Die Installation der Medientechnik in der Universität Luxemburg
von Jörg Küster, Artikel aus dem Archiv
Der neue Campus in Belval ist das Vision-Statement der Universität Luxemburg und möchte ein innovatives Vorbild für europäische Hochschulbildung sein. Aktuelle Medientechnik ist im bereits fertiggestellten „Maison du Savoir“ Teil einer Lernumgebung, die hohen Ansprüchen an eine zeitgemäße Vermittlung von Wissen gerecht wird.
Wo früher Schlote qualmten, rauchen heute die Köpfe: Rund 20 Kilometer südwestlich von Luxemburg-Stadt entsteht im Schatten alter Hochöfen auf der Industriebrache Belval (Esch-sur-Alzette) ein vollständig neues Stadtviertel. Auf dem rund 120 Hektar großen Gelände der vormals größten Stahlhütte Luxemburgs werden schon bald Forschung und Lehre, Arbeit und Freizeit, Industrie und Handel, Wohnen und Kultur ein harmonisches Miteinander eingehen – Belval gilt als eines der ambitioniertesten städtebaulichen Entwicklungsvorhaben in Europa. Leitprojekt ist die „Cité des Sciences“ – Stadt der Wissenschaften, die rund 20 Neubauten auf dem Gebiet der Hochofenterrasse umfasst und künftig die Universität Luxemburg sowie außeruniversitäre Forschungszentren und Start-up-Center beherbergen wird.
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Im Endausbau werden in Belval rund 7.000 Studierende sowie 3.000 Lehrkräfte und Forscher ideale Bedingungen für ihre Arbeit vorfinden. Bis 2019 soll die gesamte Universität (mit Ausnahme von Teilen der Fakultät für Rechts-, Wirtschafts- und Finanzwissenschaften) nach Belval umgezogen sein, und passend zum Genius Loci wird im multikulturell geprägten Großherzogtum bereits jetzt von einem „Schmelztiegel der wissenschaftlichen Disziplinen“ gesprochen.
Maison du Savoir
Bereits fertiggestellt ist das Maison du Savoir („Haus des Wissens“), das als Dreh- und Angelpunkt der Cité des Sciences betrachtet werden darf. Allgemeine Infrastruktur wie Hörsäle, Seminarräume, Professorenzimmer und die Administration sind hier auf einer Bruttogeschossfläche von 53.560 m2 vereint. Das auf zwei Sockelbauten ruhende Gebäude setzt sich aus einem langgestreckten „Riegel“ mit Hörsälen und Seminarräumen sowie einem 83 Meter hohen Turm für die Verwaltung zusammen. Das Gebäude wurde von den verantwortlichen Architekten ohne medientechnische Infrastruktur geplant. Nach Fertigstellung des Baus übernahm die öffentlich-rechtliche Verwaltungsgesellschaft „Le Fonds Belval“ Verantwortung für die Ausrüstung mit Medientechnik. „Es war gespenstisch!“, erinnert sich Diplom-Ingenieur Andreas Promny, Geschäftsführer der mit der Medientechnik-Fachplanung beauftragten AK Media GmbH, an seinen ersten Besuch in dem prinzipiell betriebsbereiten Gebäude.
„Man trat in wunderbare Hörsäle, sah beim Blick nach vorne aber lediglich eine graue Betonwand. Der Blick in Richtung Decke zeigte keine Projektorenhalterungen, und auch Lautsprecher waren nirgends zu entdecken – es waren schlichtweg keinerlei Vorkehrungen für das Einbringen von Medientechnik getroffen worden!“ Von AK Media wurde im Auftrag des Fonds Belval ein Leistungsverzeichnis erstellt, das selbstverständlich den in Luxemburg geltenden Bestimmungen Rechnung trug. Der Auftrag an die AK Media AG erging im Sommer 2014.
Zur Jahreswende 2014/15 konnte die promedia GmbH um Geschäftsführer Adriano Musella die Ausschreibung über die medientechnische Ausstattung für sich entscheiden. Als Projektleiter wurde Jürgen Hohmann im Auftrag von promedia ab März 2015 auf der Baustelle tätig. Der Lehrbetrieb im Maison du Savoir wurde im September 2015 aufgenommen.
Trickkiste
Auszurüsten waren elf Hörsäle (2 × 240 Personen, 3 × 150 Personen, 6 × 90 Personen) sowie rund 80 Seminarräume. Hinzu kamen zwei Konferenzräume im 1. und 17. OG des Verwaltungshochhauses. Das im Untergeschoss angesiedelte Auditorium Maximum mit 700 Plätzen wurde von einer belgischen Firma ausgestattet. Die Umsetzung stellte sich als nicht ganz trivial heraus, da auf Architektenseite offenkundig anders gedacht worden war als unter medientechnischen Gesichtspunkten wünschenswert gewesen wäre. So waren u. a. keine Wege für die Verkabelung vorgesehen, so dass geeignete Möglichkeiten zur Leitungsverlegung vielfach erst geschaffen werden mussten. Die Sichtlinien in den Hörsälen waren nicht geeignet, um Projektoren in gängiger Manier von den Decken abhängen zu können – in den hinteren Sitzreihen wäre sonst eine freie Sicht auf die Anzeigefläche nicht möglich gewesen.
Mit Blick auf die besonderen Umstände griffen die promedia-Techniker zu einem Trick: Die Alurahmenbildwände (AV Stumpfl Decoframe, bis zu 966 × 330 cm) sind in den größeren Hörsälen an ihren unteren Kanten schräg nach vorne/oben angehoben, so dass ein vorteilhafter Winkel entsteht, um die Projektoren bei insgesamt verlagerter Projektionsachse näher als sonst üblich an der Decke anbringen zu können. Eine elektronische Verzerrung war wegen der überlappenden Doppelprojektion keine Option; vielmehr wurde der optische Shift-Bereich der Objektive so weit wie möglich ausgereizt.
Erforderlich waren darüber hinaus außergewöhnlich massive Halter, die als von PeTa gelieferte Sonderkonstruktionen trotz einer Länge von drei Meter kaum schwingen – bereits kleinste Erschütterungen würden sich in der Bilddarstellung bei einer Doppelprojektion aufgrund des zum Einsatz kommenden Softedge-Blendings unangenehm bemerkbar machen. In den kleineren, für bis zu 90 Personen ausgelegten Hörsälen war es aufgrund der steil ansteigenden Bestuhlung unmöglich, Projektoren an der Decke zu befestigen, und auch im Gestühl ließen sich keine Beamer aufstellen.
Bild: Jörg Küster
Bild: Jörg Küster
Bild: Jörg Küster
Die Projektoren wurden daher mithilfe einer Sonderkonstruktion oberhalb der Projektionsfläche unter einem markanten Akustiksegel angebracht. Zum Einsatz kommen ebenso hochwertige wie kostspielige UltrakurzdistanzOptiken von Panasonic: „Das ist eine sehr gute Lösung, wenn es keine konventionelle Montagemöglichkeit gibt“, weiß Adriano Musella. Andreas Promny ergänzt auf die Kosten angesprochen: „Der Auftraggeber denkt architektur- und designorientiert und hat die Notwendigkeit dieser Lösung sofort verstanden.“
Projektion & Kameras
Von Beginn an war klar, dass in den großen Hörsälen eine Doppelprojektion zum Einsatz kommen sollte. Als Projektoren wurden passend zum hohen technologischen Anspruch der Universität durchgängig DLP-Laservarianten von Panasonic (PT-RZ670) gewählt. „Die Bildwiedergabe ist überraschend gut, und mit 6.500 Lumen fällt die Wiedergabe auch in Räumen mit Tageslicht ausreichend hell aus“, hat Adriano Musella festgestellt. Der promedia-Geschäftsführer weist darauf hin, dass das Processing des Contents nicht in den Projektoren erfolgt, sondern in ein externes Gerät ausgelagert wurde. Über den Prozessor ist es möglich, alternativ zur Doppeldarstellung lediglich ein Bild mittig zu projizieren; Inhalte lassen sich beliebig auf der Anzeigefläche positionieren.
Diebstahlschutzkäfige kommen in Belval nicht zum Einsatz, da sich die Projektoren allerorts außerhalb der Reichweite von Langfingern befinden. Für die großen Hörsäle sind mobile Doppelkamerasysteme verfügbar, die aus je zwei Panasonic-Modellen AW-HE60S zusammengesetzt sind. Die auf einem stabilen Stativ angebrachten Kameras lassen sich an einer definierten Stelle im Hörsaalgestühl aufstellen. Dort sind in einem von promedia gebauten Bodentank alle erforderlichen Anschlüsse untergebracht. Genutzt werden die Kameras sowohl für Videokonferenzen als auch für die Bildübertragung von einem Hörsaal in andere Säle.
Beschallung
Die Beschallung ist in allen Hörsälen mit Linienstrahlern von RCF (u. a. VSA 2050, VSA 1250) ausgeführt. Diese ermöglichen dank DSP-Processing und integrierter Endstufenmodule ein Beam-Steering und somit eine genaue Ausrichtung auf die Zuhörerplätze – mit Delay-Lines wird im Maison du Savoir nicht gearbeitet. Die schlanken Lautsprechersäulen sind seitlich der Bildwände montiert. Zur Wiedergabe tiefer Frequenzen lässt sich auf Wunsch ein RCF-Subwoofer anschließen, der für die gängige Sprachverstärkung jedoch nicht benötigt wird. Die Mikrofonierung stammt von Sennheiser und setzt an den Pulten auf bewährte Mikrofonköpfe des Typs ME 36 an MZH 3062 Schwanenhälsen. Zusätzlich stehen aus der ew 300 G3-Serie Handsender (SKM 300-865) und Taschensender (SK 300) mit HSP 4-ew-3 Nackenbügelsets bereit. Bei Nichtgebrauch werden die akkubetriebenen Sender in passende Ladegeräte eingesetzt und sind somit stets betriebsbereit.
In den Konferenzräumen des 1. und 17. OG ist als drahtlose Diskussionsanlage ein Beyerdynamic Quinta-System vorhanden. Zur Verfügung stehen neben der Zentraleinheit Quinta CU jeweils eine Präsidentensprechstelle MU 23 und zahlreiche Delegiertensprechstellen MU 21. Als Schwanenhalsmikrofone kommen Classis GM 315 Q zum Einsatz. Die praktische Handhabbarkeit unterstützen Quinta CC 2 Lade- und Transportkoffer, die im Baukastensystem etagenweise gestapelt werden können. In den für eine multifunktionale Nutzung (u. a. Veranstaltungen der EU sowie Uni-Events jenseits der Lehre) vorgesehenen Hörsälen sind ebenfalls Quinta-Systeme am Start – insgesamt 80 Sprechstellen werden im Maison du Savoir bereitgehalten. Die drahtlose Signalübertragung erfolgt beim Quinta-System im WLAN-Spektrum (2,4 / 5,2 / 5,8 GHz).
Regie
Zu den beiden großen Hörsälen gehört jeweils ein eigener Regieraum, in dem zentrale Komponenten der Medientechnik in einem Rittal- Rack installiert sind. Zu entdecken sind dort unter anderem EM 300 G3 Drahtlosempfänger der Firma Sennheiser, die über einen Splitter des Typs ASA 1 mit den zugehörigen, im Hörsaal festinstallierten A 1031 Antennen verbunden sind. Ein Biamp-Systems TesiraFORTÉ AVB CI dient der Vorverstärkung sowie der digitalen Bearbeitung eingehender Audiosignale.
Die fertig aufbereiteten Audiosignale werden den RCF-Lautsprechern zugeführt, die über integrierte Endstufenmodule verfügen. Für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit ist ein drahtlos arbeitendes Synexis-System von Beyerdynamic verfügbar: Im UHF-Bereich (863–865 MHz) werden vom Transmitter TS8 über AT 71 Breitbandantennen die 20 zum System gehörenden TP8 Taschenempfänger adressiert. Letztere werden nicht mit Kopfhörern, sondern mit um den Hals zu legenden Induktionsschleifen (IL 100) betrieben.
Ein tvONE CORIOMaster mini berechnet das Seamless-Switching für die beiden installierten Projektoren: Dem Gerät werden vier HDMI-Signale zugeführt, die sich beliebig platzieren lassen und den Projektoren nach der Bearbeitung über HDBaseT-Strecken zugeleitet werden – die Panasonic-Geräte sind mit Digital Link ausgerüstet. Ein Lifesize-Codec (Icon 600- 1080P Dual Monitor) ist zentraler Bestandteil der Videokonferenzausstattung. Zwei CP3N-Steuerungen von Crestron sind dem korrespondierenden Hörsaal sowie der Hörsaalzentrale zugewiesen.
Die DigitalMedia-Matrizen stammen selbstverständlich ebenfalls von Crestron; zum Einsatz kommen zwei DM-MD16X16, von denen eine über diverse Ein- und Ausgangskarten den Quellen und Senken im angrenzenden Hörsaal zugeordnet ist. Über die zweite Matrix ist die Hör – saalzentrale angebunden – ein Blick auf die Geräterückseite zeigt eine Vielzahl von Glasfaseranschlüssen (DMC-S, DMC-SO-HD), mit deren Hilfe die Verbindung zu weiteren Hörsälen hergestellt wird. Jeder der insgesamt fünf größeren Hörsäle ist am Signalfluss mit zwei Quellen und zwei Senken beteiligt. Von promedia gefertigte Anschlussfelder erlauben das Patchen unterschiedlicher Signale.
Sämtliche Signalstrecken innerhalb eines Saals sind mit Ausnahme der Lautsprecheranbindung mit Cat-Leitungen ausgeführt; untereinander werden die Hörsäle wie bereits erwähnt aufgrund der großen zu überbrückenden Distanzen mit Glasfaserstrecken vernetzt. Von promedia wurden zwei eigenständige, vom Universitätsnetzwerk unabhängige Mediennetzwerke eingerichtet: Ein auf lüfterlosen HP-Komponenten (HP-1820-24G-PoE) basierendes Netzwerk ist der Steuerungstechnik zugewiesen, während ein weiteres Netzwerk mit Geräten von Extreme Networks (Summit X440-8t AVB) dem AVB-Netzwerkprotokoll vorbehalten ist. Das vorgenannte Equipment ist in vergleichbarer Form (Ausnahme: zweite DM- Matrix) auch in den drei für 240 Personen konzipierten Hörsälen anzutreffen, dort allerdings in Dozentennähe auf zwei in einem Möbel untergebrachte Racks verteilt.
Die sechs für 90 Personen ausgelegten Räume sind mit einer Einzelprojektion ausgerüstet. Eine Videokonferenzanlage ist dort nicht vorgesehen; als Raumsystem kommt ein Crestron DMPS3 zum Einsatz. Zur Gesamtinstallation gehört im Maison du Savoir ein zentraler Rechner, der mit zwei Netzwerkkarten ausgerüstet ist: Über eine der Karten wird die Verbindung zu jedem am Mediennetzwerk beteiligten Gerät hergestellt, die andere Karte ist für die Verbindung mit dem Internet gedacht, was den Technikern von promedia via VPN einen Fernzugriff auf das System ermöglicht.
Dozentenplatz
Die Vortragsmöblierung wurde von AK Media geplant und durch promedia geliefert. Mit Gedanken an die gewünschte flexible Nutzung mussten die Möbel in den fünf größeren Hörsälen entfernbar sein. Die farblich auf das Ambiente abgestimmten Möbel verfügen über Revisionszugänge auf der Rückseite. Zur Ausstattung der ergonomisch vorteilhaft gestalteten, motorisch verstellbaren Dozententische gehören ein Wacom Grafiktablet (DTH-2242) mit einer Diagonale von 24 Zoll, eine Desktop-Dokumentenkamera (Lumens PS751) und ein Core-i5-PC. Rechts und links der Arbeitsfläche sind Anschlussfelder (DisplayPort, HDMI, VGA, Audio, 2 × LAN, 2 × 230 V) aus der Fertigung von promedia vorhanden.
Die Übersetzung ins DigitalMedia-Protokoll übernehmen Crestron DM-TX-401-C. Von Biamp Systems stammt eine Tesira Ex-IO-Box, dank welcher die Mikrofonsignale nach der A/D-Wandlung via AVB in den Regieraum geführt werden können. Der Bedienung der Medientechnik dient ein Crestron TSW-1050 Touchpanel. Die Programmierung der interaktiven Bedienoberflächen wurde von promedia übernommen, das Design in Abstimmung mit dem Anwender auf Basis der langjährigen Erfahrungen von promedia festgelegt.
Die Beschriftung ist in englischer Sprache gehalten, wobei sich die Bedienung dank zahlreicher Symbole auch Anwendern erschließen sollte, die des englischen Idioms nicht mächtig sind. Ortsungebunden ist die Bedienung der Medientechnik über ein Apple iPad mit geeigneter Crestron DockingStation (IDOC-PAD2-DSC) möglich – eine preiswerte und auch funktional gut einsetzbare Alternative zu sonst üblichen Funk-Touchpanels mit ihren tendenziell eher kurzen Akkulaufzeiten. Bei Nichtgebrauch werden die iPads sicher im Sekretariat gelagert.
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