von Michel Matuschke, Detlef Hoepfner, Artikel aus dem Archiv vom
Eine PC-basierte Steuerung von 1D/3D-Mikrofonwinden erzeugt einmalige Klangerlebnisse im Rundfunk-Sendesaal des WDR. Bei der Entwicklung dieser 1D- und 3D-Mikrofonwinden entschied sich Salzbrenner Media als Systemanbieter für Beckhoff als Partner für die installierte Steuerung: Mit TwinCAT 3 und Embedded-PCs wurde eine platz- und kostenoptimierte Steuerungslösung für SPS, Antriebs- und Sicherheitstechnik realisiert.
1D/3D-Mikrofonwinden, die durch den punktgenauen Einsatz der Mikrofone in Veranstaltungs- und Produktionsstätten für hochwertige Audioaufnahmen sorgen – diese Lösung wird von Salzbrenner Media seit 2019 unter dem Namen „MIC fly“ angeboten.
Die Kaskadierung der Einzelwinden ist der Clou dieser Lösung: Neben der einfachen Auf- und Abwärtsbewegung der Mikrofone sind auch 3D-Fahrten möglich sind. „Erstmals zum Einsatz gekommen ist eine Vierpunkt-3D-Winde bei der Realisierung der neuen Audioanlage im historischen Klaus-von-Bismarck-Saal in Köln, dem Rundfunksendesaal des WDR“, berichtet Stefan List, Projektleiter bei Salzbrenner Media. Hierbei werden vier Winden im Verbund synchron betrieben. Sie bewegen den Flugrahmen, auf dem bis zu acht Mikrofone (zwei pro Winde) installiert sein können, über dem dreidimensionalen Arbeitsraum. Im Fall des WDR waren dies 7 × 9 m in der x-, y-Ausdehnung und 3 m Höhenunterschied in der z-Achse. Die 3D-Fahrten der Mikrofone ermöglichen ihre exakte Positionierung über dem Orchester bzw. einzelnen Instrumenten. In Summe wurden im Sendesaal des WDR 29 Stück der 1D-Winden für Einzelmikrofone und eine 3D-Winde mit sieben Mikrofonen verbaut.
Durchgängiges Konzept für Steuerung, Antriebe und Sicherheitstechnik
„Die Zusammenarbeit mit Beckhoff besteht seit rund zwei Jahren“, berichtet Stefan List von Salzbrenner Media, dem Systemanbieter für professionelle Audio-, Video- und Medientechnik mit weltweiten Referenzen. Das Unternehmen mit Sitz in Buttenheim verfügt über 60 Jahre Erfahrung in der Konzeption, Planung, dem Bau sowie der Installation und Betreuung anspruchsvoller Projekte in der Entertainment-Technik. „Auf der Suche nach einer Steuerungslösung für unsere Winden waren wir auf einer Entertainment-Messe erstmals mit Beckhoff in Kontakt gekommen“, so Stefan List. „Überzeugt hat uns die Durchgängigkeit bzw. der hohe Integrationsgrad der PC-basierten Steuerungslösung, sodass wir nur eine Plattform für Ablaufsteuerung, Antriebs- und Sicherheitstechnik benötigen. Als Spezialist für die Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen lag unser Augenmerk auch auf einer Steuerungstechnik, die hinsichtlich Leistungsanforderungen und Bauform skalierbar ist und uns die notwendige Flexibilität gibt, die individuellen Wünsche unserer Kunden umzusetzen. Für die Steuerung der 3D-Winde mussten wir lediglich die Software anpassen.“
Als zentrale Steuerung für bis zu fünf der MIC fly 1D-Winden ist ein Beckhoff Embedded-PC CX5130 im Einsatz. Bei einer größeren Anzahl von Winden setzt Salzbrenner Media den noch leistungsstärkeren Embedded-PC CX5140 mit Intel-Atom-CPU (1,91 GHz, vier Prozessorkerne) ein. Die Software TwinCAT 3 für PLC, HMI Web und NC PTP deckt alle Funktionen ab: von der Ablaufsteuerung über die Visualisierung bis hin zu Motion Control. Die kompakte Antriebslösung besteht aus der EtherCAT-Servoklemme EL7221-9014 – mit One Cable Technology (OCT) und integrierter Sicherheitsfunktion (STO) – sowie einem Servomotor AM8100, der speziell für den Betrieb an den Servo-I/O-Modulen ausgelegt ist.
Die 3D-Winden werden zentral über einen Embedded-PC CX5120 gesteuert, der mit den vier Winden über den leistungsstarken Industrial-Ethernet-Feldbus EtherCAT kommuniziert. Das von Salzbrenner Media auf Basis von TwinCAT entwickelte Softwaretool zur Steuerung der Einzelwinden musste für die 3D-Winden lediglich um die NC-I- und die Kinematik-Funktionalitäten erweitert werden. In den Winden selbst sind nur die Ein- und Ausgangsklemmen verbaut. „Durch den zentralen Steuerungsansatz und die Koordination der Achsen mit TwinCAT NC I ist eine präzise Positionierung < 1 cm möglich. Der Verzicht auf eine lokale Steuerung bringt aber auch Kostenvorteile mit sich, und die Windengehäuse können mit 60 × 60 × 20 cm sehr klein dimensioniert werden“, betont der Projektleiter. Dies kommt den in der Regel beengten Platzverhältnissen für technische Installationen in Theater- und Veranstaltungsräumen sehr entgegen.
„In dem ersten, beim WDR realisierten Projekt haben wir als Antriebslösung der 3D-Winden einen EtherCAT-Servoverstärker AX5000 mit integrierter Sicherheitstechnik und den Servomotor AM80xx mit OCT eingesetzt. In den Projekten, die wir in der Folge im Festspielhaus in Baden-Baden und im Sendesaal des Saarländischen Rundfunks in Saarbrücken realisiert haben, sind wir komplett auf die kompakte Antriebstechnik von Beckhoff umgestiegen. Dieser Wechsel funktionierte nahtlos, weil die Software über die verschiedenen Antriebssysteme durchgängig nutzbar ist“, erläutert Stefan List. Die Bedienung der Winden erfolgt webbasiert am Touch-Panel über eine Nutzeroberfläche, die für das Bühnenpersonal oder auch die Musiker einfach zu bedienen ist. Bis zu 200 Presets können eingespeichert und angefahren werden. Das Bedien-Panel kann entweder fest verbaut oder mobil genutzt werden; die Anbindung erfolgt drahtgebunden über LAN.
Komplexe Seilzugberechnung mit TwinCAT Kinematic Transformation
Die in Zusammenarbeit von Beckhoff und Salzbrenner Media entwickelte Software rechnet für die Fahrten der 3D-Winden die Raumkoordinaten in die Seillängen der Winden um und positioniert die Mikrofone so punktgenau im Aufnahmeraum entsprechend der jeweiligen Anforderung. „Je nach Aufführung bzw. Orchesterbesetzung werden die Positionen der Mikrofone angepasst“, erklärt Stefan List. Die steuerungstechnische Herausforderung besteht u. a. darin, dass die Winden unterschiedliche Seillängen einstellen müssen, um die Seile des Flugrahmens, auf dem die Mikrofone montiert sind, immer straff zu halten. Dies erfordert seitens der Steuerung sehr komplexe Berechnungen. „Durch eine von Beckhoff entwickelte Seilzugkinematik, welche Bestandteil der TwinCAT-Kinematik-Bibliothek ist, muss diese nicht mehr in der SPS gerechnet werden, sondern kann direkt aus TwinCAT NC aufgerufen werden. Dadurch vereinfacht sich die Programmierung deutlich“, wie Franz-Josef Klaus, Ingenieur für Applikationssoftware Motion Control bei Beckhoff, erklärt.
TwinSAFE für anspruchsvolle bühnentechnische Sicherheit
„Ein Alleinstellungsmerkmal der Mikrofonwinde MIC fly ist die Erfüllung der hohen DEKRA-Sicherheitsstandards, die für bühnentechnische Anwendungen gelten“, unterstreicht Stefan List. Die über dem Orchester bewegten Mikrofonwinden sind mit einem komplexen Sicherheitssystem ausgestattet: den programmierbaren Anlauf- und Abbremsrampen, der Schlaffseilsicherung, der Abspul- und Überlastsicherung sowie einer elektronischen Kabelüberwachung. „Mit der integrierten Sicherheitssteuerung von Beckhoff konnten wir hier eine sehr kompakte Lösung realisieren“, erläutert der Projektleiter weiter: „Sie besteht aus einer im Klemmenstrang angereihten 8-Kanal-TwinSAFE-Eingangsklemme EL1918 mit TwinSAFE Logic und dem EtherCAT-Koppler EK1914 mit integrierten digitalen Standard- und Safety-I/Os. Die Seilzugmessung, welche die Kraft direkt an der Leitung auf Minimum und Maximum überwacht, übernimmt ein Kraftsensor, welcher von der analogen TwinSAFE-SC-Eingangsklemme EL3356-0090 sicher ausgewertet wird. Die Drehzahlüberwachung an der Winde erfolgt über einen Inkrementalgeber, der über das TwinSAFE-SC-Inkremental-Encoder-Interface EL5151-0090 eingelesen wird.“ Durch den Abgleich des sicheren Drehzahlgebers mit der Drehzahl im Antrieb wird eine hohe Sicherheitsstufe realisiert. Die Übertragung der sicheren Signale erfolgt ebenfalls über EtherCAT, sodass nur ein Kabel zur Winde benötigt wird.
„Mit Beckhoff haben wir einen in Entertainment-Anwendungen jeder Größenordnung erfahrenen Partner an unserer Seite, dessen Systembaukasten über eine Vielzahl an relevanten Schnittstellen für die Branche verfügt. Salzbrenner Media realisiert ein breites Spektrum an medien- und bühnenspezifischen Anwendungen und wird in Zukunft sicher auch weitere Projekte mit Beckhoff-Technologie umsetzen“, so das Fazit von Stefan List.