Was bedeutet die Novellierung der ISO-Normen im Bereich der Dolmetscherkabinen für die Konferenztechnik? PROFESSIONAL SYSTEM erläutert die Änderungen und Neuerungen.
Die Normen für Dolmetscherkabinen und die dazugehörige Technik wurden erneuert. Die Änderungen betreffen sowohl mobile Dolmetscher-Systeme, wie sie bei Konferenzen oder sonstigen Veranstaltungen zum Einsatz kommen, als auch Systeme für die Festinstallation.
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Was die neuen Normen beinhalten und was Planer, Veranstaltungstechniker und Systemintegratoren zukünftig beachten müssen, ist im Folgenden ausgeführt. Wenn von Konferenzdolmetschen gesprochen wird, ist hauptsächlich das Simultandolmetschen gemeint. Hierbei sitzen die Dolmetscher meist in 2er- oder 3er-Teams in schallgedämmten Kabinen oder Räumen.
Über Kopfhörer hören sie den Redner im Raum und sprechen dann ihre Übersetzung in die jeweilige Zielsprache in das Mikrofon einer Dolmetschanlage, von wo aus es direkt zu den Kopfhörern der einzelnen Teilnehmer in der jeweiligen Zielsprache weitergeleitet wird. So werden internationale Konferenzen mit Teilnehmern aus der ganzen Welt ermöglicht. Um den seit der letzten Veröffentlichung der ISO-Normen 1998 zu beobachtenden Veränderungen auf dem Markt Rechnung zu tragen, wurde seitens der Dolmetscherinnen und Dolmetscher auf internationaler Ebene eine Task Force ins Leben gerufen, bei der auch die PCS GmbH als einzige Rental-Firma vertreten war. Die Gruppe formierte sich unter der Rubrik ISO/TC 37/SC 5/WG 3 – „Facilities and equipment for interpretation services“.
Überarbeitung bestehender Normen
Eine Reihe von Normen wurde wie folgt überarbeitet: Bei der ISO 2603 – Ortsfeste Kabinen – werden sämtliche Vorgaben für Technik und Elektronik entfernt. Es bleiben nur noch architektonische und schalldämmende Vorgaben bestehen. Nach diesen Vorgaben können dann Architekten, Planer und Akustikbauer Dolmetscherkabinen entwerfen oder fertigen.
Die wichtigsten Neuerungen sind bessere Sicht für Dolmetscherinnen und Dolmetscher, eine bessere Luftqualität in den Kabinen sowie garantiertes Wi-Fi in den ortsfesten Kabinen. Auch bei der ISO 4043, die sich auf transportable Kabinen bezieht, wird sämtliche Technik und Elektronik aus der ISO gestrichen. Lediglich die architektonischen und schalldämmenden Vorgaben werden beibehalten.
Diese Norm richtet sich an Kabinen-Hersteller, Verleiher und Veranstalter von Tagungen. Dabei wurde eine ganze Reihe von Verbesserungen für die Qualität des Arbeitsplatzes der Dolmetscher implementiert: So wurde die Schalldämmung der Kabine zum Saal sowie der Kabinen untereinander erhöht und eine leisere Ventilation bei gleichzeitiger Erhöhung der Luftumwälzung pro Stunde festgelegt. Außerdem werden zukünftig CO2-Messsensoren in den Dolmetscherkabinen vorgeschrieben sein, um diesen für die Leistungsfähigkeit, aber auch für den Gesundheitsschutz elementaren Parameterzu erfassen.
Bei Überschreitung des in der Norm festgelegten Grenzwerts von 0,1 % (=1.000 ppm) werden die Dolmetscher gewarnt und können für entsprechende Lüftung sorgen. Aktive Regelsysteme für mobile Kabinen werden zurzeit erforscht und entwickelt. Weiterhin darf die Tischtiefe der mobilen Kabinen nun auch mehr als 50 cm betragen und auf Tischhöhe müssen 230 Volt- und USB-Anschlüsse vorgehalten werden. Zusätzlich müssen die Kabinen über eine dimmbare Deckenbeleuchtung verfügen, die ein schattenfreies Arbeiten der Dolmetscher ermöglicht. Last, but not least müssen Sprachenschilder und Kanalbelegung für die Teilnehmer deutlich sichtbar an den Kabinen angebracht werden.
Neue Normen
Wichtige technische Parameter in Bezug auf die Qualität der Audio- und Videosignale sowie auf die eingesetzte Technik werden in neuen Normen definiert, die sowohl für Festinstallationen von Konferenztechnik als auch für den Vermietungsbereich gelten: Die ISO 20108 – Simultaneous Interpretation – Audio Transmission Quality – legt die elementaren Parameter für die Qualität von Audio-und Videoeingangssignalen für das Simultandolmetschen fest.
Zudem enthält sie erstmals Anforderungen für das Simultandolmetschen in Settings, in denen Dolmetscher, Publikum und Redner nicht im selben Raum anwesend sind (Distance Interpreting/Remote Interpreting). Damit soll die für das Simultandolmetschen erforderliche Signalqualität auch bei der Übertragung über weitere Distanzen sichergestellt werden. Diese Norm befindet sich in der späten Entwicklungsphase, mit einer Fertigstellung ist Mitte 2017 zu rechnen. Die für das Präsenzdolmetschen relevanten Parameter wurden in den letzten Jahren bereits weitgehend erforscht.
Die Ergebnisse daraus bilden die Basis der Parameter, die nun auch als Anforderung in der Norm formuliert wurden. Dazu zählen z. B. bestimmte Ansprüche an Mikrofone sowie das Mikrofonmanagement, an die Schaltcharakteristik von Toneingangs- und Ausgangsignalen, Sprachverständlichkeit sowie Bildqualität, Bildprojektion und Lippensynchronität. Die Anforderungen an die Signalübertragung über längere Distanzen werden hingegen derzeit noch unter der Federführung von Klaus Ziegler, Koordinator des Technischen Ausschusses der AIIC, gemeinsam mit Experten aus allen relevanten Bereichen erforscht und weiter optimiert.
Verbesserte Standards
Neu hinzugekommen ist auch die ISO 20109 – Simultaneous Interpretation – Equipment Requirements. Diese Norm macht Vorgaben für die Technik, die in Dolmetscherkabinen und bei Dolmetscheranlagen eingesetzt wird. Sie ist inzwischen fertiggestellt und wird schon von den ersten Konferenztechnik-Herstellern bei der Entwicklung neuer Systeme beachtet,z. B. von Bosch, Shure, Televic und Taiden.
Unter anderem gibt es folgende Verbesserungen: Alle Dolmetscherpulte sollen zukünftig mit einer „Hearing Protection“ ausgestattet sein. Zusätzlich muss ein spezielles Bildschirmsymbol am Dolmetscherpult angezeigt werden, wenn der betreffende Ausgangsprachkanal außerhalb des Konferenzraums übertragen wird, z. B. über TV-/Radio-/Internet-Streaming, einen Videokonferenz-Link oder als Aufzeichnung. Zudem werden Vorgaben für mobile Anlagen (PFA) gemacht.
In der Norm wird aber explizit darauf hingewiesen, dass diese auf Grund der erschwerten Arbeitsbedingungen für Dolmetscher nur für den beweglichen Einsatz unter bestimmten Bedingungen geeignet sind und keine Kabinen ersetzen.
Ein Veranstaltungstechniker zur Betreuung der Konferenztechnik und Regulierung des Tones für die Dolmetscher ist zwingend vorgeschrieben. Generell war es wichtig, die Standards und Normen so festlegen zu lassen, dass sie den Anforderungen und Ansprüchen von ortsgebundener als auch mobiler Dolmetschtechnik gleichermaßen gerecht werden. Als Beispiel kann hier die Europäische Kommission herangezogen werden, die entscheidend an den Normen mitgewirkt hat: Die Räumlichkeiten der Kommission sind technisch hervorragend ausgestattet, die Konferenzsysteme laufen vollautomatisch und sind optimal eingepegelt.
Es wird in einer immer gleichbleibenden, abgeschirmten und perfekt eingemessenen Umgebung gearbeitet. Eine technische Betreuung unmittelbar vor Ort während der Sitzung ist dadurch nicht erforderlich. Anders sieht es im mobilen Einsatz aus. Keine Konferenz gleicht der anderen – die örtlichen Gegebenheiten und technischen Anforderungen sind immer unterschiedlich, so dass die Akustik im jeweiligen Saal in der Regel einen Audio-Techniker vor Ort zwingend erfordert. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Dolmetscher immer einen gut verständlichen Ton auf ihren Kopfhörern haben.
NORMEN IN DER ÜBERSICHT
GEÄNDERTE NORMEN » ISO 2603 – Ortsfeste Kabinen (veröffentlicht am 02. Dez. 2016, in Kürze als DIN EN ISO 2603 auch in deutscher Sprache erhältlich) » ISO 4043 – Transportable Kabinen (veröffentlicht am 02. Dez. 2016, in Kürze auch als DIN EN ISO 4043 in deutscher Sprache erhältlich) NEU HINZUGEKOMMENE NORMEN
» ISO 20108 – Simultaneous Interpretation – Audio Transmission Quality – (Fertigstellung voraussichtlich Mitte 2017) » ISO 20109 – Simultaneous Interpretation – Equipment Requirements (veröffentlicht am 02. Dez. 2016, in Kürze auch als DIN EN ISO 20109 in deutscher Sprache erhältlich)
DIE AUTOREN
JÖRG PESCHKA, GESCHÄFTSFÜHRER DER PCS GMBH, arbeitet seit Gründung aktiv mit den wichtigsten Dolmetscherverbänden wie dem AIIC (international) und BDÜ (national) zusammen und sitzt seit 2014 als Experte in DIN-Ausschüssen und ISO-Gremien, die sich mit der Novellierung der Normen für Dolmetschertechnik und -kabinen beschäftigen. Hauptaugenmerk ist hier die Sicherung der Praktikabilität von technischen Änderungen der Normen für den Verleih und die Installation von Dolmetschertechnik.
PROF. DIPL.-DOLM. KLAUS ZIEGLER ist freiberuflicher Konferenzdolmetscher und Professor für Übersetzen und Dolmetschen an der Hochschule für Angewandte Sprachen des SDI München. Er beschäftigt sich im Rahmen seiner Professur mit der Erforschung zukunftsorientierter Technologien für das Ferndolmetschen und wirkt als Experte an der Entwicklung der dolmetschbezogenen Normen auf internationaler (ISO) und nationaler (DIN) Ebene mit. Prof. Ziegler ist zudem Koordinator des Ausschusses für Technik und Gesundheit des Internationalen Verbands der Konferenzdolmetscher AIIC.