Vom „Audio-Outlaw“ zum Linienstrahler: 20 Jahre Pan Acoustics
von Detlef Hoepfner,
Vom „Audio-Outlaw“ zum Marktführer spezieller Linienstrahler: Pan Acoustics liefert heute hochwertige Speziallösungen für knifflige Akustik-Umgebungen. Das war so anfangs gar nicht geplant.
Beweisen, dass Dinge doch auch anders zu lösen sind – das scheint eine der Devisen von Udo Borgmann zu sein, der seit 20 Jahren die Firma Pan Acoustics erfolgreich führt. Schon der Start in Wolfsburg und Braunschweig war eher ungewöhnlich für eine Beschallungsfirma: Statt aus einer der damals gängigen PA-Firmen – „Wir bauen unsere Boxen jetzt selber“ – stammte Udo Borgmann aus der Elektronik- und Funktechnologie eines großen Industrieunternehmens. Wer den quirligen (und manchmal wohl auch etwas eigensinnigen) Unternehmer kennengelernt hat, wird vermuten, wie befreiend so ein Sprung in die Selbstständigkeit gewesen sein muss. Auch heute noch, 20 Jahre später in Wolfenbüttel, sieht Pan Acoustics sich fast eher als „Elektronikunternehmen, das auch Lautsprecher baut“. Tatsächlich entdeckt man beim Gang durch die Entwicklungsabteilung durchaus HF-Technik oder Produktionsaufträge, die rein gar nichts mit Beschallung zu tun haben, sondern beispielsweise mit der langfristigen Erfassung und Protokollierung von Umweltdaten.
Der helle, dreistöckige Firmenneubau, ländlich gelegen zwischen Hannover und Magdeburg, bietet nicht nur Platz für Verwaltung, Labore, Seminarraum und Büros, auch die Fertigung ist hier untergebracht. Auf relativ kleinem Raum werden rund 3.000 Lautsprecher pro Jahr auf den Weg gebracht. Erfolgreich wurde Pan Acoustics nicht etwa mit den verschiedensten Projekten von Mehrkanalkonzepten für PKW über Unterwassersound in Badewannen von Luxushotels bis zu Mehrkanal-Receivern und klingenden Wandbildern auf der IFA 2003, sondern seit 2005 durch Linienstrahler mit Beam-Steering-Technologie, die insbesondere in den klassischen Kirchenbauten oder anderen nachhallstarken Gebäuden ihre Vorteile ausspielen.
Lagerhaltung und Zuliefererstruktur entscheidender Komponenten haben Pan Acoustics weitgehend lieferfähig gehalten. Eine Basis dafür wurde vielleicht schon geschaffen, als man sich für eine zehnjährige Produktgarantie entschied, ein durchaus mutiger Weg. Nachhaltiges Wirtschaften und Produkte, die noch nach vielen Jahre reparierbar sind oder Updates aufgespielt bekommen können, zahlen sich so letztlich auch in Krisenzeiten wieder aus. Ökologische Themen werden bei Pan Acoustics aber nicht unbedingt plakativ vorangetragen. Bei einer „Backstage-Tour“ mit Udo durch das Unternehmen inklusive Blick in die Heizungszentrale fallen Blick und Diskussion unweigerlich auf verbaute Wärmepumpen und die Frage, wie der Energiefluss in der Firma weiter zu gestalten ist. Und viel mehr Bodenhaftung kann ein Chef wie Udo Borgmann sicher kaum haben, wenn er offensichtlich jede Treppenstufe im Neubau mit Vornamen kennt und zu jeder Schütte in den Regalen eine Story erzählen kann, welche Geschichte und Bedeutung diese Bauteile für die Pan-Produkte haben.
Bei aller Prägung durch den Firmengründer und Zweifelsfreiheit, wer hier federführend ist, ist Pan Acoustics aber alles andere als ein Solokonzert. Zwei Töchter des Chefs sind bereits fest in die Unternehmensabläufe integriert. Insgesamt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erdenken und fertigen Produkte für Kunden, die international beliefert werden: 28 Stecknadeln zählt die Weltkarte an der Wand hinter dem Chef-Schreibtisch, der sich unter Bergen von Papieren, Mustern und allem möglichen Krimskrams biegt, den so ein Ideensammler magisch anzieht.
Neue Ideen ins Portfolio von Pan Acoustics bringt auch die Akquisition von ACS im Frühjahr 2022: Die Niederländer bringen ihr Know-how zur Gestaltung einer virtuellen Akustik ein. In der Demohalle auf dem Pan-Acoustics-Gelände ist ein System installiert. Zwischen augenzwinkernd als Deckenleuchten abgehängten Hornlautsprechern entdeckt man die nötigen Mikrofone, rundum montierte Pan-Lautsprecher bringen die von ACS definierten Reflexionen in den Raum ein. Anhand eines zu Demozwecken am Jubiläum performenden Streichquartetts und einer Saxofon spielenden Mitarbeiterin, die sich durch die wirklich nicht als Konzertsaal geplante Halle bewegt, war die Wirkung gut nachvollziehbar. Für manche Auftritte zu trocken geplante Räume lassen sich so in ihrer Nutzbarkeit erweitern.
Endlich was verstehen: Magdeburger Dom
Ein typisches Beispiel eines Pan-Acoustics-Projektes ist ein paar Kilometer weiter östlich im Magdeburger Dom zu erleben, dem ältesten gotischen Bau Deutschlands. Nur dass hier Nachhall nicht hinzugefügt, sondern überlistet werden muss. Neben der Frage, wie hier eine Beschallung denkmalschutzgerecht erfolgen kann, waren auch die Nutzungsarten zu beachten. Die etwas intimere Fläche („Hoher Chor“) hinter dem abtrennenden „Lettner“ kann beispielsweise für Trauungen genutzt werden, hier ist die Raumakustik sogar relativ „trocken“. Das Kirchenschiff wird dann natürlich von einem ausgeprägten Nachhall dominiert. Von ortskundigen Kulturinteressierten angesprochen, wohin man denn in Magdeburg des Weges sei, wurde man dann beim Stichwort „Dom“ auch gleich gewarnt: „Oh, da versteht man immer kein Wort.“ Das hat sich nun gründlich geändert. Die Lautsprecher wurden erneuert und durch zeitgemäße Modelle ersetzt, die abgesetzten Stützlautsprecher zu den Seiten oder in vier Reihen in der Tiefe des Raums endlich auch zeitverzögert angepasst. Für einen Schnellsprechwettbewerb ist das nach wie vor nicht der richtige Raum, und der Low-Cut ist auf dem Sprechermikro schon sehr unbarmherzig gesetzt. Aber die Verständlichkeit ist unzweifelhaft gegeben, der Stress des Ohrenspitzens ist vorbei und bei einigen Einspielern beim mittäglichen Dom-Gebet bekam der Klang sogar Volumen – unter diesen Bedingungen ja eher der Feind jeden Tontechnikers.
Neben der „Frontalbeschallung“ durch das Kirchenschiff gibt es auch die Notwendigkeit, den hinteren Dom- Bereich „rückwärts“ zu bespielen. Dort ruht ein vor rund 1.000 Jahren aufgestellter Taufstein. Verrückterweise diente dieser vermutlich schon weitere 1.000 Jahre zuvor im Römischen Reich in Italien als Brunnen. Um ihn herum finden heutzutage Taufzeremonien statt. Für eine vernünftige Ortung ist hier daher eine gedrehte Beschallung von der Dom-Rückseite hilfreich. Die auf den ersten Blick nach Quadrophonie aussehende Lautsprecheranordnung wird paarweise angesteuert – Ortung nach vorne zum weit entfernten Altar oder Ortung auf Sprechende hinter dem Taufstein. Was Unbeteiligten vielleicht ein wenig übertrieben erscheinen mag, ist in der Praxis sicher ein wichtiger Baustein für eine anstrengungsfreiere Teilnahme am Kultur- oder Kirchenprogramm in diesem beeindruckenden Gebäude als bisher. Neben dem Routing der Quellen wie Einspielungen oder Mikrofonen über eine Yamaha- Matrix und der Ansteuerung der Lautsprecherzonen ist auch eine Sprachalarmierung mit Vorrang angebunden – ein Novum in solchen historischen Szenarien.
Der Weg dorthin war nicht nur von Budget- oder Planungsfragen geprägt, sondern auch der Fragestellung, wie man denn zu höherwertigen Lautsprechern über teilweise dreistellige Meter-Strecken Signal, Steuerung und Leistung geführt bekäme. Die vorhandenen Rohre waren teilweise recht eng im Durchmesser, die Bestandsleitungen mussten einmal durchgeprüft und im Zweifelsfall ersetzt werden. Hier bewährte sich die Pan-Acoustics-eigene Technologie, auf eine klassische, in solchen Gebäuden oft vorzufindende, einfache Zweidrahtverkabelung die nötige Spannungsversorgung zu leiten und dieser das Signal und Steuerdaten aufzumodulieren.
Weitblick
Noch eine Treppe höher in Pan Acoustics dreistöckigem Firmensitz tritt man hinaus auf eine große Dachterrasse, darunter als Basis die Labore, Büros, die Fertigung. Der Wind pfeift kräftig durch Udo Borgmanns Haare, der Blick weitet sich grandios bis zum Mittelgebirge und dem Brocken am Horizont. Das ist offenbar genau die Location, wo eine Firma wie Pan Acoustics gedeihen kann. Viel Freiheit rund herum, aber die wichtigen Teams und Zuliefer-Ressourcen nah beieinander. Verschmitzt zeigt er auf eine Baugrube nebenan mit Amphitheater-ähnlichen Dimensionen – da müsste sich doch was machen lassen? Irgendwas mit Chopin und dem Flügel aus der Demo-Halle …