AV-Technik
Anlagen für Hörgeschädigte: Grundlagen
von Thomas Zahn, Artikel aus dem Archiv
Auch akustische Informationsquellen in öffentlichen Gebäuden müssen barrierefrei zugänglich sein. Welche technischen Möglichkeiten gibt es, Hörgeschädigten Audioinformation klar zu vermitteln?
Barrierefreies Bauen wird leider häufig nur mit Rollstuhlrampen und Behindertenaufzügen in Verbindung gebracht. Doch wer glaubt, es gehe nur darum, irrt! So definiert etwa das Deutsche Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in §4 den Begriff Barrierefreiheit folgendermaßen:
„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“
Und auch, wenn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht explizit von barrierefreiem Bauen spricht, so ist in Artikel 3 doch ausdrücklich zu lesen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Die DIN 18040-1
Seit Oktober ist die DIN 18040-1 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude“ veröffentlicht. Diese berücksichtigt insbesondere auch die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung, Blindheit und – für unsere Betrachtungen besonders interessant – Hörbehinderung. Unter dem Punkt 4.4.3 Akustisch ist dort zu lesen: „Akustische Informationen müssen auch für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen hörbar und verstehbar sein.“
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Hören/Verstehen sind:
- das Verhältnis zwischen Nutzsignal S (Signal) und Störgeräusch N (Noise);
- die Nachhallzeit und die Lenkung der Schallenergie zum Hörer.
Der Begriff Barrierefreiheit inkludiert als expressis verbis den Zugang von Menschen mit einer Hörschädigung zu akustischen Informationen – und zwar von so vergleichsweise simplen Informationen wie etwa Alarmsignalen bis hin zur akustischen Teilhabe auch an kulturellen Veranstaltungen.
Für Bauherren und Planer öffentlicher Gebäude führt also kein Weg daran vorbei, Audio-Übertragungseinrichtungen vorzusehen, die Hörgeschädigten eine derartige Teilnahme ermöglichen. Derartige Systeme speisen die akustischen Informationen entweder direkt in die Hörgeräte der Betroffenen oder sie tun dies über einen speziellen externen Empfänger, der in einem solchen Fall durch den Veranstalter den Betroffenen gestellt werden muss.
Mehr zum Thema:
Induktive Höranlagen
Infrarot-Höranlage
Funk Systeme
Wird der §4 BGG ernst genommen, dann sind alle Höranlagentechniken, die zusätzlich zum Hörgerät ein Zusatzgerät benötigen, nicht barriefrei. Das heißt, einzig und allein die induktive Höranlage kann derzeit als barriefrei gelten.
Funklösungen (FM , 2,4GHz, DECT, WLAN-Streamer oder Bluetooth) oder die Infrarot-Technik benötigen immer einen Zusatz-Empfänger, der beim Betreiber ausgeliehen werden muss. Oftmals sind sie nur mit einem Hörbügel ausgestattet, sodass die Hörgeräte nicht genutzt werden können und damit nimmt die Verständlichkeit ab. Oder es gibt Modelle, die Mini-Induktionsschleifen (auch Halsringschleifen) betreiben können, so dass die Übertragung ins Hörgerät induktiv erfolgt.
Die T-Spule für den induktiven Empfang ist in 85% der Hörgeräte ab Werk eingebaut – wenn auch oftmals von den Hörakustikern nicht aktiviert, was aber jederzeit nachträglich innerhalb von wenigen Minuten möglich ist. Nachrüstungen sind teilweise auch möglich. Auf induktiven Empfang wird so einfach umgeschaltet wie sonst auf jedes andere Hörprogramm auch.
Die Bluetooth-Version 5.2 vom Januar 2020 verspricht ebenfalls eine Möglichkeit, direkt vom Sender in das Hörgerät zu übertragen, ohne dass es einer Pairing-Prozedur bedarf. Sie wird aller Voraussicht nach erst in 10 bis 20 Jahren flächendeckend in den Geräten zur Verfügung stehen. Wahrscheinlich wird die Nutzung dieser Technik nur mithilfe einer App auf dem Smartphone möglich sein, die das Hörgerät auf den gewünschten Stream eingestellt. Folglich ist es fraglich, ob hier die volle Barriefreiheit gegeben sein wird.
Fazit:
Nach wie vor ist die induktive Höranlage das Mittel der Wahl zur hörbarriefreien Ausstattung öffentlicher Räume.