Phänomenta Lüdenscheid: Interaktive Ausstellungsgestaltung mit Panoramaprojektion und LED-Kaleidoskop
von Redaktion,
Seit 2015 gibt es in Lüdenscheid, NRW, ein weithin sichtbares Wahrzeichen: einen 75 m hohen Turm, in dessen Inneren ein Foucault’sches Pendel schwingt und den Takt für ein riesenhaftes LED-Kaleidoskop vorgibt. Gemeinsam mit einem 360-Grad-Projektionsraum sowie insgesamt 170 interaktiven Exponaten steht er symbolisch als Leuchtturm der Wissenschaft für das Science Center Phänomenta in Lüdenscheid.
Im September 2016 feiert das Science Center Phänomenta in der nordrhein-westfälischen Stadt Lüdenscheid sein 20-jähriges Bestehen – und zwar sozusagen in neuem, modernem und spektakulärem Gewand. Denn seit Mai 2015 ist die Phänomenta durch ihren Erweiterungsbau um 2.000 m² in die Breite und um 75 m in die Höhe gewachsen. Und das bedeutet: Auf der Gesamtausstellungsfläche von 4.000 m² tummeln sich nun 170 interaktive Experimente und Exponate aus den Bereichen Physik, Naturwissenschaften und Sinneswahrnehmung.
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Dabei wurde ein Teil der bereits vorhandenen Dauerausstellung mit ihren 130 Exponaten zeitgemäß überarbeitet und um 70 neue erweitert. Die künstlerische Leitung sowie alle Planungsleistungen von der Ausführungsplanung über die Vergabe bis zur Produktionsüberwachung in Sachen Dauerausstellung oblag dabei dem Berliner Büro beier+wellach projekte, die gestalterische Feinkonzeption, Planung und Realisation erfolgte durch das ebenfalls in Berlin ansässige Unternehmen Trillian GmbH & Co. KG. Zudem entwickelte beier+wellach das Medienkonzept und die Leitgrafik.
„Wichtig für all unsere Exponate war uns dabei, dass nach wie vor das Hands-on-Prinzip gilt“, erklärt Dr. Johannes Pöpping, Geschäftsführer der Phänomenta Lüdenscheid. „Das bedeutet, dass sich unsere Besucher die Exponate durch Interaktion mit diesen selber erschließen sollen, um einen nachhaltigen Lerneffekt zu erreichen. Man muss also selber anpacken, drücken, ziehen etc. Dazu erhalten sie immer einen kleinen Anregungstext mit Fragen oder Instruktionen und wem das nicht reicht, der findet in jedem Raum zusätzlich eine so genannte Vertiefungsstation, an welcher weiterführende Informationen zur Verfügung stehen. Diese Inhalte können auch über das Internet abgerufen werden, sodass man im Nachgang von Zuhause aus noch einmal Inhalte vertiefen oder all das nachholen kann, was man hier nicht schafft.“
Medientechnik als zeitgemäße Ergänzung
Im Rahmen der Überarbeitung der Dauerausstellung hat auch viel Medientechnik in die Phänomenta Einzug gehalten. „Das betrifft einerseits die Vertiefungsstationen, die nun als Computerterminals mit Touchscreens daher kommen, und andererseits auch einzelne Exponate“, berichtet Gert vom Schemm, Technischer Leiter der Phänomenta Lüdenscheid. „Dazu zählt beispielsweise das ‚Lichtspiel‘, das in Zusammenarbeit mit dem britischen Lichtkünstler Paul Friedlander entwickelt wurde. Dabei wird ein von oben hängendes Seil durch einen Elektromotor mit Exzenter in Drehung versetzt, während die Benutzer an einem Steuerpult die Farben und die Geschwindigkeit einer stroboskopischen Beleuchtung einstellen. Dadurch entstehen faszinierende, sich stetig ändernde Lichtskulpturen.“
Eine geballte Ladung Medientechnik enthält vor allem das so genannte Phänorama, ein 360-Grad-Projektionsraum, in dem Einblicke in die Geschichten und das Engagement hinter den Fassaden der Stadt Lüdenscheid ermöglicht werden. Für die Planung, Ausschreibung und Bauleitung der Audiovisuellen Technologien (Audio-, Video- und Medientechnik) im Bereich des Phänorama sowie des Pendelturms war das Planungsbüro BüPLAN aus Recklinghausen verantwortlich, für die technische Umsetzung und Systemintegration war das Unternehmen SIGMA System Audio-Visuell aus Düsseldorf als ausführende Firma zuständig, während sich das Berliner Unternehmen audio Konzept um die digitalen Inhalte und die Contenterstellung kümmerte. Die Konzeption und Gestaltung des Phänoramas stammt von beier+wellach.
Im Phänorama regiert das Panorama
Betritt der Besucher vom Eingangsbereich aus das zentral gelegene Phänorama, ist er zunächst umgeben von einer 360-Grad-Projektion der Stadt Lüdenscheid mit ihrem Umland, den Hügeln des Sauerlandes und dem Horizont dahinter. Dafür sorgt ein ausgeklügeltes Zusammenspiel hochwertiger medientechnischer Komponenten.
Grundlage für das 360-Grad-Panorama sind natürlich die im 2-Minuten-Takt aktualisierten Bilder der Stadt, die von insgesamt acht Panasonic-Kameras aufgenommen werden, die auf dem 61,5 m hohen Turm der zentral in Lüdenscheid gelegenen Christuskirche installiert wurden – etwa 400 m Luftlinie von der Phänomenta entfernt. Die Bildübertragung erfolgt über eine WLAN-Richtfunkstrecke in Echtzeit. „Dabei ist zu beachten, dass hier keine Livebilder übertragen werden, die sich ständig ändern, sondern vielmehr Einzelbilder, die nach und nach aktualisiert werden“, betont Frederik Büchten, Inhaber des Büros BüPLAN. „Aus technischer Sicht wären Livebilder zwar möglich, aber aus Datenschutzgründen wird hier ganz bewusst darauf verzichtet.“
Die übertragenen digitalen Bilddaten werden in der Phänomenta über eine Digital-Media-Matrix von Crestron (DM-MD32X32) geroutet und an die neun Panasonic-Projektoren im Phänorama verteilt. „Damit dies reibungslos funktioniert, greifen hier diverse Softwaretools ineinander, die auf verschiedenen Ebenen eigens programmiert wurden“, erklärt Christian Backes, Projektleiter bei der Firma SIGMA System Audio-Visuell. Neben den Panoramabildern wurde zusätzlich eine Audioinstallation eingebunden, die den Raum mit Tönen und Geräuschen aus der Stadt über Deckeneinbaulausprecher akustisch beleben. Zudem wird die Panorama-Projektion in Echtzeit in regelmäßigen Intervallen von einer Projektion abgelöst, die einen Tag in Lüdenscheid im Zeitraffer präsentiert.
Picture-in-Picture-Projektion ermöglicht Blick hinter die Fassaden
Ein unterhalb der Panoramaprojektion angebrachter analoger Fries ermöglicht es den Besuchern zudem, Gebäude, Topografien und markante Orte der Stadt zu finden. Über insgesamt neun in den Fries integrierte 10-Zoll-Touchpanels von Crestron können sie zudem Kurzfilme, Slideshows und Informationen abrufen, die als Picture-in-Picture über die 360°-Projektion der Stadtansicht gelegt werden. Die Multivisionen wurden mit jeweils zwei Off-Sprechern in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch umgesetzt, wobei der Ton für die Einspieler an den jeweiligen Positionen über Sound-Focus-Lautsprecher von SoundTube transportiert wird. Sie bieten jeweils einen scharf abgegrenzten Beschallungswinkel von 43 Grad, sodass mehrere Stationen zur gleichen Zeit bedient werden können, ohne andere Besucher zu stören oder sich akustisch gegenseitig zu beeinflussen.
Leuchtturm der Wissenschaft
Das Phänorama eröffnet aber noch eine weitere Perspektive: Legt der Besucher auf dem im Zentrum des Raums platzierten Sitzmöbel den Kopf nach hinten, sieht er durch eine Glasscheibe in der Decke ein riesiges Foucault’sches Pendel sowie ein ebenfalls gigantisches LED-Kaleidoskop. Auf diese Weise kann er die durch das Pendel verkörperte Zeit und die Erdrotation erfahren und zudem neugierig auf den über dem Phänorama liegenden Raum werden.
Denn direkt über dem Phänorama befindet sich der 75 m hohe Turm der Phänomenta, das neue Wahrzeichen der Stadt. Dabei handelt es sich um einen Stahl-Fachwerk-Turm, in dessen Innenraum eine helixförmig gespannte Membran eingebracht ist, die der sich drehenden und nach oben verjüngenden Turmstruktur folgt. Ein PVC-beschichtetes Polyestergewebe schützt den Innenraum vor äußeren Wind- und Wettereinflüssen, während die von innen durch 19 Lampen ausgeleuchtete transluzente Membran dafür sorgt, dass der Turm auch in der Nacht zu einem besonderen Hingucker wird – wahlweise in unterschiedlichen Farben oder in Weiß. Nach dem Turm-im-Turm-Prinzip enthält diese Primärkonstruktion eine zusätzliche 30 m hohe Turmkonstruktion, in deren Inneren ein 28 m langes Foucault’sches Pendel schwingt. Durch den dreieckigen Grundriss der sich ebenfalls nach oben verjüngenden Sekundärkonstruktion entsteht ein pyramidenartiger Turm, dessen Innenwände komplett mit einer Spiegelfolie verkleidet wurden.
In der Summe ergeben diese eine Spiegelfläche von 360 m² – die Basis für ein riesiges und faszinierendes LED-Kaleidoskop. „In der Turmkrone der Sekundärkonstruktion haben wir auf etwa 28 m Höhe einen Edelstahlrahmen mit Edelstahlseilgespann eingebaut, auf das 550 einzelne RGB-LED’s als Netz aufgeclippt wurden“, erklärt Christian Backes. „Diese setzen sich zu einem gleichseitigen Dreieck mit einem Schenkelmaß von 1,50 m zusammen. Dabei wird dieses eine Dreieck durch die Spiegelfolien zu einem riesigen Kaleidoskop über die gesamte Höhe des Turms vervielfacht.“
Der Clou dabei: Der gleichmäßige Rhythmus des Foucault’schen Pendels wird durch das Kaleidoskop visuell aufgenommen und in faszinierende Bilderwelten übertragen. Denn die Lichtzuspielung der LEDs ist mit dem Takt des Pendels synchronisiert. Sobald das Pendel den mit Sensoren ausgestatteten Mittelpunkt überquert, wechselt das Lichtbild im Kaleidoskop. Daher steht das Ganze auch unter dem Motto „Im Takt der Zeit“.
Autor: Claudia Rothkamp
Neugierig auf mehr? Dann einfach das Video der Phänomenta anschauen: