AV over IP

AMX: IP-Netzwerk verteilt AV-Signale

Mit der Übernahme des Spezialisten für vernetzte AV-Produkte SVSi positioniert sich AMX im Bereich der AV-Signalübertragung über IP-Netzwerke. PROFESSIONAL SYSTEM-Autor Markus Tischner hatte die Gelegenheit, das Produktportfolio im praktischen Einsatz zu begutachten.

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(Bild: AMX GmbH)

Gegründet wurde die neue AMX-Akquisition 2004 in Huntsville, Alabama, als „Southern Video Systems Incorporated“ – SVSi. Ursprünglich beheimatet in der Herstellung von Hochgeschwindigkeitskameras für Verpackungssysteme, fand man bald heraus, dass die Übertragung von Video über IP das wesentlich spannendere Produkt ist, und damit wachsende Marktbedürfnisse gestillt werden können. Im Frühjahr 2015 übernimmt AMX SVSi und positioniert das neue Produktportfolio unter dem Begriff „Networked-AV“. AV-over-IP, HD-over-IP, HDMI-over-Ethernet oder Networked-AV. Unterschiedliche Bezeichnungen für ein Phänomen, das wie kaum ein anderes für die Konvergenz zwischen AV und IT steht: die Übertragung von AV-Signalen über ein herkömmliches IP-Netzwerk. Dabei werden nicht nur Ethernet-Kabel als günstige Übertragungsleitungen für ein proprietäres Protokoll wie etwa bei HDBaseT verwendet. Vielmehr geht es bei AV-over-IP darum, offene Standards zu nutzen. Deshalb kommunizieren die Geräte hier über TCP/IP, das bereits sehr lange als Standardprotokoll für ComputerNetzwerke im Einsatz ist und von allen gängigen IT-Komponenten unterstützt wird.

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Bestehende IT-Infrastrukur nutzen

Damit können AV-over-IP-Lösungen einfach in bestehende Computer-Netzwerke integriert werden. Oftmals ist bei der Planung einer AV-Signalverteilung bereits im gesamten zu beplanenden Gebäude eine flächendeckende Verkabelung vorhanden. In so einem Fall kann die bestehende Infrastruktur mit Kabeln und Switches direkt verwendet werden, wenn sie einige wenige Voraussetzungen erfüllt. SVSi-Komponenten benötigen einen Layer-3-fähigen Switch, der eine Bandbreite von mindestens 1GB/Port besitzt (für unkomprimierte 4K-Übertragung 10GB/Port über Glasfaser). Außerdem muss er das Internet Group Management Protocol (IGMP) unterstützen. IGMP dient zur Organisation von Multicast-Gruppen und sorgt dafür, dass ein Stream, der an mehrere Ausgabegeräte geht, nur einmal übertragen wird. Dies kann die Netzwerklast bedeutend reduzieren. Eine optionale – aber sehr sinnvolle – Voraussetzung ist die Unterstützung von Power over Ethernet (PoE).

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AMX-Mitarbeiter André Sahm führt die SVSi-Geräte vor

Bringt der Switch diese Fähigkeit mit, werden die SVSi-Komponenten direkt über das Netzwerk-Kabel mit Strom versorgt. Dies macht wartungsanfällige und Wärme produzierende Netzteile überflüssig. Der Aufbau einer AV-over-IP-Installation mit SVSi-Komponenten ist einfach: Jedes Quellgerät wird über HDMI (DVI und DisplayPort mit Adapter) oder VGA mit einem Encoder verbunden, der das Videosignal in IP-Pakete wandelt, die über das Netzwerk versendet werden können. Dazu wird der Encoder per Netzwerkkabel an den Netzwerk-Switch angeschlossen. Ausgabeseitig wird jedes Ausgabegerät über HDMI oder VGA mit einem Decoder verbunden, der ebenfalls an einen beliebigen Switch im Netzwerk angeschlossen wird. Der Decoder macht aus den IP-Paketen wieder audiosynchrones Video, das auf dem Ausgabegerät abgespielt werden kann. Weitere Infrastruktur wird nicht benötigt.

Einfache Skalierbarkeit

Die Konfiguration von Quell- und Ausgabegerät wird mit der kostenlosen Software N-Able vorgenommen. Jeder Encoder und Decoder kann über eine Web-Oberfläche einzeln aufgerufen und konfiguriert werden. Zur leichteren Zuordnung steht die MAC-Adresse jedes Geräts vorne auf dem Gehäuse. N-Able erkennt alle SVSi-Komponenten im Netzwerk selbstständig und stellt die verfügbaren Encoder und Decoder tabellarisch dar. Mit einem Doppelklick auf den gewählten Encoder oder Decoder öffnet man die Konfigurations-Seiten des Geräts und kann die einzelnen Video-Streams zuordnen.

In der Praxis ist es so, dass die Streams nicht geroutet werden. Vielmehr fragt der Decoder bei der Software ab, welchen Stream er darstellen soll. So können einfache und komplexe Installationen ohne Video-Matrix aufgebaut werden. Die Zuordnung erfolgt einfach in der Software, die Videostreams über Cat-Kabel und Switches. Das hat zum einen den Vorteil, dass die Installation aus Hardwaresicht schlank und überschaubar bleibt. Zum anderen können Systeme frei skaliert werden. Wenn man klein anfängt, muss man nicht bereits zum Start orakeln, wohin das System einmal wachsen könnte, um dann die maximale Matrix-Gehäusegröße festzulegen. Kommen neue Quelloder Ausgabegeräte hinzu, kauft man einfach weitere Encoder bzw. Decoder und verbindet sie mit dem Netzwerk. Damit erhält man ganz neue Freiheitsgrade in sich dynamisch entwickelnden Umgebungen.

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Konfigurationsbeispiel für eine einfache SVSi-Installation (Bild: AMX GmbH)

In der Administration ist es gerade bei großen Installationen sehr praktisch, dass man alle Einstellungen der SVSi-Geräte aus der N-Able-Software als CSV-Datei auslesen kann. In der CSV-Datei können dann sehr effektiv Einstellungen auf andere Geräte kopiert oder kleinere Änderungen durchgeführt werden. Anschließend kann man die CSV-Datei wieder einspielen und hat auf einen Schlag alle angeschlossenen Geräte-Einstellungen aktualisiert. Neben der Vergabe von Klarnamen für jedes Gerät kann man zum Beispiel die Bildqualitäts-Einstellungen anpassen. Hier wird nach Image-Quality und Motion-Quality getrennt. Bei der Image-Quality kann die Bitrate eingestellt werden; bei der Motion-Quality die Framerate.

Einfache Videowalls

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Konfigurationsbeispiel für eine komplexe SVSi-Installation mit entfernten Teilnehmern (Bild: AMX GmbH)

Eine weitere praktische Funktion ist die Einstellung eines Crop-Faktors im Decoder. Hier- über kann man zum Beispiel nur ein Viertel eines Streams wiedergeben und so mit nur einem Encoder und vier Decodern eine vollständige Vierer-Videowall betreiben. Für komplexere Videowalls gibt es einen eigenen SVSi Windowing-Prozessor. Dieser verarbeitet bis zu vier SVSi Eingangs-Streams. Er kann die Streams skalieren, arrangieren und er kombiniert diese in einem neuen Gesamtstream. Dieser lässt sich wiederum von jedem SVSi-Decoder oder weiteren Windowing-Prozessoren verarbeiten und wiedergeben. Individuelle Layouts werden in einem eigenen WebInterface erstellt. Dabei sind Größe und Platzierung der Bildausschnitte frei wählbar.

Für den Fall, dass ein Encoder in Betrieb ist, aber kein Signal empfängt, müssen SVSi-Nutzer nicht auf einen schwarzen Bildschirm sehen. Hier kann man einstellen, dass der Encoder auf den sogenannten Local-Play-Betrieb umschaltet. Im Local-Play streamt der Encoder ein vorher definiertes Bild oder eine Bilderfolge. Das kann entweder eine Warnmeldung sein, dass der Encoder kein Signal erhält, oder eine Diashow, die zum Beispiel zwischen zwei Sendeplätzen eines Programms gezeigt werden soll. Im LAN erreicht man bei der Verwendung von herkömmlichen Cat-Kabeln eine Reichweite von 100 Metern zwischen aktiven Komponenten. In bestimmten Modellen kann man die Reichweite über Glasfaserkabel auf 800 Metern im Multi-Mode und auf 10 Kilometer im Single-Mode erhöhen. Dabei werden die Streams via SSl verschlüsselt und auch der Zugriff auf alle Geräte kann mit einem Passwort geschützt werden.

 

Produktlinien und Einsatzbereiche

Für die verschiedenen Ansprüche unterschiedlicher Zielgruppen gibt es drei SVSi-Produktlinien: Die Geräte der 1000er Serie empfehlen sich, wenn es um die kostengünstige Verteilung von qualitativ hochwertigen Videosignalen mit minimaler Latenz geht. Die Encoder der 1000erSerie übertragen die Streams mit einer festen Bandbreite von 880 MBit/s bei einer maximalen Auflösung von 1080p bzw. WUXGA bei 60 FPS. Mit dieser Bandbreite wird ein gewisser Traffic erzeugt, so dass die Anwendung am besten für geschlossene, lokale Netze geeignet ist, die nicht parallel von vielen anderen Datenströmen benutzt wird. Die Bezeichnung „Minimal Proprietary Compression“ (MPC) deutet darauf hin, dass die Signale nur leicht komprimiert werden.

Deswegen ist der Codierungs- und Decodierungsprozess weniger anspruchsvoll als bei höherer Kompression, was eine nur sehr geringe Latenzzeit von 11ms zur Folge hat. Es gibt zwei Modelle, die sich in zwei Hauptpunkten unterscheiden. Das Modell 1122 hat zwei RJ45- Anschlüsse, so dass man mit den Geräten eine Daisy-Chain aufbauen kann. Im Modell 1133 ist einer der beiden RJ45-Anschlüsse durch einen SFP-Port ersetzt. Für den SFP-Port gibt es verschiedene Steckmodule, so dass man sich entscheiden kann, ob man einen zweiten RJ45-Anschluss oder einen Glasfaser-Steckplatz am Gerät haben möchte. Zusätzlich kann man an das 1133er Modell über zwei USB-Buchsen Tastatur und Maus anschließen und den Encoder gleichzeitig als KVM-Switch verwenden.

Die Geräte der 2000er Serie sind in erster Linie darauf ausgelegt, Videosignale in Netzen mit einem hohen Datenaufkommen zu übertragen. Deshalb werden hier die Streams stärker komprimiert. Als Codec kommt Motion JPEG2000 zum Einsatz, wie er auch seit 2004 bei digitalen Filmkopien im Kino verwendet wird. In hoch frequentierten Netzwerken muss immer zwischen belegter Bandbreite und Bildqualität abgewägt werden. Aus diesem Grund kann hier die Bitrate mit einem Schieberegler von maximal 300 MBit/s bis auf 10 MBit/s abgesenkt werden. Je nach Auslastung und Qualitätsanspruch wird man mit etwas Erfahrung die richtige Einstellung für sein Netz finden. Durch die höhere Kompression steigt der Anspruch an die Encoding- und Decoding-Software.

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Einfaches Setup für eine Vierer-Videowall mit 4K-Auflösung (Bild: AMX GmbH)

Das Einsteigermodell der 2000er-Serie, der Encoder 2122, hat deshalb eine etwas höhere Latenz von 24 ms. Das Modell 2135 schafft für einen etwas höheren Preis wieder die niedrige Latenz der 1000er-Serie von 11 ms. Neben den beiden Full-HD-Geräten gibt es in der 2000er-Serie mit dem 2151 auch einen Encoder, der über Cat-Kabel bis zu 4KAuflösung bei 30 Frames per Second sowie einem Color-Sampling von 4:2:2 überträgt. Mit einer Glasfaserverbindung wird das 4KSignal sogar bei 60 Frames per Second und einem Color-Sampling von 4:4:4 gestreamt. Die Latenz liegt dann bei 10 ms.

Schließlich geht es in der 3000er-Serie hauptsächlich darum, Videosignale bei geringsten Bandbreiten zu übertragen. Damit fokussiert die 3000er-Serie WAN- oder Internet-Anwendungen, bei denen die Streams auch auf mobilen Geräten ankommen sollen. Im Encoder sind entsprechend noch niedrigere Bitraten einstellbar, als in der 2000erSerie. Bei maximal 10 MBit/s kann die Bitrate bis auf 32 Kbit/s abgesenkt werden. Um solche Werte zu erreichen, wird hier auf den H.264- Codec gesetzt, der auch bei der Übertragung von TV-Signalen und bei Videokonferenzen zum Einsatz kommt. Durch die starke Komprimierung kommt es zu einer wesentlich höheren Latenz als bei den anderen beiden Serien. Hier kann es schon einmal Zeiten von mehr als zwei Sekunden geben. Aus diesem Grund ist die 3000er-Serie auch nur für Anwendungen empfohlen, bei denen die Latenz keine Rolle spielt, z. B. bei Gebäude oder Standort übergreifenden Übertragungen.

Fazit

AV over IP ist ein großer Schritt in Richtung Standard-basierter AV-IT-Konvergenz und zeigt, wie man schlanke und gleichzeitig hoch skalierbare Systeme aufbaut. AMX hat mit der Akquisition von SVSi ein gut abgestimmtes und am Markt bereits eingeführtes Produkt-Portfolio ins Programm geholt und kann damit in dem sicherlich stark wachsenden Marktsegment gut mitspielen.

 

 

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