Retailbeleuchtung 2020: Trends, Techniken und Aussichten
von Alexander Schwarz,
Bereits im Vorfeld der diesjährigen Euroshop Messe in Düsseldorf überschlagen sich die Mitteilungen der Leuchtenbranche hinsichtlich innovativer Techniken und Designs für die moderne Retailbeleuchtung. Dabei steht das Licht an sich zwar immer noch im Vordergrund, wird jedoch durch Synergien mit Sensoren und Aktoren deutlich erweitert. Wird von der Industrie von „digitalen Lösungen“ gesprochen, so umfasst das Thema hinsichtlich moderner Retaillösungen gesamte Planungskonzepte, bei denen das Licht jedoch nach wie vor eine große Rolle spielt.
Es ist nichts Neues, dass sich der stationäre Handel Konkurrenten und Mitbewerbern stellen muss und stetig darum bemüht ist, sich abzugrenzen, besser zu sein oder gar den attraktiveren Verkaufspreis zu bieten. Die explosionsartigen Umsatzsteigerungen der Onlinebranche haben in den letzten Jahren einen neuen „Gegner“ geschaffen, der aufgrund gänzlich anderer Kostenstrukturen den Preiskampf zu gewinnen droht.
Obwohl sich die meisten Bürger nach der vergangenen Attraktivität der Fußgängerzonen und dem bunten Mix aus unterschiedlichen Fachgeschäften zurücksehnen, scheint diesbezüglich der Point of no Return bereits überschritten zu sein. Die nächsten Generationen, die im Vergleich zu den aktuellen Kundengruppen statistisch gesehen eine wesentlich höhere Technik- und somit auch Onlineaffinität mitbringen, werden diesen Kampf entscheiden.
Sehr wahrscheinlich wird es auf Seiten des Offlinehandels aber nicht nur Verlierer geben, denn die Strategien und konzentrierten Ausrichtungen mancher Händler und Handelsketten geben Mut zu Hoffnung. Der Handel befindet sich nach wie vor in einem strukturellen Wandel, der wohl auch nie zu Ende gehen wird, da sich die Verantwortlichen immer wieder neu auf Veränderungen hinsichtlich der Bedürfnisse und des Kaufverhaltens heranwachsender Generationen einstellen müssen.
Die Digitalisierung der Märkte spielt dabei neben der Schaffung von Gefühls- und Erlebniswelten eine zunehmend große Rolle. Es wird immer für unterschiedliche Sparten individuelle Lösungsansätze geben – doch die Themen „Erlebnis, Gefühl und Service“ werden allzeit größte Beachtung finden (müssen). Und da es immer mehr ganzheitliche Konzepte für die jeweiligen Marken gibt, gehen die einzelnen Segmente des Ladenbaus nahtlos ineinander über.
Die noch lange nicht ausgeschöpften Potenziale der LED-Technik spielen hier eine bemerkenswert große Rolle, da sich die Kommunikation zwischen Händler und Kunden durch den richtigen Einsatz gezielt verbessern lässt.
Außerdem ist Licht grundsätzlich mit großen Emotionen geladen und kann hier in vollem Maße punkten. Licht lässt sich als Wegweiser, als Markenbotschafter und als Emotionsträger einsetzen – und aufgrund der jederzeit prominenten Montageposition bieten sich die Leuchten geradezu perfekt als Träger bzw. Ausgangspunkt zur Digitalisierung an. Die Zukunft professioneller Lichtlösungen scheint jedenfalls gesichert!
Licht ist für den Menschen nach wie vor ein nicht zu unterschätzender Emotionsfaktor, denn auch im Alltag wird die Beleuchtung gerne dem jeweiligen Bedarf und den damit in Zusammenhang stehenden Gefühlswelten angepasst. Dabei spielen jedoch nicht nur die Helligkeit und die Lichtfarbe eine entscheidende Rolle. Auch das Design, die Formen und Oberflächen können uns begeistern und beeinflussen.
Nicht umsonst wird gerne zwischen technischem und dekorativem Licht unterschieden, auch wenn der Übergang inzwischen fließend zu sein scheint. Mit auffälligen Leuchtendesigns lassen sich nicht nur positive Stimmungen erschaffen, sondern auch Wege definieren bzw. Bereiche hervorheben. Auch die jeweilige Markenbotschaft und sogar das dazugehörige Versprechen lassen sich durch die richtige Wahl emotionsgeladener Leuchten spürbar unterstützen.
Die wohlwollende Abgrenzung zur ansonsten vorhandenen technischen Shopbeleuchtung schafft beim Besucher oftmals eine heimische Wohlfühlatmosphäre, da die Produkte nicht selten im Ursprung für die Beleuchtung von Küchen, Wohn- oder Esszimmern entworfen wurden.
Warme Lichtfarben, organische Formen, großvolumige Ausmaße und natürliche Farben und Oberflächen verleihen einem Raum recht schnell einen angenehmen Charakter und laden zum Verweilen ein. Ein Faktor, nach dem letztendlich jeder Einzelhändler strebt und der überhaupt erst erfolgreiche Abschlüsse ermöglicht.
Der Wunsch nach dem Besonderen, dem Extravaganten treibt die Hersteller an, immer neue Leuchten zu entwickeln, die sich möglichst von der Masse abheben und in der montierten Form Individualität und Einzigartigkeit ausstrahlen. Insbesondere Servicestellen, Aktionsflächen oder Relaxzonen lassen sich durch den individuellen Einsatz der Leuchten gut hervorheben bzw. voneinander abgrenzen.
Dabei kann der sinnvolle Einsatz (steuerbarer) farbiger LED-Leuchten diesen Effekt durchaus steigern. Letztendlich lassen sich diese Ansprüche auf die gesamte Innenarchitektur projizieren, deren elementarer Bestandteil die Beleuchtung sein sollte.
Selbst Discounter, die im Ursprung eher den Palettenverkauf forcierten, machen sich diese Gegebenheiten zunutze und laden ihre Filialen emotional auf, um sich von den vorhandenen Mitbewerbern abzugrenzen. Dabei spielen die individuellen Ausrichtungen auf die teils unterschiedlichen Zielgruppen eine elementare Rolle und fließen direkt in die Umsetzung mit ein. So werden beispielsweise Verkaufszonen mit Bioprodukten oder regionale Sortimente gerne in warme und naturnahe Farben getaucht, um deren natürlichen Charakter zu unterstützen.
Immer häufiger entstehen unterschiedliche Cateringbereiche mit eigener Bestuhlung und entsprechendem Wohlfühlambiente, um den Kunden über den eigentlichen Einkauf hinaus an die Marke bzw. das Geschäft zu binden. Dabei geht es ebenfalls um positive Emotionen, welche die Kunden im Nachgang mit ihrem Einkaufserlebnis verknüpfen.
Wenn die jeweilige Innenarchitektur bzw. die eingesetzten Leuchten dann noch farblich oder formal die Firmen- bzw. Markenkommunikation unterstützen, steht einer fördernden Warenpräsentation in diesen Bereichen nichts im Wege.
Nachdem die technischen Leistungswerte der LEDs die konventionelle Technik längst eingeholt haben, können sich die Hersteller und Planer nun voll und ganz der eigentlichen Aufgabe widmen, „gutes Licht“ zu schaffen. Und auch hier hat die LED bereits auf den ersten Blick für den Fachhandel mehr zu bieten, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Neue Reflektoren sorgen für eine scharfe und produktbezogene Ausleuchtung einzelner Waren und ermöglichen so eine direkte Fokussierung. Teils unsichtbar scheint das Licht aus unbekannten Bereichen der Decke zu strömen, um nahezu blendfrei definierte Bereiche auszuleuchten.
Das Farbspektrum einzelner Shopstrahler lässt sich individuell bestimmen, so dass per Knopfdruck nicht nur unterschiedliche Lichtfarben möglich sind. Auch die Platinen können so vorbereitet werden, dass beispielsweise die Rotanteile besonders hervorgehoben werden, was in diesem Fall für eine frische Präsentation in der Wurst- und Fleischtheke sorgen kann.
Pauschal betrachtet sind auch die Farbwiedergabewerte auf einem sehr hohen Niveau angelangt, was insbesondere bei der Ausleuchtung von buntem Obst und Gemüse gut sichtbar wird. Aber auch im Textilbereich dient ein hoher CRI für eine attraktivere Produktpräsentation und der besseren Unterscheidung und Beurteilung von Farben.
Individuelle Lichtsteuerungsoptionen und programmierte Lichtszenen sind in vielen Bereichen des täglichen Lebens bereits attraktive Taktgeber und werden Zug um Zug auch in der Retailwelt Einzug halten. Dabei sind dies noch die „kleineren“ digitalen Optionen, die mit Licht bzw. Leuchten möglich sind. Durch deren Netzwerkfähigkeit und ihre für alle Notwendigkeiten überaus prominenten Montageplätze lässt sich der eigentliche Funktionsumfang einer reinen Leuchte deutlich erweitern.
Biodynamisches Licht spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Es muss sich dem eigentlichen Konzept anpassen und kann maximal aufgrund der sonst so individuellen Lichtbedürfnisse in modernen Einkaufswelten für Mitarbeiter in der Verwaltung oder dem Kassenbereich sinnvoll und dem Grundgedanken folgend, nämlich als gesundes Licht, eingesetzt werden.
Letztes Jahr startete Signify gemeinsam mit dem Elektronikhändler MediaMarkt ein Pilotprojekt, das völlig neue Möglichkeiten für den Einsatz von Licht im Einzelhandel eröffnete. Im hessischen Gründau-Lieblos sorgt das intelligente Beleuchtungssystem mit der von Signify entwickelten „Visible Light Communication“(VLC)-Technologie für eine genaue Positionsbestimmung.
Dadurch können die Kunden mittels einer digitalen Store-Guide-App auf ihrem Smartphone Produkte innerhalb des Marktes auffinden und sich dorthin navigieren lassen. Zudem finden sich in der App weitere Informationen zu den Produkten. Möglich machen diese sogenannte Instore-Navigation die smarten Deckenleuchten.
Diese sorgen nicht nur für eine hochwertige Ausleuchtung des Shops, sondern senden ein moduliertes und codiertes Licht aus. Die für den Menschen nicht wahrnehmbaren Lichtsignale werden dann von der Kamera des Smartphones empfangen und über eine von MediaMarktSaturn in Zusammenarbeit mit Novomind entwickelte App ausgelesen, um den Standort des Kunden zu bestimmen. Als Zielpunkt für die Navigation per App dienen dann die Standortdaten der Produkte. So kann der Kunde durch den Laden navigiert und direkt zu seinem Wunschprodukt geleitet werden. Zukünftig soll auch Inventurroboter Tory die Mitarbeiter unterstützen.
Einen ganzen Schritt weiter geht Amazon mit seinen stationären Filialen Amazon Go: Unbemannte Geschäfte, die 24/7 geöffnet sind, sollen die Nahversorgung optimieren und schaffen so ein ganz neues Einkaufserlebnis. Erstaunlicherweise war Amazon mit diesem Konzept nicht als Erster aktiv.
Ein schwedischer IT-Techniker eröffnete bereits Anfang des Jahres 2016 im südschwedischen Viken den unbemannten Convenience-Store „Näraffär“. Nach der Übernahme des Unternehmens durch Wheelys kam MobyMart auf den Markt – ein mobiler und flexibler Store auf vier Rädern, der seinen ersten Testlauf 2017 in Shanghai absolvierte.
Per App lässt sich die Position des Fahrzeugs, welches in den Abmessungen ungefähr einem Kleintransporter entspricht, bestimmen und ggf. zu einem nahe gelegenen Parkplatz leiten. Ein digitaler Assistent begrüßt die Kunden und steht bei Fragen zur Verfügung. Wird der Warenbestand knapp, fährt der Laden ins Lager zurück.
Ganz selbstständig ist das Fahrzeug allerdings noch nicht unterwegs, da die Rechtslage dafür noch unklar ist, so dass es derzeit per Fernsteuerung auskommen muss. Allerdings planen die Entwickler, dass MobyMart bald gänzlich autonom navigiert. Ebenso könnte die zukünftige Variante auch Drohnen an Bord haben, um Lieferungen durchzuführen.
Das Konzept von Amazon Go ist da im Vergleich schon etwas bodenständiger. Der registrierte Kunde betritt den Laden, nimmt seine Wunschprodukte aus dem Regal, und diese werden beim Verlassen automatisch gescannt und in Rechnung gestellt. Dass dabei diverse Sensoren und Kameras den kompletten Einkauf „überwachen“ und aufzeichnen, ist in Hinblick auf das durchführende Unternehmen als wenig verwunderlich zu betrachten und lässt die Datenschützer mehr als nur aufhorchen.
Bei all diesen Vorstößen handelt es sich derzeit noch um Pilotprojekte, die in erhöhtem Maße von der Akzeptanz der jeweiligen Kundengruppen abhängig sind. Ebenfalls gibt es umfangreiche globale und kulturelle Unterschiede, die in gewissen Regionen, wie beispielsweise hier in Mitteleuropa, eine positive Entwicklung durchaus verzögern.
Trotzdem wird sich die Retailwelt weiter verändern und dem Kundenverhalten anpassen müssen, um erfolgreich bleiben zu können. Gute und attraktive Beleuchtung wird dabei immer eine große Rolle spielen – ob mit oder ohne Steuerungstechnik.