Interview mit Lindy-Geschäftsführer Jürgen Lindenberg
von Redaktion,
Vor zwanzig Jahren war Lindy noch als die „Cable Company“ bekannt. Trifft diese Bezeichnung heute noch auf Lindy zu?
Jürgen Lindenberg: Wenn man seit Jahrzehnten Kabel produziert, dann wird man solch ein Image nicht von heute auf morgen los und das möchten wir auch gar nicht, schließlich haben wir unser Kabelsortiment seit damals sogar noch vergrößert. Aber trotzdem würden wir uns selbst schon seit der Jahrtausendwende nicht mehr als Cable Company bezeichnen. Heute stehen bei Lindy professionelle AV- Lösungen im Mittelpunkt.
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Die Betonung liegt dabei auf Lösung, denn unser Geschäftsmodell setzt nicht auf besonders verkaufsstarke Einzelstücke, sondern auf ein sehr breites AV-Produktportfolio. Wir können vom Extender über Scaler, HDBaseT-Switches bis hin zu Matrix-Switches alles liefern, ohne auf Fremdprodukte zurückgreifen zu müssen.
Dr. Rainer Bachmann: Eine Cable Company assoziiert man auch schnell mit einer Fabrik, die Meterware aus Draht und Kunststoff produziert. Aber bei Kabeln geht es längst um etwas ganz anderes. Moderne AV-Elektronik überträgt Datenraten im ein- bis zweistelligen Gigabit-Bereich und diese Kabel haben fast nichts mehr mit den Kabeln gemeinsam, die vor 20 Jahren Signale zum Monitor oder zum Drucker übertragen haben.
Auch geht es längst nicht mehr nur darum, das Signal von A nach B zu übertragen, sondern darum, Signale zu verteilen, umzuwandeln, zu konvertieren und Geräte über beliebige Distanzen zu verbinden. Um Multiplier, Video-Scaler oder Extender zu bauen braucht man heute keine Lötkunst, sondern Hochfrequenz-Elektronik-Expertise.
Dann sehen Sie es so, dass Lindy immer noch die Cable Company ist, jedoch inzwischen hinter dem Begriff Kabel komplexere Technologien stecken?
Dr. Rainer Bachmann: Das kommt der Sache schon näher, trifft den Nagel aber immer noch nicht auf den Kopf. Connectivity wäre der passendere Begriff. Zwar werden auch Kabel zunehmend komplizierter, aber Extenderlösungen bewegen sich auf einem ganz anderen Niveau. Eine moderne AV-Lösung besteht eben nicht mehr nur aus Kabeln. Für eine Videoinstallation wird heute ein ganzes Ensemble an Switches, Extendern, Scalern und Konvertern verbaut. Da muss man das Zusammenspiel der Komponenten verstehen, die Komponenten müssen zuverlässig funktionieren, so dass Investitionen langlebig und somit nachhaltig sind.
Das ist relevant, wenn es darum geht, einzelne Komponenten zu entwickeln, das ist aber noch viel entscheidender, wenn es darum geht ein Produktportfolio zu planen. Vor allem dann, wenn wir als Anbieter vollständiger Lösungen auftreten wollen. Aber es geht noch weiter. Man muss auch verstehen, wie öffentliche Räume geplant werden und welche Anforderungen sich dadurch ergeben, man muss verstehen, welche Inhalte zukünftig auf Bildschirmen zu sehen sein werden, um zu wissen, welche Technologie angefragt werden wird.
Werden unsere Produkte in Zukunft in Office-Umgebungen oder in Out-of-Home Media zum Einsatz kommen? Werden wir Abfahrtszeiten oder Werbung übertragen? Planen wir unsere Produkte für Museen, Messen oder für die Sicherheitstechnik? Und auch wenn es etwas pathetisch klingen mag: Im Mittelpunkt steht immer die Verbindung. Technologien verbinden, Menschen verbinden, Botschaften transportieren.
Wie kam es zu dieser Entwicklung? War es eine Reaktion auf konkrete Kundenanfragen oder auf die allgemeine Entwicklung des Marktes?
Jürgen Lindenberg: Eher Letzteres, aber eigentlich ist beides nicht ganz zutreffend. Denn streng genommen fokussierten wir das AV-Segment bereits zu einem Zeitpunkt, als es noch keinen klaren diesbezüglichen Markttrend gab.
Wir reden bei AV-Equipment von High End-Produkten, die sich preislich teils im vierstelligen Bereich bewegen. Die entwickelt man nicht eben über Nacht, weil man merkt, dass die sich gut verkaufen. Möchte man sich mit Qualität auf dem B2B-Markt etablieren, dann darf man keinen Trends hinterherlaufen, sondern braucht marktreife Produkte sobald der Bedarf entsteht
Aber zugegebenermaßen lag es auch an unseren Kunden. Wir reden jeden Tag mit unseren Kunden und stehen auch fernab von Verkaufsgesprächen mit ihnen in Kontakt. Da hört man schon raus, wohin die Reise geht. Insbesondere in unserem USA-Geschäft haben wir recht früh gemerkt, dass Connectivity bald mehr sein wird, als nur Kabel zu produzieren.
Plant Lindy schon eine neue Sparte für die Zukunft?
Dr. Rainer Bachmann: Was die Zukunft bringt, verrät ein Blick in die Glaskugel. Im wahrsten Sinn des Wortes, denn es wird ziemlich sicher etwas mit Glasfaser-Technologie zu tun haben. Bandbreite und Reichweite sind bei Kupferkabeln heute erschöpft.
Bislang sind sie noch preiswerter, aber sobald sich das ändert, steht uns im IT- und AV-Umfeld eine mittelgroße Revolution bevor. Lassen sich Lichtwellenleiter praktisch über beliebige Distanzen verlegen und sind Bandbreiten kein Thema mehr, dann wird sich das sowohl auf professionelle und Heimelektronik, wie auch auf das Internet und den öffentlichen Raum auswirken.
Wenn optische Highspeed-Schnittstellen in den Geräten preislich wettbewerbsfähig werden, werden wir dort einen rasanten Anstieg sehen. Bislang umfasst unser Glasfaser-Sortiment vor allem LWL-Extender für mittlere und große Distanzen.
Hier haben wir Dutzende Lösungen im Sortiment und genau hier liegt bislang auch unsere Kernkompetenz im Bereich optischer Signalübertragung. Diese Produkte sind aber noch nichts für Privatanwender und es sind klassische Point-to-Point-Lösungen, bei denen wenig Infrastruktur gefragt ist. Wir verfolgen daher sehr genau, wie sich dieser Bereich und die Technologien entwickeln. Völlig frei gesponnen könnte es 2032 – in unserem 100-jährigen Jubiläumsjahr – so etwas wie einen Opto-Signage-Markt geben, und Lindy war von Anfang an dabei.
Aber schauen wir mal was die Zukunft bringt. Ich kann mich auch noch erinnern, dass man einst WLAN für die Lösung aller Datenübertragungen hielt. Aber heute verkaufen wir mehr Kabel basierte Lösungen denn je.
Für eine Änderung bzw. eine Erweiterung des Produktsortiments ist es sicherlich erforderlich, dass Forschung und Entwicklung und die Produktion sich umstellen – reicht das? Was ist z. B. mit dem Kundensupport?
Jürgen Lindenberg: Wir mussten beispielsweise fast unseren gesamten Service neu strukturieren. Wir machen unser Geschäft nicht mit Kunden, die unseren Sales kontaktieren, um eine Katalognummer durchzugeben und zu bestellen. Deutlich eher reden wir mit einem AV-Systemintegrator, der eine komplette AV-Installation ausführen möchte und der daraufhin mit unserem Vertrieb über Machbarkeit, Dimensionierung, Fehleranfälligkeit usw. fachsimpeln möchte.
Wir haben im Sales Experten mit praktischer AV-Fachkenntnis, um genau so etwas leisten zu können. Es geht nicht mehr nur um Produkte, es geht um Lösungen.
Dr. Rainer Bachmann: Aber auch die kontinuierliche Betreuung der Projekte hat heute einen ganz anderen Stellenwert. Ich sage gern, früher hat es gereicht, wenn jemand am Telefon das Handbuch vorgelesen hat. Damit konnten damals auch viele Fragen beantwortet werden. Heute haben wir aber Kunden, die unsere Produkte bald so gut kennen wie wir selbst, und wir reden dabei nicht mehr von den gleichen Produkten wie damals.
Die Fragen, die hier aufkommen, lassen sich demnach auch nicht mehr mit einer FAQ beantworten. Auch für die Kundenbetreuung gilt: Wir brauchen Fachleute, die entsprechend ausgebildet werden müssen. Konkret haben wir zur Unterstützung des Service in unserem Mannheimer Stammhaus ein komplettes Testcenter eingerichtet, in dem wir Installationen unserer Kunden 1:1 nachstellen können. Dies hilft dem Support, bestimmte Problemstellungen zu rekonstruieren und dem Kunden entsprechend sachdienliche Informationen und Lösungskonzepte zu liefern.