Die vom Hasso Plattner Institut (HPI) entwickelte „Lern- und Lehrinfrastruktur“ ist in Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen bereits Standard. Mit Beginn der Pandemie wurde die Schul-Cloud für alle Schulen bundesweit geöffnet und kann Lehrkräften und Schülern den Wechsel in den Distanzunterricht schnell und leicht ermöglichen.
Auch der jüngste Lockdown erwischte viele Schulen bundesweit in einer schwierigen Situation. Die Schulen sind oftmals nicht für Distanz- und Hybridunterrichtsformen ausgelegt. Zwar existiert das Bundesförderprojekt „Digital-Pakt Schule“ seit Mai 2019, und ahnungslos planten die Schulen vor der Pandemie ihre Digitalisierung für den selbstverständlichen Präsenzunterricht. Aber die neu entwickelten Konzepte und eingerichteten Medienstrukturen ließen sich in der Folge nicht wie selbstverständlich einfach so auf Distanzunterricht umschalten. Schulen, die ihre medienpädagogischen Konzepte erst im Verlauf von 2020 fertig stellten, konnten die veränderten Rahmenbedingungen mit einplanen, aber oftmals noch nicht umsetzen.
Zu umfangreich und komplex ist die Umstellung des Unterrichts von der tradierten Tafelkreidezeit in das mediale Digitalzeitalter. Zur Digitalisierung gehören ja nicht nur die Medientechnik innerhalb der Klassenzimmer, sondern auch die persönliche Ausstattung von Lehrkräften und Schülern, sowie das Breitbandinternet, eine professionelle IT-Administration, digitale Lehrmaterialien und insbesondere die medienpädagogische Fortbildung an den Schulen. Unvergessen in diesem Zusammenhang ist die sehr späte Erstausstattung vieler Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten im vergangenen Jahr und die vielerorts nicht vorhandene Breitbandinternet-Anbindung an zwei Dritteln der rund 40.000 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland. Vor diesem Hintergrund wurde während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 die HPI Schul-Cloud bundesweit für alle Schulen geöffnet.
Es existieren verschiedene leistungsstarke digitale Lernplattformen für den Schulbetrieb. Engagierte Pioniere unterschiedlichster Schulen haben schon weit vor DigitalPakt und Pandemie individuelle Digitallösungen an ihren Schulen eingerichtet und vorangetrieben. Sie können längst auf fundierte Ergebnisse ihrer medienpädagogischen Arbeit schauen. Je nach eingeschlagenem Weg fällt ihnen das Distanz- und Hybridunterrichten, dank medienpädagogischer Planung und rechtzeitig angeschaffter Digitaltechnik, während der Pandemie mehr oder weniger leicht.
Die „Flaschenhälse“ des Distanzunterrichts sind im neuen Schulalltag jedoch auch schnell ausgemacht: die individuellen Internetzugänge und die stark unterschiedliche Ausstattung mit Endgeräten bei den Schülern im „Homeschooling“ erschweren vielerorts Durchführung und Teilnahme. Und nicht selten unterstützen die Lehrkräfte Familien bei der technischen Ausstattung mit individueller Hilfe. Familien mit beispielsweise drei schulpflichtigen Kindern haben eben nicht zwangsläufig drei Notebooks und Tablets neben der eigenen Unterhaltungs- und Homeoffice-Technik zu Hause parat.
Die Basis des digitalen Unterrichts besteht neben der Technik aus der problemlosen und DSGVO-konformen Datenverfügbarkeit sowie der strukturierten Durchführung des Unterrichts mit geeigneten Software-Tools. Die HPI Schul-Cloud ist beispielsweise eine Lösung, die als „Software as a Service“ (SaaS) in der Cloud eingerichtet ist, also über Rechenzentren zur Verfügung gestellt wird. Somit erfolgt der Rückgriff grundsätzlich über das Internet und ohne eigene Software-Installation sowie ohne eigene Server-Hardware mit anhängiger Administration. Die Vision, Lehr- und Lerninhalte auf einer Plattform zu bündeln und bundesweit zur Verfügung zu stellen, entstand 2016 nach dem nationalen IT-Gipfel. Die Open Source Software, die HPI Schul-Cloud, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und wurde an rund 300 Pilotschulen des nationalen MINT-EC-Schulnetzwerks eingesetzt und getestet. Mit Stand Ende Oktober 2020 waren laut Pressemitteilung des HPI 740.000 Nutzer registriert. Von Anfang an sollte der Cloud-Dienst den hohen Datenschutzanforderungen im Schulbereich gerecht werden.
Dazu wird auf eine Pseudonymisierungs-Technik gesetzt, damit personenbezogene Daten beim Rückgriff auf externe Webinhalte, Lehrinhalte und Unterrichtsplattformen nicht transparent übermittelt werden. Das schützt die Nutzer und ermöglicht die korrekte Handhabung der Datenschutzgrundverordnung.
„Digitale Souveränität“ ist ein weiterer Baustein dieser Schul-Cloud und bedeutet, dass die angeschlossenen Rechenzentren des Cloud-Dienstes in deutscher bzw. europäischer Hand sind. Seit Juni 2020 stellt das Unternehmen 1&1 IONOS die Cloud-Infrastruktur zusammen mit der Firma Bechtle im Auftrag von Dataport (Informations- und Kommunikations-Dienstleister AöR, Altenholz bei Kiel) für die HPI Schul-Cloud zur Verfügung. In den Rechenzentren bei IONOS wird der Dienst auf sogenannten „Kubernetes Clustern“ betrieben. Kubernetes bietet die Möglichkeit, bei Lastspitzen automatisch innerhalb kurzer Zeit zu skalieren und so eine durchgehende Verfügbarkeit der Applikation zu gewährleisten.
Da die Schul-Cloud via Browser genutzt wird, ist sie plattformunabhängig, und die Nutzer können sie mit verschiedenen digitalen Endgeräten von Notebook über Tablet bis hin zum Handy verwenden. Was heißt das für den Einsatz im Präsenzunterricht? Für die sinnvolle Einbindung im Klassenzimmer müssen WLAN und Internet zeitgemäß ausgelegt sein, und die Schule kann in beispielsweise kostengünstige Tablets oder auch Chromebooks investieren, unabhängig von einer Server-Technik vor Ort. Für den Distanzunterricht bedeutet die HPI Schul-Cloud ein vom Schul- und Server-Standort unabhängiges System, das als Cloud-Dienst große Performance z. B. bei videogestützten Unterrichtseinheiten ermöglichen kann. Und auch in diesem Fall erfolgt die Nutzung plattformunabhängig und schulunabhängig mittels digitaler Endgeräte wie Notebook oder Chromebook, Tablet oder auch Handy.
Die „intuitiv bedienbare digitale Lehr- und Lernplattform“ stellt Lehrkräften und Schülern eine umfangreiche Lernumgebung zur Verfügung. Die Funktionen sind in drei Bereichen angesiedelt: „Kommunikation, Kollaboration und Organisation“, „Finden, Erstellen, Teilen und Bewerten von Inhalten“ und „Unterstützen von Lernen und Lehren“. Weitere Open Source Software ist modular angebunden, wie z. B. BigBlueButton für den videogestützten Unterricht. „Die HPI Schul-Cloud führt Dienste und Inhalte verschiedenster Anbieter zusammen und vernetzt sie an ihren Berührungspunkten“.
Im Bereich „Kommunikation, Kollaboration und Organisation“ finden sich ein gemeinsamer Kalender mit Stundenplänen, die Dateistruktur mit individueller Datenablage, eine kollaborative Struktur für Teams, „Collabora Office“ für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentation, eine Übersichtsseite mit tagesrelevanten Informationen sowie das Verwaltungs- und Administrationsmodul. Im Bereich „Finden, Erstellen, Teilen und Bewerten von Inhalten“ bietet der „LernStore“ den zentralen Zugang zu Inhalten von Verlagen, Bildungsinstitutionen, Stiftungen, interaktiven Inhaltsquellen und anderen Open Education Ressources (OER). Eine vereinheitlichte Ansicht erleichtert das Suchen, Auffinden und Vergleichen der Bildungsinhalte. Die Inhalte lassen sich eigenen Kursen und Unterrichtseinheiten zuordnen.
Im dritten Bereich „Unterstützen von Lernen und Lehren“ steht der „Editor“ zur Verfügung, mit dem Selbstlernformate und Unterrichtseinheiten vorbereitet und ausgespielt werden können. Hier lassen sich beispielsweise Themen erstellen, auch mit Inhalten aus dem LernStore. Dabei können die Themen interaktive Tools enthalten. In diesem Bereich sind auch „Aufgaben und Abgaben“ mit Fristen eingebunden. Themen und ganze Kurse lassen sich im Kollegium teilen und per Freigabe Vertretungslehrern zugänglich machen. Das „Digitale Klassenzimmer“ vereinfacht die Zusammenarbeit in der Klasse, Arbeitsergebnisse können gezeigt und ausgetauscht werden, Gruppenarbeit wird mit virtuellen Tafeln unterstützt.
„Mit Lernen.cloud möchten wir insbesondere Pädagoginnen und Pädagogen dabei unterstützen, schnell an Bord der HPI Schul-Cloud zu kommen,“ schreibt das Hasso Plattner Institut auf der Internetseite lernen.cloud, die den Lehrkräften den Einstieg in die HPI Schul-Cloud so einfach wie möglich machen soll. Die Internetplattform richtet sich zusätzlich auch an Schüler und Eltern. Eine umfangreiche Sammlung von Artikeln, Online-Kursen und Video-Tutorials beleuchtet und erklärt die wesentlichen Funktionen und Merkmale der Schul-Cloud. Neben der reinen Funktionalität werden auch Aspekte des Datenschutzes und des Urheberrechts behandelt. Gerade diese Themen sind für die Lehrkräfte sehr wichtig, damit sie ihren Unterricht digital und rechtssicher planen können. Diese Ausrichtung war auch den Verantwortlichen der HPI Schul-Cloud ein wichtiges Anliegen, insbesondere angesichts der bundesweiten Skalierbarkeit des Web based Services. Eine nationale Nutzung betrifft nämlich direkt die Bildungshoheit der Bundesländer und muss innerhalb des föderalen Bildungssystems geplant und realisiert werden.
„Erreicht wird dies durch moderne Softwarearchitekturen und einen modularen Aufbau des Systems. Die einzelnen Dienste werden dabei als Microservices bereitgestellt“, so die Intention des HPI. Das bedeutet einen modularen und integrationsfähigen Aufbau mit Schnittstellen, der den unterschiedlichen Anforderungen von 16 Bundesländern gerecht werden kann. Die offene Struktur ermöglicht dabei das Zusammenspiel mit anderen Diensten, Software-Tools und Apps.
Jedes Bundeland hat seine eigenen Regeln, beispielsweise für Lernmittel und -materialien, und kann diese in der HPI Schul-Cloud für das eigene Bundesland anwenden. Der erwartete Vorteil des bundeweiten Einsatzes der HPI Schul-Cloud besteht drin, dass Entwicklung, Weiterentwicklung und Administration eines einzigen Cloud-Dienstes deutlich effektiver und kosteneffizienter sind, als 16 unabhängig voneinander konzipierte und realisierte bundeslandspezifische Einzelsysteme.