Higher Education: Hybrid Learning an der Uni Bamberg
von Dominik Roenneke,
Seit 2020 erweitern die verantwortlichen Medientechniker der Universität ein System zur Vorlesungsaufzeichnung auf Basis von Sony-PTZ-Kameras. Zentraler Bestandteil der Lösung ist „Edge Analytics“, eine KI-basierte Videotechnologie von Sony.
Mehr als 12.000 Studierende, verteilt auf rund 60 Universitätsgebäude, stellen im Betrieb keine leichte Aufgabe dar. Schon gar nicht, wenn die Lehrstrukturen einheitlich digitalisiert werden sollen. Und diese Aufgabe stellt sich durch die Auswirkungen der Pandemie auf den Lehrbetrieb nochmals komplexer dar. In der Vergangenheit existierten zwei Hörsäle, die medial mit je zwei PTZ-Kameras ausgestattet waren. Im Jahr 2020 kündigte sich der stark veränderte Bedarf an, und es wurden drei zusätzliche Stellen für Medientechniker ausgeschrieben. Zu den neu angestellten Kräften, die sich um die Digitalisierung bemühen, gehört Christoph Seeger: „Der Lehrbetrieb verlagerte sich für die Studierenden nach Hause, der Inhalt aus der Konserve wurde immer wichtiger.“ Mit Beginn der Pandemie ging es verstärkt um die Schaffung hybride Lehrmodelle.
Live-Übertragungen und Video-Aufzeichnungen von Vorlesungen und Seminaren versprachen für den Lehrbetrieb realistische Lösungsansätze. Vor dem Hintergrund von nur zwei bestehenden PTZ-Systemen bedingte dies eine Erhöhung der Aufzeichnungskapazitäten. Für die Planung und angesichts der räumlichen Trennung der Gebäude mit ihren Hörsälen konzentrierten sich die Techniker auf möglichst wartungsarme Technologien und Produkte, weil die zeitintensiven Erfahrungen mit der Bestandstechnik Probleme bereiteten. Christoph Seeger erinnert sich: „Wir mussten oft hinfahren. Die vorhandenen älteren Aufzeichnungssysteme zeigten im Dauerbetrieb zu viele Störungen.“ Der geplanten Aktualisierung und Erweiterung der Aufzeichnungstechnologie sollte kein Mehrbedarf an personellem Einsatz folgen. Vom Rahmenvertragspartner MR Datentechnik GmbH aus Nürnberg kam die Empfehlung für ein neues System, eine Sony-Lösung, bestehend aus jeweils einer PTZ-Kamera pro Hörsaal und je einer Einheit namens „Edge Analytics“.
Sony stellte sein Aufzeichnungssystem zunächst in einer Online-Demo vor. Im nächsten Schritt erhielt die Uni Bamberg Technik zum Testen, berichtet Michael Fries, Channel Account Manager bei Sony: „Wir haben ein Demosystem, ausgestattet mit allen fünf Lizenzen, zu einem Vorzugspreis angeboten.“ Edge Analytics ermöglichte in Verbindung mit der PTZ-Kamera Sony SRG-X120 nun Funktionen wie PTZ-Autotracking, Handschriftenerkennung für eine vom Redner unverdeckte, vollständige Tafel/Whiteboard-Ansicht, Zuschneidefunktion von Fokusbereichen, Nahaufnahme mittels Gestenerkennung oder auch Overlay-Funktion für die Integration von Grafiken und Präsentationen. „Systemvoraussetzung für den Einsatz von Edge Analytics ist die Verwendung unserer hochwertigen Sony PTZ-Kameras, wie der SRG-X120“, merkt Michael Fries an. Die Erfahrung mit dieser neuen Lösung beschreibt Christoph Seeger wie folgt: „Der Einsatz mit nur noch einer PTZ-Kamera stellte für uns zu keiner Zeit ein Problem dar. Die Kamera befindet sich im Raum in der optimalen Position unter der Decke und erreicht jeden Bereich des Hörsaals oder des Seminarraums. Die früheren Aufzeichnungsmöglichkeiten mit zwei PTZ-Kameras in einem Hörsaal bedeuteten meist nur, dass unnötig große Datenmengen abgespeichert wurden, ohne wirklichen Nutzen der Kamerakombination. Nach wie vor zeichnen wir alles in Full-HD-Auflösung auf. Seit wir das neue System einsetzen, gibt es nur Zustimmung.“
Beispielsweise im Universitätsgebäude „An der Weberei“ in Hörsaal WE5/00.022 befindet sich eine der 4k Sony PTZ-Kameras unter der Decke im hinteren Teil des 300 Quadratmeter großen Hörsaals. Mit ihrer Optik erfasst sie hochaufgelöst einen Blickwinkel von 70° (horizontal) und zoomt von dort aus beliebig bis zu 12-fach optisch ins Bild hinein mit der Brennweite von 4,4 mm bis 52,8 mm bei maximaler Teleeinstellung. Der sehr lichtempfindliche Bildsensor ist laut Datenblatt rauscharm ausgelegt für eine Mindestlichtstärke bei 50 IRE mit einer Beleuchtungsstärke von 1,6 Lux. In den Hörsälen der Uni Bamberg sind Kamera, Edge Analytics und der Projektor via HDMI verbunden. Die entfernteren Dozentenpulte sind über Glasfaser angebunden.
Doch damit aus dem „ganz normalen“ Bildsignal der PTZ-Kamera ein fertig aufbereitetes Übertragungssignal mit all seinen attraktiven Vorteilen entsteht, ist als weitere Hardware-Komponente Sony Edge Analytics zwischengeschaltet und beinhaltet die „KI-basierte Videotechnologie“. Michael Fries weiß: „Da steckt die Intelligenz unseres Systems drin. Edge Analytics erkennt Dozierende und lässt die PTZ-Kamera ihrem Vortrag folgen, sie erkennt Gesten der Teilnehmer, sie erfasst und speichert Aufschriebe an der Tafel oder am Whiteboard, auch wenn die Dozentin oder der Dozent einen Teil der Tafel verdeckt.“ Die Konfiguration von Edge Analytics erfolgt über eine webbasierte Benutzeroberfläche und ist mit allen gängigen professionellen Mediensteuerungen kompatibel. Einmal eingerichtet „läuft das System bequem nebenher“, weil es einfach in der Handhabung ist und Personalressourcen spart. Die von Edge Analytics ausgegebenen Signale können ohne weitere Nachbearbeitung von den Studierenden mitverfolgt werden: live in den Hörsälen oder per Video-Stream oder über Aufzeichnungen.
Neben der Betriebssicherheit von Kameraaufzeichnungen stand an der Uni Bamberg bei der Entscheidung für das Sony-System die benutzerfreundliche Bedienung durch die Dozierenden im Vordergrund. Das bedingte eine nahtlose Integration im Zusammenspiel mit der vorhandenen Mediensteuerung von Extron. Und so dienen die Touch Panels auf den Pulten nun auch zur Steuerung der Medien- und Aufzeichnungstechnik. Das erfolgt mit wenigen Fingerbewegungen für Funktionen wie Aufnahmestart und -stopp sowie der Positionierung der Kamera für den passenden Bildausschnitt oder auch den Abruf von bis zu vier möglichen Presets von Kamerapositionen. Mittels sogenanntem Steuerkreuz richten die Dozierenden das Kamera-System mithilfe der mechanischer Dreh- und Neigetechnik aus und stellen den gewünschten Faktor für den optischen, und damit verlustfreien, Zoom ein.
Doch der eigentliche Vorteil des Sony-Systems kommt über die Automatikfunktion der Technik zum Tragen: Die Bewegungen der Dozierenden erfasst Edge Analytics und passt das Livebild ständig dem Geschehen an. Einmal angewählt muss sich niemand mehr um die Übertragung/Aufzeichnung kümmern. Somit können sich die Dozierenden auf ihre Lehrtätigkeit konzentrieren, technisches Hilfspersonal ist dabei nicht nötig. Christoph Seeger hebt die Vorteile des Automatik-Modus hervor: „Wir setzen auch Ansteckmikros ein. Somit haben die Dozierenden Bewegungsfreiheit. Sie werden von der Kamera dabei stets einwandfrei getrackt. Das Kamerabild bleibt bei der zu trackenden Person, auch wenn eine andere ins Bild hineinkommt oder sich wieder entfernt. Natürlich berücksichtigen wir unsere Datenschutzregelungen. Deshalb stoppt das Tracking beispielsweise in Türnähe, um eine unerwünschte Bilderfassung von hereinkommenden Personen zu verhindern. Dies geschieht auch, wenn sich die vortragende Person in die Zuhörerschaft hineinbewegt. Da stoppt das Tracking ebenfalls automatisiert.“ Michael Fries erklärt zur Tracking-Sensorik: „Die Erkennung der Person ist kein reines Gesichts-Tracking. Der obere Teil der Person wird mittels Bildanalyse erfasst. Es erfolgt kein klassisches Gesichts-Tracking, denn eine nachvollziehbare Wiedererkennung ist in der Regel nicht gewünscht.“
Zu Beginn des Projektes war klar, dass die Ausstattung aller Hörsäle und Seminarräume an allen Standorten zeitnah nicht möglich sein wird. Deshalb wurden in einem ersten Schritt zu den fünf „Startsystemen“ zwei zusätzliche, aber mobile PTZ-Systeme konzipiert und aufgebaut. Schwerpunktmäßig wurden diese für die Seminarräume vorgesehen. Der Aufbau einer Einheit besteht aus einem 19″-Rack auf Rollen mit insgesamt 16 HE (Höheneinheiten), so dass genügend Platz für den Einbau der nötigen „Hörsaaltechnik“ bleibt. Verbaut sind u. a. die Extron-Steuertechnik und die Edge-Analytics-Hardware von Sony. Obenauf befindet sich auf einem höhenverstellbaren Stativ die PTZ-Kamera Sony SRG-X120. Als Schnittstellen im mobilen Rack sind vorgesehen: Netzwerk und HDMI zur Einbindung des Referenten-PCs und Anbindung an die Projektion im Raum über Extron DTP via CATx. Die gesamte Einheit ist so konzipiert, dass sie von eingewiesenen Personen leicht „an den Start gebracht werden kann“. Die benutzerfreundliche Bedienung/Steuerung erfolgt über ein iPad, das die gleiche Visualisierung zeigt wie die festinstallierte Mediensteuertechnik in den Hörsälen. Allerdings lässt die Steuerung des mobilen Racks nur die Kontrolle von PTZ-Kamera und Edge Analytics zu und nicht die der jeweiligen Raumsteuerung, in dem sich das mobile Rack gerade befindet. Die Steuerung ist vorgesehen für Start und Stopp von Aufzeichnungen/Übertragung, die Kameraausrichtung über das „Steuerkreuz“ und die Zu- und Abschaltung des Autotrackings.
Wie auch bei den fest verbauten Systemen werden die mobilen Racks an ein separates „Mediennetzwerk“ angeschlossen. Das ist logisch getrennt vom öffentlichen Netzwerk der Uni und zugangsgeschützt, nur für berechtigte Personen.
Christoph Seeger und seine Kollegen haben die medientechnischen Voraussetzungen für die hybride Lehre an der Universität Bamberg erfolgreich weiterentwickelt. In einem nächsten Schritt wollen sie das Edge Analytics-Modul „Handwriting Extraction“, also Handschriftenerkennung, für den Einsatz an der Uni einrichten: Mittels AR (Augmented Reality) bleiben Schrift und Zeichnungen auf einer Tafel oder einem Bildschirm sichtbar, auch wenn sich die Lehrkraft vor das Bild bewegt. Edge Analytics generiert dazu eine Teiltransparenz, die eine vollständige Lesbarkeit der Information im Bild sicherstellt. Auch dieser Einsatz neuer medialer Technologien kann das hybride Lernen für die Studierenden weiter optimieren.
„Das Sommersemester 2022 ist als Präsenzsemester ausgerufen. Wir sind uns aber sicher, dass unsere medialen Technologien für das Hybrid Learning weiter Einsatz finden. Zukünftig wird beides parallel laufen“, so Christoph Seeger. Die allgemeine Technikaffinität hat deutlich zugenommen. Dozierende können sich sehr einfach und zeitunabhängig selbst aufzeichnen oder übertragen. So entstehen Vorträge im Hörsaal oder auch ortsunabhängig mit Notebook und mobilem Rack, die, „produziert“ und „gesendet“, den Studierenden jederzeit hybrid zur Lehre dienen.