Interview mit Walter Jünkering vom Systemhaus Ben Hur
Möglichkeiten und Fallstricke beim Einsatz von Medientechnik
von Redaktion,
Ob Esprit-Stores oder Digital-Signage-Anwendungen an Flughäfen: Das Kölner Systemhaus Ben Hur ist im vergangenen Jahrzehnt schon mehr als einmal mit medientechnischen Installationen aufgefallen, die in enger Zusammenarbeit mit Architekten und Agenturen entstanden sind. Geschäftsführer Walter Jünkering beleuchtet im Gespräch, warum Optik und Funktion einer Medieninstallation nicht nur von einem möglichst kleinen Pixelpitch bestimmt werden.
Herr Jünkering, warum sollten sich aus Ihrer Sicht auch Architekten und Innenarchitekten mit dem Thema Medientechnik im Retail-Bereich auseinandersetzen? Welchen Nutzen bzw. welche Vorteile haben sie davon?
Ganz einfach: Die AV-Technik nimmt heute in der Architektur einen ganz anderen Raum ein als noch vor zehn Jahren. Früher war Medientechnik ein reines Informationsthema, heute unterstützt sie Architektur, ruft Emotionen hervor und ist aus den Bereichen Werbung und Imagebildung nicht mehr wegzudenken. Selbst Audio spielt mittlerweile eine immer größere Rolle und unterstützt visuelle Effekte. Gerade die Kombination aus gutem Bild und Ton im öffentlichen Raum ist eine riesige Herausforderung. Architekten, die früher große Spanndiaflächen und Lichteffekte eingeplant haben, müssen heute digital bespielbare Flächen berücksichtigen und haben entsprechend einen ganz neuen Bezug zu diesem Thema, da diese Flächen in Form, Bild und inhaltlicher Aussage auf Knopfdruck veränderbar sind. Die Fläche ist dynamisch gestaltbar.
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Merken Sie das auch in der täglichen Praxis? Werden Sie seitens der Architekten auf dieses Thema angesprochen?
Ja, durchaus. Wir arbeiten tatsächlich sehr viel mit Architekten zusammen. Sie kommen immer häufiger zu uns, wenn sie eine Idee haben und nicht genau wissen, ob diese auch technisch umsetzbar ist. So war es beispielsweise auch beim Esprit Flagshipstore in Frankfurt. Hier hat Ben Hur im Jahr 2010 die komplette medientechnische Ausstattung von der Medienfassade bis zum Instore-Radio als Integrator realisiert. Dabei stammten die Idee und der Entwurf zu diesem multimedialen Konzept von den Architekten und Corneille Uedingslohmann aus Köln.
Nun ist der Weg von der Idee zur Umsetzung ja bekanntlich lang – welche Herausforderungen hatten Sie angesichts der Vorgaben seitens der Architekten konkret zu meistern? Was waren hier die technischen Highlights?
Das war zum einen die Fassadenbespielung: Die Fassade wurde mit annähernd 15.000 LED-Glaslinsen belegt. In jeder Glaslinse sind sechs RGB-LEDs untergebracht, die einzeln angesteuert werden können. Die gleichen Linsen sind auch im Innenraum an der Rolltreppe und an einigen Wänden verbaut, so dass die Fassade mit dem Innenraum als ein einziges großes Bild mit Video bespielt werden kann. Ebenfalls besonders ist, dass wir bei Esprit aus einem zentralen Technikraum alle Zuspielungen – von der Fassade über Wegeleitsystem und Rolltreppenverkleidung bis hin zu den Audiozuspielungen – synchronisieren und über Fernwartung ändern und kontrollieren können. So kann durch die Bespielung eine große Raumtiefe und Dynamik erreicht werden.
Was allerdings in Frankfurt schief gegangen ist und generell ein immer größeres Problem für Planer, Architekten und die Investoren bzw. Betreiber wird, wenn es um Fassadenbespielung geht: Sie findet im öffentlichen Raum statt und meistens werden vorher bei den zuständigen Ämtern keine Genehmigungen eingeholt. Die großen Display- und LED-Flächen werden zunehmend als Eingriff in die Gestaltung des Stadtbilds gesehen und nicht genehmigt. Der Esprit-Store in Frankfurt sieht im Prinzip toll aus und es gibt fantastische Fotos, wenn man die Glaslinsen farblich bespielt.
Der Punkt ist nur: Wir dürfen es nicht. In Frankfurt wurde die Genehmigung nur für eine Schwarz-Weiß-Bespielung erteilt. In Deutschland gibt es für die Anwendung und Installation von digitalen Flächen keine einheitliche Regelung und jedes Display – selbst im Schaufenster – bedarf eines Antrags. Jede Stadt hat eine eigene Werbeverordnung und sobald es um Videos und Bewegtbild geht, wird es schwierig. In Hamburg fallen z. B. digital bespielbare Flächen unter die Wechsellichtverordnung: Bilder dürfen hier nur alle zwölf Sekunden wechseln, womit die Videobespielung schon ausfällt.
Das Düsseldorfer Ordnungsamt hat uns beispielsweise vor kurzem dazu gezwungen, einige Displays aus Schaufenstern wieder abzubauen, da es sich dabei um nach außen gerichtete Werbung handele. Daran sieht man ganz deutlich: Beim Thema Fassadenarchitektur müssen für eine gelungene Umsetzung mittlerweile verschiedene Akteure von Anfang an beteiligt sein und ihr Wissen einbringen – Architekten, die eine Idee haben, Planer, die sich um die technische Machbarkeit kümmern, und nicht zuletzt eine Genehmigungsbehörde, die im Vorfeld der Idee zustimmt. Es geht nicht nur um Pixelpitch, Helligkeit und spektakulären Content.
Ein weiteres außergewöhnliches „digitales“ Instore-Projekt von Ben Hur war die Westgate-Apotheke in der Kölner City. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit dem Architekten Carl E. Palm in diesem Projekt gestaltet? War das digitale Konzept stringent vorgegeben?
Auch hier kam die Idee vom Architekten. Eine Displaywand sollte zum zentralen architektonischen Element für die ganze Apotheke werden – und zwar in Form eines virtuellen Apothekenregals, hinter dem sich das Robotersystem – also der Kommissionsautomat – versteckt. Die Digital-Signage-Software musste für die Darstellung des virtuellen Regals direkt mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden sein, um das „Regal” bei Bedarf jeden Tag neu mit den aktuellen Preisangaben „bestücken” zu können. Auf diese Weise kann man beispielsweise tagesaktuell auf Wettervorhersagen für z. B. Sonnenschutz oder saisonal auf die Erkältungswelle reagieren. Das war die Idee.
Das Komplizierte dabei war aber, dass der Wunsch bestand, die Wand nachts als Werbefläche zu verkaufen und aus 27 Einzeldisplays eine große, hochauflösende Videowall zu machen. Und das ist eine Frage des Betrachtungsabstands – ein Aspekt, den übrigens viele Architekten gerne außer Acht lassen. Im Fall der Westgate Apotheke hatten wir es nach diesen Vorgaben mit einem wechselnden Betrachtungsabstand zu tun: Tagsüber stehen die Kunden an der Theke nur 1 oder 2 m von der Wand entfernt, d. h. wir mussten mit einer Auflösung von mindestens HD ready – wenn nicht Full HD – arbeiten, damit die Inhalte des virtuellen Regals qualitativ hochwertig gesehen werden können. Nachts muss dann aber aus diesen 27 Displays eine große Leinwand entstehen, die Content präsentiert, der von außen auf größere Entfernung gut sichtbar ist.
Die 27 Displays müssen also framegenau synchronisiert werden, damit sie ein Video ausspielen können. Das war die eigentliche Herausforderung bei diesem Projekt. Aber: Es funktioniert. Die Displaywand arbeitet bereits seit mehreren Jahren mit knapp 40.000 Betriebsstunden fehlerfrei und erfolgreich – so erfolgreich, dass auch in der zweiten Apotheke des Unternehmens vor wenigen Monaten eine ganz ähnliche Wand mit demselben Konzept auf der gegenüberliegenden Straßenseite installiert wurde.
Sollten Architekten und Betreiber in Sachen Betrachtungswinkel noch etwas beachten?
Gerade bei LED-Wänden muss man immer berücksichtigen, aus welcher Entfernung der Content später gesehen werden soll. Die Esprit-Fassade in Frankfurt beispielsweise wäre mit ihrem 18 cm-Pixelpitch ein Full HD-Bild, wenn man sie auf ein Fußballfeld legen würde. Sprich: Wenn ich hoch genug fliege, sieht das genauso aus, wie meine Glotze zu Hause. Ein anderes Beispiel: Wir planen zurzeit eine riesige LED-Wand für einen Messestandort. Die Anforderung war ursprünglich eine LED-Wand in 4K – was aber herausgeschmissenes Geld gewesen wäre. Denn bei einem Betrachtungsabstand von über 15 m kann man 4K und HD bei einer Bildschirmdiagonale von 7 m kaum unterscheiden – da kommt die Auflösung des menschlichen Auges schlicht und ergreifend an ihre Grenzen. Daher werden wir dort jetzt eine Full HD-Wand planen, die ungefähr ein Viertel von dem kostet, was für eine 4K-Wand angefallen wäre.
Einkaufsmeilen in Flughäfen sind bekanntlich äußerst gewinnbringend für Flughafenbetreiber – und die setzen zunehmend auf digitale Werbemaßnahmen. Spielt dieser Bereich auch für Architekten eine Rolle?
Definitiv, denn es geht ja immer auch um das Gesamterscheinungsbild. Auf der Euroshop 2011 trugen die Betreiber eines Airports beispielsweise die Vision an uns heran, den ganzen Flughafen so zu digitalisieren, dass man über die digitalen Flächen sogar verschiedene Stimmungen widerspiegeln kann. Beispielsweise sollten die Displays an den Gates, die gerade nicht in Gebrauch sind, auf Werbung umgeschaltet werden können – oder je nach Tageszeit unterschiedliche Lichtstimmungen wiedergeben. Zunächst waren wir dort als reine Planer in das Projekt eingebunden, später haben wir uns auch ganzheitlich um Projekte gekümmert und gemeinsam mit den Architekten die Installationen für ihr jeweiliges Umfeld „maßgeschneidert”. Ein Beispiel: Eine große Displaywand bekam eine dunkelgraue Metallverkleidung, um das digitale Bewegtbild präsenter zu machen. Etwa 5 m bis 10 m davor stand aber eine weiße Säule, die das Gesamtbild gestört hat – bis wir sie ebenfalls in dunkelgrauer Farbe haben verkleiden lassen. Jetzt fällt die Säule gar nicht mehr auf und der Fokus der Besucher liegt auf der Displaywand.
Heißt das, dass sich im Flughafenbereich für Sie alles um Displays dreht?
Vieles, aber nicht alles. Anfang 2017 haben wir am Kölner Flughafen spannende Display-Installationen im Terminal 1 in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um zwei 9er-Displaywände bestehend aus Sharp High Brightness Displays, die auch bei Sonneneinstrahlung präsent sind. Ähnliche Installationen gibt es an anderen Flughäfen – bis hin zu Installationen mit 50 steglosen Einzeldisplays. Aktuell schieben sich aber immer mehr alternative Technologien in den Vordergrund bzw. bestehende Technologien werden durch innovative Weiterentwicklungen auch für große
Flächen in der Festinstallation interessant.
Dazu gehören die neuen Phosphor-Laserprojektoren, die mit ihren Laufzeiten – wartungsfrei bis 20.000 Stunden – und hervorragender Bildqualität eine echte Alternative sind, wenn definierte Lichtverhältnisse vorliegen. Außerdem ermöglichen es die neuen Optiken, große Flächen aus extrem kurzen Abständen auszuleuchten. Der Projektor kann mittlerweile zudem nahezu unsichtbar installiert werden und auch die Gefahr, dass jemand in den Projektionsstrahl läuft und Schatten wirft, kann mit Spezialoptiken umgangen werden.
Mit der Möglichkeit, Pixelabstände unter 1 mm zu produzieren, ist die LED-Wand heute eine echte Alternative für alle Lichtverhältnisse. Zurzeit ist sie natürlich noch teuer, aber mit bis zu 100.000 Stunden Betriebszeit kann sie für eine Festinstallation durchaus wirtschaftlich sein. Zusätzlich bieten LED-Module der Architektur einen größeren gestalterischen Freiraum, da die kleineren Modulgrößen es ermöglichen, auch gekrümmte Flächen zu bauen. Folgen wird in den nächsten Jahren die OLED-Technologie, die in puncto Bildqualität und architektonischer Gestaltung noch einmal mehr zu bieten hat.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Claudia Rothkamp
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