Einrichtungen im Besitz der öffentlichen Hand sind auch bei Medienprojekten an klare Richtlinien gebunden: Öffentliche Ausschreibungen sollen Kungeleien verhindern und die optimale Umsetzung garantieren. In Bezug auf letzteren Aspekt hat bereits die Gestaltung der Ausschreibung dabei entscheidenden Einfluss.
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Wenn Einrichtungen der öffentlichen Hand wie staatliche Hochschulen, Bibliotheken oder Museen Projekte realisieren wollen, müssen diese ab einem gewissen Finanzvolumen ausgeschrieben werden. Auch die Art der Ausschreibung – beschränkt, national oder europaweit – ist festgeschrieben. So soll der Wettbewerb gefördert werden: Unternehmen sollen nach ihren Fähigkeiten und nicht nach ihren Verbindungen öffentliche Aufträge bekommen. Das ist prinzipiell ganz gewiss eine gute Sache.
Also wird in einer Ausschreibung genau dargelegt, was zu tun ist und jeder Bieter sagt, was es kostet, wenn er den Auftrag durchführt. Alles standardisiert, transparent, übersichtlich. Was aber etwa für die Betonsanierung in einem Hallenbad gut funktionieren kann, stößt bei der Ausschreibung medientechnischer Einrichtungen rasch an Grenzen. Im Gespräch erläuterte Jürgen Kössinger, Geschäftsführer der Wireworx GmbH, einige der Herausforderungen bei Medientechnik-Ausschreibungen.
Herausforderungen an die Ausschreibung
Was macht die besondere Herausforderung bei Medientechnik-Ausschreibungen aus?
Jürgen Kössinger: Da gibt es verschiedene Aspekte. Ein Grundproblem besteht sicher darin, dass die Medientechnik gar nicht als eigenes Gewerk ausgewiesen ist. Das klingt banal, zieht aber Probleme mit unterschiedlichen Regelungen und Vorschriften nach sich, die ich hier gar nicht im Detail erläutern will, Insider kennen etwa die Problematik in Bezug auf die Regelwerke VOB, VOL und HOAI. Ein anderer Aspekt besteht darin, dass gerade in der Medientechnik, die sich rasch wandelt und wo komplexe Einrichtungen installiert werden, Ausschreibungen teilweise unverhältnismäßig verkompliziert werden, wenn man die Vorgaben, die für Ausschreibungen der öffentlichen Hand gelten, Wort für Wort umsetzen will.
Welche Regelungen sind denn in der Ausschreibungspraxis schwierig umzusetzen?
Jürgen Kössinger: Teilweise werden Geräte oder Funktionen umständlich umschrieben, weil man eigentlich keine konkreten Produkte nennen darf. Das macht die Sache für den Fachplaner, der die Ausschreibung erstellt, unnötig kompliziert, aber genauso auch für den Bieter. Gerade in der Medientechnik ist es für beide Seiten viel leichter und verständlicher, wenn man ein Leitfabrikat nennt und mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ klar macht, dass es nicht dieses konkrete Fabrikat sein muss, sondern eines, das vergleichbare Eckdaten bietet. Dann wissen beide Seiten ohne große Mühe, worum es geht. Leider gab es aber einige Gerichtsverfahren, in denen um die Ausschreibung mit Leitfabrikaten gestritten wurde. Die hierbei ergangenen Urteile haben diese Vorgehensweise quasi verboten.
Ein Ausweg aus dieser Situation besteht darin, dass von der Behördenseite Standard-Leistungsbücher mit Standard-Sets vorgegeben werden. Elektroplaner sind dann etwa verpflichtet, die Standard-Beschreibungen für eine Steckdose zu verwenden, keine eigenen Texte. Das ist aber beim raschen technischen Wandel und der Komplexität der Einrichtungen in der Medientechnik nicht praktikabel und kaum analog umsetzbar. Also muss man, wenn man eine für beide Seiten klare und leicht verständliche Ausschreibung erstellen will, quasi gegen einige Vorgaben verstoßen.
In besonders schlecht ausgeführten Ausschreibungen kann man auch einem anderen Ausweg begegnen: Da wurden dann einfach technische Spezifikationen eines bestimmten Gerätes in den Langtext der Ausschreibung kopiert – nur das genaue Fabrikat wird nicht genannt. Das ist natürlich vom Fachplaner handwerklich mangelhaft umgesetzt, ist mir aber in der Realität tatsächlich schon mehrfach begegnet. Beides sind letztlich Umwege, die aus der Ausschreibung ein Ratespiel machen: Der Bieter muss einen teilweise irrsinnigen Aufwand treiben und recherchieren, was denn nun genau gemeint ist. Es kann jedoch nicht das Ziel einer Ausschreibung sein, dass mehrere Systemhäuser viel Zeit damit verschwenden müssen zu enträtseln, welches Produkt mit einer zweiseitigen Beschreibung im Langtext gemeint ist.
Produktneutralität kontra Leitfabrikate
Sie halten also die Ausschreibung mit Leitfabrikaten für sinnvoll?
Jürgen Kössinger: In vielen Fällen ja. Wenn ein Produkt oder Fabrikat genannt wird, dann wissen die Systemhäuser genau, was gemeint ist und können ihre Angebote wesentlich einfacher und schneller erstellen. Ich halte es unter dem Aspekt, dass man ja ein faires Ausschreibungsverfahren erreichen will, für sehr wichtig, dass die jeweilige Ausschreibung sehr klar verständlich und eindeutig ist. Verkomplizierungen und Ratespiele sollte man vermeiden — und das funktioniert sehr gut mit der Angabe eines Leitfabrikats.
Wäre es nicht einfacher, funktionale Ausschreibungen zu machen?
Jürgen Kössinger: Eine funktionale Ausschreibung bedeutet meistens, dass man keine wirklich vergleichbaren Angebote bekommt — denn es führen halt viele Wege nach Rom: kurze, lange, ebene, bergige, schnelle und langsame.
Zudem verlangt eine funktionale Ausschreibung ja letztlich, dass der Bieter auch die Planungsleistung erbringt. Das ist aber meiner Meinung nach die Aufgabe des Fachplaners. Der muss die technische Umsetzung der funktionalen Anforderungen zusammen mit dem Nutzer oder Bauherren ermitteln und die Planung soweit treiben, dass man auf die Ausschreibung hin vergleichbare Angebote von seriösen Systemhäusern bekommt. Plakativ gesprochen muss der Planer vor der Ausschreibung mit dem Auftraggeber ermitteln, ob der einen Sportwagen, einen Lieferwagen oder einen Kleinwagen braucht. Sonst kriegt der Kunde in jedem Fall den Kleinwagen, weil der natürlich am billigsten ist — aber es passt eben nichts rein und man kann nicht schnell damit fahren.
Wie muss Ihrer Meinung nach eine Ausschreibung gestaltet sein?
Jürgen Kössinger: Der Planer sollte die Essenz herausarbeiten und das Profil erstellen, damit Systemhäuser mit relativ wenig Arbeit ein Angebot erstellen können. Die eindeutige und erschöpfende Beschreibung der Leistung, die alle gleich verstehen und auf deren Grundlage Preise ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnet wenn man ein optimales Ergebnis will – und sich keine Verzögerungen oder Rechtsstreitigkeiten einhandeln will.
Die rechtliche Seite von öffentlichen Ausschreibungen
Wie sehen Sie die rechtliche Lage bei der Ausschreibung eines Leitfabrikats?
Jürgen Kössinger: Sowohl nach der VOB als auch in der VOL sind Verweise ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Das Kriterium der allgemeinen Verständlichkeit ist nach meiner Meinung nicht erfüllt, wenn die technische Spezifikation für ein einzelnes Gerät zwei Seiten lang sein muss, damit sichergestellt ist, dass das Richtige eingebaut wird. Eine Ausschreibung mit solchen Langtexten kann nicht mehr als allgemein verständlich bezeichnet werden und rechtfertigt somit eine Ausnahme. Wir haben uns rechtlich diese Einschätzung, dass bei unseren Systemausschreibungen der Ausnahmetatbestand in der Regel vorliegt, durch einen erfahrenen Rechtsanwalt bestätigen lassen.
» Jürgen Kössinger ist einer der Geschäftsführer der Wireworx GmbH mit Sitz in Stuttgart. Das Unternehmen war seit der Unternehmensgründung im Jahr 2000 schon in verschiedenen Funktionen in die Realisation zahlreicher medientechnischer Projekte unterschiedlicher Art für private und öffentliche Auftraggeber involviert. Wireworx hat zwei Geschäftsbereiche: Das ist einerseits der Bau von Studios, Regien und Übertragungswagen im Broadcast-Bereich. Der andere Bereich ist die Arbeit als unabhängiges Ingenieurbüro, das Kommunikations- und Medientechnikeinrichtungen plant: Einrichtungen der öffentlichen Hand beauftragen Wireworx als Ingenieurbüro mit der Fachplanung und Ausschreibung von medientechnischen Projekten, etwa im Bereich der Hörsaaltechnik, die dann von anderen Firmen ausgeführt werden. Jürgen Kössinger kennt also beide Seiten der Ausschreibungspraxis.
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