Funkmikrofone und In Ear Monitoring in Festinstallationen
Grundlagen zu Funkwellen – Ausbreitung, Regularien, Sender und Empfänger
von Martin Hömberg, Artikel aus dem Archiv vom
Funkstrecken sind selbstverständlicher Teil der Veranstaltungstechnik. Drahtlosmikrofone und In Ear Monitoring werden manchmal in spektakulären Konfigurationen eingesetzt – 48 oder 84 Kanäle sind keine Sensation mehr, und auch 116 Funk-Kanäle sollen schon gleichzeitig „in der Luft“ gewesen sein. Dazu, dass so komplexe Setups möglich sind, haben immer bessere Anlagen beigetragen.
Die jüngste Generation von Funkmikrofonen hat die Möglichkeiten noch einmal in Details gesteigert. Auch die Convenience der Bedienung ist dank Computer-Steuerung groß. Die Rechner-Unterstützung verleitet manchen (potenziellen) Anwender und Investor zu der Meinung, alles laufe hier auf universelle Automatik hinaus – ein möglicherweise folgenreicher Irrtum.
Denn auf „Automatik“ kann sich vielleicht die Aerobic-Trainerin verlassen, die ihrer Gruppe drahtlos mit Anweisungen per Headset einheizt. Wo es um größere Anlagen geht, um komplexe Shows, die funktionieren müssen, ist nach wie vor fundiertes Know-How gefragt.
Professionelle Erfahrung mit Spitzenprodukten stellen nicht alle Hersteller zur Verfügung. Planer, Entscheider und Techniker sind auf aktuelle Informationen und auf Weiterbildung angewiesen. Funk-Wellen: Ausbreitung, Reflexion, Absorption und Überlagerung Drahtlosübertragung arbeitet mit elektromagnetischen Wellen innerhalb eines bestimmten Spektrums. Diese Wellen werden von „harten“ Gegenständen aus Metall einerseits reflektiert. Andererseits werden sie davon abgeschirmt, mit anderen Worten: in ihrer Ausbreitung behindert.
Dagegen wird „weiches“ Material wie Holz, Pappe, Kunststoff oder auch Glas, Wasser und Lebewesen durchdrungen. Es ergeben sich dabei so genannte Durchdringungsverluste, die unterschiedlich sein können.
Der „Aktionsradius“ eines Handsenders mit 20 Milliwatt Leistung beginnt nicht erst mit dem Auftritt des Akteurs. Wenn er den Sender eingeschaltet hat, ist der Darsteller auch schon aus seiner Garderobe heraus klar zu verstehen. Denn die vom Sender abgestrahlte Hochfrequenz (HF) breitet sich in alle Richtungen mit einem Radius von mehreren hundert Metern aus.
Bei Funkwellen im Frequenzbereich um 800 MHz kann man sich außerdem bildlich vorstellen, dass sie sich ihren Weg durch Türritzen, Lüftungskanäle und die Schächte von Lastenaufzügen „suchen“. Ein „hartes“ Hindernis erzeugt einen Funkschatten. Dieser Schatten ist aber nicht klar konturiert. Funkwellen haben vielmehr die Fähigkeit, sich um solche Hindernisse herum auszubreiten. Je nach Arbeits-Frequenz wirken sie mehr oder weniger in den „Schatten-Sektor“ des Hindernisses hinein. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Beugung.
Abschwächungen, die als regelrechte Einbrüche in der Feldstärke des Signals empfunden werden, begegnet man durch ein System mit mehreren Empfangsantennen. Hierfür steht die Bezeichnung True Diversity. Handsender und Lavalier-Mikrofone werden immer in der Nähe des menschlichen Körpers betrieben.
Ihre Leistung wird dabei absorbiert – aber nicht nur vom Darsteller selbst, sondern in der Praxis auch immer vom Publikum. Wenn man die HF-Situation einer Veranstaltung beim Aufbau grafisch darstellt und später beim voll besetzten Saal, stellt man fest: Ähnlich wie bei der Akustik verringert Publikum einerseits die Reflexionen, andererseits absorbiert es auch Hochfrequenz (HF). Der Mensch mit seinen verschiedenen Körperteilen, die Funksignale absorbieren. Für ca. 4,3 dB Dämpfung hat man folgende Eindringtiefen berechnet:
Haut: 4,3 mm
Fett: 10,4 mm
Muskel: 2,8 mm
Knorpel: 21,0 mm
Die größte Abschattung wäre also von einem Publikum aus lauter Bodybuildern zu erwarten. Was die Antenne eines Funkmikrofons letztlich abstrahlt, ergibt sich aus verschiedenen Faktoren und bezeichnet den Wirkungsgrad des Senders. Relevant dafür ist, wie der Sender angebracht wird und seine Handhabung durch den Akteur.
Es kann leicht zu krassen „Sprüngen“ im Wirkungsgrad der Antenne kommen. Korrekt in der Hand gehalten kann er unter auch sonst günstigen Bedingungen ohne weiteres 70 % und mehr erreichen. Tritt aber die Antenne in Kontakt zur feuchten Haut, kann er auf wenige zehntel Prozent einbrechen. Die Antenne eines Handsenders soll daher „frei“ bleiben. Wenn man sie anfasst, verstimmt man die Sendefrequenz und sorgt durch den Körperkontakt für Absorption.
Jeder Sender – im Übrigen auch jeder Empfänger – erzeugt als Nebenprodukt unbeabsichtigt HF-Strahlung. In der einfachen Situation stellt sie sich als Produkt von ganzzahligen Vielfachen der Trägerfrequenz dar. In Anlehnung an die musikalische Lehre von den Obertönen werden diese Produkte Harmonische genannt: Ein Sender mit der Arbeitsfrequenz von 800 MHz zeitigt Strahlung auch bei 1,6 und 2,4 GHz (Gigahertz).
Für die Dämpfung dieser Störfrequenzen hat die Regulierungbehörde (siehe unten) Vorschriften herausgebracht: Sie dürfen in ihrer Summe wenige Nanowatt (= tausendstel Mikrowatt) nicht überschreiten. Betrachtet man Funkeinsätze in Festinstallationen, gibt es noch andere Verursacher von Störstrahlung. Dazu zählen unter anderem digitale Audio-Effektgeräte, digitale Lichtsteuerungen, Videowände, GSM, LTE und DVB-T2. Nur selten lassen sich die Störer abschalten.
Meist bleibt nur der Weg, ihnen auszuweichen. Erste und wirkungsvollste Maßnahme ist ein ausreichend großer Abstand der eigenen Arbeitsfrequenz, so dass die Nutzstrahlung des eigenen Senders am Empfänger deutlich kräftiger einfällt als die Störstrahlung: Ist das Störsignal am Empfänger niedriger als das Nutzsignal, bleibt es unhörbar.
Einfache Gewohnheiten reduzieren das Risiko von Störstrahlung. So gehören zum Beispiel digitale Effektgeräte nicht in ein gemeinsames Rack mit den HF-Empfängern. Das Risiko von Störungen durch Handys umgeht man, indem die Akteure ihre Mobiltelefone grundsätzlich abschalten. Bestimmte Störstrahlungen muss man im öffentlichen Interesse hinnehmen.
Dazu zählt das Radar von Flughäfen, dazu zählen auch Sendeeinrichtungen von TV-Anstalten mit DVB-T2-Signal. Der Empfang des Fernsehprogramms hat Priorität; Betreiber von Funkmikrofonen gelten behördlich als Sekundär-Nutzer und müssen ausweichen.
DVB-T2 – Digital Video Broadcast – Terrestrial, 2nd generation
Durch DVB-T2 ergeben sich erhebliche Einschnitte beim Betrieb von Funkmikrofonen. Allgemein gilt: Wer sich an die für Funkmikrofone freigegebenen Frequenzen hält, (Anmeldepflichtig: 470-608 MHz, 614-703 MHz, 733-758 MHz, 788-791 MHz, 1350-1400 MHz und 1452-1518 MHz sowie Anmeldefrei: 174-230 MHz, 823-832 MHz, 863-865 MHz, 1785-1805 MHz, 1880-1905 MHz und 2400-2483 MHz) wird derzeit kein Problem mit DVB-T2 bekommen. Andererseits haben ARD und ZDF Rechte am gesamten UHF-Band, was möglicherweise in der Zukunft noch zu Einschränkungen führen kann.
Es wird von Fällen berichtet, in denen Funkanlagen nicht mehr zu betreiben waren: Das digitale TV-Signal im Fernsehkanal setzt sich aus mehr als 6.000 HF-Trägern zusammen, und diese spektrale Struktur wirkte sich im Empfänger der Funkmikrofon-Strecke als ein kräftiges Rauschen aus. Zumindest sind die Probleme erkannt, und es gibt seit etwa einem halben Jahr eine Kommunikation zwischen den führenden Herstellern von Funkmikrofon-Systemen und der Regulierungsbehörde.
Ein störungsfreier Funkverkehr für alle Anwender erfordert Organisation und detaillierte, verbindliche Regeln. Diese Aufgabe hat der Staat der Bundesnetzagentur (vormals Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP)) übertragen. In einem dicht besiedelten Land ist so eine Behörde sinnvoll, denn der Bedarf an Übertragungsbandbreite übertrifft die Möglichkeiten um ein Vielfaches. Die Behörde kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften.
Jedes Sendegerät, das in Europa vertrieben wird, muss vorher lizenziert werden. Standardisierte Freigabemessungen werden getätigt; wenn sie erfolgreich verlaufen, bekommt das Gerät die offizielle Zulassung. Die Bundesnetzagentur hat festgelegt, welche Anwendergruppe mit welchen Frequenzen Funkmikrofone betreiben darf. Innerhalb dieser Frequenzbänder dürfen Anlagen mit Funkmikrofonen und In Ear-Monitoring eingesetzt werden.
Die Bundesnetzagentur unterscheidet zwischen mobilen Nutzern (zum Beispiel Rental Companies) und Anwendern, die ihre Anlage in einem Gebäude als Teil einer Festinstallation betreiben. Den für Funkmikrofone am meisten genutzten UHF-Bereich zwischen 470 MHz und 860 MHz hat die BNetzA für folgende Nutzergruppen eingeteilt:
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, kommerzielle bzw. private Programm-Anbieter und Programm-Produzenten
„Andere Veranstalter“ wie zum Beispiel Wanderbühnen oder „Dienstleister der Veranstaltungstechnik“
Musikgruppen sowie rollende Diskotheken und weitere Nutzer – Mikrofonanlagen ausschließlich innerhalb von geschlossenen Räumen (z. B. Kongresszentren, Messen und Mehrzweckhallen sowie Schauspielhäuser und Theater)
Nur eingeschränkt darf man alle Richtlinien der Behörde als übersichtlich bezeichnen. So sprechen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten wohl ältere Rechte zu und legen die Vorschriften zu ihren Gunsten weiträumiger aus. Im Falle von Einzelzuteilungen sind Gebühren und Beiträge zu entrichten.
Es lässt sich nicht punktgenau beantworten, welche Reichweite ein Drahtlos-Mikrofon hat, weil viele Bedingungen dabei mitspielen. Wenn zum Beispiel die Antenne eines Taschensenders optimal abstrahlen kann, wurden schon fünf Kilometer überbrückt.
Für einen Reporter oder Moderator kann es dagegen schwierig sein, aus dichter Menschenmenge heraus im 20 Meter entfernten Ü-Wagen empfangbar zu sein. Sichere Übertragung braucht also in jedem Fall eine Sichtverbindung zwischen Sender und Empfangsantenne. Zu bedenken ist, dass die Sendeantenne maximal einen Wirkungsgrad von 70 % erreicht. Im günstigen Fall gehen also nur gut zwei Drittel der vom Sender erbrachten HF-Leistung „in die Luft“.
Signal-Aufbereitung mit Emphasis, Compander, Limiting
In der Theorie kann Frequenzmodulation hervorragende Werte erreichen. Praktisch jedoch erweisen sich Rauschwerte von Drahtlos-Mikrofonen und ähnlichen Anwendungen als verbesserungsbedürftig. Die Sound-Qualität wird mit verschiedenen Mitteln aufbereitet. Details davon unterscheiden sich je nach Hersteller. Einer Höhenanhebung im Sender (PreEmphasis) entspricht eine spiegelbildliche Höhen-Absenkung im Empfänger (De-Emphasis).
Daraus resultiert wieder ein linearer Signalverlauf, bei dem das Rauschen spürbar reduziert ist. Das gesamte Processing wird auch als Emphasis zusammengefasst, der praktische Rauschabstand liegt danach zwischen 50 und 60 dB. Auch die nächste Stufe der Bearbeitung arbeitet spiegelbildlich: Ein Kompressor mit einer Ratio von 2:1 im Sender und ein Expander von 1:2 im Empfänger. Der Sammelbegriff für diese Stufe ist Compander.
Das Signal hat am Ausgang des Companders wieder seine Original-Dynamik, theoretisch zumindest. Denn auf der Funkstrecke kann es von Artefakten befallen werden: Rauschfahnen, Rauschmodulation und „Pump-Effekte“ treten vorrangig bei schwacher Aussteuerung auf. N
ach EU-Regeln darf ein Funkmikrofon maximal eine Bandbreite von 200 kHz belegen. An der Grenze muss das Signal bereits auf ein tausendstel seines maximalen Werts (–60 dB) abgefallen sein. Um diese Vorgabe zu erfüllen, wird die Dynamik durch einen Peak Limiter „gedeckelt“.
Ein Limiter mit dieser „Ziegelwand“-Charakteristik ist obligatorisch für jeden Sender mit CE-Plakette. Er verhindert zuverlässig, dass der Sender durch Übermodulieren zu viel Platz im (knappen) HF-Spektrum belegt.
Ein Spezial- und Dauerthema für Drahtlos-Sender sind Batterien, denn darauf sind sie angewiesen. Von dieser Stromversorgung erwartet man, dass sie – wenn es drauf ankommt – so zuverlässig ist wie eine Steckdose. Im praktischen Betrieb sieht man heute meist Mignon- oder Mikrozellen, 9 Volt-Blocks gehören zu früheren Geräte-Generationen.
Leistungsstarke Batterie-Typen sind Alkali-Mangan- und Lithiumzellen. Sie kommen als nicht wieder aufladbare Typen, so genannte Primärzellen, für professionelle Anwendungen infrage. Sender der neuen Generation sind Mikroprozessor-gesteuert.
Gleichzeitig überwacht der Mikroprozessor verschiedene Funktionen. Sender und Empfänger übernehmen durch seine Mithilfe Aufgaben, die bislang immer per Hand zu erledigen waren und die Aufmerksamkeit des Ton-Mannes beanspruchten. Batteriestatus und Frequenzhub des Senders erscheinen auf einem Grafik-Display. Für Multikanal-Anwendungen ohne Intermodulationen enthält der Speicher des Prozessors empfohlene Sendefrequenzen. Sendefrequenzen lassen sich anwählen, meist in Schritten von 25 kHz. Eine Tastensperre sichert bei Bedarf Werte, die man über das Bedien-Menü eingegeben hat.
Der Empfänger einer Funkmikrofon-Strecke macht denselben Job wie der Tuner einer HiFi-Anlage, indem er die eingehenden HF-Signale wieder in hörbares Audio zurück wandelt. Die Qualität, die man dabei erwartet, entspricht einem guten UKW-Empfang. Tatsächlich aber sind die Bedingungen, unter denen der Empfänger einer Funkmikrofon-Strecke arbeitet, ungleich anspruchsvoller und komplizierter.
Während die Dynamik beim UKW-Radio klar definiert ist, braucht der Empfänger in diesem Fall Reserven. Denn die Signale, die ihn erreichen, repräsentieren zum Beispiel – vom Flüstern bis zum Schrei – die volle Dynamik einer vokalen Performance. Ein entsprechender Vortrag kann technisch gesehen in erheblichen Schwankungen der Feldstärke resultieren. Alles das soll der Empfänger kompensieren.
Wenn zum Beispiel 5 Mikrovolt am Antennen-Eingang anliegen, kommt man auf etwa 80 dB Geräuschspannungsabstand (NF) am Ausgang des Empfängers. Wenn nun der Vortragende mit seinem Sender in die Nähe der Empfangsantenne gerät, treten leicht sehr hohe Spannungen am Antennen-Eingang auf. Möglich sind Werte bis in die Größenordnung von 150.000 Mikrovolt, also das 30.000fache.
Funkwellen im Bereich von 500 bis 800 MHz zeigen vielfache Reflexionen. Das begünstigt grundsätzlich den Empfang. Wenn aber, z. B. auf einer Bühne, viel Dynamik vorherrscht, können sich die empfangenen Feldstärken innerhalb von Sekundenbruchteilen ändern.
Dem Empfänger wird sozusagen eine wabernde Mixtur aus Reflexionen angeboten, die aus allen Richtungen kommt. Um darauf reagieren zu können, wurden die Empfänger mit einer Technik aus zwei Empfänger-Blöcken ausgerüstet. Sie sind gleich aufgebaut, jeder hat seine eigene Antenne. Es wird jeweils der Empfänger auf den Ausgang geschaltet, der das deutlichere HF-Signal empfängt.
Ein Schaltkreis (Komparator) vergleicht und trifft seine Entscheidung. Im Display des Receivers wird durch eine 1 oder eine 2 rückgemeldet, welches Signal am Ausgang anliegt. Der Tonmann kann also bei Bedarf den Aufbau der Anlage optimieren, indem er den Standort einer Empfangsantenne verändert.
Diese so genannte True Diversity ist das sicherste Übertragungsverfahren in der professionellen Technik und wird von allen Anbietern in der entsprechenden Geräteklasse eingesetzt. In der nächsten Folge geht es um Bedienung, Frequenzmanagement, Antennen, Kabel und Wandler (Handmikrofone, Lavaliers etc.).
Ooops, da hätte vor der Wiederveröffentlichung aber nochmal jemand redaktionell drüber gehen müssen, um der aktuellen Situation zu genügen (RegTP, nutzbare Frequenzbereiche etc.)!
Ooops, da hätte vor der Wiederveröffentlichung aber nochmal jemand redaktionell drüber gehen müssen, um der aktuellen Situation zu genügen (RegTP, nutzbare Frequenzbereiche etc.)!
…und die gute alte FM Modulation wird durch die digitale Übertragungstechnik längst überholt.