Road to Zero: Wie setzt Sony die Kreislaufwirtschaft um?
von Niklas Baumgarten, Artikel aus dem Archiv vom
Ein neues Produkt bedeutet immer, dass dafür neue Ressourcen genutzt werden müssen. Seien es Kunststoffe, Metalle, Holz oder Baumwolle. Hinter neuen Ressourcen steckt oft ein enormer Energie- und Wasserbedarf. In Zeiten, in denen Energie und Wasser kostbarer und Produkte kurzlebiger werden, ist es daher wichtig, bereits genutzte Ressourcen erneut zu verwenden. Das Ziel ist die Kreislaufwirtschaft. Sony setzt hier erste Maßstäbe für die Branche.
Der weltweite Ressourcenbedarf nimmt jedes Jahr zu. So werden nach Aussage von Prof. Dr. Henning Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, in einem Interview des Deutschlandfunks aktuell beispielsweise 20–25 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr verbraucht. In einigen Jahrzenten sollen es dann sogar 70–100 Millionen Tonnen sein. Kupfer ist ein Metall, das u.a. wegen seiner hohen Leitfähigkeit in elektronischen Produkten zum Einsatz kommt. Wenn man bedenkt, dass elektronische Produkte in immer mehr Bereichen Einzug halten, bekommt man ein Gespür dafür, was hinter einer Zahl von aktuell fast 25 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr stecken kann. Hinter dem fertig gewonnen Kupfer verbergen sich große Minen, die für sich bereits eine große Belastung für die Umwelt sind. Hinzu kommen die chemischen Abwässer, die von der Gewinnung zurückbleiben. Kurz um: Rohstoffbedarf ist eine große Umweltbelastung. Und dies waren nur die Zahlen für Kupfer. In elektronischen Produkten stecken noch viel mehr Metalle, Kunststoffe oder seltene Erden.
Gleichermaßen sinkt die Nutzungsdauer von elektronischen Geräten. Laut Umweltbundesamt sankt diese von früheren 13 Jahren auf knappe 5 Jahre im Durchschnitt. Hier muss zwischen professionellen und privaten Geräten unterschieden werden. Dennoch holt auch den professionellen Bereich eine rasante Entwicklung neuer Technologien ein. Eine Rolle in der Nutzungsdauer spielt hierbei auch die Qualität der Produkte. Von denen vom Umweltbundesamt untersuchten Geräte wiesen fast 10% innerhalb der ersten 5 Jahren einen Defekt auf. Es gibt also einmal eine stärkere Nachfrage und gleichzeitig einen höheren „Verbrauch“ weil Produkte nicht mehr funktionieren. Hinzu kommt, dass neue Produkte oft günstiger als eine Reparatur sind.
Die vollständige Kreislaufwirtschaft ist in dieser Spirale von Qualität und Bedarf das ideale Ziel. In der Theorie wird dabei jedes Material aus den bestehenden Produkten gewonnen und direkt für neue Produkte genutzt. Aus einem defekten Bildschirm also wieder ein neuer Bildschirm? Ganz so einfach ist es in der Praxis leider nicht. Während beispielsweise das System im Bereich der Pfandflaschen eine hohe Optimierung erfahren hat, hakt es im Bereich der elektronischen Produkte. Noch immer werden viel zu wenige Produkte wirklich recycelt – andere werden erst gar nicht „entsorgt“. Laut dem Reportmagazin GEO existieren Stand 2022 circa 210 Millionen ungenutzte Smartphones in Deutschland. Die darin enthaltenen Stoffe könnten für neue Produkte genutzt werden. Solange sie an offiziellen Stellen abgegeben werden und die Produkte auch so gestaltet sind, dass sich die Komponenten gut weiterverarbeiten lassen. Die Neugewinnung der notwendigen Materialien für neue Smartphones könnte damit verringert werden.
Aber nicht jeder Werkstoff lässt sich problemlos bzw. unendlich oft weiterverwenden. Es gibt Grenzen: Im Pfandsystem werden aus alten Kunststoffflaschen zu einem Drittel u.a. Textilstoffe oder Waren aus billigerem Plastik hergestellt. Ein Recycling wird hier auch oft durch die Mischnutzung verschiedener Kunststoffe erschwert. Bei z.B. Papier ist bereits nach 10–25 Mal Recycling Schluss. Wobei auch hier aus Altpapier kein reines weißes Blatt entsteht. Ziel der Kreislaufwirtschaft ist es, Rohstoffe so lange wie möglich zu nutzen bzw. sie beliebig oft wieder in den Kreislauf der Produktion zurückzuführen. Und genau hier stecken die Schwierigkeiten.
Es gibt also einige Hürden auf dem Weg zur vollständigen Kreislaufwirtschaft. Umso erfreulicher ist es, dass an vielen Stellen daran geforscht wird, Materialien herzustellen, die nach dem Recycling nahezu vollständig wieder hergestellt werden können, da sie kaum an Qualität verlieren. So arbeitet beispielweise Sony an einem Kunststoff namens SORPLAS. Dieser wird aus alten Kunststoffflaschen sowie aus von Partnerunternehmen bereitgestellten alten CDs gewonnen. Diese Materialien werden zunächst zerkleinert, geformt und für neue Produkte schließlich wieder verwendet. Anteil daran hat auch ein hierfür entwickelter Flammenhemmer, der diesen fast verlustfreien Vorgang ermöglicht. Damit konnte der Anteil von recycelten Kunststoffen von 30% auf bis zu 99% gesteigert werden. Zum Einsatz kommt dieser Kunststoff bereits in rückseitigen Bauteilen von Sony-Bildschirmen, Kameras, in stabilen Koffergehäusen sowie für diverse Innenbauteile. Der Neukunststoffanteil verringert sich somit auf 27%. Dies ist der beste Weg, um den Ressourcenverbrauch zu senken und somit bei der Entwicklung des Produkts bereits an seine weitere Verwendung nach Ende der Nutzungsdauer zu denken. Es spart Material und Energie.
Darüber hinaus ist Sony auch in anderen Bereichen tätig. So konnte der Gebrauch von Plastikverpackungen für Produkte insgesamt um über 15% gesenkt werden. Der Bedarf an frischem Neuplastik wurde insgesamt um 3,1% gesenkt und durch recyceltes Plastik ersetzt. Diese Aktivitäten zeichnen sich auch in der Unterstützung des One Blue Ocean Projekts aus, dass mit einer globalen Gemeinschaft das Bewusstsein für ein umweltfreundlicheres Handeln mit den Ozeanen fördert. Sony arbeitet auch verstärkt daran, Chemikalien in Rohstoffen und Produkten zu reduzieren. Dies zeigt sich auch in verschiedenen externen Bewertungen. So hat beispielweise das CDP (Carbon Disclosure Project) Sony mit dem höchsten A-Rating bewertet sowie zum führenden Unternehmen für das Engagement im Bereich nachhaltige Lieferkette ernannt.
Das aber wohl größte Ziel, welches sich Sony gesetzt hat, ist eine Klimaneutralität bis 2040. Dies wird als „Road to Zero“ bezeichnet. Ursprünglich sah dieses Programm vor, bis 2050 den ökologischen Fußabdruck des Unternehmens auf null zu reduzieren. Mit dem weltweiten Ziel, die Klimaerwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen, wurden aber auch hier die Maßnahmen im Mai 2022 verschärft. Im Detail sieht dies vor, alle fünf Jahre mittelfristige Umweltziele festzulegen. Wie zum Beispiel alle Emissionen aus Scope 1 und 2 bis 2030 vollständig zu eliminieren. Folglich sollen alle Energien aus 100% erneuerbaren Quellen stammen. Konkrete Ziele, an denen sich Sony in den kommenden Jahren messen lassen wird.
Ein Mittel, um diese Ziele zu erreichen, ist Künstliche Intelligenz. So wird seit 2021 in der Bildsensorproduktion eine KI-gestützte Steuerungstechnik verwendet, die die Kühlung im Reinraum kontrolliert und die Rückführung von Abwärme der Produktionsanlagen optimiert. So konnten im Vergleich zu den Vorjahren ganze 30% Energie eingespart werden. Neben der Einsparung – welche das erste Ziel sein sollte – forscht Sony auch an Projekten, die Kohlenstoff aus der Atmosphäre wieder binden sollen. Diese Art der Kohlenstoffabsorption ist bislang noch sehr Energieaufwendig und dadurch nicht rentabel. Daher liegt der Fokus darauf, sparsame Technologie zu entwickeln. Eine Entwicklung, die Sony auch für seine Produkte im Allgemeinen vorsieht, da bisher noch der größte Anteil im Scope 3 und somit bei der Nutzung seiner Produkte liegt.
Alle Maßnahmen von Sony werden in die Kategorien Klimawandel, Ressourcen, chemische Substanzen und Biodiversität zusammengetragen. Alle vier Säulen werden sich in den nächsten Jahren durch die festgelegten Ziele der Klimaneutralität bis 2040 messen lassen. Damit wird Sony sein Streben glaubwürdig untermauern können. Es zeigt sich aber schon jetzt, wie sich einzelne Sofortmaßnahmen mit Technologie und Fortschritt kombinieren lassen, um das bestmögliche Ziel zu erreichen. Und auch die Kreislaufwirtschaft ist Bestandteil davon. Mit ihr werden sich langfristig einige Ressourcen einsparen lassen. Die weiteren Entwicklungen von Materialien und Technologien werden hier der Schlüssel sein. Bis zum Schluss muss nur noch der Wille existieren, diese Wege auch zu gehen. Sony zeigt, wie es funktionieren kann. Es bleibt spannend!
Scope 1, 2 und 3 sind die drei Kategorien, in denen allgemein Emissionen aus Prozessen und Ressourcen, die für die Herstellung eines Produkts oder Dienstleistung entstehen, unterteilt werden. Scope 1 fasst alle direkt beeinflussbaren Emissionen zusammen. Dazu zählen zum Beispiel alle Energieträger (Öl, Gas) oder Hochöfen, aber auch Emissionen von Fahrzeugen. Scope 2 nennt man auch indirekte, aber noch beeinflussbare Emissionen wie z.B. eingekaufter Strom. In Scope 3 fallen alle in der weiteren Lieferkette entstehenden Emissionen (Transport von Drittfirmen, Zulieferer, Investments) und solche, die durch die Nutzung eines Produktes entstehen (Stromverbrauch, wenn der Kunde das Produkt nutzt).
(Bild: CDP Europe)CDP ist eine Non-Profit-Organisation, die Anhand von Befragungen Daten von Firmen aber auch Gemeinden erhebt, die sich auf die Produktion von Treibhausgasen und den Wasserverbrauch beziehen. Mit diesen Daten verhilft sie zu mehr Transparenz, aber auch Unternehmen, Schwachstellen aufzudecken. In Deutschland haben über die Hälfte aller DAX notierten Unternehmen an der Erfassung teilgenommen. Die besten Unternehmen dieser Bewertung werden ausgezeichnet.