Am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurde die Medientechnik-Infrastruktur in mehreren Dolmetschräumen zeitgemäß erneuert. Die komplexen Anforderungen der Sprachenspezialisten werden durch ein IP-basiertes Bosch DICENTIS Konferenzsystem sowie ein POLARIS evolution Mischpult-Baukastenkonzept von Salzbrenner Media erfüllt.
Germersheim, eine in der Pfalz zwischen Speyer und Landau gelegene Kleinstadt am Oberrhein, ist auch Sitz des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Der FTSK gilt als eine der größten Ausbildungsstätten für Übersetzen und Dolmetschen weltweit und ist Anlaufpunkt für Studierende, Lehrende und Forschende aus allen Kontinenten. Das Sprachenspektrum umfasst Arabisch, Chinesisch, Deutsch (als Fremdsprache), Englisch, Französisch, Italienisch, Neugriechisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch und Türkisch.
Die Studiengänge des FTSK bereiten auf Berufstätigkeiten in vielfältigen Gebieten des Übersetzens bzw. Dolmetschens vor, darunter Fachübersetzen, Konferenzdolmetschen, Fachdolmetschen, Projektmanagement, Revision, audiovisuelles Übersetzen (z. B. Filmuntertitelung), Software-Lokalisierung, Sprach-/Übersetzungstechnologie, technische Redaktion, Terminologie und anderes mehr. Darüber hinaus schaffen die Studiengänge eine Grundlage für weitere Spezialisierungen in Berufsfeldern rund um Sprache bzw. Fremdsprachen (Unterricht, Erwachsenenbildung, Copywriting, Online-Journalismus). Interkulturelle Kommunikation sowie Tätigkeiten in der Wirtschaft (Export, Vertrieb, Tourismus, PR/Marketing) stehen ebenfalls im Fokus. Im Wintersemester 2019/2020 waren knapp 1.200 Studierende in der rheinland-pfälzischen Kreisstadt eingeschrieben.
Das Universitätsgebäude in der Germersheimer Innenstadt ist Teil der ehemaligen Seysselkaserne, deren 284 Meter lange Front bis heute ein beeindruckend wehrhaftes Bild abgibt. Der historische Komplex wird durch einen hinter dem ockerfarbenen Backstein-Bollwerk errichtetes Hörsaalgebäude ergänzt.
Zur Ausstattung des FTSK gehören im Untergeschoss des Neubaus beheimatete Dolmetschräume, von denen die beiden größten über insgesamt 24 Kabinen verfügen. Die Kabinen sind in zwei Bereiche – 14 Kabinen im größeren Dolmetschraum 2, zehn Kabinen im kleineren Dolmetschraum 1 – aufgeteilt. Dazwischen befindet sich eine Regie, aus welcher durch Glasscheiben der Blick auf das Geschehen möglich ist.
Die Glasscheiben der Regie lassen sich nicht öffnen, weshalb in jedem Dolmetschraum ein Talkbackmikrofon installiert ist. In der Regie können Audiosignale über Kopfhörer oder Genelec 8030 CP 2-Wege-Studiolautsprecher abgehört werden. In den Dolmetschräumen hingegen sind kompakte EX10-Beschallungslautsprecher von KV2 Audio installiert, die ohne Subwoofer auskommen und eine gute Sprachverständlichkeit sicherstellen. Auf den vom Kabinenhalbrund gesäumten Flächen treffen sich Dozierende und Studierende zum gemeinsamen Gespräch – Beiträge einzelner Lernender können dort von der Gruppe angehört und kommentiert werden.
In den Dolmetschräumen des FTSK werden Dolmetscher*innen ausgebildet. Auch Prüfungen finden regelmäßig statt, und jeden Freitag wird eine Übungskonferenz („Freitagskonferenz“) ausgerichtet, deren Ablauf sich an einem typischen Konferenzgeschehen orientiert und die regelmäßig durch Gastredner*innen bereichert wird. Im Schulungsbetrieb werden Dolmetschraum 1 und 2 getrennt voneinander betrieben. Anlässlich der Freitagskonferenz werden die Räume audiovisuell verkoppelt.
In diesem Zusammenhang sind in der Regie mindestens zwei medientechnisch versierte Fachkräfte anwesend; ansonsten wird die Technik von den Dozierenden überwiegend im Selbstfahrerbetrieb genutzt. Zusätzliche, im Neubau verteilte Räume können bei Bedarf angebunden werden.
„Als wir vor einigen Jahren darauf aufmerksam machten, dass die Dolmetschräume eine neue Anlage benötigen, schauten wir zunächst in einigermaßen erschrockene Gesichter“, erinnert sich Jens Plappert mit einem Schmunzeln. Der staatlich geprüfte Techniker für Datenverarbeitungstechnik leitet die Abteilung Medientechnik am FTSK. Bei seiner Arbeit stehen ihm Attila Kurultay (seit 2014) und Sarah Leubner (seit 2019 im Team) zur Seite.
Plappert erläutert: „Es lag auf der Hand, dass die vorhandene, im Jahr 1998 in Betrieb genommene Anlage dringend erneuert werden musste. Wir hatten uns ein grobes Konzept überlegt und aufgeschrieben, welche Funktionalitäten für den täglichen Betrieb benötigt werden. Klar war, dass vorhandene analoge Technik durch zeitgemäße digitale Komponenten ersetzt werden sollte. Den anfangs im Raum stehenden Gedanken, die Umrüstung in Eigenregie vorzunehmen, haben wir angesichts der Komplexität des Vorhabens rasch wieder verworfen.“
Drei Firmen bewarben sich um den Auftrag. Nach Vor-Ort-Terminen wurden in einer zweiten Angebotsrunde konkrete Vorschläge unterbreitet; die Ausschreibung erfolgte im Herbst 2018. Im Frühjahr 2019 fiel die Entscheidung, und der Umbau fand während der vorlesungsfreien Zeit im Sommer 2019 statt. Planung wie Ausführung übernahm als Full-Service-Anbieter die Salzbrenner Media GmbH unter Leitung von Projektmanager Philipp Bauch.
Die Rauminfrastruktur im Untergeschoss des Germersheimer Neubaus stammt aus dem Jahr 1964. Das Interieur wurde anlässlich der Installation der neuen Technik grundlegend überarbeitet: An den Kabinen etwa lösten entspiegelte Glasscheiben betagte Doppelfenster ab, und frische Farbe kommt heute der visuellen Gesamterscheinung zugute, welche auf manche Nutzer zuvor mit ihrem dunklen Holzfurnier eher trist und ein wenig aus der Zeit gefallen wirkte. Der Boden in den Dolmetschräumen wurde erneuert, und die Möblierung wurde ebenfalls neu angeschafft.
Zentrale Audioschaltstelle in Germersheim ist heute ein POLARIS evolution Mischpultsystem (128 Eingänge, 128 Ausgänge, 64 Busse) der Salzbrenner Media GmbH. In der Regie sind ein POLARIS access Fader-Modul, zwei POLARIS view Touchmonitore (für zwei Räume) und eine POLARIS scala Prozessoreinheit zu finden. POLARIS evolution kann nach dem Baukastenprinzip gemäß individueller Bedürfnisse zusammengesetzt werden; der Hersteller spricht von einer „voll personalisierbaren Netzwerk-Audioplattform“.
Am ehesten an ein konventionelles Mischpult erinnert POLARIS access: Das Hardware-Eingabemodul ist mit 16 P&G-Fadern sowie 16 Doppeldrehgebern ausgestattet und verfügt über 48 beleuchtete Tasten. Die physischen Steuerelemente werden durch ein Multitouchpanel im 19″-Format ergänzt, das im oberen Pultdrittel querliegend unterhalb der Drehgeber angeordnet ist. Ein Dante-Interface für Talkback und Kopfhörer ist optional verfügbar. Mit Maßen von 544 × 559 × 145 mm (B × T × H) besitzt POLARIS access eine außerordentlich kompakte Bauform, welche ihre Vorzüge bei beengten Platzverhältnissen auszuspielen versteht.
Ein Hingucker (und Hinfasser …) ist der Multitouch-Monitor POLARIS view mit einer Diagonale von 21,5 Zoll. Der etwa 10 kg schwere Spezialbildschirm beinhaltet eine leistungsstarke CPU und ergänzt POLARIS access. Jenseits umfangreicher Metering-Möglichkeiten erlaubt POLARIS view den Zugriff auf die Mischpultparameter – wer ohne Hardware-Elemente mischen möchte oder muss, wird mit der farbkräftig gestalteten Oberfläche fraglos Freude haben.
Alle Kontroll- und Verarbeitungselemente sind bei POLARIS als Plug-ins ausgeführt, so dass maßgeschneiderte Benutzeroberflächen erstellt werden können. Routings sowie Parametereinstellungen sind mit den Multitouch-Monitoren schnell erledigt, zumal ggf. ohnehin nur die jeweils relevanten Optionen für die gewünschte Operation angezeigt werden. Viele sich wiederholende Arbeiten beim Erstellen neuer Projekte lassen sich durch den Einsatz von Tags vermeiden: Wenn der Benutzer zum Beispiel einen Kanal lädt, der mit dem Tag „Main Vocal“ versehen wurde, wird der Channel-Strip ohne weitere Maßnahmen mit zuvor gespeicherten Parametern (wie Tiefpassfilter, Dynamics, Reverb-Presets etc.) bestückt.
Das „Hirn“ von POLARIS evolution hört auf die Bezeichnung POLARIS scala und steckt in einem 19″-Rahmen, der bei einer Rackmontage 3 HE beansprucht. Im Innenleben arbeitet aktuelle DSP-Technologie, die ohne aktive Kühlung auskommt und somit keine störenden Geräusche hervorruft. Bis zu 640 DSP-Kanäle sowie bis zu 256 Busse sind pro Frame möglich; die modular aufgebaute Plattform ist skalier- und kaskadierbar. Die Verbindung des Mainframes mit POLARIS access erfolgt über ein Ethernet-Netzwerk.
POLARIS evolution unterstützt eine Mehrarbeitsplatz-Funktionalität, so dass sich die Dolmetschräume 1 und 2 unabhängig voneinander bedienen lassen. In Germersheim wird der kleinere Dolmetschraum 1 vorwiegend mit POLARIS view adressiert, während das Hardware-Pult in erster Linie für Dolmetschraum 2 gedacht ist. Die Steuerung des gesamten Systems ist auch via Internet/WLAN mit PC, Smartphone oder Tablet möglich.
Eine Crestron CP3N Mediensteuerung kann auf beliebige Parameter von POLARIS evolution zugreifen; Fader, Mutes, VCA-Gruppen, M/S-Gruppen, Mischungen und Cues werden über die an die Steuerung angebundenen Touchpanels angesprochen. Bei der Zusammenlegung der Räume im Konferenzbetrieb werden Routing-Änderungen im Dante-Netzwerk erforderlich, die in POLARIS evolution mithilfe von Presets abgerufen werden. Letztere tangieren auch Dante-Koppelpunkte, die nicht zum oder vom Mischpult führen, wodurch das Laden von Preset-Datensätzen im Dante Controller entfällt.
„Aufgrund der umfangreichen Routing-Anforderungen des FTSK bot sich POLARIS evolution mit Dante als Audioprotokoll an“, sagt Salzbrenner Projektleiter Philipp Bauch. „Für den täglichen Betrieb sind im Pultsystem Voreinstellungen hinterlegt, die selbstverständlich bei Bedarf modifiziert werden können. Sofern in Zukunft Erweiterungen gewünscht werden sollten, lassen sich diese anstrengungslos realisieren.“
Alle Tonspuren werden separat aufgezeichnet, wofür zwei Tascam DA-6400 (digitale Multitrack-Recorder mit 64 Audiospuren) zur Verfügung stehen. Sofern Dozierende während des Unterrichts beispielsweise einen Beitrag aus Kabine 13 im Anschluss an eine Übung für die Gruppe hörbar machen möchten, kann das aufgezeichnete Kabinen-Einzelsignal problemlos zugespielt werden. Selbstredend können Lehrende auch während einer laufenden Übung in alle Kabinen hineinhören.
Zur weiteren tontechnischen Ausstattung gehören u. a. ein NIO xcel 1201 Dante-Formatwandler von Salzbrenner und ein Tascam ML-32D Analog-Dante-Analog-Wandler für 32 Audiokanäle. Ein klassisches Multicore-Kabel für analoge Audiosignale wurde in den Dometschräumen als Fallback-Option verlegt.
Studierende wie Lehrkräfte arbeiten in den neu ausgestatteten Dolmetschräumen des FSTK mit einem IP-basierten DICENTIS Konferenzsystem von Bosch Security and Safety Systems. In Germersheim finden 48 DICENTIS DCNM-IDESK Dolmetscherpulte in den 24 Kabinen sowie 56 DICENTIS DCNM-DE Diskussionseinheiten (mit kapazitiven 4,3″-Touchscreens) in den Unterrichtsräumen Verwendung. Abgelöst wurden Bosch DCN Classic Systeme samt der zugehörigen Verkabelungsinfrastruktur.
DICENTIS setzt auf eine von Bosch mit dem Namen OMNEO (AES 67 und AES 70/OCA) bedachte Software-Architektur, welche auf TCP/IP-Technologie und somit auf offenen Standards basiert und neben der Übertragung von Steuerdaten Protokolle wie Audinate Dante unterstützt. Mithilfe kostenpflichtiger Software-Pakete lassen sich DICENTIS und die zugehörigen Pulte elegant vom PC aus konfigurieren, überwachen und fernsteuern. Wesentliche Funktionen können auch ohne Rechner direkt an der Hardware eingerichtet werden; die Möglichkeiten mit Software-Paket sind allerdings deutlich umfangreicher.
Angeboten wird u. a. die DICENTIS Simultaneous interpreting license (DCNM-LIPM), mit deren Unterstützung sich die Pulte umfassend vorbereiten sowie im Einsatz überwachen und fernsteuern lassen. Die DICENTIS Dante software license (DCNM-LDANTE) wird benötigt, um einzelne Sprachkanäle an Dante-Devices von Drittanbietern weiterzuleiten oder von diesen zu übernehmen. Für den Betrieb des Bosch Systems sind der zentrale DCNM-APS2 DICENTIS Audio Powering Switch (Audioprozessor-Hardware mit 2 × XLR-In/Out, integriertem Ethernet-Switch und Stromversorgung) sowie ein Server-PC erforderlich, wobei Letzterer mit Windows Server 2012 oder Windows Server 2016 zu betreiben ist und für den 24/7-Betrieb ausgelegt sein sollte. Hierzu bietet Bosch einen komplett ausgestatteten und vorkonfigurierten Server (DCNM-Server) an. In Germersheim sind zwei DCNM-APS2 vorhanden, die Dolmetschraum 1 und 2 zugeordnet sind.
Via Netzwerk wurde in Germersheim ein Verbund aus Bosch DICENTIS und POLARIS evolution mit der Crestron Mediensteuerung gebildet. Ein Bosch OMN-DANTEGTW Dante-Gateway, das die beiden im 19″-Schrank der Regie untergebrachten APS2-Geräte mit einem einzelnen Dante-Interface verbindet, wird als I/O-Lösung eingesetzt. Da zwei Räume zu verwalten sind, kommen zwei VLANs zum Einsatz; Layer-3-Switches von Cisco ermöglichen den autarken oder gemeinsamen Betrieb. Die Dolmetscherpulte in den Kabinen werden über PoE gespeist, was ein spezielles Nutzungsszenario (siehe unten) ermöglicht. Die Verkabelung der DICENTIS Diskussionseinheiten erfolgt in Germersheim per Daisy-Chaining, wozu geeignete Systemkabel von Bosch herangezogen werden – der Cat-Kern wird hier durch zwei Kupferadern für die Stromversorgung ergänzt.
Auf den Touchdisplays der DICENTIS Diskussionseinheiten ist das Logo der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu sehen; Rednernamen und Wartelisten werden angezeigt. Von einer möglichen Personalisierung mithilfe von NFC-Karten wird in Germersheim derzeit kein Gebrauch gemacht, und auch die optional verfügbare Abstimmungsfunktion ist nicht aktiviert. Zwei Nutzer können sich in Germersheim eine DICENTIS Diskussionseinheit teilen, wovon während der Freitagskonferenzen regelmäßig Gebrauch gemacht wird.
Auf der dem Dozententisch gegenüberliegenden Raumseite nimmt die Leitung der Freitagskonferenz Platz und hat dort Zugriff auf ein Touchpanel (AG neovo TN X-24E mit TN-Panel und 23,6″-Diagonale an Crestron DGE Digital Graphics Engine). Das Panel befindet sich auf einem Tisch in einem als Sonderbau von Salzbrenner Media angefertigten Rahmen und neigt sich dem Anwender ergonomisch vorteilhaft entgegen. Über das Interface lassen sich Lautstärke und Licht im Raum regeln. Die wesentliche Funktion besteht jedoch in einer Freischaltung der Sprechstellen von auf der Warteliste aufgeführten Teilnehmern. Die Darstellung erfolgt übersichtlich mithilfe einer grafischen Oberfläche (Bosch Software-Modul Synoptic Microphone Control).
„Bereits im alten Bestand hatten wir eine Mediensteuerung von Crestron im Einsatz“, berichtet Jens Plappert und verweist auf weitere Touchpanels in der Regie und auf dem Dozententisch. „Aufgrund der im Verlauf der Jahre zusätzlich eingebrachten Komponenten waren die Schaltflächen allerdings nicht mehr so, wie man es sich wünschen würde – wir hatten diverse Workarounds eingerichtet, wodurch die Bedienoberfläche ohne begleitende Legende nicht mehr selbsterklärend war.“ Heute wird eine Crestron CP3N mit aussagekräftig programmierten Touchpanel-Oberflächen angesprochen, welche auf AG neovo TN X-24E erscheinen.
Am FTSK hat man sich aufgrund der flexiblen Einsatzmöglichkeiten für Auftischsprechstellen entschieden. Thomas Leonard, der bei der Bosch Sicherheitssysteme GmbH im Bereich Building Technologies als „Sales Business Development & Key-Account Bosch Communication Systems (BT/SEC-SBV3)“ tätig ist, weist darauf hin, dass DICENTIS Sprechstellen für Projektvorhaben auf Anfrage mittlerweile auch als flächenbündig integrierbare Einbauversionen mit pulverbeschichteten Metallgehäusen verfügbar sind. Das Display ist in diesem Fall schwenkbar, so dass bei einem festen Einbau störende Lichtreflexionen vermieden werden können. Zur Ausstattung zählen kapazitive Taster, was die Übertragung von störendem Körperschall mindern soll und zur Unempfindlichkeit gegenüber Flüssigkeiten beiträgt. Der integrierte Lautsprecher neigt sich dem Hörer bei den Einbauvarianten in einem Winkel von 45 Grad entgegen; ein NFC-Kartenleser ist Teil der Ausstattung. Die Funktionalität entspricht im Großen und Ganzen einer DICENTIS DCNM-DE Unit; fünf unterschiedliche Modelle sind in der Einbauserie verfügbar.
DICENTIS ist TCP/IP-basiert, so dass im Systemverbund Standard-Switches eingesetzt werden können. In Germersheim ist eine besondere Nutzung bemerkenswert: In Prüfungssituationen werden einzelne Dolmetscherpulte in den Kabinen über die zugehörigen Ports eines Cisco PoE-Switches stromlos geschaltet, damit Studierende die zur Verdolmetschung vorgetragenen Texte nicht vorzeitig mithören können.
„Jede Kabine soll als Prüfungskabine eingesetzt werden können, und daher galt es zu vermeiden, dass bereits anwesende Studierende die Aufgaben zu früh anhören können“, erläutert Jens Plappert. „Es hätte nicht gereicht, die Pulte lediglich per Software stummzuschalten – gewiefte Studierende mit entsprechendem Know-how hätten sich sonst durch eine bestimmte Tastenkombination Zugriff auf den Audiokanal verschaffen können.“ Die Wiederanmeldung stromlos geschalteter Pulte erfolgt in weniger als einer halben Minute; die Aktivierung obliegt der Lehrkraft.
„Mit dem Training an unseren neuen Bosch Sprechstellen werden die Studierenden bestens auf ihre spätere berufliche Zukunft vorbereitet“, sagt Jens Plappert. „Die Marktpräsenz des Herstellers ist bekanntermaßen stark, und Bosch-Systeme sind weltweit verbreitet.“ Thomas Leonard betont, dass sich DICENTIS rund um den Globus bei Rental-Companies im Einsatz bewährt und spricht über einen „Technologiesprung“, mit dem DICENTIS das etablierte Bosch DCN („Digital Congress Network“) Next Generation ergänzt. Bei Letzterem handelt es sich um ein proprietäres System, während DICENTIS auf das zukunftsweisende TCP/IP-Protokoll setzt und mit handelsüblichen Cat-Kabeln vernetzt werden kann. Hinzu kommt, dass die DICENTIS-Pulte den Anforderungen der DIN EN ISO 20109 entsprechen.
Außenstehende überrascht in den Dolmetschräumen beim Blick Richtung Decke eine Vielzahl von PTZ-Kameras: In Dolmetschraum 2 sind sechs Panasonic AW-HE40SWEJ9 Kameras installiert, während im kleineren Dolmetschraum 1 zwei Kameras des gleichen Typs Verwendung finden. Im Prüfungskontext werden zur Dokumentation des Geschehens Videoaufnahmen angefertigt, welche bei divergierenden Meinungen über eine Bewertung eingesehen werden können – die Prüflinge werden von außen durch die entspiegelten Kabinenscheiben aufgenommen. „In der Praxis werden mitunter durchaus Wünsche nach Akteneinsicht geäußert, zumal Eigen- und Fremdwahrnehmung gelegentlich nicht übereinstimmen“, hat Jens Plappert beobachtet.
Weiterhin sind die Videoaufzeichnungen ein wichtiges Mittel, um Studierenden beim Konsekutivdolmetschen ein visuelles Feedback über die eigene Mimik und Gestik zu vermitteln. Beim Konsekutivdolmetschen wird das gesprochene Wort von den Lernenden zeitversetzt vollständig wiedergegeben.
Unterstützt wird dieser Dolmetschmodus durch eine spezielle Notationstechnik, welche sich die Studierenden in Germersheim in speziellen Kursen aneignen. In den Kursen zur Notizentechnik wird die Linse einer über dem Dozententisch installierten AW-HE40S PTZ-Kamera senkrecht nach unten gerichtet, so dass Lernende die Lehrkraft beim Schreiben beobachten können – eine Umfunktionierung der Deckenkamera als Dokumentenkamera sozusagen. Die Bildwiedergabe kann per Beamer und/oder über die in den Kabinen installierten PC-Bildschirme erfolgen. In jedem Dolmetschraum sind zwei Laser-LCD-Projektoren (Panasonic PT-MZ670) vorhanden, die separate Bildinhalte zeigen. Projiziert wird auf die mit Spezialfarbe gestrichene Raumrückwand. Schaltzentrale ist eine Crestron DM-MD32X32 DigitalMedia-Matrix.
Röhrenprojektoren und VHS-Recorder wurden im Rahmen der Umrüstung entfernt, und für die Aufzeichnung von Bewegtbild stehen in der Regie heute zwei Blackmagic Design HyperDeck Studio Pro Videorecorder mit doppeltem SSD-Einschub zur Verfügung. Die Signalverteilung übernimmt eine Blackmagic Design Mischformat-Kreuzschiene des Typs Smart Videohub 40×40. Der Bildmischung dient ein Panasonic AV-HS410, ein Panasonic AW-RP120 ermöglicht die feinfühlige Kamerasteuerung, und ein Elgato Stream Deck XL Tastenfeld-Controller erlaubt den komfortablen Zugriff auf die Streaming-Software.
Sofern das Einverständnis von Lehrkraft und Studierenden vorliegt, können audiovisuelle Mitschnitte nach außen übertragen werden; regelmäßig werden in Germersheim Aufzeichnungen bzw. Live-Streams auf YouTube zur Verfügung gestellt. Aufgrund der durch die Pandemie bedingten Restriktionen hatte man im FTSK verstärkt Hybridveranstaltungen geplant – zum Zeitpunkt unseres Besuchs Mitte November 2020 fand jedoch keinerlei Präsenzunterricht statt, und stattdessen wurden den Studierenden Lernangebote über Kommunikationsplattformen wie Microsoft Teams unterbreitet.
Thomas Leonard weist darauf hin, dass das DICENTIS Konferenzsystem eine professionelle Fernkommunikation („Remote Simultaneous Interpreting“) mit entsprechend ausgerüsteten Dolmetscher-Hubs ermöglicht – beispielsweise mit einem Remote-Hub, den ein bekannter Veranstaltungstechnik-Dienstleister der Nähe des Stuttgarter Flughafens ebenfalls mit DICENTIS betreibt. Weitere RSI Hubs, auch anderer Veranstaltungsdienstleiter mit Bosch-Technik befinden sich laut Leonard in Berlin, Hamburg und Düsseldorf im Aufbau.
Die Übertragungssicherheit wird unter anderem durch redundante Server und einen redundanten Provider-Zugang sowie über eine USV und RAID-Systeme garantiert. Audio- und Videosignale lassen sich mit geringer Latenz übertragen, so dass am FTSK Gast-Simultandolmetscher* innen aus Stuttgart zugeschaltet werden könnten.
Hubs vergleichbarer Art werden in Deutschland angesichts der durch die Pandemie hervorgerufenen Entwicklungen künftig sicherlich vermehrt anzutreffen sein – vermutlich ein Aspekt, dem in Germersheim im Rahmen der Ausbildung künftig Aufmerksamkeit geschenkt werden wird.
In pandemiefreien Zeiten erfreuen sich die grundlegend überarbeiteten Dolmetschräume großer Beliebtheit und sind durchgängig von 8 Uhr bis 16 Uhr belegt. „Die neue Anlage leistet exakt das, was wir uns vorgestellt haben!“, stellt Jens Plappert zufrieden fest. „Die Resonanz von Studierenden wie Lehrenden ist sehr gut. Einzelne Dozentinnen und Dozenten, die sich anfangs ein wenig schwer mit der neuen Bedieneroberfläche taten, kommen inzwischen bestens zurecht. Bei der letzten großen Prüfung vor Beginn der Pandemie hat trotz der umfangreichen Anforderungen alles auf Anhieb wie gewünscht funktioniert, was für eine derart aufwendige Medientechnikinstallation ganz ohne Frage ein großes Kompliment ist.“
Die neu eingebrachte Anlage wird sich bei Bedarf erweitern lassen: Sowohl das Bosch DICENTIS System als auch POLARIS evolution werden in Germersheim trotz der komplexen Anforderungen des FTSK weit unterhalb ihrer Leistungsmöglichkeiten betrieben, so dass die bereits konkret angedachte Anbindung weiterer Dolmetschräume kein Problem darstellen wird.