Activity Based Working und andere Themen rund um das Büro 4.0
Orgatec 2018: Interview zur Sonderfläche Plant 10.1
von Redaktion,
Mit dem Sonderausstellungsbereich „Plant 10.1“ will die Orgatec 2018 emotional polarisieren und aktuelle Fragen rund um das Thema neue Bürowelten, Activity Based Working und Collaboration in den Mittelpunkt stellen. Marc Wagner, Managing Partner bei Detecon Consulting, und Dr. Bernhard Zünkeler, Curator und Partner von der Kommunikationsagentur Orange Council, erklären im Interview die Idee hinter der Sonderfläche in Halle 10.1.
Herr Zünkeler, die Sonderfläche Plant 10.1 auf der kommenden Orgatec wird gemeinsam von Orange Council und Detecon Consulting konzipiert. Welche Idee steckt hinter der Präsentation?
Bernhard Zünkeler: Betrieblicher Raum wirkt nicht nur physisch, sondern im Wesentlichen auch psychisch. Bei vielen Erneuerungskonzepten für Büros steht aber heute ausschließlich die funktional-rationale Ebene von Räumen im Vordergrund: Es wird darauf geachtet, ob die Stühle zusammenpassen, die Vorgaben der Arbeitssicherheit erfüllt werden etc. Die emotional-intuitive Ebene kommt häufig zu kurz. Dabei handelt es sich um die so genannten weichen Faktoren, die im betrieblichen Alltag eine wahnsinnig große Wirkung entfalten und die wir unter dem Begriff „Kultur“ zusammenfassen. Funktion in Zusammenhang mit Menschen funktioniert erst, wenn wir diese emotionale Ebene beachten. Genau das wird auf der Sonderfläche gezeigt. „Form follows function“ ergänzen wir um „Function follows emotion“.
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Herr Wagner, wie werden Sie diesen Ansatz in der Gestaltung der Sonderfläche verdeutlichen?
Marc Wagner: Wir werden die Präsentation sowohl programmatisch als auch ganz handfest gestalten. Die Zusammenarbeit mit Künstlern erweitert dabei den Blick auf die Themen Inspiration und Kreativität. Es geht uns darum, die Fläche kulturell zum Leben zu erwecken. Instrumente von New Work werden im Sinne eines Diskurses erfahrbar gemacht. Besucher sollen aktuelle Themen wie New Work, Creative & Design Thinking, Agile Working oder Ambidextrie erleben können. Wir machen das in Partnerschaft mit Herstellern, die das Ganze konkret umsetzen und mit Akteuren der New-Work-Bewegung, die ja ursprünglich einen gesellschaftlichen Anspruch hatte.
Es geht also um die Präsentation einer emotional wirksamen Büroatmosphäre?
Bernhard Zünkeler: Ja, denn wir erleben heute, dass sich die Arbeitsumgebung aufgrund digitaler Medien immer weiter fragmentiert. Die virtuelle Welt ersetzt über das Smartphone und den Laptop ein Stück weit das Büro. Vor diesem Hintergrund gewinnen Werte wie Identität und Attraktivität an Bedeutung. Wenn das Team im Büro zusammenkommt, muss das Arbeitsumfeld mehr sein als ein rein funktionaler Raum – denn hier werden die Grundlagen für den Zusammenhalt eines Unternehmens geschaffen.
Welche Rolle spielt dabei das Thema Activity Based Working? Wie stellen Sie diesen Ansatz auf der Orgatec dar?
Marc Wagner: Activity Based Working ist ein zentrales Instrument, um den räumlichen Wandel von klassischen Arbeitsweisen hin zu New Work zu vollziehen. Denn letztlich bedeutet es, sich bei der Gestaltung des Arbeitsumfeldes von hierarchischen Strukturen zu lösen. Stattdessen wird eine Umgebung geschaffen, die für die unterschiedlichen Aktivitäten und Arbeitsweisen von Mitarbeitern optimale Bedingungen bietet. Das zeigen wir auf der Orgatec insbesondere im Hinblick auf Kreativität, Inspiration und Kollaboration. Dabei werden wir an der einen oder anderen Stelle den Bogen bewusst etwas überspannen und Dinge präsentieren, die man so normalerweise nicht im betrieblichen Kontext sieht. Wir nutzen damit die Chance, Themen wie Silo-Denken, Transparenz oder Fehlerkultur auf eine ungewöhnliche Weise zu verdeutlichen.
Warum ist die Umsetzung von neuen Konzepten wie Activity Based Working bei etablierten Unternehmen überhaupt sinnvoll?
Marc Wagner: Unternehmen, die zu einer Beschäftigung mit New Work nicht bereit sind, werden in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwinden. Wir befinden uns im digitalen Zeitalter, in dem die Effizienzgetriebenheit für Menschen eine immer geringere Bedeutung hat. Dafür gibt es künstliche Intelligenz. Was den Unterschied ausmacht, sind Talente für Dinge, die Maschinen nicht übernehmen können – Kreativität, emotionale Intelligenz, kognitive Flexibilität etc. Alles Themen, für die kollaborative Arbeitsweisen und ein komplett anderes Arbeitsumfeld benötigt werden.
Modernes Bürodesign sollte sich also weniger an den Ansprüchen für effiziente Arbeitsprozesse orientieren?
Bernhard Zünkeler: Wenn die Gestaltungsskizze für den Arbeitsplatz zunehmend so aussieht wie die Organisation der Festplatte eines Rechners, sollte man misstrauisch werden. Die derzeitige Effizienzausrichtung, die sich sehr stark an Aspekten wie Disziplin, Logik und Konzentration orientiert, steht gerade stark auf dem Prüfstand. Ein Effizienzvorsprung wird sich künftig mit Kreativität, nichtlinearen Prozessen und der Einbeziehung von Zufallsfaktoren erzielen lassen.
Wie haben Sie New Work denn in ihrer eigenen Arbeitsumgebung umgesetzt?
Marc Wagner: Wir haben uns von einer hierarchischen Struktur hin zum Activity Based Working entwickelt. Selbst unsere Geschäftsleitung hat kein zugeordnetes Büro mehr. Wer möchte, kann von zuhause aus arbeiten. Wir haben unterschiedliche Aktivitäten-Profile ermittelt und dafür Raum- und Flächendesigns für die optimale Unterstützung kreiert. Wenn ich agil arbeiten möchte, machen ein fester Tisch oder schwere Stühle im Büro keinen Sinn. Bei Bedarf muss ich Räume innerhalb kürzester Zeit komplett umbauen können. Wir haben ganz neue Relax-Bereiche gestaltet, die sich für eine bessere Entspannung auch mal abschließen lassen. Wenn heute vielfach über Desk Sharing statt fester Arbeitsplätze diskutiert wird, dann sind wir über dieses Thema längst hinaus. Es geht darum, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Kollaboration und agile Arbeitsweisen zulässt – im Zweifelsfall gestalte ich mir das je nach Projektsituation immer wieder neu.
Was sind denn die größten Herausforderungen bei der Implementierung von New Work Konzepten bei etablierten Unternehmen?
Marc Wagner: Die größte Herausforderung besteht genau in dem Wort „etabliert“. In vielen Unternehmen gibt es festgefügte Strukturen und eine starke Kontrollkultur seitens der Führungsebene. Ein wesentlicher Bestandteil von New Work ist aber eine Vertrauens- und Ergebniskultur. Diesen Wandel zu vollziehen ist in etablierten Unternehmen häufig mit viel Überzeugungsarbeit verbunden, da dann auch das Thema Führung angegangen werden muss. Damit einher geht der Versuch, Machtstrukturen und Bereichsgrenzen bewusst aufzulösen, um eine große Diversität zu erzeugen.
Was erwarten Sie im Hinblick auf einen fortschreitenden Wandel der Arbeitskultur für die Zukunft?
Bernhard Zünkeler: Digitalisierung und Globalisierung werden weiterhin massiv auf unsere Arbeitskultur einwirken, wofür Lösungen gefunden werden müssen. Das betrifft nicht nur die Arbeitsumgebung, sondern auch die tarifliche und rechtliche Ebene sowie andere Aspekte. Wir werden die Regeln anpassen müssen, da sich Arbeit leichter verlagern lässt und sich Teams immer internationaler zusammensetzen. Wenn wir solche Bedingungen in der Arbeitskultur abbilden und es richtig anstellen, werden Themen wie Spaß an der Arbeit eine zentrale Bedeutung gewinnen.