Raumakustische Planung hat die DIN18041 „Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung“ zum Inhalt. Interessante Neuerungen der im März 2016 veröffentlichten Version sind die Empfehlungen für Arbeits- und Begegnungsräume. Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf dem Aspekt der Barrierefreiheit, sowohl im Hinblick auf Hörbeeinträchtigungen als auch Fremdsprachlichkeit der Zuhörer.
Hörsamkeit – dieser vielleicht nicht geläufige Begriff beschreibt die akustische Eignung eines Raumes für eine bestimmte Nutzung. Schon bei dieser Formulierung wird deutlich, dass es nicht „die“ Raumakustik für alle Nutzungen gibt. Empfehlungen für Räume, in denen Musik dargeboten wird, unterscheiden sich von denen für die sprachliche Kommunikation.
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Und auch bei der sprachlichen Kommunikation existieren unterschiedliche Anforderungen, je nachdem, ob z. B. „nur“ ein Vortrag in der Landessprache gehört oder auch fremdsprachiger Unterricht verstanden werden soll. Dabei thematisiert die DIN 18041 in ihrer neusten Version die „normalen“ Veranstaltungs- und Arbeitsräume wie Tagungs- und Unterrichtsräume, Vortagssäle, Multifunktionsräume bis zu einer Größenordnung 5.000 m3, bzw. Sportstätten bis 30.000 m3. Dies betrifft als Begegnungsräume wie z. B. Kantinen, Büros, Eingangshallen, Werkstätten, Krankenhäuser, Kindertagesstätten. Für spezielle Säle wie Theater oder Konzertsäle ist die Norm nicht gedacht.
Wichtiges im Überblick
Im Fokus steht die Sprachkommunikation, wobei zwischen zwei Kategorien unterschieden wird: Räume, in denen über mittlere bis lange Entfernungen kommuniziert wird – ein Beispiel sind Klassenräume oder Vortragssäle mit einem Referierenden und vielen Zuhörern – gehören in die Kategorie A. Wenn hingegen über kleine Entfernungen kommuniziert wird, wie z. B. in einem Büro im Gespräch mit Kollegen oder bei einem Verkaufsgespräch zwischen Kunde und Verkäufer, so sind die Räume in die Kategorie B einzustufen (siehe Abschnitt Büros und andere B-Räume).
In die Kategorie A fallen auch Unterrichts- und Proberäume für Musik, für deren Gestaltung die Norm Hinweise gibt. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Aspekt der Barrierefreiheit, sowohl im Hinblick auf Hörbeeinträchtigungen als auch Fremdsprachlichkeit der Zuhörer. Einen sehr interessanten Aspekt behandelt die Norm im Anhang A: Wie lässt sich die Erfüllung der Anforderungen durch Messungen nachweisen, wenn – was die Regel sein dürfte – bei den Messungen die im Regelwerk erwähnten 80 Prozent besetzten Plätze eben nicht besetzt sind.
Denn die Anforderungen sind für den besetzen Zustand formuliert, Messungen im besetzten Zustand sind aber wenig praxistauglich. Sonst müssten ja entsprechend viele Personen die doch eigenartig tönenden Messsignale mucksmäuschenstill ertragen. Die Norm enthält viele interessante Hinweise für die Planung, die mit vergleichsweise einfachen Methoden in der Praxis angewendet werden können. Eingegangen wird auf die Gestaltung der Primärstruktur, zu der u. a. die Raumgeometrie und Schalldämmung gehören.
Zu der Sekundärstruktur mit ihrem wesentlichen Einfluss auf die Raumakustik sind die Oberflächengestaltung der Flächen wie Wände, Boden, Einrichtungsgegenstände oder Ähnliches im Raum zu zählen. Hier skizziert die Norm beispielsweise, an welchen Positionen raumakustische Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind. Thema der DIN 18041 ist auch die raumakustische Gestaltung von Räumen mit Beschallungsanlagen.
Dank Vorschriften zur Sprachalarmierung und dem allgegenwärtigen Einsatz von Medientechnik sind sie in Räumen inzwischen die Regel. Die informativen Anhänge D (Empfehlungen und Planungshinweise für Räume mit Beschallungsanlagen) und Anhang E (Planung und Inbetriebnahme elektroakustischer Beschallungsanlagen für die Sprachübertragung) widmen sich weiteren Aspekten des Einsatzes von Beschallungsanlagen. Zudem werden Empfehlungen zum baulichen Schallschutz und „akzeptablen“ Störpegeln im Anhang B gegeben. Mit all diesen Themen und Hinweisen auf andere Normen gehen die Informationen der DIN 18041 über die Raumakustik hinaus. Einige Themen aus dem umfangreichen Regelwerk sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.
Alles inklusive
Zur Barrierefreiheit gibt es in vielen Ländern gesetzliche Vorschriften und dabei geht es nicht „nur“ um Mitmenschen mit eingeschränktem Hörvermögen, sondern auch um das Verstehen von Sprache, die nicht die Muttersprache ist.
Kürzere Nachhallzeiten sind in beiden Fällen als förderlich für die Verständlichkeit von Sprache einzustufen. Dies berücksichtigt die Kategorisierung der A-Räume – also der Räume, in denen über einige Entfernungen kommuniziert wird. Von A1 bis A4 wird die Nachhallzeit immer kürzer, und mit der Kennzeichnung „inklusive“ wird jeweils die Kategorie mit der kürzeren Nachhallzeit als geeignet für höreingeschränkte und nicht muttersprachliche Zuhörer eingestuft.
Die Kategorien lauten: – A1 „Musik“, für Raumvolumen zwischen 30 m3 und 1.000 m3 – A2 „Sprache/Vortrag“, für Raumvolumen zwischen 50 m3 und 5.000 m3 – A3 „Unterricht/Kommunikation“, „Sprache/Vortrag inklusiv“, Beschallung, für Räume zwischen 30 m3 und 5.000 m3 – A4 „Unterricht/Kommunikation inklusiv“ für Räume zwischen 30 m3 und 500 m3 – A5 „Sport“ für Räume zwischen 200 m3 und 10.000 m3.
Bei Sportstätten mit einem größeren Volumen wird pauschal eine Nachhallzeit von 2 s (mittlerer Frequenzbereich) gefordert. Dabei entsprechen die ersten drei Kategorien der „alten“ Einstufung in der bisherigen DIN 18041.
Hinzugekommen ist quasi die Kategorie A4. Geändert hat sich auch die Definition des Toleranzbereichs für die Nutzungen A1 bis A4: Es wird nicht mehr zwischen Musik und Sprache unterschieden, sondern es gibt nur noch eine Definition der Sollgrenzen. Um zu verdeutlichen, wie Sollnachhallzeit und -grenzen sich bei den unterschiedlichen Kategorien darstellen, sind in den Abbildungen 1 bis 4 beides für ein Raumvolumen von 210 m3 , also z. B. einen Raum mit einer Grundfläche von 7 × 10 m und einer Höhe von 3 m aufgetragen.
An diesem Beispiel wird gut deutlich, wie groß die Spanne der geeigneten Nachhallzeiten bei den unterschiedlichen Nutzungen ist. Selbst wenn man nur Sprachnutzung betrachtet, so überschneiden sich die Toleranzbereiche für A2 „Sprache/Vortrag“ und A4 „Unterricht/Kommunikation inklusiv“ noch nicht einmal. Dies gilt auch für die Nutzung für unverstärkte (A1) und mit Beschallungsanlage verstärkte Musik (A3).
In diesem Beispiel ist die passende Nachhallzeit in etwa doppelt so lang für unverstärkte als für elektronisch verstärkte Musik. Ein ähnliches Problem ergibt sich bei der Nutzung als Musikübungsräume: Nach der DIN 18041 kann ein Proberaum für Gesang oder Blockflöte sich ruhig an den Nachhallzeiten der Nutzungen A1 orientieren – Räume für Schlagzeug sollten hingegen den Anforderungen der Kategorie A3 folgen.
Hier werden die Grenzen der oft erwarteten Multifunktionalität deutlich: Ohne eine Variabilität in der Raumakustik lassen sich Räume nicht optimal für die multifunktionale Nutzungen gestalten. Wenn man z. B. den 210 m3 großen Raum nimmt, so müssen überschlagsmäßig statistisch für die mittleren Frequenzen gerechnet ca. 30 m2 der Wand- und Deckenbereiche mit sehr hochabsorbierenden Materialien (Absorptionskoeffizient von 1 angenommen) für die Nutzung A1 belegt werden. Für A3 ist die Fläche zu verdoppeln, also z. B. eine der langen Wände komplett variabel zu gestalten – keine kleine Fläche.
Nach der Norm ist im Zweifel bei Räumen für die Sprachinformation die kürzere Nachhallzeit zu wählen. Bei Mehrfachnutzungen ist nach der Wertigkeit der Hauptnutzungen ein Zwischenwert zu ermitteln oder die Nachhallzeit variabel zu gestalten In der Praxis stößt die Problematik der akustisch nicht einfach zu realisierenden Multifunktionalität oft auf Unverständnis bei Bauherren und Architekten, insbesondere, wenn es um mittelgroße Räume für Veranstaltungen wie Gemeindesäle und Schulaulen geht: Sie sollen für alles geeignet sein, genauso für ein Kammer- oder Schulorchester wie für eine elektroakustisch verstärkte Podiumsdiskussion, Ansprache oder Präsentation.
Der Aufwand für eine variable Raumakustik – im einfachsten Fall durch Vorhänge oder Rollos – wird aber auch aus Kostengründen gescheut. Nach der Fertigstellung wundern sich die Besucher dann, warum bei einer Auslegung des Saals auf Sprachveranstaltungen klassische Aufführungen so gar nicht klingen mögen oder umgekehrt die Zuhörer die jährliche Kammermusik zufrieden verlassen, aber Vorträge und Ansprachen nicht zu verstehen sind. Es kann auch passieren, dass ein Kompromiss zwischen allen Nutzungen gesucht wird und der Saal hinterher für keinen so richtig geeignet ist.
Fast voll besetzt
Publikum eignet sich hervorragend als „Absorptionsmaterial“ und ist daher bei den raumakustischen Betrachtungen zu berücksichtigen. Dem zollt die DIN 18041 Rechnung, indem sie die Anforderungen für den besetzten Zustand definiert. Und zwar für einen 80 % Besetzungszustand der Regelbesetzung. Sie gibt im normativen Anhang A an, wie die Umrechnung vom unbesetzten auf den besetzten Zustand bei der Planung und messtechnischem Nachweis zu erfolgen hat.
Die Umrechnungsformel ist nicht weiter komplex und benötigt als Eingabewerte die Nachhallzeit im unbesetzten Zustand sowie die zusätzliche Absorption durch die Personen. Letzteres hängt von Anzahl der Personen und wie viel jede Person zur Schallabsorption beiträgt, also die zusätzliche äquivalente Schallabsorptionsfläche pro Person, ab.
Die Festlegung der beiden Parameter ist nicht ganz trivial. Räume wie Hörsäle und Unterrichtsräume müssen auch dann raumakustisch funktionieren, wenn nur wenige Zuhörer erscheinen. Nach der Norm sind daher auch Nutzungsszenarien mit geringen Besetzungsdichten zu berücksichtigen. Es kommt also hier letztendlich auf die projektbezogene Definition der Nutzungen an.
Auch der zweite Parameter ist projektabhängig – weil die Schallabsorption pro Person auch von der Körpergröße und Bekleidung abhängt. Ein hochgewachsener, stattlicher Mann in einem Wintermantel absorbiert mehr Schallenergie als eine Frau im Sommerkleid und diese wiederum mehr als ein Kind. Wie groß nun der Einfluss pro Person ist, hängt zudem von der Bestuhlung ab: Sitzt man im Theater auf stark gepolsterten Stühlen, so ist die Differenz zwischen besetztem und unbesetztem Zustand wesentlich geringer als in einer Halle ohne Bestuhlung mit stehendem Publikum.
Zum Glück hilft die neue DIN 18041 an diesem Punkt mit einer Vereinfachung weiter: Ist die Anzahl der Personen gefunden, so kann mit Hilfe einer tabellarisch aufgelisteten zusätzlichen Absorptionsfläche pro Person der Einfluss des Publikums bestimmt und damit die Nachhallzeit im besetzten Zustand berechnet werden.
Wie unterschiedlich die zu veranschlagende Schallabsorption pro Person ist, das verdeutlicht die Abbildung 5, die oktavabhängig die Schallabsorptionsfläche für unterschiedliche Personen- und Bestuhlungsvarianten aufzeigt: Um zu verdeutlichen, wie groß der Einfluss von Publikum ist, zeigt die Abbildung 6 verschiedene Besetzungszustände in einem kleinen Saal mit einem Raumvolumen von 800 m3 (z. B. als Grundfläche von 160 m2 und Höhe von 5 m).
Der Saal ist mit 120 leicht gepolsterten Stühlen ausgestattet, deren akustische Eigenschaften bereits in der Nachhallzeit des unbesetzten Saals berücksichtigt sind. Die Änderung der Nachhallzeit hängt also nur vom Besetzungszustand ab, nicht von der Bestuhlung. Zusätzlich wird in den Grafiken zur Orientierung der Toleranzschlauch für die Kategorie A2 „Sprache/Vortrag“ eingeblendet.
In diesem Beispiel werden die Toleranzgrenzen allein durch die mögliche Besetzungsdichte sehr genau ausgekostet. Erst oberhalb eines Besetzungszustands von 50 % erfüllt der Beispielsaal auch die Kriterien der Kategorie A3 („Unterricht/Kommunikation“, „Sprache/Vortrag inklusiv“, Beschallung), wie die Abbildung 7 zeigt. Für die Wiedergabe von nicht verstärkter Musik wäre er gerade mal im leeren Zustand geeignet. Auch an dieser Stelle werden die Grenzen der Multifunktionalität ohne variable Raumakustik deutlich.