Thomann Audio Professionell bietet als Systemhaus individuelle Installationen in den Bereichen Audio, Video, Licht und Medien. In den vergangenen 20 Jahren wurden beispielsweise Theater, Studios, Rundfunkprojekte, Konferenzräume oder Museen ausgestattet. Das Musikhaus entschied sich seinerzeit bewusst für die Gründung einer eigenen Abteilung für Systemintegration und Festinstallation. Ein Gespräch mit Abteilungsleiter Rolf Nebel über vergangene Projekte, den passenden Mitarbeiterstamm und die Herausforderung, Know-how im Video- und Medientechnikbereich aufzuholen.
Der Besuch im fränkischen Treppendorf, einem Gemeindeteil des 7.000-Seelen-Ortes Burgebrach mutet wie ein Ausflug in eine Altstadt an, direkt am Steigerwald. Kunstvoll ziselierte, farbenfrohe christliche Bildhauereien säumen einzelne Häuser, darüber hinaus vermittelt gut erhaltenes Fachwerk das Bild eines gepflegten wie traditionellen Dorfes, mit nahezu ungewöhnlich sauberen Straßen.
Das lokale Idyll wird gebrochen – oder bereichert, je nach Sichtweise – durch das Musikhaus Thomann, in Treppendorf mit rund 1.400 Mitarbeitern in mehreren großen Gebäuden ansässig. Hinter einem Verwaltungsgebäude, fast versteckt neben einer Ausfallstraße, befindet sich die Installationsabteilung „Thomann Audio Professionell“ bei einem Logistikzentrum.
Nebenan: Herbstliche Naturlandschaft und Wüste – besser: Baugrund, mit Maschinenpark. „Eine neue Verwaltung wird gebaut, das Service-Center ausgebaut, und das Ladengeschäft soll ebenfalls erweitert werden, drei Bauvorhaben für die nächsten zwei Jahre“, erklärt Abteilungsleiter und „Mastermind“ Rolf Nebel die örtlichen Gegebenheiten.
Dort, in dem kompakten Industriegelände mit Bürogebäuden, eigener Werkstatt und Lager sitzt Nebel mit seinen rund 20 Kollegen. Er plant und bereitet Projekte etwa für Theater, Studios, Konferenzräume, Clubs oder Museen vor. Als Systemhaus werden, so die Eigenbeschreibung, „individuell abgestimmte Konzepte in den Bereichen Audio-, Video-, Licht- und Medientechnik“ geboten. Die Abteilung feiert aktuell ihr 20-jähriges Jubiläum, zu bisherigen Projekten zählen lokale Theater in Göttingen oder Bamberg, Schulen, das Fraunhofer-Institut in Erlangen, die Messe Stuttgart, das Internationale Congress Centrum München, Firmen wie BMW, Mercedes-Benz, dazu Museen, etwa das Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt oder das Vulkanerlebnis Parkstein.
Warum hat sich Thomann für den Bereich Festinstallation entschieden? Nebel entgegnet: „Die ursprüngliche Frage war: Warum nicht auch eine Rental-Abteilung gründen? Thomann hatte davor im kleinsten Rahmen Verleih gemacht. Aber: Alle regionalen Verleiher waren unsere Kunden. Hätten wir damit professionell angefangen, hätten wir die Kunden verloren. Lieber wollten wir mit diesen Kunden wachsen. Dafür war es wichtig, Partnerschaften mit Herstellern für dieses Marktsegment einzugehen und zu pflegen. Diese Partnerschaften sind ein wichtiger Baustein für den Erfolg des Systemhauses – ohne die enge Beziehung beispielsweise zu d&b, L-Acoustics, Yamaha, Lawo, Meyersound oder Panasonic wären viele Projekte nicht denkbar. In den 1990er-Jahren haben etliche Musikalienhändler nebenher Verleih gemacht, aber in der Regel litten beide Geschäftsfelder darunter: Du nimmst Geräte, die du im Einzelhandel hast, auf die Schnelle in den Verleih.“ Dadurch baue man keine „echte“ Verleihstruktur auf, erklärt Nebel, das Unternehmenskonzept sei völlig anders. „Das wollten wir nicht, daher sind wir in das Segment gar nicht erst eingestiegen.“
(Bild: Nicolay Ketterer)
Nebel ist seit 1993 bei Thomann. „Davor habe ich als Entwicklungsingenieur bei Soundlab Veranstaltungstechnik in München gearbeitet und hatte nebenbei ein eigenes Studio, auch einen kleinen Verleih.“ Das Studium der Nachrichtentechnik (FH) begann er „spät“, wie er sagt, für einen Titel, mit dem er auch in der Industrie arbeiten können würde. Im eigenen Studio betrieb er analoge Mehrspurmaschinen synchron, modifizierte sein Pult selbst.
Für den Bayerischen Rundfunk nahm er Eigenentwicklungen vor. Schließlich zog es ihn privat nach Bamberg. „Ursprünglich wollte ich bei Thomann in der Studioabteilung anfangen, die übernahm bereits Georg Biberger, der ‚dienstälteste‘ Mitarbeiter, der seinerzeit mit Hans Thomann auf die Technikerschule ging. Hans hatte sich um Beschallung gekümmert und schlug mir den Bereich vor.“ In den ersten Jahren baute Nebel die Beschallungsabteilung auf. „Bei meiner letzten Anstellung bei Soundlab in München hatte ich bereits mit etlichen Club-Installationen zu tun. Hans und Georg hatten zuvor schon Installationen durchgezogen – zum Beispiel die Stadthalle in Langen, was über Bose kam, dazu regionale Projekte.“
Er hatte ein Faible für Kunden, „die nicht nur Technik mitnehmen, sondern ein System brauchten“, erklärt Nebel. „Davon fühlte ich mich über die Jahre immer mehr angesprochen. 1999 meinte ich zu Hans, ich würde gerne aus dem klassischen Tagesgeschäft im Laden raus, er meinte, ich sollte mich mit Georg zusammentun. Der hatte im Studiobereich das gleiche Problem – die Kunden wollten mehr Einbauten und Installationen, was im Ladengeschäft nicht mehr zu leisten war.“
Die beiden hatten zu Beginn einen Monteur, der von einem Wettbewerber kam, zugebucht, dazu ein kleines Team an freien Mitarbeitern. Im gleichen Jahr kam das erste große Projekt, die Stadthalle in Göttingen, sie markiert nachträglich den Beginn der Installationsabteilung. Das Projekt erreichte sie über zufälligen Kontakt zum Planungsbüro in Göttingen, moderne Elektro-Akustik sollte installiert werden. „Wir legten Angebote, bekamen den Auftrag – das war eine Herausforderung, da wir noch keine Installationsmannschaft hatten, sondern den Auftrag ‚aus dem Laden heraus‘ bewältigten,“ erinnert sich Rolf Nebel schmunzelnd.
„Du fährst bei solchen Installationsaufträgen ja nicht in der Früh hin und kommst abends wieder zurück. Natürlich war es komplizierter als gedacht: Wir sind mit dem Verleiher-Gedanken hingegangen, dass ein paar Lautsprecher aufgehängt, Kabel verlegt, Endstufen und Mischpult positioniert werden müssen – passt schon! In der Installation läuft das anders: Der Elektriker hat vielleicht anders gearbeitet als gedacht, die Kästen passen nicht immer an die geplante Stelle – und so weiter.
Das war mühsam; bei einer knallharten betriebswirtschaftlichen Betrachtung wären wir mit Manpower und Fahrtkosten etwa bei null herausgekommen, vielleicht sogar eine rote Null. Das war trotzdem spannend, das Feedback vom Kunden war sehr gut, auch die Referenz war hilfreich.
Kein halbes Jahr später bekam das Planungsbüro den Auftrag für das Göttinger Theater. Das war aufwendiger, der Theaterbereich ist viel anspruchsvoller, dort kam eine große Yamaha PM1D-Konsole rein – allerdings half uns bereits die Erfahrung. Danach ging es Schlag auf Schlag.“
„Speziell im Theater-Installationsgeschäft spielt der Sonderbau – Konstruktionen, Halterungen, Anschlusskästen – eine große Rolle. Du kannst keine Komponenten von der Stange abarbeiten – das passt praktisch nie genau und muss modifiziert werden, dafür wäre eine eigene Metallverarbeitung notwendig.“ Die Problematik sei den Platzverhältnissen in den Theatern geschuldet. „Bei manchen alten Theatern passt der Anschlusskasten nur zwischen zwei Rohre: Wenn 40 XLR-Anschlüsse drauf müssen, muss der Kasten schmal und lang sein – oder breit, er kommt vielleicht unter die Bühne, allerdings so montiert, dass sich Staub und Dreck nicht darin ablagern.“ Bei dem Thema fällt ihm das Schauspiel Köln als spannendes aktuelles Projekt ein. „Das hätte vor zwei Jahren fertig sein sollen, dann wurde der Bau gestoppt – die Generalsanierung betrifft auch Brandschutz, Lüftung und Klima. Ein Betonbau wurde damals nicht mit einem Raumvolumen plus 50 Prozent gebaut, sondern so, dass es passte. Die Lüftungsrohre fanden keinen Platz, daher kollabierte das Projekt zunächst.
Jetzt wird eine alte Planung von 2015 umgesetzt, die wir heute so nicht mehr machen würden: Noch konservativ geplant, mit unglaublich vielen Multicores, Berge an Kabeln. Das wird so bis 2023 zu Ende gebaut, weil sich das Konzept aus politischen und finanziellen Gründen nicht mehr komplett ändern lässt. Was ich sagen will: Früher wurde noch viel mit Multicore analog gearbeitet, mittlerweile legst du eine großzügige CAT- und IP-Infrastruktur rein.“
„Zu Beginn waren wir stark auf Theatertechnik fokussiert, weil dort professionelles Material gebraucht wurde. Dann kam im Theater immer mehr der Videobereich hinzu. Wir mussten uns diesem Thema annehmen – wie funktioniert Video überhaupt? Vieles lief noch analog über VGA, das befand sich gerade im Umbruch. Nach und nach kam SDI, irgendwann HDBaseT – Videobild über Cat. Die Theater-Ansprüche bestanden auch in komplexeren Visualisierungen, also musste über Videokreuzschienen ein kleines Videomischpult eingebunden werden. Dazu kam der Überwachungsbereich: Dirigenten-, Totalenkamera und so weiter.“
Nebel fährt fort: „Als wir in dem Bereich fit waren, lag der Gedanke nah, auch in den Konferenzbereich zu gehen. Für Industriekunden ist eine Steuerung zwingend notwendig – wir mussten uns mit AMX und Crestron auseinandersetzen. Bei AMX war der Zugang einfacher, Crestron schützte die vorhandenen Händler stark. Wir haben erst AMX-Projekte gemacht, unsere Leute entsprechend ausbilden lassen. Allerdings hat AMX über die Zeit unserer Meinung nach im Markt nachgelassen, in Ausschreibungen wurde immer öfter Crestron gefordert. Irgendwann begann Crestron eine Testphase mit uns, nach einem halben Jahr waren wir dabei. Der Hersteller wurde allerdings durch eine Übernahme mittlerweile umstrukturiert, und der Markt verändert sich.“
Mittlerweile finden laut Nebel fast die Hälfte der Projekte der Installationsabteilung im Corporate-Bereich statt, mit Steuerungen, Projektion und Displays. Insgesamt wickelt Thomann Audio Professionell gut 100 Projekte im Jahr ab, so Rolf Nebel, „das hängt allerdings von der Definition ab – sobald ich mit zwei Monteuren einen Tag rausfahre, ist es eigentlich ein Projekt, so gesehen wären es noch mehr. Wir versuchen auch, ein, zwei Mal im Jahr ein Projekt im siebenstelligen Bereich zu machen.“
„Früher haben wir mehr große Projekte gemacht, allerdings ist die Timeline am kritischsten: In der Ausschreibung sind Baubeginn und Bauende klar definiert. Du gehst sportlich ran, versuchst den Auftrag zu holen, weil er gut in deinen Zeit-Slot passt. Was passiert? Die Abwicklung findet drei Monate später statt, weil etwas anderes nicht funktioniert hat. Für die Zeit nach dem ursprünglichen Ende hast du allerdings ein anderes Projekt eingeplant. Das hat uns jedes Mal Stress bereitet. Termindruck lässt sich nicht dauerhaft auf dem Rücken der Mitarbeiter ‚rocken‘. Das macht ein Mitarbeiter ein, zwei, drei Jahre mit – irgendwann ist er raus, weil er das nicht braucht! Da macht auch die Familie Druck. Mit langjährigen, gut geschulten Mitarbeitern kann man sich das in der heutigen Zeit nicht erlauben.“ Unter den aktuell 20 Mitarbeitern befinden sich Techniker und Monteure, Projektleiter, Vertrieb und Assistenz, zur Betreuung der Rental- oder Theaterbranche, die jeweils eine eigene Ansprache benötigen. Die Aufteilung schließt indes Überstunden unter Termindruck nicht aus. „Wir sind mit unserem Gewerk leider oft die letzten – wir können erst rein, wenn einigermaßen Staubfreiheit herrscht, müssen aber auf jeden Fall zum Eröffnungstermin fertig sein. Oft rückt der Zeitpunkt der Staubfreiheit nach hinten, am Eröffnungstermin wird in der Regel nicht gerüttelt. Die Leute sind in der Werkstatt teilweise sehr gefordert – aber nach dem Projekt muss man den Leuten die nötige Luft geben, um sie nicht zu verheizen. Da passen wir mittlerweile auf.“
Die Größenordnung von etwa 20 Mitarbeitern ist seit 2014 konstant. „Nach dem Dreier-Team der ersten beiden Projekte in Göttingen haben wir unseren Personalstamm sukzessive aufgestockt. Das war teilweise etwas holprig, denn: Veranstaltungstechniker haben wenig oder keine Ahnung von Installation, Elektriker kennen sich umgekehrt nicht mit Veranstaltungstechnik aus. Du kannst also niemanden einstellen und erwarten, dass er in drei Monaten auf 100 Prozent läuft – es sei denn, er kommt vom Wettbewerber. Die Mitarbeiter müssen ständig weitergebildet werden, gerade im Zusammenhang mit dem Einzug von IT-Technologien in die AV- und Veranstaltungstechnik.
Ich bin auch stolz auf das Know-How, das wir in der Abteilung bündeln und auf die Mitarbeiter, die sich dieses Wissen erarbeitet haben. Das betrifft die Techniker, Projektleiter genauso wie die Vertriebskollegen und -kolleginnen. Wir fingen auch an auszubilden, was wir nach einer kurzen Lücke wieder machen. Irgendwann hatte sich das Personal zwischen 18 und 22 Leuten eingependelt. Mit der Größe lässt sich praktisch immer eine gute Auslastung garantieren, auch große Projekte sind machbar, ohne Gefahr zu laufen, bei einem verschobenen Projekt plötzlich Leerlauf zu haben.“
„Was man auch im Install-Geschäft lernt: Der Schwerpunkt liegt nicht darin, eine komplette Show technisch abwickeln zu können, sondern darin, im Sinne eines Installateurs oder Integrators ein System in ein Haus zu bekommen: Dabei sind Leitungswege und Anschlusspunkte viel entscheidender als das spätere Bedienen der Gerätschaften. Der Nutzer muss die Show fahren, nicht wir. Wir müssen ihm das Werkzeug in die Hand geben, sodass alles spielt. Für manche Mitarbeiter, die zu uns kommen, ist das etwas enttäuschend: Die denken, sie kommen zum Bereich Installation und erleben die große Bühnen-Show. Die sehen wir vielleicht beim Eröffnungsfest, haben aber ansonsten mit dem Show-Betrieb nichts zu tun.
Generell brauchen wir Elektriker mit Ahnung von Veranstaltungstechnik – das können auch Veranstaltungstechniker sein, die eine zusätzliche Ausbildung im Bereich Elektrik haben. Gerade bei kleineren Anlagen wie in Schulen gilt: Die Techniker, die das Material installieren und in Betrieb nehmen, machen auch Schulungen für die Nutzer. Sie müssen ein Mikro ordentlich einstellen können und so weiter.“
Nebel erinnert sich an ein großes Projekt für Adidas: „Wir haben 2018 deren ‚Kantine‘ gemacht, die aus drei Veranstaltungssälen besteht, mit riesigen Display-Walls. Da brauchst du einerseits hohe Videokompetenz und auch entsprechende Kompetenz im Beschallungsbereich. Zwar sind viele Planungsbüros vorgelagert, allerdings planen sie teilweise ‚theoretisch‘, sodass in der Praxis Anpassungen nötig sind. In dem Fall schätzt der Kunde, dass das Personal die Anlage auch in Betrieb nehmen kann. Das ist für uns wichtig, weil wir zeigen können: Die Anlage funktioniert wie gedacht. Daher versuchen wir nach Möglichkeit immer, die Erstveranstaltungen mit unserem Fachpersonal mit zu betreuen. Das nimmt der Kunde meist gerne an.“
In Schulen übernimmt Thomann Audio Professionell beispielsweise die Modernisierung der Aula-Beschallung. „In dem Bereich sind wir vorwiegend regional unterwegs, bis auf die Regionalschule Oldenburg, die zufällig reinkam. Gerade in Bayern existiert ein Finanzierungsprogramm – wird eine Schule renoviert, soll die Aula ‚musiktauglich‘ werden: Die Schulband, der Musikunterricht und die Theater müssen sich mit Licht und Ton präsentieren können. Mittlerweile existieren auch professionelle Ansprüche. Das Klientel, das die Technik in Betrieb nimmt, sind oft Lehrer, die weniger von der technischen Seite kommen. Daher besteht der Anspruch im After-Sales, die Leute an die Hand zu nehmen; du telefonierst im ersten Schuljahr sicher noch zehn Mal oder schickst nochmal jemanden vorbei.“ Zur Bedienung seien oft Parallelstrukturen vorhanden: „Zum einen ist eine klassische Veranstaltungstechnik verbaut, für die je ein Ton- und Lichttechniker notwendig ist. Im Hintergrund läuft beispielsweise auch eine Crestron-Mediensteuerung mit zwei Touch-Panels. Braucht beispielsweise der Direktor für einen Elternabend ein Mikrofon, kann der Hausmeister das Signal einschalten.“
Zu Museen im Installationsportfolio zählen beispielsweise die Porzellanwelten Leuchtenburg oder das Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt (siehe Professional System Ausgabe 6/2009). „Da finden viele Sonderinstallationen statt: Aufbauten müssen sozusagen ‚vandalensicher‘ sein, ein Touchscreen muss verbaut werden. Man arbeitet eng mit den Kulissenbauern zusammen. Das ist am Ende des Tages betriebswirtschaftlich schwierig – wenn man nicht dranbleibt, will man jedes Mal das Rad neu erfinden.“ Er erinnert sich an das Museum Vulkanerlebnis Parkstein, in der Oberpfalz. „In einem Saal mit mehreren Galerien bricht zur vollen Stunde ein Vulkan aus – es rumpelt ordentlich und wird etwas warm. Dort haben wir entsprechende Beschallung, interaktive Displays und Stelen verbaut. Der Auftrag kam ursprünglich über das Lichtkonzept. Ein Museum ist heute anspruchsvoll, der Kunde erwartet etwas. Eigentlich bräuchte es dafür eine eigene Abteilung: Alle halben Jahre geht unser Werkstattchef durch die Regale und sortiert aus – bei den Museumsaufträgen finden sich meist die größten Kisten mit Restmaterialien.“
Auch mehrere regionale Kirchen wurden von der Installationsfirma betreut. Kirchenbeschallung – das erinnert an das akustische „Grauen“ der 1980er-Jahre, mit der gefühlten Klangästhetik eines alten Telefons. „Das sind heute immer noch Zeilen, aber sie klingen besser. Aus technischer Sicht bieten sie sich an: Eine Schallquelle, die sich vertikal ausdehnt, hat den Vorteil, dass sie den Schall in der Richtung bündeln kann: Die Zeile ist schmal und lang, sie beschallt sehr breit, allerdings nicht über ihre Länge hinaus. In der Kirche möchte ich nach Möglichkeit den großen Raum nicht unnötig anregen.“ Die Ansprüche in Kirchen hätten sich mittlerweile verändert, erzählt er:
„Sprachverständlichkeit muss gewährleistet sein, aber es muss auch mal eine Band drüber spielen können. Die ‚schrecklich‘ klingenden Zeilen, die man von alten Kirchen mit großen Nachhallzeiten kennt, sind nicht die schlechtesten Konzepte. Der Nachhall einer Kirche ist im Bassbereich um ein Vielfaches höher als im Mitten- und Hochtonbereich. Daher nimmt man in den Zeilen unter 300 oder gar 500 Hz alles heraus, so bleibt relativ gute Sprachverständlichkeit erhalten – in den meisten Kirchen geht es primär darum. Wir bauen moderne Anlagen für teilweise viel Geld ein. Dann kann es passieren, dass alte Herrschaften, die seit 50 Jahren in die Kirche gehen, sich wundern: „Das klingt schön bei Musik, aber ich verstehe nichts mehr!‘“
Davor waren überall kleine Zeilen gehangen, derjenige saß bewusst jedes Mal an der gleichen Stelle, in der Nähe eines Lautsprechers. Den interessiert auch kein Bühnenbezug, sondern er will den Pfarrer verstehen. Ein Hörgerät tut sich ebenfalls einfacher mit dem begrenzten Signal.“ Schlicht eine amtliche Beschallung vorne aufzuhängen, sei oft nicht der richtige Weg, so Rolf Nebel. „Man muss vor allem versuchen, im Vorfeld alle Beteiligten ins Boot zu holen. Neue Beschallungen werden oft von den Gemeindemitgliedern initiiert, die wollen eine Veränderung und sammeln Geld. Einer von ihnen ist vielleicht technisch versiert, der versucht, eine Ausschreibung zu machen. Manchmal ist derjenige auch Musiker, er stellt sich eine typische ‚Musiker-Beschallungsanlage‘ vor. Dann muss man mit dem Kunden gemeinsam versuchen, ans passende Ziel zu kommen, denn: Sind die 20.000, 30.000 Euro ausgegeben, wird es die nächsten Jahre dafür kein Geld mehr geben. Das muss passen.“
Das Thema Sprachverständlichkeit ist indes normiert: „Generell spricht man noch von einer guten Sprachverständlichkeit, wenn diese über 10 Prozent Alcons („Articulation Loss of Consonants“; d. Red.) liegt, die älteste Einheit zur Messung der Sprachverständlichkeit. Das heißt, 10 Prozent der wichtigen Vokal-Konsonantenkombinationen werden wahrscheinlich verstanden. In fast allen Ausschreibungen von Plätzen wird beispielsweise eine Sprachverständlichkeit von 7 Prozent Alcons gefordert – oder ein STI-Wert von 0,6, der modernere Sprachverständlichkeits-Index.“ Die Messung der Sprachverständlichkeit findet durch unterschiedliche Verfahren statt. „Das aussagekräftigste: Ein normierter Rundlautsprecher aus einzelnen Kleinlautsprechern wird an das Mikrofon zur Sprachbeschallung gestellt, mit 20 Zentimeter Abstand. In der Regel gibt man einen Test-Impuls darauf, alternativ kann auch mit Rauschfenstern gearbeitet werden. In verschiedenen Positionen im Raum wird die Impulsantwort herausgerechnet.
Aus dem Signal, das über die Signalkette noch übrigbleibt, wird über normierte Berechnungen die Sprachverständlichkeit ausgerechnet. So kompliziert machen wir’s meist nicht – wir geben den Testimpuls direkt auf die Beschallungsanlage, ohne den Weg über das Mikrofon. In normaler Umgebung ist das völlig korrekt. Die Beschallungsanlage gibt den Impuls wieder, und wir messen an unterschiedlichen Stellen. Davor wird die Anlage gemessen und ‚glattgezogen‘ – der Frequenzgang hat naturgemäß gerade im Präsenzbereich zwischen 1.000 und 5.000 Hz großen Einfluss auf die Verständlichkeit. Wenn Delay-Lines im Einsatz sind, ist das nicht unkritisch, da sie je nach Lautsprechertyp leider nicht nur in eine Richtung, sondern im Grundtonbereich auch rückwärtig strahlen. Dadurch wird die Sprachverständlichkeit in dem Bereich in Mitleidenschaft gezogen: Ist die Schallfläche kleiner als die halbe Wellenlänge, kann man davon ausgehen, dass sie in dem Frequenzbereich ein Kugelstrahler ist.
Ein Acht-Zoll-Lautsprecher strahlt bei 500 Hz noch kugelförmig ab, den Schall habe ich also auch in der falschen Richtung, dazu noch verzögert. Inzwischen existieren alternativ auch Zeilenlautsprechersysteme, die über den gesamten Frequenzbereich gerichtet abstrahlen. Müssen Delay-Lautsprecher aus baulichen oder optischen Gründen kleiner sein, cutten wir sie einfach unter 300 Hz, sodass sie keinen ‚Störschall‘ produzieren. Um Sprache nach hinten zu transportieren, reicht das völlig, weil der Druck der Tiefmitten und Bässe von der Hauptbeschallung vorne kommt. So verhindern wir auch, dass die Sprachverständlichkeit nach vorne zu sehr leidet. Wer drei Meter in der falschen Richtung vor dem Delay-Lautsprecher sitzt, spürt das zwar nicht bewusst, aber: Schaltet man die Delay-Line ab, findet er das Ergebnis besser.“
Systeme zur Nachhallzeitverlängerung werden bei herkömmlichen Veranstaltungsräumen mittlerweile immer mehr gewünscht, meint Rolf Nebel. „Im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau haben wir in deren großen Saal eine künstliche Nachhallverlängerung integriert, ein Müller-BBM Vivace-System. Das lässt sich nicht immer leicht vermarkten: Für einen Lautsprecher kann ich schnell eine Demo machen, sodass die Unterschiede hörbar werden. Eine Nachhallverlängerung lässt sich schwer demonstrieren. In unserem großen Konferenzraum haben wir ein Yamaha AFC30-System verbaut, mit Nachhall und Voice-Lift-System, was die Sprache anhebt, ohne Redner direkt mikrofonieren zu müssen. Das funktioniert recht gut.“
Mittlerweile seien neben Beschallungssystemen mit künstlicher Nachhallzeit-Verlängerung auch 3D-Anlagen gewünscht. „In einem Theater oder einer modernen Veranstaltungshalle möchte man den Nachhall beeinflussen können, und auch Sound in 3D oder als Multi-Panning realisieren können. Das lässt sich ideal kombinieren: Wenn ich für ein Thema etwas verbaue, kann ich das andere ebenfalls integrieren. 3D und ‚Immersive Sound‘ lassen sich dem Kunden im Vorfeld wesentlich besser verkaufen – bei d&B existiert ein guter Showroom, bei L-Acoustics in Frankreich ebenfalls. Bei Nachhall entsteht hingegen Unsicherheit beim Kunden, ob das bei ihm auch so funktioniert. Im Grunde kauft er die Katze im Sack. Man kann vorher simulieren, hat Erfahrungen, aber man kann das Ergebnis nie exakt voraussagen.
Viele Theater laborieren schon seit Jahren an dem Thema – die finden es im Showroom ganz gut, fragen sich aber, wie es bei ihnen mit den vorhandenen Rängen klingen wird. Aufgrund der Berechnungen gehen wir von einem guten Ergebnis aus, aber sie haben Hemmungen, da sie einen Betrag im unteren sechsstelligen Bereich in die Hand nehmen müssten.“
Bei Generalsanierungen oder Neubauten sei das leichter zu vermitteln. „Theater werden heute nicht mehr ohne Nachhallverlängerungs- oder 3D-Sound-Konzept gebaut. Das wird vielleicht noch nicht zu Ende gebracht, aber die komplette Verkabelung verlegt. Nachhallverlängerung ist, gut gemacht, auch für eine Stadthalle wirtschaftlich interessant: Die Halle wird etwas trockener gebaut, sodass sie sich für Populärmusik oder Tanzveranstaltungen gut eignet. Bei unverstärkter Kammermusik kann man den Hall auf zweieinhalb Sekunden verlängern.“ Wie gut das funktioniert, hänge davon ab, ob der Raum grundsätzlich akustisch in Ordnung ist. „Je gleichmäßiger der Raum bereits übers Hörspektrum klingt, desto leichter lässt er sich verlängern – bei großen Verbiegungen tut man sich schwer. Bei 3D-Sound kann ich noch eher mit Entzerrung arbeiten.“
Im Bereich Videokonferenzen verändere sich der Markt ebenfalls, beobachtet Rolf Nebel: „Skype wird besser, viele IT-Geräte können bereits so viel, dass der Kunde keine zusätzliche Hardware mehr kaufen muss. ‚Skype for Business‘ funktioniert, auch mit internen Mikrofonen in Notebooks lässt sich grundsätzlich arbeiten.
Es hakt nur daran, dass der Kunde viele Einzelanwendungen bedienen muss. Davor scheuen sich manche und geben Touch-Panels in Auftrag: Ein Bedienfeld mit vier Tasten, das Geräte wie Beamer umschaltet – ein Click-Share-System, überall dasselbe Bedienkonzept mit einer kurzen Anleitung. Alles andere ist – zum Glück für uns – noch etwas kryptisch. Du brauchst heute eigentlich kein Touch-Panel mehr. Die meisten Webbrowser können bereits unglaublich viel. Bei komplexeren Konferenzräumen mit mehreren Projektoren oder Displays wird noch eine Hardware-Kreuzschiene gebraucht, mit der Videosignale verteilt werden. Mittlerweile wird Video immer mehr über IP verschickt: Ich brauche keine Video-Hardware mehr, mein Netzwerk ist praktisch mein Sternpunkt. Dort werden lediglich Displays und Quellen aufgehängt, dazu eine Software, die das managt. Wir als Systemhäuser müssen aufpassen, dass uns die IT-Branche den Bereich Videoübertragung nicht wegnimmt. Den Videobereich können sie noch nicht so gut, und sie wollen nichts mit Videokreuzschienen zu tun haben. Der Markt wird sich auf jeden Fall verändern. Wir können kein IT-Systemhaus werden, das Know-how lässt sich gar nicht so schnell aufholen.“
Unter den bisherigen Projekten hat ihn beispielsweise die Messe Stuttgart besonders beeindruckt, bislang auch das finanziell größte Projekt: Ein Konferenzblock einer großen Halle, dreiteilig aufgebaut, dazu zehn aufteilbare Konferenzräume – vier große Lawo-Konsolensysteme wurden verbaut, d&b-Material, dazu die Steuerung. „Ein sehr komplexes Projekt, das sehr schön wurde.“ Nebel weiter: „Wir machen auch einiges für die Industrie, bei einem Hersteller zum Beispiel im Forschungsbereich. Dort haben wir in Zusammenarbeit mit einem Wissenschaftler eine immersive 3D-Sound-Simulation in einem Fahrzeug installiert: 120 Lautsprecher, unsichtbar verbaut in einem speziellen Fahrzeug-Musterbau, um Innengeräusche ‚virtuell‘ zu testen. Das Ergebnis ist beeindruckend: Damit werden Fahrgeräusche und eingebaute Gerätschaften wie Fensterheber simuliert. Für jedes bewegte Bauteil im Auto existieren Akustikdaten, wodurch innerhalb einer Software Fensterheber und Windgeräusch, Blinker, Motorengeräusch, Vorbeifahrgeräusch und alles andere simuliert werden können.“
Das sei für die akustische Fahrzeugentwicklung relevant. „Die Automobilindustrie sind besonders anspruchsvolle Kunden, aber das Projekt ist sehr spannend. Im Auto sitzt du naturgemäß nah an den Lautsprechern. Durch die vielen Lautsprecher wurde das Grundrauschen hörbar – dem konnten wir mit sehr hochwertigen Endstufen begegnen, die wir zusätzlich in der Ausgangssektion modifizierten.“
An die Hochschule für Musik in Nürnberg erinnert er sich ebenfalls gerne zurück. „Musikhochschulen bilden einerseits musikalisch aus, haben gut klingende Räume und – je nach Personal – auch sehr hohe Ansprüche an Produktionstechnik.“ Das sei in Nürnberg der Fall, mit kompletter Anbindung an ein Studio mit alter 19-Zoll-Technik. Das Studio hatten sie 2017 eingebaut. „Der Strom ins Studio musste neu verlegt werden, um Brummfreiheit zu erreichen, viele Themen mussten im Vorfeld abgeklärt werden. Was mir persönlich immer gefällt: Wenn danach ein Anwender mit Liebe und Begeisterung damit arbeitet, es nicht bloß als Werkzeug sieht, sondern daran Freude hat.“ Undankbar für alle Beteiligten sei hingegen oft, wenn die Technik-Crew beim Bau einer Halle noch nicht feststeht: „Vier Wochen vor Eröffnung wurde das Personal eingestellt, die sehen dann das erste Mal das Ergebnis. Wir bauen nach Ausschreibung, die Crew ist vielleicht enttäuscht.“ Er beruhigt dann, das seien die Mechanismen der Ausschreibung, aber nach der Abnahme lasse sich manches noch passend verändern.