Im Herbst 2020 konnten wir auf 80 Jahre Video-Großbildprojektion zurückblicken. Unser Autor Achim Hannemann hat anlässlich des Jubiläums Techniken und deren Anwendungen in einer mehrteiligen Serie zusammengestellt und mit den eigenen Erfahrungen, Anekdoten sowie noch nie veröffentlichten Bildern bereichert. Teil 1 beleuchtet die Anfänge.
Mit der Erfindung der Kathodenstrahlröhre 1897 durch Ferdinand Braun und Jonathan Zenneck war zwar der Grundstein für die ersten Fernseher ab 1927 gelegt, allerdings dauerte es noch Jahrzehnte, um Nicht-Zelluloid-Bilder auf eine Wand zu projizieren. Wer dachte, dass Röhrenprojektoren die ersten Videogroßbildprojektoren waren, muss leider leider enttäuscht werden: Die reflektive Technik leitete die Entwicklung der Videoprojektion ein.
Lichtstromventilprojektoren oder reflektive Technik – Eidophor
Bereits in den 30er-Jahren beschäftigte man sich mit Überlegungen, einen steuerbaren Lichtverstärker zu entwickeln. Die Idee war: Eine schwächere bilderzeugende Lichtquelle moduliert eine sehr helle Lichtquelle mittels gesteuerter Reflexion. Als Lichtquelle diente hierzu etwa eine Metalldampflampe oder Xenon-Lampe, als Modulator setzte man z. B. einen Ölfilm-Spiegel, Flüssigkristall- Spiegel oder einen DMD-Chip ein. Dieses Prinzip wird noch bis in der heutigen Zeit in der Video-Projektor-Technik angewendet.
Ab 1939 kam dieses Prinzip im Eidophor-System zum Tragen. Es war das erste Verfahren zur großflächigen Projektion von analogen Fernsehbildern. Es wurde von den Schweizern Fritz Fischer mit Edgar Gretener als Projektleiter an der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) entwickelt und 1939 als Patent angemeldet – später wurden die daraus entwickelten Projektoren von der Gretag AG vermarktet. Es sollte aber noch fast 20 Jahre bis zum Marktdurchbruch dauern. 1960 wurde zum ersten Mal solch ein Videoprojektor zur Live-Übertragung der olympischen Spiele von Rom in Kinos eingesetzt.
War der zweite Prototyp (1948) noch zwei Stockwerke im ETHZ (Eidgenössische Hochschule Zürich) hoch, also nicht transportabel, konnte der erste Serien-Typ „ep 23“ nach vielen Entwicklungsschritten bereits mit nur schrankgroßen Abmessungen (165 cm Höhe × 63 cm Breite × 120 cm Tiefe) seinen Siegeszug antreten. Jetzt war es auch möglich, Fernsehbilder live oder von Magnet-Bandmaschinen (erstmals 1935 von AEG als Magnetophon K1 entwickelt, nach dem Krieg von Ampex als Typ 200A für den Broadcast-Bereich 1948 weltweit eingeführt) bei Großveranstaltungen wiederzugeben.
Der Eidophor-Projektor hielt Einzug in Leitwarten, Flugsimulatoren, Universitäten und in die Veranstaltungsbranche. So wurden auch die ersten Schritte auf dem Mond 1969 in den NASA-Zentralen auf insgesamt 34 Eidophor-Bildschirmen überwacht und übertragen. 30 Jahre prägte der „Urvater der Videoprojektoren“ die Projektionswelt und öffnete damit den Markt für die nachfolgenden Projektionstechniken.
Bei der Eidophor-Technik, die später auch als Ölfilm-Lichtventil-Technik bezeichnet wurde, diente als Lichtquelle eine Hochleistungs-Xenon-Gasentladungslampe – dieser Lampentyp wird auch bei den nachfolgenden Projektionstechnologien eine Rolle spielen. Das Edelgas Xenon sendet beim Leuchten ein Lichtspektrum ähnlich dem der Sonne aus; die Lampen haben eine Lichtausbeute von 40 lm/Watt. Durch den Gleichstrombetrieb und den hohen Innendruck ergibt sich ein flickerfreier Leuchtbogen (intensive punktförmige Lichtquelle) mit konstanter Farbtemperatur über die gesamte Lebensdauer, die bei der Xenon-Bogenlampen ungefähr 2.000 Betriebsstunden beträgt.
Der Modulator, das Steuerelement des Eidophors, ist ein Hohlspiegel, der als Anode dient und mit einer 14 μm dünnen, elektrisch leitfähigen Ölschicht versehen ist. Auf dessen Oberfläche zeichnet ein Elektronenstrahl in Anhängigkeit der Videosignalstärke das Fernsehbild Punkt für Punkt und Zeile für Zeile als elektrische Entladungen auf. An den Auftreffpunkten buckelt sich das Öl etwas empor. Dadurch entsteht ein unsichtbares, geriffeltes Reliefbild, welches im Verlauf jedes Bildwechsels wieder eingeebnet werden muss. Das Licht der Bogenlampe, das über Jalousien-förmige Barrenspiegel auf den Hohlspiegel gelangt, wird von den winzigen, durch den Elektronenstrahl entstandenen Öl-Hügeln, die den einzelnen Bildpunkten entsprechen, mehr oder weniger abgelenkt und an einem zweiten Balkengitter vorbei über das Objektiv auf die Leinwand geworfen.
Soweit die Theorie – in der Praxis war das Hauptproblem aber die Ölschicht. Sie musste eine bestimmte Viskosität und Leitfähigkeit haben und zudem durch die enorme Hitzeeinstrahlung der Xenonlampe stark gekühlt und idealerweise bei gleicher Temperatur gehalten werden. Weiterhin neigen Ölmoleküle dazu, beim Kontakt mit den Elektronenstrahlen zu polymerisieren, d. h., sich zu Großmolekülen zusammenzuschließen. Dies stellte sich dann auf der Leinwand als große Blasen dar. Als Lösung ließ man den Spiegel langsam rotieren, saugte das Öl ab, um es gleich darauf wieder gefiltert auf den Spiegel zu pumpen. Eine weitere Pumpe sorgte für das notwendige Vakuum.
Die ab 1960 ausgelieferten Geräte waren – als technisches Highlight – mit drei Röhren in einer sogenannten Revolverkonstruktion ausgestattet. So konnte man schnell im laufenden Betrieb die Röhren mit nur 100 Stunden Lebensdauer wechseln. Eine Ölfüllung war immerhin schon mit 5.000 Stunden Betriebszeit spezifiziert. Die ersten Geräte lieferten Schwarzweiß-Bilder. Die Versionen mit Farbwiedergabe bestanden entweder aus 3-Eidophor-Systemen mit RGB-Farbfiltern oder wurden nach dem Sequenzverfahren mit rotierenden Rot-, Grün-, Blau-Farbrad- Filtern ausgestattet (die noch heute in der Projektionstechnik verwendet werden).
Parallel zur Weiterentwicklung der reflektiven Technik wurde auch an leistungsstarken Röhrenprojektoren gefeilt. Einer der ersten weitverbreiteten Röhrenprojektoren ab 1970 war der „Advent VideoBeam 1000“, aus dessen Namensteil das auch heute noch im Umgangssprachgebrauch verwendete Wort „Beamer“ entstand. Meistens wurde er in einem kompletten System für Anwendungen im Heimkino oder für Präsentationen ausgeliefert.
Der Röhrenprojektor, integriert in einem Case mit eingebautem Audiosystem, projizierte dann auf eine ca. 1 m² große silberfarbene Parabol-Metall-Platte mit hohem Reflexions-Gain. Noch bis 2005 populär waren Röhrenprojektoren in vielen Anwendungen, z. B. als Aufprojektions-Installation in Veranstaltungs- und Konferenzräumen oder verbaut in Rückprojektions-Cubes für Leitwarten oder in TV-Shows. Die professionellen Highend Video/Grafik-Röhrenprojektoren wurden z. B. von Electrohome, Barco und Sony gefertigt, wahlweise mit 7″-, 8“- oder 9“-RGB Röhren, (wie z. B.: Sony VPH- G90 oder Electrohome Marquee 8500/ 9500).
Beispielhaft für die vielfältige Nutzung von Röhrenprojektoren ist auch die Anwendung mit mehreren Projektoren, aneinandergereiht zur nahtlosen „Edge Blending“- Panorama-Projektion, wie bei dem Videokunstwerk GOING FORTH BY DAY von Bill Viola im Berliner Guggenheim Museum. Dabei wurden von Screen New Technologies (SNT) 2001 neun Electrohome Marquee 9000, modifiziert mit Line-doubler- und Tan-edge-blending-Technologie, installiert.
Das Hauptproblem der Röhrentechnik war jedoch die Helligkeit von maximal 300 Ansi Lumen oder 950 Peak Lumen. Daher musste der betreffende Raum für eine akzeptable Lesbarkeit immer abgedunkelt werden; außerdem war die Bildgröße limitiert. Unschlagbar bei der Röhrentechnik im Vergleich zu anderen Techniken ist dagegen deren Kontrastverhältnis, die Farbwiedergabe sowie die Möglichkeit der Wiedergabe von unterschiedlichen H/VFrequenzen und Auflösungen.
Zudem waren die Angaben in den Prospekten in Bezug auf die Helligkeit der Projektoren sehr kreativ! Um eine verbindliche Spezifikation der Helligkeit in den Datenblättern zu erhalten, wurde die Messvorschrift nach ANSI (siehe unten) eingeführt. Denn die Lumen-Angabe sagt nicht viel aus über die Helligkeit des Projektors in Bezug auf Sichtbarkeit des Bildes sowie dessen Helligkeitsuniformität, welche eine starke Abhängigkeit vom optischen System des Projektors hat. Viele Hersteller drehten damals den Weiß-Wert bzw. Elektronenstrahl der Röhren bis zum Überstrahlen auf, um einen höheren Lumen-Wert in den Prospekten ausweisen zu können. Das dargestellte Bild mit diesem Wert war nur noch hell und das Kontrastverhältnis fast null, und damit das Projektionsergebnis zum Betrachten unbrauchbar. Mit der Einführung des ANSI-Lumen-Standards bei Projektoren hatte der Kunde nun eine Möglichkeit, neben den Angaben über Kontrastverhältnis, Farbraumwiedergabe und Auflösung bzw. HV-Frequenz, die unterschiedlichen Geräte zu vergleichen und einzuordnen. Zudem konnten die Systemintegratoren, Vermieter und Endkunden auf der damaligen Photokina in Köln bei dem legendären „Projection Shoot Out“ bis zu hundert Geräte von 30 Herstellern im direkten Vergleich begutachten. Ab dem Jahr 2000 fand der Projektoren-Vergleich nicht mehr statt.
ANSI Lumen
Gemessen wird der Lichtstrom im sichtbaren Bereich einer Quelle in Lumen. Bei einem Projektionssystem ist es aber ausschlaggebender, welcher Lichtstrom auf eine Fläche trifft. Über die Messung der Beleuchtungsstärke einer Fläche in Lux ergibt sich dann der Lichtstrom des Projektors in Lumen.
Die Messvorschrift von ANSI – American National Standards Institute – bedeutet: Bildung des Mittelwerts „Ev“ der Beleuchtungsstärke (in Lux=lm/m²) eines Testpatterns, das aus neun Feldern mit weißen, 5 % und 10 % graugetönten Quadraten gebildet wird. „Ev“ multipliziert mit der Projektionsfläche A ergibt den ANSI-Lumen-Wert.
Als Nachfolger des Eidophors etablierte sich der Talaria-Video-Projektor. Bereits im Mai 1961 veröffentliche S.P. Newberry von General Electric eine Studie mit Versuchsanordnung zum Bau eines Talarias. Es sollte jedoch noch bis zum Jahr 1977 dauern, bis ein Prototyp vorgestellt wurde. Die Serienproduktion und Vermarktung startete ab 1983.
Das technische Prinzip war ähnlich dem der Eidophor- Technik: Licht einer Xenon-Lampe wird moduliert von einer rotierenden Glasscheibe, gefüllt mit viskosem Öl, welches ständig erneuert wurde. Ein Elektronenstrahl zeichnet die TV-Bilder auf das Glas und deformiert die Oberfläche des Öls. Die in das Öl gezeichneten Bildraster bilden somit ein Beugungsgitter. Dichroitische Spiegel separierten das weiße Licht der Xenon-Lampe.
Der Talaria war kleiner, leichter und kompakter in der Bauform als der Eidophor-Projektor und reduzierte die Aufwärmzeit des Ölfilms von einer Stunde auf 30 Minuten. Zudem war ein gekippter Projektor-Aufbau bis zu 15° möglich.
1992 erlebte der Talaria mit der 3LV- Serie seinen kurzen technischen Höhepunkt. Er besaß drei Lichtventile, jeweils eines für Rot, Grün und Blau, und strahlte mit 10.000 Peak Lumen. Jedes Ventil wurde mit einer Xenon-Lampe bestrahlt. Das Bild musste somit auf der Projektionswand konvergiert werden. Hier hatten die Veranstaltungstechniker ordentlich zu tun, denn die drei übereinander gestapelten Monochrom-Projektoren mussten per Hand mittels 46 (!) Einstellschrauben zu einem Bild justiert werden. Ein Kommentar von Hisayuki Hotta (derzeit General Manager der Geschäftsabteilung von Hibino Visual Div.), der maßgeblich bei GE-Hibino 1991 an der Markteinführung des Talaria 3LV in Asien beteiligt war, beschreibt die Handhabung des 3LV turbo sehr treffend: „Es war ein analoges Gerät, das die Qualität erheblich verändern würde, wenn es falsch verwendet würde. Es fühlt sich eher wie ein Lebewesen an als wie ein technisches Gerät. Es war so empfindlich.“
Der Untergang dieser Projektoren war spätestens mit der Markteinführung der neuen Computer/ Workstations und deren vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten auch in der Video-, Medien- und Event-Branche besiegelt. Die Ölfilm-Technik war nur geeignet für Fernsehsignale mit Pal, Secam und NTSC, die Röhrenprojektoren waren nicht hell genug und unbrauchbar für große Bilder und Animationen.
Der nächste Meilenstein in der Projektionstechnik war 1992 mit dem Hughes-JVC-ILA-Projektor markiert, so dass die Produktion von Öl-Lichtventil-Projektoren ab 1993 eingestellt wurde. Über die reflektive Projektionstechnik mit den Flüssigkristallen berichten wir im zweiten Teil der Serie.