Auswir­kungen der Pandemie

Garantie bei Bauverzug: Gegensätze vereinen?

Die zeitliche Planung bei der Materialbeschaffung und Medieninstallation ist für Integratoren seit 2020 deutlich anspruchsvoller geworden. Die Auswir­kungen der Pandemie und die einhergehenden Lieferkettenschwierigkeiten bringen Integratoren in arge Bedrängnis bei der Gewährleistung.

(Bild: Dominik Roenneke)

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Inhalt dieses Business-Artikels:


Bei der Errichtung von Baukörpern erfolgt die Ausführung von medientechnischen Installationen naturgemäß eher gegen Ende der Fertigstellung termingerecht vor der Übergabe an den Bauherren. Ausschreibung und Beauf­tragung erfolgen im Baufortschritt zum passenden Zeit­punkt, so dass die Leistungsnehmer die benötigte Technik im Rahmen üblicher Lieferzeiten bestellen, erhalten und verbauen können. Sicherlich treten bei dem einen oder anderen Bauteil hin und wieder auch einmal Lieferverzö­gerungen auf. Doch insbesondere Standardtechnik ist in der Regel schnell und sicher verfügbar.

Diese bisherige Vorgehensweise ist zur Zeit jedoch au­ßer Kraft gesetzt. Alle Beteiligten haben inzwischen reali­siert, dass mit extrem angewachsenen Lieferzeiten für technische Gerätschaften zu rechnen ist. Daniel Verhoo­ren und Volker Ermisch sind als Fachplaner für das Akus­tik Bureau Dresden tätig und beschreiben die aktuelle Situation: „Terminzusagen können teilweise gar nicht mehr gehalten werden. Oft gibt es auch keine Terminzu­sagen mehr. Und man weiß wirklich erst, wie lange die Lieferzeit beträgt, wenn das Gerät praktisch beim Integrator vor Ort ist.“

Hersteller verkünden beispielsweise halbjährige Warte­zeiten oder länger, je nach Produkt. Deshalb werden Be­stellungen inzwischen früher getätigt und lange Lieferzei­ten eingeplant, damit es am Ende zeitlich nicht unnötig eng wird. Mit anwachsendem Bestellvorlauf steigt gleich­zeitig das Risiko zur längerfristigen Einlagerung von Pro­dukten, die frühzeitiger geliefert werden als andere. Sicher­lich ist es kein Problem, wenn einige Displays oder Projek­toren für eine Übergangszeit untergebracht werden müs­sen. Anders sieht das aus, wenn beispielsweise ein ganzer Firmenkomplex oder ein Hörsaalzentrum medientechnisch ausgestattet werden soll. In diesem Fall geht es um die sichere Einlagerung einer großen Menge an hochwertigen technischen Geräten, bis der richtige Zeitpunkt für den Einbau gekommen ist.

Problematisch sind für Daniel Verhooren insbesondere Installationsprojekte, die nicht im laufenden Betrieb aus­geführt werden können. Das gilt beispielsweise für Thea­ter, die nur begrenzte spielfreie Zeiträume zur Verfügung stellen können, oder für Universitäten, bei denen nur in den vorlesungsfreien Zeiten am Stück gearbeitet werden kann. Sind wesentliche Komponenten nicht geliefert, ver­zögert sich die gesamte Umsetzung gleich um ein halbes Jahr, bis zu den folgenden Semesterferien.

Auch ein stockender Baufortschritt kann den Einbau verzögern. Denn die Bauwirtschaft hat ebenfalls Probleme mit Material-und Lieferengpässen. So berichtet das Fach­magazin „TGA Fachplaner“ auf seiner Homepage Mitte 2021 „Lieferengpässe: Auf vielen Baustellen droht Still­stand“. Volker Ermisch bestätigt dieses zusätzliche Prob­lem: „Es kann Verzögerungen durch den Bau geben. Es gilt, den richtigen Zeitpunkt für die Bestellung abzuwä­gen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Material teilweise mindestens ein halbes Jahr oder noch zeitiger vorbestellt werden muss“.

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Lagerrisiko Gewährleistung

Egal ob die noch nicht installierbare Technik nun beim Leistungsnehmer zwischengelagert wird oder beim Bau­herren/Kunden: Ab diesem Zeitpunkt läuft die Hersteller­garantie. Standardmäßig handelt es sich um einen Zeit­raum von 2 Jahren. Manche Hersteller bieten bereits einen Gewährleistungszeitraum von 3 Jahren an und gewähren darüber hinaus einen gewissen Kulanzzeitraum, der je­doch nicht eindeutig geregelt, sondern Ermessenssache ist. Je nach eingeplantem Sicherheitsvorlauf und/oder Bauverzug kann eine beachtliche Zeitspanne vergehen, bis die Technik verbaut, in Betrieb genommen und über­geben ist. Der Bauherr bzw. Nutzer erwartet ab diesem Zeitpunkt den vollständigen Gewährleistungszeit­raum, wie es die VOB (Vergabe-und Vertragsordnung für Bauleistungen) vorsieht. Zeigt sich ein Gerätedefekt nach dem Ende der Herstellergarantie, aber während der Ge­währleistungsfrist, entsteht für den Leistungsnehmer ein Kostenrisiko. Dabei hat er mit der rechtzeitigen Bestellung der gewünschten Produkte unter angespannter Liefersituation lediglich ein, durch ihn verschuldetes, Verzugsrisiko verhindern wollen. Und das ist ja im Sinne des Bauherren/ Kunden.

Problematische Teillieferung: Verspätet gelieferte Bauteile verzögern die Übergabe an den Kunden und damit auch den Start der Gewährleistungsfrist. Da läuft bereits die Uhr bei der Herstellergarantie von frühzeitig gelieferten Produkten. (Bild: Dominik Roenneke)

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„Zwischen den Stühlen“

Im Vergaberecht nach VOB ist eindeutig vorgegeben, wie bei „Störungen des Bauablaufs“ verfahren wird. Dem­nach entsteht für den Integrator als Auftragnehmer ange­sichts einer kaum kalkulierbaren Liefersituation schnell das eingangs beschriebene Risiko. Es ist allerdings die konkrete Vertragsgestaltung maßgeblich, ob beispielsweise bei Ver­zug eine Vertragsstrafe fällig wird. Ist das der Fall, wird der Lieferverzug nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer. Volker Ermisch erlebt auch häufig, „dass die Technik nicht zusammenhängend geliefert wird und eine Übergabe wegen einzelner fehlender Bauteile nicht möglich ist“. In dieser Situation kann nur eine vorgezogene Bestellung den drohenden Verzug verhindern. Auf der anderen Seite steigt dadurch das Risiko bei der Gewährleistungsfrist.

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Lösungsansätze für Ausschreibungen

Aus dem Blickwinkel der Fachplaner empfehlen Daniel Verhooren und Volker Ermisch den Auftraggebern und Bauherren „grundsätzlich zu einer früheren Ausschreibung und Beauftragung der Medienleistungen, damit die Hard­ware rechtzeitig zur Verfügung steht“. Beide vertreten zusätzlich die Auffassung, weitere aktuell problematische Gegebenheiten zu beachten: „Es sollten auch denkbare Einlagerungen von Material mit ausgeschrieben werden, damit unter Wettbewerbsbedingungen eine Preisangabe vorliegt. So sind in der Ausschreibung alle erforderlichen Kostenpositionen enthalten. Jedoch wollen einige Auf­traggeber, in Sorge einer Kostensteigerung, dies so nicht umsetzen. Als Beratungsleistung erhält der Bauherr eine Entscheidungsvorlage, in der abgeschätzt wird, welches Szenario welche Folgen haben kann. Die schlussendliche Entscheidung trifft der Bauherr.“

Mit Medientechnik ausgestatteter Raum
Alles hängt an der Übergabe: Erst nach vollständiger Inbetriebnahme und Übergabe an den Kunden beginnt der Gewährleistungszeitraum. (Bild: Dominik Roenneke)

Gegebenenfalls müssen zusätzliche Garantieverlänge­rungen als Kostenposition erfasst werden. Sie würden beiden Seiten Sicherheit bieten. Für den Leistungsnehmer entsteht keine Gewährleistungslücke, und der Bauherr hat die Sicherheit für einen ausreichend langen Zeitraum während der Nutzung. Nach Einschätzung der beiden Pla­ner bieten das viele Hersteller bereits an. Zwar erhöhen sich die Gesamtkosten etwas, was aber in Vergleich zu den möglichen Risiken unter Umständen vertretbar sein kann. Es könnte nach betriebssicherer Standardtechnik und nach problematischen Komponenten differenziert werden.

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Eine sichere Sache

Wer sein Bauvorhaben in schwierigen Zeiten mit anhal­tenden Lieferkettenproblemen sicher und ohne Überraschungen realisieren möchte, kann mit einer vollumfassenden Ausschrei­bung sicherer arbeiten. Sie enthält nicht nur technische Komponenten und Dienstleistungen, sondern be­rücksichtigt auch die aktuell anhal­tende Situation. So kann eine wichtige Grundlage geschaffen werden, dass die gewünschte medientechnische Ausstattung ohne Nachteile rechtzeitig zur Verfügung steht und das Bauvorhaben termingerecht in die Nutzung übergehen kann.

Unter dem Stichwort „just in time“ reduzierte sich im Laufe der Zeit die Lagerhaltung bei Herstellung und Handel. Angesichts der anhal­tenden Lieferkettenschwierigkeiten könnte die Umkehr dieses Prozesses Herstellern einen Marktvorteil ver­schaffen, die wieder vermehrt auf Lagerhaltung setzen. Eine Diskussion über Lagerkosten und Gewährleis­tungsverlängerung wäre damit hin­fällig.

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