Nutzer:innen von heute, Entscheider:innen von morgen
Inwiefern gestaltet die Generation Z Hybrid Working?
von Tim Kutter, Philipp März, Artikel aus dem Archiv vom
Ein Erfahrungsbericht von zwei jungen Menschen aus der Generation Z. Beide haben einen medientechnischen Background und sind Experten für hybride Lehre und New Work.
Von Kund:innen unter 35 stammen 60 % der Umsätze von Gucci. Die Gen Z ist zahlungskräftig und mit modernen Technologien aufgewachsen. Um das zu schaffen, hat Gucci den Markenauftritt überarbeitet und sich mit innovativen Ansätzen auf die Kommunikation via TikTok fokussiert. Ebenso wie Gucci haben viele große Unternehmen diesen Trend erkannt und engagieren Agenturen wie Zeam, Junges Herz und weitere, um ihre Marke und die Produkte für diese Zielgruppe zu optimieren.
Dabei ist diese Entscheidung eine rein ökonomische. Die Generation Z stellt an Hochschulen einen Großteil der Studierenden und in Unternehmen einen signifikanten Anteil der Zielgruppe. Man kämpft um diese große Nutzergruppe bzw. das Erreichen der Entscheider, die zunehmend aus Gen Z besteht.
Die Gen Z, also die unter 30-Jährigen, ist die erste Generation, die vollkommen im Digitalen Zeitalter aufgewachsen ist. In Echtzeit nimmt die Generation Z Nachrichten aus der ganzen Welt wahr und flieht zeitgleich in eine digitale Realität der High-Performenden, Influencer:innen und Selbstdarsteller:innen. Das Wunschdenken nach unbegrenzten Möglichkeiten, Selbstverwirklichung und viel Freizeit führt bei einigen zu dem Denken, dass man sich für Erfolg nicht anstrengen muss. Wie sonst schaffen es viele Vorbilder der Gen Z, ein so vorzeigbares Leben mit Hochglanz-Fotos auf Instagram zu führen, wenn es keine ‚Abkürzung‘ gibt?
Bei vielen anderen jedoch führt es dazu, den Mut aufzubringen, ihren Traum zu verwirklichen, auch ohne geradlinigen Lebenslauf. Diese jungen Menschen möchten Verantwortung übernehmen und sich mit Leidenschaft für bessere, nachhaltigere und innovativere Produkte und Dienstleistungen einsetzen. Um diese jungen Menschen zu erreichen, muss die Vision des Unternehmens möglichst deckungsgleich mit der Vision des Menschen sein.
Hochschulen und Unternehmen, die sich jetzt richtig aufstellen, profitieren erheblich davon, denn sie gewinnen die jungen Menschen für sich. Früher war die Hochschule der Vorreiter für Neues. Heute hingegen hat jede:r Studierende ein Smartphone, Notebook & Co., die Kommunikation untereinander erfolgt über Facetime, WhatsApp oder Google Teams. Daten-Sharing läuft wie selbstverständlich ohne zusätzliche Kosten über Cloud-Dienste des Handy Launchers, Dropbox oder OneDrive. Für junge Menschen ist all das normal, sie ‚arbeiten‘ schon ihr ganzes Leben damit, erkunden immer wieder selbstständig neue Technologien und Software-Anwendungen.
Lassen Sie sich auf ein Gedankenexperiment ein und stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Sie als Digital Native, der schon seit seinem 13. Lebensjahr Skype, Discord oder Twitch nutzt und zeitgleich Online-Multiplayer-Games spielt. Begünstigt durch Corona sitzt dieser Studierende in seiner ersten Online-Vorlesung. Demgegenüber ein:e Dozent:in im unaufgeräumten Arbeitszimmer mit schlechter Beleuchtung und schlecht zu verstehendem Ton. Wie würden Sie sich als junger Mensch vorkommen bzw. wie wäre der erste Eindruck zur Qualität der Lehre an einer Hochschule?
Gen Z als Vorreiter auf der Suche nach Alternativen
Alternativen gibt es bereits. Hochschulen auf der ganzen Welt haben es verstanden und öffnen sich. Bedeutet, Studiengänge werden fast komplett digital angeboten. Dabei handelt es sich nicht um unbekannte Hochschulen, sondern um die weltweit führenden Lehreinrichtungen wie Harvard oder das MIT.
Als Hochschule wird man die Gen Z für sich gewinnen können, wenn man kurze hochwertige und unterhaltsame Lehrvideos und auch längere Vorlesungen einfach online abrufbar bereitstellt oder streamt. Aktuell machen es nicht Professor:innen, sondern YouTuber:innen vor, wie neue digitale Lehreformate aussehen können – die Reichweiten sind riesig, denn die räumliche und zeitliche Hürde kann durch digitale Möglichkeiten wie professionelle Aufnahmen, E-Learning und Chats überwunden werden.
Die Technologie ist da, sie muss nur richtig eingesetzt werden – aber wie?
Die richtige Medientechnik in Hörsälen und Seminarräumen ist der Schlüssel zu echter hybrider Lehre, das bedeutet Interaktion über alle Kanäle in jede Richtung. Dabei müssen die Anwendungsfälle „Vorlesung“ und „Gruppenarbeit“ betrachtet und einzelne Use Cases hinsichtlich Ton und Bild herausgearbeitet werden:
Wie wird der Ton/das Bild von der/dem Dozierenden in den Hörsaal und für das Video-on-Demand oder den Stream für die Studierenden, die remote teilnehmen, übertragen?
Wie hört/sieht der/die Dozierende, aber auch die Studierenden im Hörsaal, die Studierenden von remote – wie können diese didaktisch sinnvoll in die Vorlesung integriert werden?
Wie hören/sehen die Studierenden remote das Gesprochene der Studierenden im Hörsaal?
Weitere Komplexitäten entstehen durch Gruppenarbeiten und z. B. Boards, die beschrieben werden. Diese Inhalte müssen wiederum den Studierenden remote zur Verfügung gestellt werden.
All das soll für die Professor:innen einfach nutzbar sein, die am liebsten die Steuerung und Präsentation über ihr eigenes Endgerät vornehmen. Es bedarf hochgradig automatisierter Workflows, die entsprechend den individuellen Anforderungen umgesetzt werden.
Erst wenn diese Fragestellungen vernünftig gelöst wurden, ist man als Hochschule ganz nah dran an der Lebensrealität der Generation Z und kann sie abholen und mitnehmen.
Eigentlich passt die Generation Z perfekt zur aktuellen Entwicklung in Unternehmen. Durch neue Technologien reduzieren sich Innovationszyklen, Unternehmen müssen flexibel und schnell handeln können. All das wird durch einen hohen Grad an Kollaboration möglich. Das Büro muss im Kontext der digitalen Transformation und der Gen Z deshalb neu gedacht werden.
Fest steht, dass die Digitalisierung dem Wandel der Arbeitswelt in den vergangenen Jahren eine noch nie dagewesene Dynamik verliehen hat. Dadurch hat sich nicht nur die Art und Weise verändert, wie wir zusammenarbeiten, sondern auch unser Anspruch an den Ort, an dem wir dies tun. Das Büro soll zu einem Ort werden, welcher die Kreativität und vor allem das Teilen von Wissen fördert. An den unterschiedlichen Arbeitsplätzen darf es keinerlei Hürden für Teams geben, die in hybriden Formaten an einem Projekt arbeiten.
Wenn Homeoffice und Remote Work in einem Betrieb Einzug halten, bedeutet das keineswegs, dass das Büro nicht mehr gebraucht wird. Lediglich seine Rolle wandelt sich. Es wird vom Arbeitsplatz zu einem Ort der Kollaboration, des Informationsaustauschs und des Networkings zwischen Kolleg:innen. Denn gerade in Zeiten, in denen alles immer digitaler wird, ist der persönliche Austausch wichtiger denn je. Beim morgendlichen Meeting werden kurz die wichtigsten Tasks am digitalen Whiteboard skizziert. Danach kommen die einzelnen Teams in hybriden Konferenzen zusammen, um an Projekten zu arbeiten – und auch die professionelle Präsentation vor Kund:innen ist durch modernste Medientechnik jederzeit remote möglich.
Passend zum New-Work-Gedanken gibt es auch in den Pausen keine Grenzen zwischen unterschiedlichen Standorten, denn auch die Kaffee-Ecke ist mit Videokonferenztechnik ausgestattet. Das Büro bleibt relevant, nur seine Rolle innerhalb der Arbeitswelt verändert sich.
Jeder Raum muss nach dessen Zielsetzung und Anwendungsfall hinterfragt werden. Werden wichtige Entscheidungen in Pausen zwischen Meetings getroffen, dann müssen auch die Remote-Kolleg:innen dazu geholt werden können. Findet in der „Chillout-Area“ der bereichsübergreifende Austausch statt, muss auch jeder Bereich die Möglichkeit haben, an diesem Austausch teilzunehmen. Wird in Meetingräumen Kreativität erwartet, muss es Möglichkeiten zur visuellen Entfaltung geben, an der auch die Kolleg:innen im Homeoffice teilnehmen können.
Medientechnik muss und kann diese Kommunikationshürden abbauen und gewinnt damit die Gen Z dafür, sich aktiv in die Unternehmensentwicklung einzubringen.
Wenn es richtig angegangen wird, ist die Gen Z ein großer Glücksfall. Die Technologien werden dankbar aufgegriffen und sogar gefordert – die Gen Z möchte technologischer Vorreiter sein. Unternehmen sollten sich mit dieser Zielgruppe auseinandersetzen und die Möglichkeiten der Medientechnik ausschöpfen.
Tim Kutter und Philipp März stammen beide aus der Generation Z und haben langjährige Erfahrung mit medientechnischen Projekten. Sie berichten daher aus Überzeugung und authentisch aus der Praxis.
Tim Kutter ist anerkannter Experte für hybride Lehre an Hochschulen und möchte neue Modelle der Lehre mitgestalten.
Philipp März ist ein Vorkämpfer für New Work. Als Autor des ersten Strategie-Papiers, das sich mit den Auswirkungen dieses Kulturwandels auf das Büro der Zukunft beschäftigt, prägt er diese Entwicklung aktiv mit.