Plenarsaal

Die Planung der Medientechnik im Landtag Sachsen-Anhalt

Im Rahmen einer Modernisierung des Landtag Sachsen-Anhalts wurde auch die Audio-, Konferenz- und Videotechnik auf den neuesten Stand der Technik gebracht: Schallzeilen sorgen jetzt für die Wiedergabe, die Konferenztechnik kann HD-Kameras automatisch steuern und die Bedienung erfolgt über eine Mediensteuerung.

Landtag-Sachsen-1
(Bild: Christiane Bangert)

In neuem Glanz, mit neuer Raumakustik und mit neuen technischen Einrichtungen erstrahlt der Plenarsaal des Landtags Sachsen-Anhalts nach der Modernisierung. „Seit dem Umbau 1996 haben sich die technischen Anforderungen stark verändert“, erklärte Felix Schlensog von der Siemens AG, die für Planung, Installation und Einrichtung verantwortlich war. „Die Netzwerktechnik ist da ein gutes Beispiel: Heutzutage braucht jeder einen Anschluss für seinen Laptop. Diese Anforderungen bestanden vor knapp 20 Jahren noch nicht.“

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Den Plenarsaal auf den neusten Stand zu bringen, das war das Ziel der technischen Renovierung. Dazu gehörte auch, den Saal raum – akustisch zu überarbeiten, HD-Kameras zu integrieren, die Audiotechnik zu erneuern. Von der neuen Beschallungsanlage war u. a. gefordert, dass sie sich unauffällig in die Architektur einfügt, eine gute Sprachverständlichkeit bietet und rückkopplungssicher einen hinreichend hohen Sprachpegel ermöglicht.

Plenarsaal und Beschallungsanlage im Wandel der Zeit

1991 zog der Landtag Sachsen-Anhalt in die ehemalige Ingenieurschule für Wasserwirtschaft ein. „Der Plenarsaal wurde zunächst in das ehemalige Theater eingebaut“, berichtete Hans-Walter Häusler, der damals für die Siemens AG tätig war. „Es musste damals alles sehr schnell gehen, um rechtzeitig zur ersten Sitzung fertig zu sein. Es wurde eine Beschallungsanlage mit Schallzeilen in einer zentralen und zwei Seiten-Ampeln installiert.“

1996 erhielt der Plenarsaal seine jetzige Form. Im Prinzip blieb nur die historische Fassade erhalten. An den leicht trapezförmigen Saal mit dem Plenum wurde ein circa 30 Meter langes Kreissegment angefügt, das Platz für Präsidium, Rednerpult und Stenografenplätze schafft. Die hohe Fensterfont des Kreissegments gibt dem Saal einen hellen, offenen Charakter.

Eingang des kürzlich modernisierten Landtagsgebäudes am Domplatz in Magdeburg
Eingang des kürzlich modernisierten Landtagsgebäudes am Domplatz in Magdeburg (Bild: Christiane Bangert)

Zwischen historischer Fassade und Fensterfront hat der Saal eine Länge von ca. 15 Metern; er ist also in etwa doppelt so breit wie lang. Seitlich bieten zwei Tribünen Platz für Journalisten und Zuschauer. Den Auftrag für den Einbau der neuen Beschallungsanlage erhielt seinerzeit nach der Ausschreibung die Siemens AG. „EAW-Fullrange-Lautsprecher wurden wiederum mit einem zentralen Cluster und aufgrund der Breite des Plenarsaals mit zwei Seitenclustern installiert“, berichtete Hans-Walter-Häusler.

„Die Zuschauer- sowie die Journalistentribüne wurden mit EAW-Schallzeilen versorgt. Seinerzeit habe ich mit Herrn Prof. Dr. Ahnert vertrauensvoll zusammengearbeitet, der für uns die EASE-Berechnungen erstellte.“ Auch der Auftrag für die jetzige Beschallung wurde nach Ausschreibung durch das Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt an die Siemens AG vergeben, mit Felix Schlensog als Vertriebsmitarbeiter und Projektleiter.

Zu den raumakustischen Maßnahmen gehören schräg gestellte, mikroperforierte Kunstglasscheiben
Zu den raumakustischen Maßnahmen gehören schräg gestellte, mikroperforierte Kunstglasscheiben (Bild: Christiane Bangert)

Zum Auftrag gehörte u. a. auch die Planung, Installation, Programmierung und Inbetriebnahme der Konferenz-, Video- und Medientechnik. Zur fachlichen Unterstützung in Sachen Elektroakustik, Simulation, Einmessen etc. holte sich Siemens Ralf Giese von AMT Ingenieursgesellschaft mbH mit ins Boot.

Hans-Walter Häusler begleitete in seiner heutigen Funktion als Vertriebsleiter von Pan Acoustics die Installation. Nicht alles wurde im Rahmen der Modernisierung verändert, geblieben sind zum Beispiel die Microtech-Gefell-Mikrofon-Arrays am Rednerpult und die Glocke des Präsidenten zum Beenden der Rednerzeit.

Eine der Crestron-Bedienoberflächen zum Anpassen des Pegels aller oder der einzelnen Lautsprechergruppen
Eine der Crestron-Bedienoberflächen zum Anpassen des Pegels aller oder der einzelnen Lautsprechergruppen (Bild: Christiane Bangert)

Anforderungen und Raumakustik

Raumakustisch wurde eine Verkürzung der Nahhallzeit vor allem im tieffrequenten Bereich angestrebt. Zudem ist der Raum mit seiner geraden Rückwand und der gewölbten Fensterfront prädestiniert für die Fokussierung von Reflexionen in die mittleren Regionen des Saals, also gerade dorthin, wo Mikrofone platziert sind.

Diese galt es zu vermeiden, um die Gefahr von Rückkopplungen zu vermindern. Von der Beschallung wurde eine Sprachverständlichkeit erwartet, die mindestens mit einem STI ≥ 0,56 den Anforderungen der DIN 18041 (Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen) genügt. Probleme mit der Einhaltung gab es bisher vor allem auf dem Präsidium. Rückkopplungssicherheit bei hinreichend hohem Pegel war ein weiterer wichtiger Aspekt. Und die technischen Komponenten mussten sich nahtlos und möglichst unsichtbar in die Architektur einfügen. Kabel und Ähnliches sollten im Hohlboden und den Tischen verschwinden.

Die Fronten der Tische sind absorbierend mit gelochten Wabenplatten ausgeführt
Die Fronten der Tische sind absorbierend mit gelochten Wabenplatten ausgeführt (Bild: Christiane Bangert)

Zu den raumakustischen Maßnahmen gehörte auch die Einbringung von Verbundplattenresonatoren als Tiefton-Absorber. Die Fronten der Tische sind mit gelochten Wabenplatten ausgeführt. Zum Teil gibt es hinter den Platten Hohlräume, durch die die Absorptionseigenschaften zu mittleren und tiefen Frequenzen verbessert werden. Vor den Fenstern der Rückwand wurden mikroperforierte Kunstglasscheiben schräg eingesetzt.

So können direkte Reflexionen auf die gewölbte gegenüberliegende Fensterfront zumindest über die Fenster verhindert werden. Vor der Fensterfront hindern mikroperforierte Plexiglasscheiben vom Boden bis auf circa 2 Meter Höhe die Fokussierung der Reflexionen. Die Brüstungen der Tribünen für Presse und Zuschauer sind ebenfalls schräg und mikroperforiert. Weitere akustisch wirksame Flächen sind u. a. die leicht gepolsterten und stoffbezogenen Sitzplätze. Insgesamt hat der Plenarsaal in leerem Zustand nun eine Nachhallzeit von 1,26 s.

 

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Die Beschallungsanlage

Bisher waren immer Cluster-Lösungen unter der Decke installiert. Mit dem Nachteil, dass die Richtung der elektroakustischen Wiedergabe nicht mit der Rednerposition und visuellen Wahrnehmung übereinstimmte. Dies ist nun anders, denn die Hauptbeschallung aus zwei der DSP-gesteuerten Pan Beam Schallzeilen PB32 von Pan Acoustics ist hinter dem Präsidium platziert. Die PB32 setzen sich aus vier PB08 zusammen und beinhalten viermal acht 3,5″ Breitbandtreiber, die laut Datenblatt für einen Frequenzbereich von 70 Hz bis 17 kHz sorgen.

Der Öffnungswinkel horizontal liegt bei 130° (3 kHz). Vertikal kann er zwischen 3° und 40° variieren und es lassen sich bis zu vier sogenannte Beams – Schallabstrahlungen mit unterschiedlichen Charakteristiken – festlegen. Durch die gleiche Farbgebung wie die Säulen vor den Fenstern fallen die schlanken Zeilen architektonisch nicht auf. Zwei PB08 seitlich versorgen die Bereiche des Präsidiums, die nicht von den Hauptzeilen erreicht werden können.

Für die ersten Reihen der Delegiertenplätze unterstützen vier PB 04 (vier 3,5″-Treiber), von denen jeweils zwei in die seitlich des Rednerpults platzierten Stenografenplätze eingebaut sind. Auf den Stenografenplätzen fungieren jeweils zwei der passiven P-01-PI als Monitore. Sie werden von einer Bittner-Endstufe mit den verstärkten Signalen versorgt. Diese ist der einzige externe Verstärker, denn die Pan Beam-Zeilen haben ihre Verstärker integriert. Jeweils zwei PB08 an der Decke sind für die Beschallung der Tribünen zuständig.

Die DSPs in den Schallzeilen erlauben neben dem Setzen der Parameter für die Beams auch die Einstellung eines 5-Band parametrischen EQs und bis zu 370 ms Verzögerung für die Anpassung an die jeweiligen räumlichen Bedingungen. Weitere Anpassungsmöglichkeiten schaffen im Plenarsaal sechs Signalprozessoren vom Typ Soundweb London BLU-100, die über ihre BLU-Link-Schnittstellen miteinander verbunden sind.

Für die ersten Reihen sind PB 04 von Pan Acoustics unter den Stenografen-Tischen eingebaut
Für die ersten Reihen sind PB 04 von Pan Acoustics unter den Stenografen-Tischen eingebaut (Bild: Christiane Bangert)

Sie stellen u. a. die analogen Ein- und Ausgänge, Verwaltung aller Quellen und Senken, Presets etc. bereit. Die abschließenden STI-Messungen ergaben, dass die Werte auf den Delegiertenplätze mit einem Mittelwert von 0,61 als gut zu bezeichnen sind. Auf dem Präsidium wurden die Werte wesentlich verbessert und liegen nun im Mittel bei 0,59. „Die Beschallungsanlage wird jetzt mit 74 dB gefahren“, sagte Hans-Walter Häusler. „Sie kann bis 78 dB rückkopplungsfrei arbeiten.“

Konferenz- und Videotechnik, Mediensteuerung und Bedienung

Eingangsseitig stehen den Delegierten Mikrofone an 10 Positionen zur Verfügung, die an einer speziellen Ausführung einer Konferenzanlage von Stemin arbeiten. Über RS485- Schnittstellen an den drei Kameras wird dafür gesorgt, dass sich mit der Aktivierung eines Mikrofons eine der Kameras auf den jeweiligen Redner ausrichtet. So kann auch ohne manuelle Steuerungen die Aufzeichnung des jeweiligen Sprechers erfolgen. Mit der Erneuerung der Bildtechnik wurde auch auf hochauflösendes 1080p HD umgestellt.

Das Videosignal wird mit dem Audiosignal, einer Mischung aus dem Rednermikrofon und im Saal verteilten Aufnahmemikrofonen, aufgezeichnet. Darüber hinaus wird es hausintern als IP-Stream zur Verfügung gestellt, so dass sich die Abgeordneten die Sitzungen vom Büro aus oder zu einem späteren Zeitpunkt anschauen können. Ein Vorschau-Display in der Regie zeigt das aktuelle Kamerabild, Genelec-Monitorlautsprecher dienen zum Abhören der Signale.

Zwei Pan Beam PB32 beschallen den Plenarsaal, zwei PB08 das Präsidium
Zwei Pan Beam PB32 beschallen den Plenarsaal, zwei PB08 das Präsidium (Bild: Christiane Bangert)

Die Kamerasteuerung kann auch manuell erfolgen: auf einer der Bedienoberflächen der Crestron-Mediensteuerung, die die Verwaltung aller Komponenten übernimmt und die Bedienoberflächen zur Verfügung stellt. In der Regie kann der betreuende Techniker auf die einzelnen Audio- und Videosignale zugreifen und sie bei Bedarf anpassen.

Dafür stehen neun Bedienseiten bereit, die u. a. auch das zentrale Ein- und Ausschalten der Medientechnik ermöglichen und die Pegelanpassung von bis zu sechs zusätzlichen drahtlosen Mikrofonen beinhalten. Zudem stellen die Bedienoberflächen den Zugriff auf die Ausgangspegel, u. a. bei der Übergabe zum Rundfunk, zum Pressesplitter und zu den Induktionsschleifen der Schwerhörigenanlage etc. bereit.

Fazit

Visuell ist die Technik im Plenarsaal sehr unauffällig, selbst die Lautsprecher fallen durch die schlanke Form der Pan Beams und gleiche Farbgebung wie die Säulen nicht auf. So zeigt der Saal, dass sich zeitgemäße Technik auch im Einklang mit der Architektur installieren lässt.

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