Im Eingangsbereich des Merck Innovation Centers zieht eine kinetische Medientechnik-Installation die Blicke wie magisch auf sich – die sich permanent verändernde Inspiration Wall ist ein Eyecatcher par excellence.
Geräuschlos, elegant, geschmeidig – fast wie von Geisterhand bewegen sich 72 Displays, nehmen als Gruppe bald diese, bald jene Form an und verfolgen eine komplexe Choreografie, deren Ablauf sich dem Betrachter nicht auf Anhieb erschließt und die ihn bei jedem Blick aufs Neue überrascht. Mitunter scheint die Display-Formation einzelnen Personen zu folgen, die sich entlang des Counters durch das weitläufige Foyer bewegen, um gleich darauf wieder vollkommen eigenständig zu agieren. Auch bezüglich der Inhalte lässt sich kein durchgehendes Muster ausmachen – alles fließt, changiert, verfährt schnell oder langsam und wirkt dabei doch intensiv als die Aufmerksamkeit auf sich ziehende Gesamtheit. Keine Frage: Dem in Darmstadt beheimateten Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck ist mit der „Inspiration Wall“ ein Blickfänger jenseits des Üblichen gelungen.
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Aufmerksamkeitsstarke Technologie-Inszenierung
„Die Idee zu der kinetischen Installation im Merck Innovation Center ist aus unserer Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Henn entstanden“, verrät Dietmar Möller (Merck KGaA Project Execution Lead, One Global Headquarters). „Zunächst wurde darüber nachgedacht, eine Lichtinstallation an der großen Wand oberhalb des Empfangs einzurichten. Es standen verschiedene Ideen im Raum, und anfangs wurde auch über eine große LED-Fläche diskutiert. Wir haben jedoch Wert darauf gelegt, dass die Installation auf einer der Merck Technologieplattformen basiert – beispielsweise auf Liquid Crystals, also Flüssigkristallen, oder OLED-Anzeigen. Im Verlauf des Findungsprozesses sind wir mit ART+COM Studios zusammengekommen, und es entstand die Idee zu einer interaktiven kinetischen Installation mit sich bewegenden Bildschirmen.“
Was möglicherweise nicht allgemein bekannt ist: Merck ist nicht nur in der Pharmabranche aktiv, sondern Technologieführer im Display-Bereich; das Unternehmen ist mit seinen Technologien nach eigenen Angaben in mehr als der Hälfte aller weltweit gebauten Flachbildschirme (LCD, OLED) vertreten. Unterschiedliche Merck Flüssigkristallmischungen ermöglichen es den meist in Asien ansässigen Produzenten, Panels mit bestmöglicher Bildqualität herzustellen – aus Marketing-Sicht lag es somit nahe, die hauseigenen Technologien dynamisch sowie mit hohem Aufmerksamkeitswert im Eingangsbereich des Merck Innovation Centers zu inszenieren.
Interplay zwischen physischer Bildschirmchoreografie und virtuellen Welten
Die Inspiration Wall ist eine raumgreifende kinetische Installation, die dem Foyer des Merck Innovation Centers eine unverwechselbare Identität verleiht. Die „Inspirationswand“ entstand im Auftrag von Henn Architektur bei ART+COM Studios in Zusammenarbeit mit schnellebuntebilder und der MKT AG. Als medientechnischer Fachplaner wurde die medienprojekt p2 GmbH im Auftrag von ART+COM tätig.
Die Installation erstreckt sich über eine fast 18 Meter lange, leicht konvex geformte Wand aus mattweißen Corian-Platten. Sie besteht aus 24 Reihen mit jeweils drei 32″-Monitoren, welche sich über Motoren entlang schlitzartiger Führungen einzeln vertikal bewegen lassen. Die leuchtstarken LC-Displays wirken am Abend mit einsetzender Dunkelheit visuell noch intensiver als tagsüber; die Bildschirmchoreographie nimmt zu vorgerückter Stunde ein gemächlicheres Tempo an. In den Fluss der meist bunten Bilder mischen sich gelegentlich typografische Inhalte: Kurze Ankündigungen des Innovation Centers mit einer maximalen Länge von bis zu 140 Zeichen sowie aktuelle Hashtags ausgewählter Merck Twitter-Kanäle ergänzen die sonst zu sehenden Animationen.
Joachim Sauter, Gründungsmitglied von ART+COM und Head of Design der ART+COM Studios, erläutert: „Die Grundidee besteht darin, einen Dialog zwischen physischer und virtueller Bewegung herzustellen, was sehr gut zur inhaltlichen Ausrichtung des Innovation Centers passt und als metaphorische Übersetzung zu verstehen ist. Es geht um das Interplay zwischen der physischen Choreografie und den in Echtzeit generierten virtuellen Welten, die auf den Bildschirmen zu sehen sind.“
Antrieb mit Servomotoren und SPS
Eine Display-Wall mit sich bewegenden Bildschirmen erfordert einen absolut zuverlässigen Antrieb. Schaut man hinter die Kulissen und begibt sich im ersten Obergeschoss in den klimatisierten Technikraum auf der Rückseite der kinetischen Installation, fühlt man sich spontan an einen Schnürboden im Theater erinnert, wobei sich die Motoren hier entlang der senkrechten Installationsfläche verteilen.
Besondere Aufmerksamkeit musste der Geräuschentwicklung gewidmet werden: 72 Linearachsen wären im gegebenen Umfeld zu laut gewesen, weshalb letztlich zu einer Entkopplung über Stahlseile und Umlenkrollen gegriffen wurde. Jeder Monitor hängt an zwei Seilen, von denen jedoch lediglich eines belastet wird – das zweite Seil wird lose über einen Federmechanismus mitgeführt und dient der Sicherung für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Hauptseil reißen sollte. Steht man bei normalem Publikumsbetrieb in der Lobby, fallen die Betriebsgeräusche
nicht auf bzw. werden durch die ohnehin vorhandene Geräuschkulisse
maskiert.
Die für die Konzeption des Antriebs verantwortliche MKT AG konnte die Verantwortlichen bei ART+COM und Merck mit einem Probeaufbau überzeugen – größte Aufmerksamkeit wurde auf einen möglichst leisen Betrieb der Motoren gerichtet. Verwendung finden heute vergleichsweise große Beckhoff Servomotoren, die mit Gedanken an eine geringe Geräuschentwicklung sowie minimale Vibrationen ohne Getriebe auskommen. Im Hintergrund arbeitet eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) von Beckhoff, die einen ebenso zuverlässigen wie sicheren Betrieb
bis hin zum gegebenenfalls erforderlichen Not-Stopp garantiert – ein Rechner auf Windows-Basis wäre im konkreten Zusammenhang laut MKT-Geschäftsführer Peter Haschkamp keine geeignete
Lösung gewesen.
Mithilfe eines berührungsempfindlichen Bildschirms und einer Crestron CP3-Mediensteuerung wird die kinetische Installation morgens eingeschaltet und läuft anschließend bis etwa 22 Uhr. Ein 24/7-Betrieb wäre möglich, ist im Merck Innovation Center jedoch nicht gefordert.
Sonderanfertigungen für außergewöhnliche Anforderungen
In die Lobby fällt dank einer großzügigen Glasfassade reichlich Tageslicht ein, und passend zu diesem Umstand waren für die Installation besonders leuchtstarke Displays gefragt. Fündig wurde man bei der in Taiwan ansässigen AU Optronics Corporation (AUO), zu der Merck beste Beziehungen unterhält. Der zur BenQ-Gruppe gehörende Panel-Produzent hatte zwar ein passendes Produkt im Programm, welches jedoch nicht in der gewünschten Größe verfügbar war. In Hsinchu reagierte man flexibel auf die Anfrage aus Deutschland und lieferte für den besonderen Auftrag Custom-Made-Panels, welche allen Anforderungen des Merck Projekts gerecht werden.
Gefordert waren Bildschirme, die eine Multi-Display-Funktion unterstützen, so dass Kommunikation und Bildabgleich wie bei handelsüblichen Steglosmonitoren möglich sind. Jeweils neun Bildschirme werden als Gruppe mit einem HD-Signal angesteuert; bei 72 Bildschirmen sind somit acht HD-Signale erforderlich. Der Content-Rechner ist mit zwei leistungsstarken Grafikkarten bestückt, welche jeweils ein 4K-Signal ausspielen, das seinerseits in vier HD-Signale aufgeteilt wird. Beim gegebenen Betrachtungsabstand reicht die Auflösung aus, um die Bilder als scharf wahrzunehmen.
Die Panels wurden von eyevis (a Leyard Company) gemeinsam mit der benötigten Elektronik sowie passenden Netzteilen in geeignete Gehäuse integriert. Letztere sollten einerseits stabil und verwindungssteif sein, andererseits aber auch möglichst wenig Gewicht auf die Waage bringen. Teil der Elektronik ist ein von eyevis entwickelter Scaler, der eine Split-Funktion aufweist, so dass je neun Displays als Gruppe angesprochen werden können. Die Verbindung zwischen den Bildschirmen erfolgt per Daisychaining mit Kabeln/Schleppketten.
Abstrakte Bildwelten: kristallin, zellulär, molekular und fluide
Die zu sehenden Bildinhalte sowie die Bewegungen der Displays mussten aufeinander abgestimmt werden und letztlich als Gesamtheit Sinn ergeben. Dabei sollte der Content spezifisch auf Merck zugeschnitten sein und das aktuelle Branding des Unternehmens berücksichtigen: Seit 2015 tritt der global agierende Wissenschafts- und Technologiekonzern in seiner Außendarstellung mit einem runderneuerten Image auf, das deutlich lebendiger als das früher eher konservative Markenbild wirkt, gemäß Presseinformation von „der bunten und formenreichen Welt unter einem Mikroskop“ inspiriert wurde und durchaus als mutiger Schritt bezeichnet werden darf – eine derart farbige Formverspieltheit samt auffälliger Typografie kennt man von DAX-Unternehmen sonst nicht.
Mit der Erstellung des Contents für die Inspiration Wall war die Berliner Firma schnellebuntebilder befasst, und Dietmar Möller erinnert sich an „viele gute Ideen“, die aus der deutschen Hauptstadt an ihn herangetragen wurden. „Wir verstehen uns als Wissenschafts- und Technologieunternehmen und positionieren uns in den Bereichen Healthcare, Life Science sowie Performance Materials. Diese Aufgabenfelder sollten die Darstellungen auf der Inspiration Wall in einer künstlerischen Adaption aufgreifen“, erläutert Möller. „Was heute auf den Displays zu sehen ist, erinnert abstrakt an Materialeigenschaften oder den Blick durch das Okular eines Mikroskops – es geht nicht um Information, sondern um Emotion!“
Die zu sehenden Bildinhalte werden innerhalb eines vordefinierten Spektrums in Echtzeit erzeugt. Die einzelnen Szenen entwickeln sich aus zehn verschiedenen visuellen Welten und gestalten sich durch generative Elemente immer wieder anders – die Varianz ist enorm. Inspiriert sind die abstrakten Bilder von vier verschiedenen Eigenschaften, die mit Produkten von Merck assoziiert werden: kristallin, zellulär, molekular und fluide. Vier grafische Intermezzophasen („Transitions“) schaffen nahtlose Übergänge zwischen den einzelnen Szenen.
Manche Szenarien wirken interaktiv, und Signale aus einer in die Decke vor dem Counter integrierten Tracking-Kamera sorgen dafür, dass die Display-Choreografie mitunter den Bewegungen einer Person im Abdeckungsbereich folgt. Das Tracking wird mittels einer von schnellebuntebilder eigens für das Projekt entwickelten Software realisiert.
Dynamische Visitenkarte
Mit dem anlässlich des 350-jährigen Unternehmensjubiläums im Mai 2018 eröffneten Innovation Center gibt Merck ein beeindruckendes Statement ab, das in Darmstadt sinnbildlich für die Entwicklung von einem Produktionswerk zu einem Technologie- und Wissenscampus verstanden wird. Das Gebäude ist gegenüber der an seiner Vorderseite vorbeiführenden Frankfurter Straße zurückgesetzt und gibt so einen öffentlichen Platz frei, der auf den Namen Emanuel-Merck-Platz getauft wurde.
Die gläserne Fassade ergänzt den frei zugänglichen Platz vor dem Innovationszentrum und sorgt mit dafür, dass die leuchtenden Bildschirme insbesondere nach Einbruch der Dämmerung als fester Bestandteil des Gebäudes zu einem weithin sichtbaren Signal werden. Der im Familienbesitz befindliche DAX-Konzern öffnet sich mit dem Innovation Center architektonisch wie auch im übertragenen Sinn nach außen, zeigt gleichzeitig aber auch auf, wofür das Traditionsunternehmen steht, und vermittelt abstrakt ein Gefühl dafür, was innerhalb des Gebäudes geschieht.
Merck überreicht Besuchern mit der Inspiration Wall eine großformatige Visitenkarte, stimmt mit zeitgemäßer Technologie auf das Thema Innovation ein und erzeugt einen dynamischen Dynamische Visitenkarte ersten Eindruck.
Diesen und weitere Beiträge über die Integration von audiovisueller Medientechnik in Corporate-Bereichen, Hotels/Gastronomie oder Themenwelten finden Sie in Ausgabe 2/2019 von KommunikationsRaum.
Merck Innovation Center
Im Merck Innovation Center werden junge Unternehmen für einen definierten Zeitraum mit geeigneten Programmen bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen unterstützt; man könnte von einem Thinktank oder einem Start-up-Accelerator sprechen, der Menschen, Technologien und Fertigkeiten unterschiedlicher Bereiche unter einem Dach zusammenbringt. Beim Innovation Center handelt es sich laut Merck nicht nur um ein Gebäude, sondern auch um eine Denkweise: Die Basis bildet eine Kultur der Offenheit und des Austauschs zwischen Mitarbeitern, Start-ups, Visionären und Unternehmen in aller Welt. Der ganzheitliche Ansatz findet seinen Ausdruck in vielfältigen Initiativen, Veranstaltungen und Möglichkeiten, sich selbst einzubringen. 7.100 Quadratmeter stehen im Innovation Center für Mitarbeiter und Gäste zur Verfügung, 40 Start-ups wurden seit 2015 vom globalen Merck Accelerator unterstützt. 16 interne Innovationsprojekte sind aktuell im Innovation Center untergebracht. Wurde die Zeit im Innovation Center von jungen Firmengründern erfolgreich genutzt, strebt Merck eine langfristige Zusammenarbeit an.