationen der ESA zeigen, die auf die Anforderungen der Besucher abgestimmt werden können. Mit Miranda haben wir zudem die Möglichkeit, relativ schnell und flexibel andere Setups zu konfigurieren, sodass sich auch Inhalte für spezielle Events schnell und ohne logistischen Aufwand in einem flexiblen Layout aufspielen lassen.“ Prinzipiell sind sämtliche Displays einzeln über IP steuerbar.
Gleichzeitig bilden die Splitwände aber eine logische Einheit, sodass die vier bzw. acht Bildschirme wahlweise vom Empfang oder vom Rednerpult aus gleichzeitig ein- oder ausgeschaltet werden können. Zudem kann die komplette Einheit auch per Fernbedienung angesteuert werden. Einziger Nachteil des Miranda-Interfaces ist nach Meinung von Frank Nicolini, dass es nur über Kupferanschlussmöglichkeiten verfügt: „Die Übertragung digitalen Videos per Glasfaser ist ein Muss für längere Strecken, daher waren wir gezwungen, kostspielige Konverter einzusetzen, um die Kreuzschiene an unsere digitale Videomatrix anzubinden.“
Von der Raumbeschilderung zum Präsentationsmodul
Gleiches gilt auch für die Trainingshalle, in der Astronauten und Bodenpersonal auf ihre Einsätze vorbereitet werden. In der Vergangenheit gab es vor dem Eingang der Halle sowie an den Zugängen zu den einzelnen Simulatoren der so genannten Experimental-Racks Bildschirme, die ausschließlich die jeweilige Raumbelegung anzeigten.
Diese Screens wurden nun gegen insgesamt 15 LC-Displays der Größe 32 Zoll von NEC ausgetauscht. „Auf diese Weise hat das EAC nun die Möglichkeit, die Displays gleichzeitig für andere Zwecke zu verwenden“, erklärt Daheim. „Beispielsweise können hier nun Medieninformationen für Führungen aufgespielt werden, Videos und Live-Ticker.“ Wichtig für das EAC war dabei auch, dass die neuen Displays den aktuellen Energieanforderungen gerecht werden und sich über IP auch automatisch ein- und ausschalten lassen.
Frank Nicolini und Detlef Pospiech haben zudem weitere Pläne, um den Komfort zu steigern: „In naher Zukunft möchten wir eine Steuerung für portable Devices implementieren, sodass die Guides der Führungen an ausgewählten Bildschirmen Informationsfilme einfach per Touch über das iPad oder iPhone starten können. Dabei gibt es unterschiedliche Kategorien an Führungen, wo teilweise auch Audio hinterlegt werden soll – wahlweise in deutscher oder englischer Sprache.
Wichtig ist uns, dass wir möglichst nur ein einziges logisches Interface zur Steuerung haben, das auch der Enduser nutzen kann. Eines, das wenig komplex ist. Es sollte immer eine One-Click-Activity sein.“ An der Entwicklung eines solchen Interfaces arbeiten derzeit EAC-eigene Software-Entwickler, welche die unterschiedlichen Commands dann sukzessive implementieren werden. Grundlage für das Management der Inhalte ist ein Signage-System der Firma OneLan, das mit Linux-basierten Settop- Boxen arbeitet. „Windows-Betriebssysteme im operationalen Geschäft sind bei uns als Raumfahrtagentur insofern kritisch, da wir diese nach Corporate-Anforderungen entsprechend ständig nachkonfigurieren müssen“, erläutert Nicolini.
Videoaufzeichnung rund um die Uhr
Wie leistungsstark die zu Grunde liegende Kreuzschiene sein muss zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass im Bereich der Trainingshalle sämtliche Trainings rund um die Uhr aufgezeichnet und archiviert werden. Die Kameraaufzeichnung erfolgt innerhalb der einzelnen Trainingsräume und Module über PTZ-Domekameras.
Hintergrund ist die Nachweispflicht des EAC über ordnungsgemäß durchgeführte Trainingssessions. „Sollte einmal irgendetwas auf der ISS nicht glatt laufen, können wir sofort nachsehen, was im Training passiert ist“, erklärt Detlef Pospiech. „Neben dem Kamerabild und der Audioaufzeichnung wollen wir zukünftig auch noch einzelne Inhalte der Screens von den Simulationscomputern sowie die Präsentationen der Instrukteure parallel in einer Quadview mit aufzeichnen. So erhält man für jede Trainingssession Einblick in das komplette verwendete Material.“
Diese Rund-um-die-Uhr-Aufzeichnung ermöglicht ein Broadcast-Loggersystem, das üblicherweise im professionellen TV-Bereich genutzt wird. Etwa 30 Tage lang hat das EAC damit die Möglichkeit, die Aufzeichnungen zu sichten und relevantes Material mit einer definierten Start- und Endzeit zu extrahieren, um es zu archivieren.
Die Rund-um-die-Uhr-Aufzeichnung ist im EAC erforderlich, um sicherzustellen, dass jedes einzelne Training von Anfang bis Ende nachgewiesen wird. „Wir haben jahrelang mit anderen Systemen gearbeitet“, erinnert sich Pospiech. „Aber die Fehlerquote ist zu hoch. Wenn beispielsweise der Astronautentrainer zu Beginn eines Unterrichts die Aufzeichnung starten soll, dann wird es in 1 von 10 oder 20 Fällen vergessen. Das ist für unsere hohen Ansprüche definitiv zu viel.“
Dieser Artikel stammt aus PROFESSIONAL SYSTEM 06/2013