Auch wenn Rechenzentren im Allgemeinen als Verbraucher von Energie angesehen werden, so können sie über die Digitalisierung hinaus jedoch weiteren Mehrwert für die Umwelt und Gesellschaft hervorbringen.
(Bild: Pexels)
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Die digitale Transformation in Deutschland voranzutreiben ist eine Herausforderung, die eigentlich keinen Aufschub duldet. Doch die derzeitige Sorge vor einer Gas-Knappheit macht ein Umdenken bei der Energie- und Wärmeversorgung notwendig und rückt dieses Thema in den Fokus. Umso besser, wenn gesellschaftliche Aufgaben miteinander verbunden werden können. Im Zentrum der Lösung stehen Rechenzentren, die ohnehin schon das Rückgrat des digitalen Fortschritts in Deutschland bilden.
Abwärme von Rechenzentren effizient nutzen
So sorgte der Digitalverband Bitkom mit dem Ansatz für Aufsehen, die Abwärme von Rechenzentren in Deutschland für Heizung und die Aufbereitung von Warmwasser zu nutzen. Durch die Anbindung von Rechenzentren an öffentliche und private Fernwärmenetze könne sowohl ein Beitrag zur Grundversorgung geleistet als auch die Energiebilanz der Rechenzentrums-Branche selbst verbessert werden. Fakt ist, dass die entstehende CO²-freie Wärme derzeit häufig ungenutzt an die Umwelt abgegeben wird. Laut Bitkom-Präsident Achim Berg ist sie jedoch gut für die Fernwärmeversorgung von Einrichtungen wie Schwimmbädern, Privatwohnungen und auch Gewerbegebäuden einsetzbar. Nach Bitkom-Berechnungen könnten mit der Nutzung der Rechenzentrumsabwärme jährlich rund 350.000 Wohnungen versorgt werden — das entspricht fast dem Bestand im Stadtstaat Bremen. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 42,8 Mio. Wohnungen.
Vor allem mittel- und großdimensionierte Rechenzentren ab einer jährlichen IT-Anschlussleistung von mehr als 5 Megawatt erzeugten genug nutzbare Abwärme. Diese findet man in Deutschland vor allem in den Regionen Frankfurt/Main, Berlin, Hamburg und München. Zusammen verfügen sie über eine Anschlussleistung von 965 MW. Davon kann rund die Hälfte für die reale Abwärmenutzung herangezogen werden. Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden in privaten Haushalten in Deutschland jährlich 131 Kilowattstunden pro Quadratmeter für Heizen und Warmwasser verbraucht. Bezogen auf 24 Stunden und 365 Tage ließen sich per Rechenzentrumsabwärme also 31,9 Mio. Quadratmeter versorgen. Wo kein Fernwärmenetz anliegt, könnte die Abwärme der Rechenzentren genutzt werden, um die umliegenden Gebäude zu versorgen
Rechenzentren bilden Reservoir für Netzdienstleistungen
Doch Rechenzentren können die Energiewende auch auf andere Weise unterstützen. Denn obwohl sie im Allgemeinen als Verbraucher von Energie angesehen werden, sind sie auch eine weitgehend ungenutzte Ressource zur Unterstützung der Netzstabilität und zur Integration erneuerbarer Energien. In Europa wird der Anteil der Wind- und Solarenergie an der gesamten Stromerzeugung bis 2030 voraussichtlich auf 60 Prozent ansteigen. Mit dieser wachsenden Marktdurchdringung wird auch ein größerer Bedarf an Flexibilität im Netz entstehen.
Laut einer aktuellen Studie von BloombergNEF in Partnerschaft mit Eaton und Statkraft können Rechenzentren in Deutschland, Großbritannien, Irland, Norwegen und den Niederlanden dem Stromnetz insgesamt 16,9 GW Flexibilitätsreserve durch ihre unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV), Back-up-Erzeugung und Lastverschiebung zur Verfügung stellen. Dies ist mehr als die aus diesem Sektor selbst erwartete Stromnachfrage, da die Ressourcen im Prinzip unabhängig voneinander Flexibilität für das Netz bereitstellen können, indem sie entweder den Stromverbrauch reduzieren oder Strom zurückspeisen. Von den untersuchten Ressourcen scheinen USV-Anlagen die vielversprechendste für Flexibilität zu sein. Sie gehören in Rechenzentren zur Standardausstattung, basieren auf Batterien und eignen sich daher besonders gut für die kurzfristige Frequenzregelung (Fast Frequency Response, FFR).
Fazit
Rechenzentren können ein Teil der Lösung sein, um einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien in Europa zu erreichen und gleichzeitig die Wärmeversorgung in Deutschland zu gewährleisten. Ihre eigenen Energieressourcen, wie unterbrechungsfreie Stromversorgung und Notstromgeneratoren, könnten in Zukunft zur Unterstützung des Netzes eingesetzt werden. Sie stellen Ökosysteme dar und mit ihren Kapazitäten an Batteriespeichern sind sie vergleichbar mit sogenannten Microgrids. Daher müsse das ungenutzte Potenzial dieser Ressourcen unbedingt genutzt werden, um wirtschaftliche und regulatorische Vorteile für die Umwelt und die Gesellschaft zu erzielen.