Was bringt 2023 für Frequenzzuteilung und Wireless-Technik?
von Peter Kaminski,
Während viele Consumer-/Industrie-Wireless-Technologien eine massive Verbreitung erfahren, hängen die Funkstrecken von Event über Konzert bis Konferenz am Rockzipfel der TV-/Rundfunk-Frequenzen. Mit den dortigen Veränderungen schwindet dieser Sonderstatus – die Industrie arbeitet hinter den Kulissen bereits an kreativen Lösungsalternativen.
Die für „uns“ relevanten Drahtlosanlagen werden bei der Diskussion um die Aufteilung der verfügbaren Spektren unter „Programme Making and Special Events“ (PMSE) zusammengefasst. Ein Anlass, sich wieder auf das Thema der Frequenzaufteilungen einzustimmen, ist sicherlich die nächste World Radio Conference (WRC), die ab 20. November 2023 bis Mitte Dezember in Dubai stattfinden wird. Auf der WRC wird über die weltweite Nutzung der „Ressource Radio-Spektrum“ in den drei Regionen der Internationalen Fernmeldeunion entschieden. Es werden aber auch zwischen den WRCs Treffen von Arbeitsgruppen und Konferenzen durchgeführt. Auf jeder WRC wird auch schon zum Teil die nächste inhaltlich und thematisch vorbereitet. Das Ganze ist also ein eher kontinuierlicher Prozess mit dem „Highlight WRC“, die alle vier Jahre stattfindet.
Was ist nun bei den Frequenznutzungsmöglichkeiten zu erwarten – und auch bei der technischen Entwicklung der PMSE-Systeme?
Da Radiowellen nicht vor Grenzen Halt machen, muss hier eine Koordination stattfinden. Kein Land kann auch einfach individuell ohne Koordination handeln. Wir möchten uns bei den folgenden Betrachtungen aber im Wesentlichen auf Europa beschränken, mit dem Fokus auf Deutschland und seine Nachbarn.
Schon seit einiger Zeit kommen in Deutschland nur noch Frequenzen für die PMSE-Übertragung zum Einsatz, die über eine Allgemeinzuteilung nutzbar sind. Darüber hinaus gibt es auch Bereiche, die lediglich noch theoretische Bedeutung haben – weil es dafür gar keine Endgeräte im Markt gibt. Daher lassen wir diese mal bei den Betrachtungen außen vor.
Im ISM/WLAN-Bereich von 2,4 und 5 GHz sind ebenfalls sehr viele private und semi-professionelle Audioanwendungen zu finden, auf die wir hier ebenfalls nicht weiter eingehen möchten.
Für kleinere Applikationen wie Kirchen, Seminare, Reportage-Teams kommen zum Beispiel die Bereiche 823 bis 832 MHz (Mobilfunk-Duplexlücke) sowie 863 bis 865 MHz (ISM-Band) infrage. Erster Bereich ist bis Ende 2025 befristet und letzterer bis Ende 2028. Bei dem aktuellen Status darf man von einer Verlängerung um mindestens zehn Jahre ausgehen. Weiter gibt es mit 1.350 bis 1.400 und 1.785 bis 1.805 MHz zwei weitere Bereiche für Drahtlosmikrofone bzw. Drahtlos-PMSE-Audiosysteme, die auch für den genannten Applikationsbereich interessant sind und genutzt werden. Ersterer ist gerade bis Ende 2032 verlängert worden, und der letztere läuft Ende 2025 aus, wobei auch dieser um weitere zehn Jahre verlängert werden dürfte. Diese vier Bereiche sind also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest mittelfristig gesichert, was die Investitionsentscheidung hier vereinfacht.
Für Veranstaltungen mit einer größeren Anzahl von benötigten Drahtlosstrecken wird im Wesentlichen der ebenfalls mittlerweile über eine Allgemeinzuteilung zugewiesene UHF-Bereich 470 bis 608 und 614 bis 698 MHz genutzt – oder besser gesagt mitbenutzt, denn hier sind ja auch noch andere Funkdienste vertreten, wie primär der Rundfunk mit DVB-T aber auch andere Dienste. Eine Koexistenz dieser Funkanwendungen hat sich über viele Jahre bewährt.
Legen wir den Fokus einmal speziell auf den UHF-Bereich, der ja in der Vergangenheit über die sogenannte „Digitale Dividende 1 und 2“ (eine Umschreibung für Frequenzbeschneidung und Zuweisung für die Nutzung durch den Mobilfunk) aus Sicht der PMSE-Anwender deutlich verkleinert wurde.
Die Verfügung zu diesem Frequenzsegment wurde über die Verfügung 99/2022 der Bundesnetzagentur im Jahr 2022 verlängert. Eine Fußnote bereitet da Sorgen, denn da heißt es, dass der Frequenzbereich auf der WRC 2023 hinsichtlich seiner künftigen Widmung untersucht wird (Originalzitat aus der Verfügung) und, dass eine Erwartungshaltung für die Nutzung nach 2030 mit der Frequenzzuteilung nicht begründet werden kann. Die Zuweisung ist auch lediglich bis 2030 verlängert worden und nicht wie üblich um zehn Jahre. Ursache ist hier auch schon die vorangegangene WRC, wo man schon beschlossen hatte, sich über die Nutzung dieses Frequenzbereichs Gedanken zu machen und ggf. Entscheidungen zu treffen.
Aber wie sieht es denn eigentlich mit der Nutzung des UHF-Frequenzbereichs durch PMSE aus? Dazu gibt es Untersuchungen, zum Beispiel von der Association of Professional Wireless Production Technologies (APWPT). Wenn man sich diese anschaut, dann kann man sagen: Der Bedarf an PMSE-UHF-Frequenzspektrum wird größer – bei abnehmender Verfügbarkeit.
Wer meldet denn da sonst noch Bedarf an dem UHF-Spektrum an, das bisher von PMSE mitgenutzt wird? Natürlich sind das primär die Mobilfunk-Anbieter. Die haben besonders an Frequenzen mit einer größeren Wellenlänge Interesse, um so nicht dicht besiedelte Gebiete besser erschließen zu können. Wenn man aber einmal betrachtet, was dort bisher von diesen Anbietern versprochen und dann letztendlich nicht umgesetzt wurde, dann muss man Zweifel an einem realen Bedarf anmelden. Jedoch haben die Mobilfunkbetreiber eine große Lobby, da es ja um ökonomische Aspekte geht. Eines ist zudem auch technisch klar: Eine Koexistenz von PMSE und Mobilfunk im gleichen Frequenzsegment ist lokal ausgeschlossen.
Es gibt aber auch weitere Dienste mit angemeldeten Ansprüchen. Einmal möchte das Militär die Nutzung erweitern. Zudem haben auch die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Ansprüche angemeldet. Der Aufbau des TETRA-Netzes ist ja weitgehend abgeschlossen, aber man möchte sich für Breitbandübertragungen rüsten. Da haben BOS schon im 700-MHz-Bereich Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen. Der Großteil ist bei der Digitalen Dividende II jedoch an die Mobilfunkbetreiber gegangen – so besteht Bedarf nach mehr Spektrum. Zudem kommt auch vom Flugfunk eine Bedarfsmeldung.
Sorge bereiten muss auch, dass der Bedarf des linearen Fernsehens generell und somit auch dessen terrestrische Ausbreitung im UHF-Band infrage gestellt wird. In einem Gespräch mit dem Spiegel gab SWF-Intendant und zukünftiger ARD-Vorsitzender Kai Gniffke dem linearen Fernsehen keine Überlebenschance. So eine Bewertung ist ja auch nicht aus der Luft gegriffen, wenn man sich das Medienverhalten junger Leute anschaut. Bisher hat man auch mit einem Nachfolger von DVB-T wie 5G-Broadcast argumentiert. Aber ob der potenzielle Nachfolger von DVB-T jemals auf Sendung geht, darf angezweifelt werden.
Ohne den Rundfunk im UHF-Band wird sich dann die Frage stellen, wie man dort noch PMSE-Drahtlosübertragungen durchführen kann. Eine Lösung könnte ein zugewiesener Bereich im UHF-Frequenzsegment sein. Aber dafür müssten dann effektivere Übertragungsverfahren zum Einsatz kommen, dazu später mehr.
Vor einer World Radio Conference positionieren sich die einzelnen Länder, um ihre gesteckten Ziele und Wünsche dann auf der Konferenz vertreten zu können. Da ist es immer interessant, sich diese Positionierung anzuschauen. Aktuell ist es so, dass sich die meisten europäischen Länder vorab für den Status „No Change“ einsetzen wollen – also keine Veränderung der Zuteilung an den Rundfunk, was auch gleichbedeutend ist mit dem Einfrieren des Status für PMSE-Anwendungen in dem Frequenzsegment. Man darf aber davon ausgehen, dass spätestens zu der nächsten WRC die Nutzung des UHF-Bandes für den Rundfunk infrage gestellt wird – und dass diese Initiativen immer massiver werden:
In der betreffenden Region 1, die Europa, Afrika und Russland auch mit dem asiatischen Teil abdeckt, gibt es immer wieder Stimmen, die diesen Bereich gerne dem Mobilfunkdienst zuweisen würden. Zum Beispiel aus afrikanischen und besonders arabischen Staaten, wo auch die TV-Nutzung des UHF-Bandes bei Weitem nicht so ausgeprägt ist wie in Zentraleuropa.
Wenn wir über die ITU-Region 1 hinausschauen, dann sieht man dort auch ernüchternde Tendenzen: So wurde in der Asien-/Pazifik-Region der Bereich ab 614 MHz dem Mobilfunk schon ko-primär zugewiesen. Indien hat Teile des 600-MHz-Bandes schon versteigert. In Australien ist dagegen gerade eine Diskussion um das 600-MHz-Band gestartet. In Nordamerika wird das 600-MHz-Band für Mobilfunk bereits genutzt, und Mexiko wird dieses Bandsegment für 5G-Mobilfunk öffnen.
Wie auch immer die Entscheidung der WRC 23 aussieht – klar ist, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen besser genutzt werden müssen. Es ist einfach unwahrscheinlich, dass die bereitstehen Frequenz-Ressourcen für den PMSE größer werden. Gleichzeitig muss mit einem weiterwachsenden Bedarf an Übertragungskanälen gerecht werden. Welche technischen Lösungen können hier also helfen, die Frequenzökonomie zu optimieren?
Bestimmte Dienste wie besonders Intercom-Anwendungen nutzen ja andere Standards und somit auch andere Frequenzbereiche. Beispielsweise DECT, wo auch kleinere Drahtlosmikrofonsysteme zu Hause sind, und 2,4 bzw. 5 GHz. Mit dem Standard DECT2020 ergeben sich hier auch neue Möglichkeiten für PMSE-Anwendungen. Diese werden aber den Bedarf nicht abdecken können. Der Mobilfunkstandard 5G bietet zwar eine kurze Latenz, wird aber nicht allen Anforderungen von PMSE-Audioübertragungssysteme gerecht. Hier muss man schauen, was dann der zukünftige Mobilfunkstandard 6G leistet – dies ist also auch kein direkter, kurzfristiger Ersatz.
Werfen wir daher einen Blick darauf, welche Lösungen die Zukunft der Drahtlos-Audioübertragung sichern könnten. Wenn wir bisher von PMSE-Funksystemen im UHF-Bandsegment sprechen, dann sind das analoge oder digitale Systeme, die pro Übertragungsstrecke einen Übertragungskanal mit einer bestimmten Bandbreite nutzen. Schon seit einigen Jahren gibt es aber einen technischen Report der ETSI (103 450), der sich mit dem Thema „Wireless Multichannel Audio System“ (WMAS) beschäftigt. Entgegen den bisherigen Systemen werden dabei, wie es der Name schon sagt, mehrere Audiokanäle breitbandig übertragen. Das kann zum Beispiel ein kompletter, 8 MHz breiter TV-Kanal sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in der Allgemeinzuteilung 99/2022 der BNetzA eine maximale Strahlungsleistung, aber keine Kanalbreite mehr festgelegt ist, sondern lediglich, dass die Betriebsfrequenz ein Vielfaches von 25 kHz betragen muss. Dass bedeutet, dass solche Breitbandsysteme auch unter heutigen Frequenzzuteilungen betrieben werden können. Die maximale ERP beträgt im UHF-Band laut BNetzA-Verfügung 99/2022 50 Milliwatt, also 17 dBm. Die übliche Kanalbandbreite analoger oder digitaler Systeme liegt ja bei ca. 200 kHz. Bei einer 6 MHz breiten Übertragung wären das in einem 200 kHz breiten Segment lediglich 2,2 dBm und bei einer 8 MHz breiten Übertragung ca. 0,97 dBm pro 200 kHz. Die spektrale Leistungsdichte sinkt also mit größerer Bandbreite. Das ist aber bei entsprechenden Modulationsverfahren kein Problem oder Hindernis.
Bei Schmalband-Systemen können sich derzeit bei Nutzung einer festen Frequenz je nach Position im Raum Auslöschungen am Empfangsort ergeben. Erfahrungsgemäß können das auch 50 dB und mehr gegenüber dem Normalpegel sein. Das muss man mit entsprechend zusätzlicher Sendeleistung auffangen. Wenn man aber die Informationen auf einen größeren Frequenzbereich verteilt, dann ist die Gefahr solcher Drop-Outs viel geringer, und die Übertragung ist robuster gegenüber derartigen Effekten.
Welche Möglichkeiten könnten denn solche Breitbandsysteme funktionell bieten? Ein Punkt wäre hier zum Beispiel die Duplex-Übertragung – aber nicht nur zusätzliche Steuerinformationen über einen Rückkanal mit geringer Bitrate, sondern auch Duplex-Audio-Übertragung. Das In-Ear-Monitoring oder einen Kommandokanal könnte man also gleich mit übertragen. In einem 8 MHz breiten TV-Kanal ließen sich bestimmt mehrere Dutzend Audiokanäle unterbringen.
Ein Problem bei den bisher eingesetzten Schmalband-Drahtlossystemen ist zudem, dass in der Praxis jeder mögliche Kanal bei einem Event auch aktiv, also „on air“ ist und somit permanent Frequenzspektrum beansprucht. Über ein ausgeklügeltes Management-System und neue Workflows könnte man sich vorstellen, dass einzelne Strecken in dem Multichanel-System in einen Hold-Status versetzt werden. Eine Strecke wäre zwar im System angemeldet, nutzt aber Frequenz-Ressourcen nur bei wirklichem Bedarf. Erst wenn sich beispielsweise einer der vielen Akteure beim Eurovision Song Contest in Richtung Bühne bewegt, würde der Kanal aktiviert und die Frequenz-Ressource genutzt. Gerade bei großen Events mit vielen Bands und Musikern sowie Moderatoren ist ein Großteil der Strecken gar nicht zu jedem Zeitpunkt in Benutzung – nimmt aber trotzdem Ressourcen in Anspruch. Dies würde man mit solchen zukünftigen Wireless-Multichannel-Audio-Systemen ändern können.
Das erfordert natürlich einen angepassten Workflow – auch mit neuen Software-Werkzeugen, sprich neuer Kanal-Management-Software. In einer bisher genutzten Frequenzmanagement-Software ließe sich das wohl nur schwer abbilden.
Wenn man sich den Report ETSI TR 103 450 näher anschaut, dann wird man schnell feststellen, dass die Beschreibung bewusst auch vieles offen lässt – auch was Audiokodierung, Modulation, Kanalkodierung und Multiplexing angeht. Hier sind keine exakten Vorgaben definiert. Das heißt: Es wird kein Standard sein, der eine Hersteller-übergreifende Kompatibilität gewährleistet. Jeder Hersteller kann seine eigenen Funktionalitäten implementieren. Diese werden natürlich auch vom individuellen Anwendungsfall, für den das Produkt kreiert wurde, abhängig sein.
Fakt ist aber, dass sich mit solchem Wireless Multichannel Audio eine ganz andere Frequenzökonomie umsetzen ließe. Nur: Kommen denn solche Systeme überhaupt auf den Markt, und wenn ja, wann wäre damit zu rechnen? Tatsächlich sind verschiedene Hersteller durchaus bereits an der Entwicklung solcher Systeme tätig. Wir denken, dass man in den letzten Jahren in den Entwicklungsabteilungen einiges an Arbeit geleistet hat und aufgrund der Situation des zunehmenden PSME-Kanalbedarfs und der möglichen weiteren Einschnitte bei den Frequenz-Ressourcen solche Systeme kommen müssen – und auch werden. Es würde uns nicht wundern, wenn wir vielleicht schon 2023 über solche Systeme von verschiedenen Herstellern berichten können.
Die persönliche Einschätzung des Autors vermutet, dass eine Entscheidung über weitere Frequenz-Ressourcen-Einschränkungen für den Rundfunk (und somit auch für Wireless-PMSE im UHF-Band unterhalb von 700 MHz) zwar noch um eine WRC vertagt wird. Sie dürfte damit verschoben, aber keineswegs aufgehoben sein. Eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Frequenz-Ressourcen für PMSE im UHF-Bereich wegfallen. Vielleicht läuft es ja in Zukunft auch langfristig auf ein UHF-Segment hinaus, welches mehr oder weniger exklusive dem PMSE bereitsteht. Die Koexistenz mit dem Rundfunk ist zwar eine lange Geschichte, aber leider keine Never-Ending-Story. Neue Systemansätze, wie Wireless Multichannel Audio, können helfen, in Zukunft mit geringeren Frequenz-Ressourcen auszukommen – und bieten zudem auch wieder neue Möglichkeiten.