H.265-Codec: Erfüllt der Standard die ihm gesetzten Ziele?
von Uwe Agnes, Artikel aus dem Archiv vom
Am 25. Januar 2013 wurde der H.265-Codec von der ITU als Standard bestätigt. Geschaffen wurde er mit dem Ziel, bei der Übertragung von Bewegtbild-Daten eine um 50 Prozent höhere Datenkompression bei gleichbleibender Qualität zu erreichen. Wie ist es um H.265 bestellt?
Die Patentliste zum H.265-Codec, Stand 1. Januar 2017, ist eine absolut faszinierende Lektüre. Das Dokument besteht aus 54 Seiten, nennt 39 beteiligte Firmen und Organisationen und listet ein Patent pro Zeile auf. Veröffentlicht wurde es von MPEG LA, einem Unternehmen mit Sitzin Denver, dessen Zweck es ist, verschiedene Patente, die bei gewissen Produkten zur Anwendung kommen, zu bündeln und dann gemeinsam zu vermarkten. Zu diesen Produkten zählen neben dem schon erwähnten H.265-Codec unter anderem dessen Vorgänger H.264 sowie die Schnittstellen DisplayPort und IEEE-1394 (FireWire).
Die schiere Masse an beteiligten Patenten verdeutlicht ein wenig die technologische Leistung, die hinter der Einführung eines solchen Codecs steht. Die ersten Planungen für einen Nachfolger von H.264 begannen schon mit den Untersuchungen einer Expertengruppe bei der ITU darüber, wie sich die Komprimierung von Video-Daten im Vergleich zum bestehenden H.264-Codec verbessern ließe. Angestrebt wurde eine Halbierung der Bitrate – oder Verdopplung der Kompression – bei mindestens gleichbleibender Bildqualität.
Drei Jahre später begann die Moving Picture Experts Group bei der ISO /IEC mit Überlegungen, die in dieselbe Richtung zielten. Als Folge der Zusammenarbeit beider Gruppen lag im Februar 2012 ein vollständiger Entwurf des Codecs vor, der ein Jahr später der offizielle ITU-Standard H.265 wurde. Eine alternative und ebenfalls oft verwendete Bezeichnung des Codecs ist HEVC – ein Akronym, das für „High Efficiency Video Coding“ steht, analog zu AVC („Advanced Video Coding“) bei H.264.
Die HEVC-Codierung basiert auf dem gleichen hybriden Ansatz, der allen aktuellen Videostandards, so auch dem Vorgängerstandard H.264 zugrunde liegt, indem sie eine kombinierte Intra- und Inter-Picture-Vorhersage sowie eine 2D-Transformationscodierung verwendet. Dabei teilt der Coder das Bild zunächst in Blocks auf, von denen ausgehend die verschiedenen Bildvorhersagen zur Datenreduktion erstellt werden.
Bei H.264 beträgt die maximale Größe dieser so genannten Macroblocks 16 × 16 Pixel, die bei Bedarf, nämlich bei vielen Details im entsprechenden Bereich, bis auf 4 × 4 Pixel verkleinert werden können. Bei H.265 werden diese Macroblocks durch Coding Tree Units (CTU) ersetzt, die nach demselben Prinzip arbeiten, aber in der Größe weitaus flexibler sind. So beträgt die maximale Größe einer CTU beim HEVC-Verfahren 64 × 64 Pixel, was den größten Teilzur verbesserten Coding-Effizienz, oder anders ausgedrückt, zur höheren Kompression des Codecs gegenüber seinem Vorgänger beiträgt.
Die erste Fassung des HEVC-Standards umfasste lediglich die drei Profile Main, Main 10 sowie Main Still Picture. In Version 2 des Standards, veröffentlicht im Juli 2014, wurden weitere Profile hinzugefügt.
Nicht jeder kann oder möchte seine geistige Leistung der Allgemeinheit zur freien und entgeltlosen Verwendung zur Verfügung stellen. Schon bei H.264 hatten die verschiedenen Patentinhaber ihre Verwertungsrechte durch das Unternehmen MPEG LA vertreten lassen.
Die Lizenzstruktur sieht hier vor, dass die ersten 100.000 Geräte von Lizenzgebühren befreit sind. Danach werden pro Gerät 0,10 US-Dollar fällig, bis zu einer Obergrenze von 6,5 Millionen US-Dollar. So weit, so gut. Bei H.265, ebenfalls vertreten durch MPEG LA, stellt sich die Lage aber schon etwas anders dar. Hier hätte die Verwertungsgesellschaft gerne 0,20 US-Dollar ab der Freigrenze von 100.000 Einheiten. Gleichzeitig stieg die Obergrenze auf 25 Millionen US-Dollar. Das allein bedeutet eine Erhöhung der Lizenzkosten um 100 Prozent, was nicht überall auf große Begeisterung stieß.
Aufmerksamen Zeitgenossen fiel allerdings schnell auf, dass einige bedeutende Patentinhaber bei H.265 wie beispielsweise Microsoft, Motorola und Nokia sich nicht von MPEG LA vertreten lassen, und es wurde spekuliert, dass die nicht vertretenen Firmen einen eigenen Verwertungspool ins Leben rufen würden.
Diese weitere „VG Code“ für den H.265- Standard wurde im Juli 2015 unter dem Namen „HEVC Advance“ gegründet, und ihre Existenz macht die Lizenzierung von H.265 nicht unbedingt einfacher. HEVC Advance verlangte ursprünglich eine Gebühr, die das siebenfache der MPEG LA – Lizenz betrug. Nach heftigen Protesten und Stimmen, welche die Lizenz-Politik als „gierig“ bezeichneten, verlangt HEVC Advance aktuell 2,03 US-Dollar ab dem ersten Gerät mit einer Obergrenze 40 Millionen US-Dollar.
Darüber hinaus muss jeder, der Umsätze mit H.265-codierten Inhalten macht, 0,5 % von seinen Erlösen abführen, bis zu einer Obergrenze von 5 Millionen US-Dollar. Man muss bei diesen Zahlen im Auge behalten, dass bei der Verwendung des H.265- Codecs an beide Patent-Verwertungsgesellschaften die entsprechenden Gebühren zu entrichten sind.
Alles zusammengerechnet, ist H.265 beziehungsweise HEVC siebenmal so teuer wie der Vorgänger-Codec H.264. Dazu kommt, dass mit Technicolor einer der HEVC-Advance-Gründer diesen Pool im Februar 2013 verlassen hat und seine Patente seitdem auf eigene Faust vermarktet.
Niemand wird bestreiten, dass es nützlich und erfreulich ist, eine Video-Datei in der Hälfte der vorher üblichen Zeit zu übertragen – oder eine doppelt so große Datei in derselben Zeit – und dass dies es womöglich wert sein könnte, ein Entgelt in welcher Höhe auch immer für die Nutzung des entsprechenden Codecs zu entrichten.
Allerdings hat H.265 diese ursprünglich anvisierten Ziele, nämlich eine Reduktion der übertragenen Datenmenge um 50 % gegenüber H.264 bei gleichbleibender Qualität, bislang nicht erreicht. Das liegt sicher unter anderem daran, dass sich die Benchmark ein wenig verschoben hat – denn H.264 ist in der Zwischenzeit auch nicht auf der Stelle getreten und ist effektiver geworden.
Aktuelle Messungen der H.265-Codec-Software x.265 legen nahe, dass die tatsächliche Verbesserung der Kompression sich eher im Bereich von 25 % bewegt. Es wird sich zeigen müssen, ob die Anwender langfristig bereit sind, die siebenfachen Lizenzgebühren auf der Basis dieser nicht unbedingt umwerfenden Optimierung in Kauf zu nehmen. Es ist ja keineswegs so, dass keine Konkurrenz in den Startlöchern stünde, die obendrein keine Lizenzgebühren verlangt.
Das offene VP9-Format, erfolgreich auf Googles Video-Plattform Youtube eingesetzt, hat in unterschiedlichen Tests bereits sowohl die Kompressionsrate als auch Bildqualität von H.265 erreicht, und die Markteinführung des Nachfolge-Codecs AV1, in Entwicklung durch die „Alliance for Open Media“, ist für dieses Jahres geplant – und in diesem Konsortium haben sich illustre Mitglieder wie Google, Amazon, Microsoft und Netflix versammelt. Das klingt wie eine bedeutende Alternative zu H.265 – obendrein lizenzfrei und somit nicht in Gefahr, als Gelddruckmaschine missverstanden zu werden.