Welche Wirkung hat biodynamisches Licht auf die Gesundheit?
von Alexander Schwarz, Artikel aus dem Archiv vom
Der Mensch hat über Jahrmillionen seinen Tagesablauf nicht nur aus praktischen Gründen an das Sonnenlicht angepasst. Auch unter biologischen Aspekten ist dieser Rhythmus nachvollziehbar und lässt sich im weitesten Sinne sogar psychologisch erklären. Diesen „Effekt“ greift die Leuchtenindustrie auf und verfeinert seit den letzten Jahren mögliche Anwendungen, um das Licht letztendlich „gesünder“ zu machen.
Human Centric Lighting, oder kurz HCL, wird derzeit von einigen Marketingabteilungen der Leuchtenbranche geradezu inflationär benutzt. Der eilig dahingleitende Bio-Zug will von vielen noch besprungen werden, um den Bedürfnissen der Verbraucher nach einem präventiv gesunden Leben gerecht zu werden. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da z.B. im Jahr 2013 allein in Deutschland insgesamt 314,9 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben wurden (Quelle: Statistisches Bundesamt). Das Gesundheitswesen in Deutschland war in diesem Jahr lt. Robert Koch-Institut mit 11,2 % des Bruttoinlandsproduktes einer der umsatzstärksten Wirtschaftsbereiche. Es deutet also einiges darauf hin, dass die Themen allgemeine Gesundheit, gesunde Ernährung und gesundes Leben nicht nur in Privathaushalten, sondern auch in der Berufswelt einen nicht zu unterschätzenden Faktor ausmachen.
Dabei bedeutet der Begriff HCL vorerst „nur“, dass der Mensch im Mittelpunkt des Lichtes bzw. der Lichtplanung steht. Ein Vorsatz, der eigentlich nicht so neu sein dürfte und in keinem Konzept fehlen sollte. Doch zwischen dem Begriff und dem, was darunter verstanden werden soll, besteht ein eklatanter Unterschied. Denn HCL bezieht den Menschen und seine Eigenarten nicht nur passiv in die Lichtplanung mit ein, sondern suggeriert eine aktiv agierende Beleuchtungssituation, die auf den Menschen im Alltag nicht nur nützlich, sondern sogar gesundheitsfördernd einwirken soll. Um diesen Ansatz überhaupt verstehen und die Werbeversprechen der Industrie einordnen zu können, bedarf es eines kleinen Ausfluges in die biologischen Funktionen des Menschen in Verbindung mit Licht.
Der biologische Rhythmus des Menschen wird maßgeblich von dem Verlauf des Sonnenlichtes geprägt. Dies hat in der Entwicklung dazu geführt, dass unser Alltag so strukturiert ist, dass (größtenteils) tagsüber gearbeitet und nachts geschlafen wird. Jedoch sind heutige Arbeitsplätze meist unabhängig vom Sonnenlicht bzw. hält sich der Mensch viel zu selten unter direkter Sonneneinstrahlung auf. Die wenigsten Arbeitsplätze befinden sich im Freien, so dass versucht wird, diesem Umstand durch künstliche Beleuchtung entgegen zu wirken. Was letztendlich fehlt, sind die unterschiedlichen Lichtfarben, Intensitäten und Lichtrichtungen der natürlichen Sonne. Denn diese Faktoren haben einen großen Einfluss auf unseren biologischen Rhythmus. Gerne wird dieser auf die Wirkung der Lichtfarbereduziert und durch gesteuerte Lichtfarben zwischen Warmweiß (2.700 Kelvin) und Tageslichtniveau (6.500 Kelvin) versucht zu kompensieren.
Dabei geht es in erster Linie um die Blauanteile im Licht, die dafür zuständig sind, dass die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin geblockt oder eben gefördert wird. Die relativ blaue Sonne des Morgens sorgt für eine Blockade des Hormons Melatonin und einer Anregung der Aktivität des Stresshormons Cortisol. Dies führt zu erhöhter Wachsamkeit, Konzentrationsfähigkeit und einem Gefühl von allgemeiner Fitness. Im Verlauf des Tages ändert sich die Lichtfarbe in einen wesentlich wärmeren Farbton, so dass es zu einer Umkehrung dieser Effekte kommt und der Mensch in den Abendstunden Ruhe findet und auf die anstehende Schlafphase vorbereitet wird.
Eine HCL orientierte Beleuchtungslösung versucht den biologischen Prozess der Hormonsteuerung zu unterstützen bzw. die fehlende Sonneneinstrahlung, die diesen natürlichen Vorgang aktiv unterstützt, zu simulieren. Denn eben der Umstand, dass die Menschheit den Einfluss der Sonne nur selten zu spüren bekommt, kann zu Problemen wie Schlaflosigkeit, Ermüdung und sogar Depressionen führen. Im klassischen Sinne folgt also eine biologisch ausgerichtete Leuchte hinsichtlich der Lichtfarbe dem Verlauf der Sonne und sorgt so für eine gesündere Beleuchtungslösung.
Dabei bleiben allerdings oftmals die Aspekte Lichtintensität und Richtung nicht berücksichtigt, was die Wirkung einer solchen Anlage entsprechend abschwächt. Die Sonne hat Beleuchtungsstärken zwischen 3.000 Lux (trüber Wintertag) und 100.000 Lux (direkte Sonneneinstrahlung) und lässt sich somit schon aus energetischen Gründen nicht wirklich ersetzen. Auch die Lichtrichtung – diffuses Himmelslicht nimmt einen großen Teil im Gesichtsfeld des Menschen ein – ist hier zu berücksichtigen. Eine großflächige Beleuchtung im oberen Halbraum ist demnach wünschenswert, da diese die untere Hälfte der Netzhaut, in der sich die meisten lichtsensitiven ipRGC (intrinsische photosensitive retinale Ganglienzellen) befinden, am besten erreicht. Alle drei Faktoren – Lichtfarbe, Lichtintensität und Lichtrichtung – müssen bei einer anspruchsvollen und seriösen Lichtplanung bzgl. einer HCL-Beleuchtung berücksichtigt werden, um der Wirkung des Sonnenlichtes auch nur annähernd zu entsprechen.
Büros, Gesundheitswesen und andere relevante Bereiche
Die möglichen Anwendungsfelder für eine biodynamische Beleuchtung sind vielfältig und reichen vom Privathaushalt, über das Büro bis hin zur Pflegeeinrichtung. Alle geschlossenen Bereiche, in denen sich Menschen über einen längeren Zeitraum ohne natürliches Sonnenlicht aufhalten, sind letztendlich geeignet, eine entsprechende Lichtinstallation zu beherbergen. Besonders im Fokus der Hersteller stehen allerdings Lichtlösungen für die Bürowelt und das Gesundheitswesen, da hier die positiven Effekte am ehesten zu verdeutlichen und auch nachzuvollziehen sind. Und da es letztendlich bei einer Modernisierung auch immer um den Kosten-Nutzen-Faktor geht, sind diese Bereiche besonders interessant. Eine Firmenleitung erhofft sich durch die Einführung einer HCL orientierten Lösung bessere Arbeitsergebnisse, positiv motivierte Mitarbeiter und letztendlich auch eine Reduzierung der Ausfälle durch Krankheit.
Im Gesundheitswesen kann durch die Wirkung des richtigen Lichtes ggf. Arbeitskraft eingespart werden und durch das gesteigerte Wohlbefinden und die eventuell verkürzten Heilungsprozesse der Patienten oder zu pflegenden Personen, der gute Ruf einer solchen Institution verständlicherweise verbessert werden. Doch auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Erlebniseinkaufswelt, lassen sich durch die Wirkung des richtigen Lichtes positive Ergebnisse erzielen. Denn passende Lichtlösungen wecken die Neugierde, nehmen Schwellenängste, steigern die Verweildauer und erzeugen Begeisterung.
Auch im Bildungssektor, Schulen, Universitäten und andere Lernstätten, ist eine HCL-Beleuchtung vergleichbar effektiv wie in einem Büro einzusetzen, jedoch lässt sich diese nicht mit dem gleichen wirtschaftlichen Erfolg bemessen. Neben diesen Bereichen ist allerdings auch der Einsatz in der Industrie sinnvoll, wobei er sich hier insbesondere bei Schichtarbeiten von dem eigentlichen Tages- bzw. Sonnenverlauf deutlich unterscheidet. Hier gilt es, Nachtarbeiter durch die entsprechende Beleuchtung ebenso wach, aufmerksam und konzentriert zu halten, als würden diese am frühen Vormittag zur Arbeit gehen. Fehlervermeidung und Arbeitssicherheit gehören hier zu den großen Themen, die im industriellen Alltag einen besonderen Stellenwert einnehmen.
Doch betrachtet man die Vorgaben für eine umfassend wirkende HCL-Beleuchtung, so wird recht schnell klar, dass es beispielsweise mit dem Einsatz einer einzigen Tischleuchte nicht getan ist. Nur der Einsatz großvolumiger Flächenleuchten in Kombination mit indirekt und direkt strahlenden Beleuchtungselementen kann in allen vorgenannten Bereichen zu einem wirkungsvollen Ergebnis führen. Eine umsichtige und vertrauensvolle Lichtplanung ist hier nicht nur der Schlüssel zum Erfolg, sondern eine absolute Notwendigkeit.
Grundsätzlich lassen sich die technischen Ausführungen eines HCL-Systems in zwei Kategorien unterteilen: Zum einen die solitären Lösungen, bei denen einzelne Lichtelemente individuell reagieren oder eben eine zentral geregelte Steuerungsanlage, welche die einzelnen Leuchten und das entsprechende Zusammenspiel gewährleistet. Dazwischen gibt es noch die sogenannten Schwarmtechnologien, bei denen mehrere Leuchten miteinander kommunizieren und für ein abgestimmtes Zusammenspiel sorgen. Auch hinsichtlich des Auslieferungszustandes gibt es gravierende Unterschiede. So werden Lösungen angeboten, die komplett eigenständig zu programmieren sind, was natürlich ein Maximum an Flexibilität bedeutet, aber gleichermaßen auch eine Fehlerquelle für falsche Handhabung darstellt. Daneben existieren in regionaler Abhängigkeit zum Einsatzort fertig programmierte Leuchten und Systeme, die zwar auf den ersten Blick in der Funktionsweise einzuschränken scheinen, aber auch für eine gewisse Sicherheit hinsichtlich der Funktionsweise sorgen.
Meist bieten die Leuchten auch die Möglichkeit, dass der jeweilige User (z.B. in einem Großraumbüro) in die Arbeitsweise seiner Leuchte manuell eingreifen kann, um gegebenenfalls das Licht zu dimmen oder gar in der Lichtfarbe zu verstellen. Dies alles stellt Fehlerpotenziale dar, die dem eigentlichen Gedanken, ein gesundes Licht, welches dem biologischen Rhythmus angepasst ist, zu schaffen, entgegenwirken können. Doch sollte es zu denken geben, dass, wenn eine ständige Korrektur des Lichtes durch den User erfolgt, man sich vermutlich sicher sein kann, in der Grundprogrammierung einen Fehler gemacht zu haben, da das Licht von der Wirkung her in jedem Fall positiv wahrgenommen werden muss.
Alle Varianten haben ihre Vor- und Nachteile und müssen für die jeweiligen Nutzungsbedingungen individuell ausgewählt werden. Eine seriöse und allgemeingültige Empfehlung lässt sich in diesem Zusammenhang gewiss nicht formulieren.